© HandelsZeitung; 12.05.2010; Ausgaben-Nr. 19; Seite 20 Den anderen zwei Schritte voraus Performance - Erfolgreiche Unternehmen nutzen Krisenzeiten, um die Konkurrenz noch klarer abzuhängen. Wie sie das tun, hat die Studie «Wachsen gegen den Markt» untersucht. Robert Wildi Wie können Unternehmen trotz schwierigem Marktumfeld Erfolge erzielen und ihre Wettbewerber übertrumpfen? Für eine nachhaltige Antwort auf diese Frage würde so mancher Firmen-Patron, CEO oder VR-Präsident trotz Rezession eine nette Stange Geld locker machen. Im Sommer 2009 konfrontierte die Zürcher Beratungsfirma Abegglen Management Consultants zusammen mit Allied Consultants Europe, einem Netzwerk europäischer Unternehmensberatungen, Führungskräfte aus Management, Marketing und Vertrieb von 600 KMU-Betrieben aus Europa, speziell aus der Schweiz, mit dieser Frage. «Wachsen gegen den Markt» ist der Name des inzwischen abgeschlossenen Projektes. Um Aussagen zu einer zeitlichen Entwicklung der Unternehmen machen zu können, wurden die Unternehmen nach der Umsatz- und Ergebnisentwicklung, Schwerpunkten in Strategie, Marketing und Vertrieb der vergangenen zwei Jahre und der zukünftigen zwei gefragt. Trotzdem ist für Mark Sprauer, Studienleiter von Abegglen, klar: «Die Wirtschaftskrise hat im Befragungszeitraum deutliche Spuren in den Antworten hinterlassen.» Nicht weniger als 80% der Befragten haben angegeben, dass ihr Unternehmen aktuell unter den Auswirkungen der Krise leide und für die Jahre 2010 und 2011 sinkende Umsatz- und Profitabilitätswerte erwarte. Trotz Krise offensive Strategien In einem ersten Schritt nach der Befragung wurden anhand der Umsatz- und Ergebnisentwicklung der letzten zwei Jahre die Top-Performer und Worst Performer unter den befragten Unternehmen identifiziert. Dass zwischen Befragung und Studienpublikation ein Zeitraum von fast einem Jahr liegt, hat für Sprauer keinen Einfluss auf die Aktualität der Resultate. «Abgesehen davon, dass die Krise bis heute nicht überstanden ist, haben viele der Top-Performer Massnahmen und Strategien aufgezeigt, die auch im bevorstehenden Aufschwung nachweislich zum Erfolg führen werden.» Das habe damit zu tun, dass sich die meisten Top-Performer von der Krise wenig bis gar nicht beirren liessen und stattdessen ihre innovativen und offensiven Strategien konsequent durchgezogen hätten. Derweil seien die schlechteren und Worst Performer in der Krise typischerweise zu einem «innengerichteten Fokus» übergegangen und hätten sich, durchaus verständlich, mit Kostensenkungen und Prozessoptimierungen statt mit neuen Marktchancen beschäftigt. «Top-Performer können dank ihrer mutigen Offensiv-Strategie im Gegensatz zu den Mitbewerbern Chancen ergreifen, die sich gerade in Krisenzeiten ergeben», interpretiert Mark Sprauer. Generell verfügen sie laut Studie über wirksame und vor allem flexible Strategie-Prozesse und schneiden auch im Change Management deutlich besser ab als die Konkurrenz. «Die erfolgreichen Unternehmen sind auch besser und rascher in der Lage, die entwickelten Strategien im Tagesgeschäft und bei jedem Mitarbeiter umzusetzen.» Sie sind näher am Puls des Marktes, denken und handeln viel stärker aus Sicht der Kunden als die übrigen Unternehmen. Auch im Bereich Marketing und Vertrieb hat die Studie von Abegglen und ACE deutliche Unterschiede zwischen Krisengewinnern und -verlierern herausgeschält. Top-Performer setzen bei der Produkt-, Dienstleistungs- und Preisgestaltung stärker auf innovative Lösungen mit starkem Fokus auf den Kundennutzen. «Deshalb können sie auch in einer schwächeren Konjunkturphase nach wie vor solide Gewinnmargen erzielen», erläutert Sprauer. Im Vertrieb führt gemäss der Studie ein ausgewogener Multi-Kanal-Ansatz am verlässlichsten zum Erfolg. Top-Performer nutzen dabei geschickt je nach Kundensegment und -potenzial ganz unterschiedliche Vertriebskanäle und setzen auch im B2B-Geschäft transaktionale Kanäle ein. Dadurch können sie mehr Kunden erreichen und ihre Vertriebskosten pro Kunde und Transaktion gezielt senken. Worst Performer wachen auf Erste Bemühungen, solche Vorteile zu nutzen und auszuspielen, seien aber auch bei weniger erfolgreichen Unternehmen, sogar bei Worst Performern, durchaus erkennbar, beobachtet Sprauer. «Generell hat die Studie ergeben, dass sie nicht grundsätzlich anders ticken als die Top-Performer.» Der Unterschied liegt im Tempo. «Worst Performer beginnen ihren Fokus erst jetzt auf Themen zu legen, die TopPerformer bereits erfolgreich implementiert haben.» Diese seien stets zwei Schritte voraus. Dies genügt in der schnelllebigen Welt, um kräftig profitable Marktanteile dazuzugewinnen – Krise hin oder her. NACHGEFRAGT «Die Themen haben sich verändert» Mark Sprauer ist Partner bei Abegglen Management Consultants in Zürich und verantwortlich für die Untersuchung. Hat die Wirtschaftskrise die Bedeutung von Unternehmensberatung insgesamt verändert? Mark Sprauer: Beratung ist immer noch notwendig. Sie kann sicherstellen, dass unternehmerische Herausforderungen inhaltlich besser gelöst werden oder dass wichtige Projekte und Vorhaben schneller und fokussierter vorwärtskommen. Was sich geändert hat, sind die Themenschwerpunkte, für die Berater von Unternehmen in Krisenzeiten eingesetzt werden. Tendenziell gab und gibt es mehr Effizienzsteigerungsvorhaben. Wie müssen sich Beratungsunternehmen positionieren, um vom Aufschwung und wachsenden Budgets zu profitieren? Sprauer: Wir stellen bereits eine Trendwende fest. Wachstums- und marktorientierte Themen gewinnen wieder an Bedeutung. Aber auch Prozessoptimierungen bleiben wichtig, zwar weniger mit dem Fokus Kostensenkungen, aber dafür mit dem Ziel, mit bestehenden Kapazitäten mehr Auftragsvolumen bearbeiten zu können. Erfolgreiche Beratungsfirmen leisten unabhängig von der Wirtschaftslage gute Arbeit. Das zahlt sich aus, wenn die Budgets wieder grösser werden. Ist Innovation wirklich etwas, das sich Unternehmen von Beratern «einkaufen»? Sprauer: Teilweise. Unternehmen sollten zwar selbst in der Lage sein, innovativ zu sein und innovative Marktleistungen zu entwickeln. Berater können aber zwei Dinge leisten: Einen strukturierten Wachstums- und Innovationsprozess bei Unternehmen implementieren und bei konkreten Innovationsvorhaben als Katalysator fungieren. Interview: Robert Wildi