Das Leser-Forum - Deutsches Ärzteblatt

Werbung
BRIEFE
Das Leser-Forum
SEXUELLE ORIENTIERUNG
Homosexualität gehört zur natürlichen sexuellen Orientierung und bedarf keiner Therapie –
so die eindeutige Stellungnahme des Weltärztebundes (DÄ 6/2014: „Variationsvielfalt jenseits der Pathologie“ von Lieselotte Mahler).
Überfällig
Nach der politischen Entkriminalisierung
durch Aufhebung des § 175 StGB jetzt die
überfällige Entpathologisierung durch den
Weltärztebund. Thomas Mann sagt in seinen späten Tagebüchern, es sei ihm „bis
zur Verachtung unbegreiflich“, dass irgendjemand nicht gleich ihm die Schönheit kraftvoller Männer über alles stelle.
Michael Maar zeigt 1995 in seiner sensationellen Dissertation, wie Hans Christian
Andersen in „Die kleine Seejungfrau“ seine Homosexualität verarbeitet hat und wie
sein Leidensgenosse Thomas Mann exakt
die entsprechenden Textstellen sofort erkannt und in seiner Andersen-Ausgabe angestrichen hat, und welche Spuren sich bis
in den „Zauberberg“ verfolgen lassen.
Thomas Mann wusste, wovon die Jungfrau in Männerkleidern zu schweigen hatte. „Männerfantasien“ finden sich von
Winckelmann bis Thomas Mann, die unterschiedlichen Reaktionen darauf ebenfalls: Von Goethes Verteidigung der
gleichgeschlechtlichen Liebe in seiner
Winckelmann-Schrift bis zu Heinrich Heines berüchtigten Invektiven gegen den homosexuellen Grafen August von Platen.
Heine, der sich seiner eigenen korrekten
Männlichkeit nie ganz sicher war, fand
Homosexualität im gleichen Sinn anmaßend wie den Geburtsadel. Gleichheit hieß
auch: gleicher Sex für alle.
Dass Homosexualität „nie soziokulturell
beeinflussbar ist“, ist umstritten. Magnus
Hirschfeld zum Beispiel sieht 1904 in
„Berlins Drittes Geschlecht“ in den Athletenvereinen und Soldatenbündnissen Brutstätten für Homosexualität. Ausführlich
beschreibt er die berühmten Soldatenstriche in Berlin, London und St. Petersburg.
. . . Homosexualität als „frei gewählter Lebensstil“ zu bezeichnen, ist keine „offene
Diskriminierung“, wie die Autorin meint,
sondern die politisch korrekte Erklärung
homosexueller Interessenverbände, nachdem alle Versuche einer naturwissen-
A 556
schaftlichen Erklärung (Hormontheorie,
Homosexuellen-Gen u. a.) gescheitert waren. Homosexualität sei ein selbst gewählter subkultureller Lebensstil, heißt es seitdem. Daran schließt sich an, dass man für
Kinder, insbesondere Jungen, in der Erziehung eine „nichtidentitäre“ Sozialisation
anstreben sollte, damit ihnen in der Pubertät die Adaption von verschiedenen Identitäten verfügbar ist. Die Herausbildung einer sexuellen Identität müsse bewusst vermieden werden. Zu finden in Veröffentlichungen des Deutschen Jugendinstituts
und der Heinrich-Böll-Stiftung, zu hören
von progressiven Schulpädagogen.
Dr. med. Rolf Klimm, 83093 Bad Endorf
Fragen unerwünscht
Mit zunehmender Bedrückung sehe ich,
wie der berechtigte Widerstand gegen tatsächliche Diskriminierung von Homosexuellen sich als Diktatur über das Denken
und Fühlen der gesamten Bevölkerung
entpuppt. Im Namen der Toleranz und
Vielfalt hat jetzt jeder und jede Homosexualität als normal, natürlich und gut zu
finden. Von oben nach unten wird die Uniform des Regenbogens angeordnet.
Ein echter Dialog, ein Abwägen, ein Fragen und Hören ist offensichtlich unerwünscht.
Nein, in einer Eilpetition (warum die Eile?) wird eine einseitige Stellungnahme
veröffentlicht und Widerspruch abgewürgt. Therapien, die Menschen mit dem
Wunsch nach Veränderung begleiten, bekommen ihre Anführungsstriche und werden verunglimpft; schon das Ansinnen
qualifizierter Therapeuten, solche Begleitung anzubieten, wird verurteilt. Homosexuell Empfindende haben sich einbahnstraßenmäßig mit ihrer Orientierung abzufinden. Da ist Schluss mit Toleranz.
Dabei gibt es durchaus Forschungsergebnisse und Lebensberichte, die zeigen, dass
in manchen Fällen Veränderung möglich
ist. Nie wird eine Heilung versprochen –
das wird nur immer wieder behauptet, um
diese Therapeuten dann als Lügner abstempeln zu können.
Es ist keinesfalls bewiesen, dass Homosexualität angeboren ist. Auch bei Menschen, die sich „schon immer“ zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlten, sind
andere Interpretationen möglich. Eine
sachliche Diskussion findet nicht statt . . .
Schade, dass der Weltärztebund sich hier
vor einen Karren spannen lässt. Wenn diese Stellungnahme auch mehrheitlich verabschiedet wurde, muss sie nicht von jedem Arzt/jeder Ärztin übernommen werden. Eigenes Denken ist erlaubt!
Dr. Ilse Schütze, 03172 Guben
ENTEROBAKTERIEN
Immer häufiger werden Enterobakterien isoliert, die eine Resistenz gegenüber Carbapenemen aufweisen (DÄ 46/2013: „Hochresistente
Enterobakterien: Systematisches Screening ist
notwendig“ von Christoph Lübbert, Norman
Lippmann und Arne C. Rodloff).
Ergänzungen
Der Artikel weist wegen der beschränkten
therapeutischen Option zu Recht auf die
Gefahr von Infektionen durch Carbapenemase-bildende Enterobakterien hin. Ebenso zu Recht wird die Notwendigkeit von
Präventionsmaßnahmen betont. Hierbei
wird das Screening, das heißt die Untersuchung zur Identifikation asymptomatischer Träger, zum Nachweis dieser Bakterien als eine wichtige Maßnahme herausgehoben.
Tatsächlich existieren in Deutschland juristisch relevante Hinweise (§ 23 [3] Infektionsschutzgesetz, §§ 5, 11 Biostoffverordnung) zum hygienischen Umgang mit
den betroffenen Patienten und damit zur
Prävention der Besiedlung und gegebenenfalls Infektion weiterer Patienten sowie des medizinischen Personals in Form
einer aktuellen KRINKO-Empfehlung sowie einer demnächst aktualisiert erscheinenden Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe. In der KRINKO-Empfehlung wird eine phänotypische und für
das Alltagshandeln überaus hilfreiche Einteilung der multiresistenten Enterobakterien vorgenommen, die im Artikel von
Lübbert et al. unerwähnt bleibt. Je nachdem, ob die Enterobakterien noch empfindlich gegen eine Substanzklasse der
vier bakteriziden Erstlinientherapeutika
Acylureidopenicilline + ß-Laktamaseinhibitor, Cephalosporine der 3. Generation,
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014
BRIEFE
Carbapeneme und Chinolone oder durchgängig resistent sind, werden sie als
3MRGN beziehungsweise 4MRGN Enterobakterien bezeichnet. Carbapenemasebildende Enterobakterien sind meist auch
gegen Chinolone resistent und sind dann
den 4MRGN-Stämmen zuzuordnen.
Unabhängig vom Resistenzstatus werden
Enterobakterien in aller Regel über direkte
oder indirekte Kontakte übertragen, so
dass Standardhygienemaßnahmen (allem
voran die Händehygiene) zur Übertragungsprävention ausreichen – wenn sie
denn konsequent beachtet werden. Da die
Bakterien nach einer Übertragung Patienten eher besiedeln als direkt infizieren,
sind zudem spezifische Hygienemaßnahmen bei invasiven Handlungen zur Verhinderung einer endogenen Infektion strikt
durchzuführen. Alle darüber hinaus gehende Maßnahmen wie das Screening und
eine Isolierung besiedelter oder infizierter
Patienten dienen einerseits der Verstärkung der Aufmerksamkeit des Personals,
andererseits der Prävention einer (in)direkten Übertragung zwischen verschiede-
nen Patienten in einem Raum. Nur aus
dem letzten Aspekt lässt sich eine Plausibilitätsbegründung für das von Lübbert et
al. geforderte systematische Screening ableiten. Dabei fehlen die tragfähigen Argumente zum Nutzen des Screenings auf der
Basis von prospektiven Studien. Selbst für
MRSA ist trotz einer ganzen Reihe solcher
Studien der Nutzen des Screenings in der
endemischen Situation noch umstritten,
für 3MRGN und 4MRGN gibt es zu diesem Thema solche Studien nicht. Dass
hierbei für verschiedene Erreger Unterschiede bestehen können, dokumentiert
der sehr unterschiedliche Erfolg der holländischen Kollegen in der MRSA- und
MRGN-Prävention . . .
Das fehlende Wissen sollte Anlass geben,
schleunigst Studien aufzulegen, die die
Lücken schließen. Davon wird nicht nur
das Problem des Screenings hinreichend
geklärt, sondern auch die gesamte mikrobiologische Diagnostik profitieren.
Bis dahin kann in Ermangelung besser begründeter Handlungen ein Screening ausschließlich in besonderen Risikosituatio-
nen durchgeführt werden, sprich bei Aufnahme von Patienten auf Risikostationen
(insbesondere in der Pädiatrie wegen der
fehlenden Option einer Chinolontherapie),
bei Ausbrüchen (die bei Kontakt-übertragenen Erregern immer auf grundsätzliche
Probleme beziehungsweise Fehler in der
lokalen Hygiene hinweisen) sowie wenn
die gesetzlich vorgeschriebene lokale Infektionserregersurveillance (und nicht die
asymptomatische Trägerprävalenz) ein gegenüber der Region überdurchschnittliches Vorkommen oder eine innerhalb der
Einrichtung ungünstige zeitliche Tendenz
des Vorkommens von 4MRGN Enterobakterien ausweist.
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Podbielski, Institut für
Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, Universitätsmedizin Rostock, 18057 Rostock
►
Leserbriefe per E-Mail richten Sie bitte an leserbriefe
@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt,
Ottostraße 12, 50859 Köln. Die Redaktion wählt Briefe
zur Veröffentlichung aus und behält sich Kürzungen vor.
Herunterladen