RECHT EINFACH JuristInnen der Ärztekammer beantworten Ihre Fragen Einwilligung in medizinische Maßnahmen Jede medizinische Maßnahme bedarf der vorherigen Einwilligung der konkret betroffenen, einsichts- und urteilsfähigen Person. Abweichendes gilt, wenn die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht vorliegt. In diesem Fall kann der Betroffene nicht selbst in eine medizinische Maßnahme einwilligen sondern hat ein Vertreter diese Aufgaben für ihn zu übernehmen. Unter Einsichts- und Urteilsfähigkeit versteht man grundsätzlich die Fähigkeit, die Ursache, Bedeutung sowie Tragweite einer Heilbehandlung erfassen zu können und darauf aufbauend eine Entscheidung zu treffen. Auch die Konsequenzen einer erteilten Zustimmung bzw. der Ablehnung einer medizinischen Behandlung müssen eingeschätzt werden können. Minderjährige Patienten Minderjährige können für sich selbst oftmals nicht rechtswirksam in eine medizinische Behandlung einwilligen. Als Anhaltspunkt für die Beurteilung ist primär das Alter des minderjährigen Patienten heranzuziehen. Kinder bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres sowie unmündige Minderjährige zwischen sieben und 14 Jahren können nicht rechtswirksam in eine medizinische Behandlung einwilligen. Bei der Behandlung mündiger Minderjähriger zwischen 14 und 18 Jahren wird die widerlegbare Vermutung aufgestellt, dass diese prinzipiell in medizinische Behandlungen ohne Mitwirken ihres gesetzlichen Vertreters einwilligen können, es sei denn, es handelt sich um schwerwiegende Eingriffe wie etwa Operationen. Für diesen Fall ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in Pflege- und Erziehungsangelegenheiten notwendig. Wenn beide Elternteile obsorgeberechtigt sind, dann genügt die Zustimmung eines Elternteils. Verweigert der gesetzliche Vertreter oder Pflegeberechtigte aus sachfremden Motiven die Einwilligung, kann diese durch eine Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes (Bezirksgericht) ersetzt werden. Geistig behinderte oder psychisch kranke volljährige Patienten In der Praxis kommt es häufig vor, dass Ärzte etwa mit älteren, dementen Menschen, psychisch Kranken oder geistig behinderten Personen in Kontakt sind und sich die Frage stellen, welche konkrete Person als Vertreter in eine bestimmte medizinische Maßnahme wirksam einwilligen kann, wenn der Patient nicht einsichts- und urteilsfähig ist. Als mögliche Vertreter kommen vertretungsbefugte nächste Angehörige, Vorsorgebevollmächtigte sowie Sachwalter in Betracht. Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger In medizinischen Belangen ist die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger von vornherein nur sehr eingegrenzt möglich. Die nächsten Angehörigen, das sind Ehegatten, eingetragene Partner, Lebensgefährten (die seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt leben), Eltern sowie volljährige Kinder können nur in gewöhnliche medizinische Maßnahmen einwilligen. Die vertretene Person kann der Vertretung durch einen bestimmten Angehörigen aber jederzeit widersprechen. Jede Vertretungsbefugnis muss von einem Notar im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden, und ist es durchaus sinnvoll, dass der Vertretungsbefugte eine Bestätigung der Registrierung zum Nachweis bei sich trägt. Velden 21. – 27.8.2016 19. Ärztetage praxisorientiert - interaktiv - intensiv www.arztakademie.at/velden RZ_Inserat_Ankünder_Arztakademie.indd 2 14 CONSILIUM 03/16 14.12.15 17:41 Foto: bilderbox.com RECHT EINFACH Vorsorgevollmacht Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person schon vor Verlust der Geschäftsfähigkeit, der Einsichts- und Urteilsfähigkeit und/ oder der Äußerungsfähigkeit bestimmen, wer für sie im Fall des Verlustes der genannten Eigenschaften Entscheidungen treffen und Vertretungshandlungen setzen darf. Die Vorsorgevollmacht wird erst und nur so lange wirksam, als der Vollmachtgeber die notwendigen Eigenschaften nicht aufweist. Für den Fall, dass die Vorsorgevollmacht auch medizinische Behandlungen erfasst, die üblicherweise mit schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind, gelten verschärfte Bestimmungen für das Zustandekommen, es bedarf dazu zwingendermaßen der Errichtung vor einem Rechtsanwalt, Notar oder bei Gericht. Ansonsten genügt die Unterzeichnung eines vorgefertigten Formulars vor drei unbefangenen und volljährigen Personen/Zeugen. Sachwalterschaft Eine Sachwalterschaft regelt die Entziehung oder Einschränkungen von Rechten einer Person. Die Entscheidungsbefugnis der betroffenen Person soll dabei nur insoweit eingeschränkt werden, als dies unbedingt notwendig ist. Der Umfang variiert und kann Rechtsgeschäfte, die soziale beziehungsweise ärztliche Betreuung betreffen, umfassen. Der Sachwalter kann in medizinische Behandlungen nur einwilligen, wenn dieser Bereich von seiner Zuständigkeit erfasst ist. Bei medizinischen Eingriffen, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind, kann der Sachwalter nur zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass die besachwaltete Person nicht über die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt und die Behandlung zum Wohl des Patienten ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder die besachwaltete Person zu erkennen gibt, dass sie die Behandlung ablehnt, so bedarf die Zustimmung der Genehmigung des zuständigen Bezirksgerichts. Erteilt der Sachwalter die Zustimmung zu einer Behandlung nicht und wird durch diese Weigerung das Wohl der vertretenen Person gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung des Sachwalters ersetzen oder sogar einer anderen Person die Sachwalterschaft übertragen. Unvertretene volljährige einwilligungsunfähige Patienten Wenn ein volljähriger Patient aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung nicht einwilligungsfähig und nicht angemessen vertreten ist, stellt sich die Frage für den behandelnden Arzt, wie eine wirksame Einwilligung in die Behandlung zustande kommen kann. Wenn weder ein Sachwalter bestellt wurde, noch Angehörige die Vertretung übernehmen, so kann vom Arzt beziehungsweise von der Krankenanstalt die Bestellung eines Sachwalters beim zuständigen Pflegschaftsgericht, das ist das jeweilige Bezirksgericht, anregen. Selbstverständlich gilt das beschriebene Procedere nur für Maßnahmen, die ohne Bedenken verschoben werden können, die also nicht als medizinischer Notfall zu qualifizieren sind. Medizinische Behandlungen, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind Schwere oder nachhaltige Beeinträchtigungen werden bei einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung angenommen. Eine nachhaltige Beeinträchtigung ist dauerhaft oder nur sehr schwer wieder zu beseitigen. Eine schwere oder nachhaltige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit haben größere operative Eingriffe, Amputationen, Maßnahmen, die lebenswichtige Organe betreffen und beispielsweise Chemooder Strahlentherapien. Schwere oder nachhaltige Beeinträchtigungen der Persönlichkeit werden angenommen, wenn mit der Einnahme von Psychopharmaka oder anderer Medikamente etwa die Entwicklung von Abhängigkeiten oder Depressionen verbunden sein kann. CONSILIUM 03/16 15