Klinische Ethik

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Klinische Ethik
Von der guten Absicht zur
Implementierung – Klinische
Ethikkonsultation und
weitere Formen der
Unterstützung
Leitung
Prof. Dr. Stella Reiter-Theil, Dipl.-Psych.
http://klinische-ethik.unispital-basel.ch
Email: [email protected]
Gliederung
1. Was heisst hier „Ethik“ …?
2. Klinische Ethikkonsultation in der
Psychiatrie?
• Warum so spät, so selten?
3. Weitere Formen der Unterstützung
4. Projekte – Beispiele
• Implementierung von ‚Ethik„ in die klinische
Routine: KJPK
5. Ausblick
„Ethik“?
„Bei uns werden Patienten häufiger fixiert als nötig.
Aus der Pflege heisst es als Begründung
‚Personalknappheit„. Aber das kann eigentlich
nicht stimmen.“ David Cassidy, Pflegedirektor,
Erwachsenenpsychiatrie (EPK)
„Die Türen bleiben – zu oft – geschlossen; dabei
fehlt die Evidenz, dass dies der Behandlung
nützt.“ Undine Lang, Chefärztin, Erwachsenenpsychiatrie (EPK)
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
„Ethik“?
„Mehr Partizipation der jungen Patienten bei
Entscheidungen ist nötig.“ Regine Heimann,
Pädagogische Klinikleiterin, Kinder- und
Jugendpsychiatrie (KJPK)
„Wir sehen Fälle, wo die rechtliche Konfliktlösung,
z.B. bzgl. Sorgerecht, ethisch überhaupt nicht
befriedigend ist.“ Klaus Schmeck, Direktor, Kinderund Jugendpsychiatrie (KJPK)
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Welche „Ethik“ für welches Problem?
•
Arzt-Ethik oder Pflege-Ethik?
•
Autonomie-Ethik oder Fürsorge-Ethik?
•
Normative Ethik oder Hermeneutik?
•
…
– Was ist angemessen für die Ethik in der
(psychiatrischen) Klinik?
Klinische Ethik ist „integrative Ethik“.
Ethische Prinzipien
•
•
•
•
Respekt vor der Autonomie / Respect
for autonomy / Voluntas aegroti
Vermeidung von Schaden / Nonmaleficence / Nil nocere
Hilfeleistung / Beneficence / Salus
aegroti
Gerechtigkeit / Fairness
Beauchamp & Childress 1994 ff
Perspektiven
•
•
•
•
•
•
Patient / Patientin
Arzt / Ärztin, Pflege, andere Fachleute
Team / Kooperation der Berufsgruppen
Partner/in, Familie / Angehörige des Patienten
Institutioneller Kontext
Gesundheitswesen - Medizin als Teil der
Gesellschaft - Kostenträger
• … Generationen?
Erfahrungen von
Ärzten mit
ethischen
Schwierigkeiten
experience with ethical difficulties
types of difficulties: treating patients with
impaired or uncertain decision-making
*disagreement among caregivers
*limiting life-sustaining treatment or Do Not
Resuscitate order
*patient disagreement for reasons other than
religious or cultural
uncertainty whether to maintain confidentiality
*uncertainty whether to disclose diagnosis to
the patient
*patient disagreement for religious or cultural
reasons
*scarcity of resources
*conflict with policies or laws
*rules for payment of services conflict with
chosen course of action
*request for physician assisted suicide or
euthanasia
*insurance status conflict with chosen course
of action
Norway
UK
Switzerland
Italy
0
Hurst et al J Med Ethics (2007) 33,1: 51-57
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Percentages shown in valid percent
*Kruskal-Wallis, p<0.01
Drei Brennpunkte
1. Unklarer Patientenwille
2. Entscheidungen am Lebensende
und vor allem
3. Uneinigkeit unter den Beteiligten,
zwischen Behandelnden / mit Patienten,
aus verschiedenen Gründen
Based on your experience, are patients who belong to any of these groups more likely than
others to be denied beneficial care on the basis of cost in your health care environment?
*Pearson Chi-Square: p<0.01
At least one group*
Illegal immigrants*
Legal immigrants
Italy
Norway
Switzerland
UK
Members of an ethnic minority*
Mentally incapacitated*
Require chronic care*
Cannot pay for treatment*
Need expensive treatment*
Old
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90 100
Highly accessed
Hurst, Forde, Reiter-Theil, Slowther. Perrier, Pegoraro, Danis (2007) BMC Health Services Research, 7:137
Vierter Brennpunkt
1. Unklarer Patientenwille
2. Entscheidungen am Lebensende
und vor allem
3. Uneinigkeit unter den Beteiligten,
zwischen Behandelnden / mit Patienten,
aus verschiedenen Gründen
Das METAP-Projekt
Op. Intensivbehandl.
•
•
•
•
Akut-Geriatrie
M - Module
Med. Intensivmed.
Kantonsspital
Viszeralchirurgie
Regionalspital
E - Ethik
Geriatr. Langzeitpflege
Privatspital
T - Therapie
Hämatologie
A - Allokation von Ressourcen
(incl. Zeit...)
Klinische Medizin,
Pflege, Pflegewissenschaft,
Ethik, Philosophie, Jura,
• P - Prozess
Univ.-spital
Sozialwissenschaften, Psychologie
SNF-Projekt Nr. 3200B0-113724/1
Website:
www.klinischeethik-metap.ch
Dort: download von Instrumenten wie
Checklisten u.a. sowie
Referenzen, Information betr. Schulung
Gliederung
1. Was heisst hier „Ethik“ …?
2. Klinische Ethikkonsultation in der
Psychiatrie?
• Warum so spät, so selten?
3. Weitere Formen der Unterstützung
4. Projekte – Beispiele
• Implementierung von ‚Ethik„ in die klinische
Routine: KJPK
5. Ausblick
Klinische Ethikkonsultation in der Psychiatrie
•
Anfragen für Ethikkonsultationen
(KEK) aus der Psychiatrie
• Noch wenig publiziert
•
(Un)Sichtbarkeit des Themas?
• Literaturrecherche: allg. Lit. zur Ethik in der
Psychiatrie, dagegen kaum zur KEK
•
Persönliche Erfahrungen
• Pionierarbeiten: KJP-Modell 1997 – “zu früh”?
• V.a. rechtlich orientierte Ansätze
Modell 1997
Ethikkonsultation
Kinder- und
Jugendpsychiatrie
Sammelband:
•
Stutzki R, Ohnsorge K, Reiter-Theil S (Hrsg) (2011)
Ethikkonsultation heute – vom Modell zur Praxis.
LIT Verlag, Münster
Klinische Ethikkonsultation in der Psychiatrie
•
Evidenz für ethische Schwierigkeiten am
Krankenbett, die auch für die Psychiatrie
relevant sind
–
… vier Brennpunkte …
–
Z.B. Bielefeld, Evangelisches Krankenhaus
& Epilepsiezentrum Mara:
• ca. 10% der Anfragen kommen aus der Psychiatrie
– In Vorbereitung : Kobert, Löbbing, Pfäfflin
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Mögliche Gründe für späten Start
… von Klinischer Ethik in der Psychiatrie?
– Hat die Psychiatrie wenig Bedarf (oder
keinen) an ethischer Unterstützung
• auf Grund ihrer Stärken (+)?
– Oder versäumt es die Psychiatrie, ihren
Bedarf zu erkennen
• auf Grund ihrer Schwächen (-)?
– Andere Gründe?
Fallbeispiele
aus den UPK
Ethikkonsultation UPK (I) © Reiter-Theil 2013
Meine Arbeitsweise Ich arbeite Lösungs-orientiert nach einer Methodik, die
ich über viele Jahre in engem Austausch mit führenden internationalen
Gruppen entwickelt habe. Dabei stehen immer die Personen und Anliegen
(nicht die „Methode“) im Zentrum. Meine Arbeitsweise wird in Publikationen (s.
Literatur) anschaulich dokumentiert, ebenso durch Kurse oder Vorträge.
Ihre Autorisierung für eine Anfrage Eine Ethikkonsultation, an der mehrere
Mitarbeitende teilnehmen, wird mit der Teamleitung abgesprochen.
Klärungsbedarf sollte in den Abteilungen direkt aufgegriffen und ggf.
zusammen mit der Klinischen Ethik besprochen werden.
Die ethische Besprechung dient der Verständigung, nicht der Vertiefung von
Auffassungsunterschieden. Da die Besprechung sinnvoller ist, wenn alle
relevanten Perspektiven „am Tisch vertreten“ sind, spricht viel dafür, vorher
untereinander abzustimmen, wer an der Ethikkonsultation teilnehmen möchte
und soll.
Auch eine individuelle ethische Konsultation kann sinnvoll sein, z.B. um
herauszufinden, ob eine persönliche Problemwahrnehmung eine „ethische“
Fragestellung aufwirft, was ggf. zu tun wäre etc. Jedes Teammitglied sollte bei
Bedarf berechtigt sein, sich mit einem solchen Anliegen zu melden.
Ethikkonsultation UPK (II) © Reiter-Theil 2013
Vorinformation – Vorbereitung Es ist hilfreich, wenn ich vorab via Email
(Patient anonymisiert) eine kurze Zusammenfassung erhalte, wie / worin Sie
die ethische Fragestellung sehen, eine Zusammenfassung zur Vorgeschichte
(Diagnose, Therapie, Prognose, Komplikationen, soziale Situation o.a.).
Terminvereinbarung – Zeitaufwand Wir finden gemeinsam einen Termin. Der
Bedarf liegt bei ca. 1 Stunde ohne Einbezug von Patient/in; mit Einbezug von
Patient/in planen wir entsprechend mehr Zeit ein. Aus der Ethikkonsultation
können sich weitere Gespräche ergeben, sei es im Rahmen Ihrer Routine, oder
aber zusätzlich.
Meine Dokumentation erfolgt vertraulich. Zur Nachbesprechung und für ein
Follow-up planen wir Zeit ein; dies gilt der Qualitätssicherung.
Partizipation – Zugang Es gilt zu entscheiden, wer sinnvoller Weise an der
ethischen Konsultation teilnehmen soll: Behandelnde; Pflegende; weitere
Personen? Zu empfehlen ist, dass die am stärksten Beteiligten und Betroffenen
teilnehmen – gerade auch dann, wenn evtl. unterschiedliche Auffassungen
bestehen. Die Erfahrung zeigt, dass eine ethische Fallbesprechung ein
beachtliches Integrationspotenzial anregen kann und dass manche
unüberwindlich scheinende Uneinigkeit gar nicht so gravierend ist wie zuerst
gedacht.
Ethikkonsultation UPK (III) © Reiter-Theil 2013
Patienten und Patientinnen – Angehörige Grundsätzlich soll das Angebot
der Ethikkonsultation auch Patienten bzw. Angehörigen zugänglich gemacht
werden. In der Regel ist es empfehlenswert, wenn zuerst die Behandelnden an
einer ethischen Besprechung teilnehmen, um für sich zu klären, welche Fragen
sie haben, wo sie stehen und welche Lösungen wünschenswert und möglich
sind. Zusätzlich kann dann ein Gespräch mit Patient / Patientin / Angehörigen
vereinbart werden, wobei auch dafür im Einzelfall zu entscheiden ist, wer noch
teilnehmen möchte oder sollte.
Vertraulichkeit – Informationspflicht Die Behandelnden informieren
entscheidungsfähige Patienten (bei Kindern / jugendlichen Patienten die Eltern
bzw. Sorgeberechtigten) über die ethische Besprechung; auf der Basis ihrer
Behandlungskompetenz entscheiden sie, wann und in welcher Form sie
Patienten über Inhalte der ethischen Besprechung informieren.
Inhalte der Ethikkonsultation / der ethischen Besprechung werden von allen
Anwesenden / Teilnehmenden vertraulich behandelt. Dies gilt nicht nur für
Patienten-bezogene Inhalte, sondern ebenso für alle Inhalte, welche Kollegen
und Kolleginnen betreffen, ihre Wertvorstellungen, moralischen Konflikte oder
Unsicherheiten, einschliesslich Ethikfachpersonen.
Formen ethischer Unterstützung in der Klinik
Formen ethischer Unterstützung
Reiter-Theil 2008 Ther Umschau 65: 359-365
Formen ethischer Unterstützung in der Klinik
Formen ethischer Unterstützung
Ethikbeirat
UPK
Ethikkonsultation,
Fallbesprechungen u.a.m.
Abteilungsspezifische
Projekte, z.B.:
Implementierung
ethischer Zielkriterien
in Routine: KJPK
Reiter-Theil 2008 Ther Umschau 65: 359-365
Gliederung
1. Was heisst hier „Ethik“ …?
2. Klinische Ethikkonsultation in der
Psychiatrie?
• Warum so spät, so selten?
3. Weitere Formen der Unterstützung
4. Projekte – Beispiele
• Implementierung von ‚Ethik„ in die klinische
Routine: KJPK
5. Ausblick
Klinische Ethik – verschiedene Formen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Eigene ethische Orientierung
Rücksprachemöglichkeit im Team
Screening bzgl. ethischer Fragen, z.B. via Visite
Fallbesprechung mit ethischen Aspekten
Ethikkonsultation, ggf. auch einzeln
Weiterbildung
Themenspezifische Arbeitsgruppen / Projekte, z.B. EthikPolicies für wiederkehrende Fragen oder Probleme
8. Ethische Beratung für Patienten / Angehörige
9. Patientenversammlung o.a.
10. Interinstitutionelle Kooperation: Fallberatung, Fortbildung
Gliederung
1. Was heisst hier „Ethik“ …?
2. Klinische Ethikkonsultation in der
Psychiatrie?
• Warum so spät, so selten?
3. Weitere Formen der Unterstützung
4. Projekte – Beispiele
• Implementierung von ‚Ethik„ in die klinische
Routine: KJPK
5. Ausblick
Implementierung in der KJPK
Ethische Zielkriterien in die tägliche Routine
implementieren (Heimann et al, ICCEC, 2013)
• Viele Fälle weisen (gravierende) ethische
Probleme auf,
•
•
Diese Problems wurden angegangen,
•
•
Z.B. Fremdplatzierung, familialer Missbrauch während
Therapie, Entscheidungen gegen Kindeswohl
jedoch ohne systematische und explizite ethische Analyse
Entscheidungen / Ergebnisse sind oft (zu)
“pragmatisch”, z.B.
•
Kompromisse mit Eltern, die den Behandlungserfolg
belasten
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Gliederung
1. Was heisst hier „Ethik“ …?
2. Klinische Ethikkonsultation in der
Psychiatrie?
• Warum so spät, so selten?
3. Weitere Formen der Unterstützung
4. Projekte – Beispiele
• Implementierung von ‚Ethik„ in die klinische
Routine: KJPK
5. Ausblick
Ausblick
•
Konsolidierung der Implementierung
in KJPK
• Berichte, Diskussion & Publikation (ICCEC 2013)
• Projekt (Qualitätsmanagement); Begleitstudie
•
Weiterführung und Ausbau der in UPK
gestarteten Aktivitäten: EPK
– Begleitung der Öffnung der Türen
– KEK auf Anfrage; Weiterbildung
•
•
Aktuell: Umfrage >ethische Schwierigkeiten
Tagung 3. Juli 2013
& Klinische Ethik
Symposium
Klinische Ethik in der Psychiatrie
UPK
3.7.2013
Info: [email protected]
Clinical Ethics international …
Website www.clinical-ethics.org
• ICCEC Series: Cleveland – Basel – Toronto – Rijeka – Taipei –
Portland – Amsterdam – Sao Paulo – Munich …
• Invitation
ICCEC 2014: 10. International Conference
Clinical Ethics & Consultation
Paris, France, 24-26 April 2014
“The patient‟s voice”
Hosted by Centre d‟éthique clinique, Hôpital Cochin
Assistance Publique-Hôpitaux de Paris, Université Paris
Descartes
Sous le Haut Patronage du Pôle de Recherche et
d‟Enseignement Supérieur (PRES) Sorbonne Paris-Cité
Co-Directors: George Agich, Stella Reiter-Theil
Dank
• UPK Universitäre Psychiatrische Kliniken
Volker Dittmann (Präsident Ethikbeirat), Christina Stadler,
Undine Lang, Edith Holsboer-Trachsler etc.
Andreas Windel, Rita Anton, Eleonora Riz à Porta, Gerhard
Ebner
 Implementierung KJPK
- Regine Heimann, Pädagogische Klinikleiterin, Alain di Gallo,
Chefarzt, and die Stationen & Mitarbeitenden
• Klinische Ethik – beteiligte Mitarbeitende
• Jan Schürmann, Ioana E. Hiriscau, Irina Medau, Sebastian
Hollwich, Nicola Stingelin, Ralf Stutzki
• ECEN / Summer School 9/2012
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
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