Abegglen: Kunde im Mittelpunkt ohne im Weg zu stehen. Ankommen! Lean- oder Customer Experience-Anstrengungen sind oftmals auf dem einen oder dem andere Auge blind: Schlanke Prozesse werden als Sache der Operations- und Produktionsabteilung gesehen, während das Kundenerlebnis fest in der Domäne von Marketing und Vertrieb verankert ist. Die Fallstudie eines Bauzulieferers zeigt, wie der 'Lean Customer Centricity'-Ansatz von Abegglen erlaubt, Kundenerlebnis und Umsatz zu steigern und gleichzeitig Kosten zu reduzieren. Lean Customer Centricity (LCC) als Antwort auf eine typische Ausgangslage Schweizer Mittelstandsunternehmen Der betrachtete Bauzulieferer produziert in der Schweiz nahe der deutschen Grenze vorab für Geschäfts- (Küchenbauer, Generalunternehmer) sowie für Privatkunden. Das Unternehmen verspürte wegen der Frankenstärke Druck auf das Preis- und Mengengefüge und wählte darum das LCC-Vorgehen, um beiderseits bei Kosten und Umsatz anzusetzen. Fünf wichtige Schlüsselmassnahmen brachten rasche Erfolge Die Customer Journey und der dahinterliegende Wertstrom sind bewusst 're-designed' worden (siehe Abbildung). 1. Marketing und Verkauf sind nach einem Kundenbetreuer-Modell mit KPI reorganisiert, sodass die Kundenkontaktpunkte 1-4 durch dieselbe Person gestaltet und abgewickelt werden können. 2. Das Kundenbedürfnis wird bewusst gelenkt, sodass es besser auf produktionsrelevante Aspekte Rücksicht nimmt. Ziel ist es, die Produktionskosten in denjenigen Punkten zu senken, welche für den Kunden unkritisch sind und dort zu investieren, wo direkt ein Nutzen für den Kunden entsteht. Beispielsweise werden Materialschnitte, Fugenmaterial und Rohmaterialausnutzung neu bereits im Verkauf mitberücksichtigt und dahingehend gewählt, dass der Produktionsaufwand sinkt. 3. Die Durchlaufzeit der Aufträge hat sich durch die die Anwendung von 'klassischen' Lean Methoden (SMED, Heijunka, 5S, Visual Management, usw.) halbiert: Der frühere Express-Auftrag ist neu Standard. Damit ist die Grundlage für eine Umstellung der Produktionslogik von der traditionellen Push- auf Pull-Logik geschaffen: Ausgehend vom Montagetermin wird mit wenigen Tagen Vorlauf die Produktion gestartet und somit 'Just-in-Time' auf den Montagezeitpunkt hin gefertigt Das ist eine Seltenheit in der Baubranche und erschien anfangs wegen den branchentypisch vielen, kurzfristigen Aufträgen und Terminverschiebungen unerreichbar. 4. Als weitere Branchenneuheit gibt es nun drei Kundenkontaktpunkte nach der ersten Nutzung der Küche. Ziel war es, bis zu den Privatkunden durchzudringen und Weiterempfehlungen im margenstarken Privatkundenmarkt zu generieren. Erstens wird dem Produkt neu mit der Montage ein Gutschein eines regionalen OnlineHofladen für ein Apéro-Set beigelegt. Es animiert den Nutzer zum Einladen seiner Nachbarn. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass Küchen heute sichtbare und darum repräsentative Teile von Wohnungen geworden sind. Zweitens wird ein kleines Set an Pflegehilfen mit der Bitte zur Weiterempfehlung des Produktes zugeschickt, sobald sich der Endnutzer in seiner neuen Wohnung 'eingelebt' hat. Drittens wird der Kunde nach zehnjähriger Nutzung wiederum angeschrieben und zur Besichtigung neuer Küchen eingeladen. Dies fällt typischerweise mit dem Zeitpunkt zusammen, bei welchem die ersten Ersatzkäufe oder Renovationen von Küchen bedacht werden. 5. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ist auf Teamebene in der Kundenbetreuung, Produktion sowie Montage etabliert. Als Spezialität wird hierbei auch das Kundenfeedback im üblichen Rahmen der zweiwöchentlichen KVP-Treffen behandelt. Der KVP wurde im Verlauf des Projektes auf die Standortebene ausgedehnt. Das bedeutet, dass auch die Standort-, Verkaufs-, Produktions- und Montageleitung ein zweiwöchentliches KVP-Meeting durchführen. Die dadurch institutionalisierte Kommunikation an der Schnittstelle von Verkauf und Produktion, hat sich als äusserst wertvoll heraus gestellt: Es hat ein rasches Einleben der neuen Prozesse und die kontinuierliche Verbesserung an der wichtigsten Schnittstelle im System (an der auch zwei Arbeitskulturen aufeinandertreffen) erlaubt. Entscheidende Punkte im Projektvorgehen Die LCC-Methode unterscheidet sich massgeblich in der Herangehensweise gegenüber üblichen Lean- oder Customer-Experience-Projekten (siehe auch Abegglen Newsletter 2015-05). Im Folgenden die entscheidenden Punkte im betrachteten Beispiel Guter Team-Mix: Ein gemischtes Projektteam aus Standortleitung, Verkauf, AVOR, Produktion sowie Montage repräsentierte alle betroffenen Stellen. Kundensicht einnehmen: Interviews bei repräsentativen Küchenbauern und einem Generalunternehmer zu Beginn und nach Vorliegen der ersten Gestaltungsideen von Customer Journey und Prozess halfen, die Kundensicht einzunehmen. Mittels Branchen- und Konkurrenzvergleichen sowie gemeinsamen Gesprächen wurden Produktetrends pragmatisch herausgeschält. Als Sofortmassnahmen wurde aus den Erkenntnissen ein 'Sales-Boost' bei einem neuen, margenstärkeren Material initiiert. Innert Jahresfrist ist der Umsatz mit diesem Material um knapp 70% angestiegen. Gemeinsame Sprache schaffen: Schritt für Schritt wurde die gesamte Customer Journey 'durchgespielt' (siehe Abbildung) und dokumentiert. Es wurde sowohl die Kundensicht in Form von Kundenkontaktpunkten als auch die dahinterliegenden, internen Prozesse (Wertströme) aufgenommen. Daraus resultierte eine gemeinsame Sprache und Sicht der Dinge welche die etablierten Denk-Silos der Funktionen durchbrach. Im späteren Verlauf der Projekte erlaubte das eine ausserordentlich schnelle Entscheidungsfindung. Konsequenterweise gab es für die Umsetzungsphase ein gemeinsames, 'Silo'-übergreifendes Budget und Zielbild (Soll-Kundenkontaktpunkte, Soll-Wertstrom und SollWerkstattlayout). Mit LCC steht der Kunde im Mittelpunkt ohne damit im Wege zu stehen Nach dem Lean-Customer-Centricity-Projekt hat sich der Arbeitsalltag verändert: Das Motto 'der Kunde sei König' ist nicht mehr nur eine Einstellung in der Kommunikation mit den Kunden. Es setzt sich in stark mit dem Kunden verzahnten, und auf seine Customer Journey ausgerichteten Prozessen fort. Die Mitarbeiter erleben so die Erfüllung von Kunden-, als auch innerbetrieblichen Bedürfnissen in deutlich geringerem Widerspruch. Die Leistungserstellung geht einfacher von der Hand und gleichzeitig wird damit der Kunde mehr begeistert als vorher. Auf der finanziellen Ebene bedeutet dies bessere Umsatzkennzahlen bei sinkenden Stückkosten. Autoren Manuel Fischer, Berater Abegglen Management Consultants AG, Zürich [email protected] Fabienne Buschor, Projektleiterin Abegglen Management Consultants AG, Zürich [email protected]