Verfassungsfeinde und das Kapital Finanzströme im

Werbung
Verfassungsfeinde und das Kapital
Finanzströme im Rechtsextremismus
Eine Veranstaltung des Verfassungsschutzes der Länder
Brandenburg und Sachsen am 23. August 2012 in Potsdam
Tagungsband
Inhaltsverzeichnis
Winfriede Schreiber
Eröffnungsrede der Leiterin des Verfassungsschutzes Brandenburg .............................2
Dr. Dietmar Woidke
Grußwort des Innenministers des Landes Brandenburg .................................................4
Martin Döring
Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen
„Geld verdienen mit Hass – Rechtsextremistische Musik
in Sachsen zwischen Ideologie und Kommerz“ ...............................................................9
Gordian Meyer-Plath
Präsident Verfassungsschutz Freistaat Sachsen
„Rechtsextremismus als Berufung – Sozioökonomische Profile
brandenburgischer Rechtsextremisten“.........................................................................15
Dr. Marc Brandstetter
Redaktionsleiter „Endstation Rechts.“
„Das Finanzwesen der NPD – Wie die Demokratie ihre Feinde finanziert“ ...................26
Klaus Hanfland
Verwaltung des Deutschen Bundestages
„Gesetzliche Grundlagen und Praxis der Parteienfinanzierung“ ...................................40
Univ.-Prof. Dr. iur. Volker Epping
Leibniz Universität Hannover
„Müssen Demokraten ihre Feinde finanzieren? Extremisten im
Spannungsfeld von Parteienfinanzierung, Überwachung und Verbot“ ..........................45
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
1
Winfriede Schreiber, Leiterin des Brandenburger Verfassungsschutzes
Eröffnungsrede
Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Auftrag des Verfassungsschutzes ist im Grundgesetz bestimmt. Darin wurden
schon 1949 die Wehrhafte Demokratie sowie die Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz festgelegt, um den Kernbestand unserer Verfassung, die freiheitliche
demokratische Grundordnung zu sichern. Zur Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber
dem Verfassungsschutz nur ein Mittel in Hand gegeben: Er sammelt Informationen über
verfassungsfeindliche Bestrebungen. Diese wertet er aus und informiert darüber zuständige Stellen. Das ist zum Beispiel die Polizei. Aber auch die Öffentlichkeit zählt dazu.
Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Brandenburg freuen sich, dass wir auch für
die neunte Fachtagung ein Thema gefunden haben, das aktuell ist und neue Herausforderungen der Demokratie betrifft. Dieses Jahr geht es um „Verfassungsfeinde und das
Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus“. Dazu haben wir Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen eingeladen.
2
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Rechtsextremisten haben schon immer gewusst, wie man an Geld kommen kann. Adolf
Hitler zum Beispiel, dessen Privatvermögen immerhin mehrere Millionen Reichsmark
betrug, ließ sorgfältig überwachen, dass ein Foto von ihm nicht unentgeltlich verwendet wurde. Auch heute kommen Rechtsextremisten zu Geld. Und zwar auf unterschiedlichen Wegen. Was können wir als Demokraten zulassen und wo müssen wir einschreiten? Diese wichtigen Fragen sollen heute in unserer Fachtagung behandelt werden.
Ich bin sehr froh, dass wir ein Referenten-Team zusammenstellen konnten, das mit
spannenden Vorträgen Ihre Aufmerksamkeit fordern wird. Der Blick auf die rund 190 Teilnehmer zeigt mir, wie breit gestreut das Interesse am Thema Finanzströme im Rechtsextremismus ist. Ich wünsche uns allen einen interessanten und ertragreichen Verlauf.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
3
Dr. Dietmar Woidke, Innenminister des Landes Brandenburg
Grußwort
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
unsere Veranstaltung „Extremisten und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus“ ist die bereits neunte Fachtagung unseres brandenburgischen Verfassungsschutzes. Ich freue mich, dass wir dieses Mal die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit
dem Verfassungsschutz unseres Nachbarlandes Sachsen durchführen. Das Thema ist
brandaktuell und an Ihrem zahlreichen Erscheinen sehe ich, dass es auch Ihr Interesse geweckt hat.
Seit dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie ist der Rechtsextremismus noch stärker
in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Bis heute verfolgen uns die Bilder der Opfer und die der Täter. Unser besonderes Mitgefühl gilt den zahlreichen Angehörigen der Ermordeten.
Bei der Generalstaatsanwaltschaft, in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
und in den Medien werden seit Monaten Tathergänge rekonstruiert. Ebenso werden
Fehler und Versäumnisse der Sicherheitsbehörden thematisiert. Daran führt auch kein
Weg vorbei.
4
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Derartigen Hass-Taten stehen wir fassungslos gegenüber. Was die Öffentlichkeit vor allem schockiert, ist die Tatsache, dass die Täter mehr als 10 Jahre unentdeckt leben und
ihrer Mordlust freien Lauf lassen konnten. Die Mörder lebten im Untergrund – aber doch
lebten sie auch mitten unter uns.
Wir stellen uns selbstverständlich die Frage, wie das möglich war. Wir fragen uns auch,
wovon diese Personen gelebt haben, bevor sie Banken ausraubten. Woher bekamen sie
Geld für Essen, Kleidung und was man sonst zum Leben braucht?
Bekannt ist, dass sie Unterstützer hatten, die ihnen Wohnungen zur Verfügung stellten.
Ebenso wurde in der Szene Geld für sie gesammelt. Das Geld kam also von Rechtsextremisten. Weil die Mittel offenbar nicht reichten, gingen die Täter dazu über, Banken zu
überfallen.
Wir können nur hoffen, dass die Zwickauer Zelle ein drastischer Einzelfall bleibt. Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft werden mit allen Mitteln der wehrhaften Demokratie
gegen Rechtsextremisten vorgehen. Die heutige Fachtagung ist ein Beitrag dazu.
In der Regel wählen Rechtsextremisten nicht das Leben von Mördern im Untergrund.
Rechtsextremisten müssen wie alle anderen Menschen auch ihren Lebensunterhalt bestreiten. Manche üben ganz normale handwerkliche Berufe aus.
Andere versuchen beispielsweise den Einstieg und eine berufliche Entwicklung bei der
Polizei oder bei der Bundeswehr. Dies wissen wir jedoch zu verhindern. Denn entweder
ist ihre Gesinnung bekannt, oder sie tritt irgendwann zutage. Darüber hinaus gibt es typische Szeneberufe:
Rechtsextremisten arbeiten als Türsteher in einer Diskothek, oder bei einer privaten
Sicherheitsfirma.
Manche betreiben Tattoostudios oder kleinere Unternehmen. Andere hängen am Tropf
des Staates und beziehen Hartz IV. Gerade szenetypische Berufe werfen oft nicht viel
Geld ab. Und eine nach außen sichtbare rechtsextremistische Überzeugung ist für die
berufliche Karriere eher kontraproduktiv.
Doch es gibt auch Fälle, bei denen die politische Aktivität zur Einnahmequelle wird. Die
einen produzieren oder verkaufen szenetypische Bekleidung. Andere haben sich auf
Tonträger spezialisiert. Ein weiteres Beispiel für Einnahmen sind Konzerte rechtsextremistischer Hassbands. Anderes Geld fließt mit dem Verkauf von CDs in die Szene-Kassen. Der Handel mit T-Shirts und sonstigen Artikeln findet ebenso statt.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
5
Mit anderen Worten: Manche Rechtsextremisten leben regelrecht vom Rechtsextremismus. Sie ziehen ihren Gesinnungsgenossen das Geld aus der Tasche. Für rechtsextremistische Modelabels und die zugehörigen Szeneläden gilt dies ebenfalls.
Viele Formen der Szene-Finanzierung sind hochproblematisch. Denn rechtsextremistische Konzerte sind meist illegal und das Spielen indizierter Musikstücke samt Verkauf
entsprechender CDs kann strafbar sein. In Brandenburg konnte die Polizei durch ihr
konsequentes Vorgehen das Konzertaufkommen rechtsextremistischer Bands drastisch
reduzieren. Damit gehen Konzerteinnahmen verloren und die Polizei kann Beschlagnahmungen durchführen.
Es gibt viele Methoden, den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Eine davon ist sicherlich,
der Szene wo immer nur möglich den Geldhahn zuzudrehen. Damit treffen wir sie wirksam. Hierbei ist jeder gefordert: die Politik, die Polizei, Ordnungs- und Finanzbehörden,
die Justiz und die Zivilgesellschaft selbst. Das alles hört sich jedoch oftmals einfacher
an, als es tatsächlich ist. Denn der Rechtsstaat kann und darf die Demokratie nur mit
rechtsstaatlichen Mitteln schützen. Willkür scheidet aus.
Wie soll man also mit Rechtsextremisten umgehen, die arbeitslos sind und somit vom Sozialstaat leben und ihre Zeit für die Szene einsetzen? Was soll man tun, wenn sie Schulungen für andere Neonationalsozialisten durchführen? Oder was ist mit dem erwerbslosen Neonationalsozialisten, der an einer vom Arbeitsamt finanzierten Umschulung zum
Webdesigner teilnimmt und in seiner Freizeit rechtsextremistische Internetseiten programmiert? Darf man da eingreifen? Und falls ja, wie? Denn in diesen Fällen finanziert
der Staat solche Aktivitäten und sorgt – wenn auch ungewollt – für eine Spezialisierung
von Rechtsextremisten.
Das gilt auch und besonders für die NPD. Ohne staatliche Parteienfinanzierung gäbe es
diese Partei in dieser Form nicht. Außerhalb von Wahlkampfzeiten nimmt beispielsweise
die NPD Brandenburg – wenn überhaupt – zeitweilig nur 600 Euro im Monat von ihren
Mitgliedern ein. Damit kommt sie keine zwei Meter weit. Die Demokratie finanziert hier
direkt ihre Gegnerin, weil die freiheitliche demokratische Grundordnung die Chancengleichheit für alle Parteien zwingend vorschreibt. In den letzten fünf Jahren hat die NPD
ungefähr 6,7 Millionen Euro vom Staat bezogen. Das wirft zu Recht viele Fragen auf.
Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie. Ich möchte hierzu an den bekannten
Staatsrechtler und Sozialdemokraten Carlo Schmid erinnern. Er hat bei den Beratungen
zum Grundgesetz Folgendes formuliert:
6
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
„Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört,
dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft … Man muss in einer
Demokratie auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie zu beseitigen!”
Mit diesen Sätzen wurde die Grundlage für das gelegt, was wir heute „wehrhafte“ und
auch „streitbare“ Demokratie nennen. Dazu zählen als letztes Mittel Verbote extremistischer Vereinigungen und Parteien.
Mit Blick auf die NPD wird diese Debatte seit langem geführt. Zurzeit ist die Debatte wieder voll entbrannt. Auch deshalb, weil es Verbindungen zwischen der NPD und zumindest dem Umfeld des NSU gibt.
Damit sind es nicht alleine die verfassungsfeindlichen Inhalte der NPD, die für ihr Verbot sprechen könnten. Ebenso attestiert der Verfassungsschutz der NPD eine fortwährende Nazifizierung. Denn immer mehr Neonationalsozialisten treten in diese Partei ein.
Es spricht vieles für ein Verbot dieser Partei. Das ist völlig klar. Auch ich will so ein
Verbot. Der politische Wille allein aber reicht nicht. Ein erneuter Anlauf hin zu einem
Parteienverbot darf auf keinen Fall noch einmal scheitern! Nichts wäre ein besseres Lebenselixier für die NPD als eine zweites ‚Nein’ für die Antragsteller aus Karlsruhe. Deshalb müssen wir das Verbotsverfahren sehr, sehr gut vorbereiten.
Engagiert, aber dabei mit kühlem Kopf.
Bund und Länder haben einen klaren, gemeinsam abgestimmten Fahrplan, noch in diesem Jahr alles an vorhandenem Material gegen die verfassungsfeindliche NPD auf den
Tisch zu legen und exakt auf dieser Grundlage das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Wir alle sind gut beraten, uns an diesen Fahrplan zu halten.
Trotz allem muss die „streitbare Demokratie“ auch jenseits des Verbotes nach
rechtsstaatlichen Wegen suchen, Extremisten zurückzudrängen. Und gerade hierbei ist
die zentrale Fragestellung, wie man den Geldfluss Richtung Extremismus kappen kann.
Die heutige Fachtagung soll sich mit sensiblen und dabei alles andere als einfachen
Fragen beschäftigen. Wir haben Experten aus vielen Disziplinen eingeladen, die uns
heute ihr Wissen zur Verfügung stellen. Eines müssen wir aber immer fest im Blick behalten: Bei der Extremismusbekämpfung sind alle gefragt. Extremismusbekämpfung ist
nicht nur die Aufgabe von Sicherheitsbehörden. Die gesamte Zivilgesellschaft ist gefordert. Dazu gehört Courage und vor allem auch Wissen. Eine der wesentlichen AufgaVerfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
7
ben des Verfassungsschutzes ist es, Erkenntnisse zusammenzutragen und zur Verfügung zu stellen.
Nur die aufgeklärte Zivilgesellschaft kann die Feinde der Demokratie identifizieren, demaskieren und deren Strategien und Täuschungsmanöver durchkreuzen. Das Wissen
um die Finanzierung von Rechtsextremismus ist sowohl bei der Extremismusbekämpfung
als auch bei der Prävention von zentraler Bedeutung.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante, eine erkenntnisreiche und letztlich
eine für unseren gemeinsamen Einsatz ermutigende Tagung!
8
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Martin Döring, Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen
„Geld verdienen mit Hass – rechtsextremistische Musik im
Freistaat Sachsen zwischen Ideologie und Kommerz“
„Lockmittel und Szenekitt – so überschrieben sächsische Verfassungsschützer eine
Informationsbroschüre, die die Bedeutung von rechtsextremistischer Hassmusik für die
Nachwuchsgewinnung und den inneren Zusammenhalt hervorhob.
Gleichwohl stellen auch die mit dem Musikgeschehen verbundenen Gewinnmöglichkeiten
– um ebenfalls im Bild zu sprechen – „Schmierstoff und Antriebsmodul“ dar, ohne die
Stabilisierung, Mobilisierung und Öffentlichkeitswirkung in diesem – sächsischen – Umfang nicht möglich wären.
Lassen Sie uns kurz einen statistischen Ausflug in die sächsische Szenelandschaft unternehmen, bei dem insbesondere die drei Standbeine der Musikszene statistisch unter
die Lupe genommen werden sollen.
• Im Blickpunkt überregionaler Aufmerksamkeit stehen die Konzerte. Sie fordern Polizei und Ordnungsämter heraus und bleiben wegen Besucheranzahl und Lautstärke
selten unbemerkt. Im Ländervergleich nimmt Sachsen bereits seit Jahren hier eine
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
9
•
10
Spitzenstellung ein. Die Vergleichszahlen belegen, dass allein die sächsischen Konzerte in ihrer Anzahl annähernd jenen entsprechen, die übers Jahr in den westlichen Bundesländern stattfinden und bundesweit ein Drittel aller Konzerte ausmachen.
Zu den Gewinnen halten sich die Konzertveranstalter bedeckt. Sie dürften keine herausragende Rolle bei der Bestimmung der szeneinternen Finanzmittel spielen. Gelegentlich sollen durch die Konzerteinnahmen einzelne „Kameraden“ unterstützt werden, die sich in „Schwierigkeiten“ befinden, also in Untersuchungs- oder Strafhaft
befinden.
Ähnlich verhält es sich mit den Musikgruppen im Freistaat: die aktiven Bands kommen auf fünf bis acht Auftritte pro Jahr, bei denen die Einnahmen allerdings zwischen den drei bis fünf Mitgliedern aufgeteilt werden müssen. Gewinne dürften
zudem in Anschaffung und Pflege der Musikinstrumente sowie die Bereithaltung
der Auftrittslogistik investiert werden, so dass ein Abfluss von Finanzmitteln in
Szenestrukturen sich in überschaubaren Dimensionen bewegen dürfte.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
•
Den Spitzenplatz bei Umsatz und Gewinnen im Rechtsextremismus nehmen Vertriebe und Versandhandel ein. Waren hier die sächsischen Anbieter in den 90er Jahren
doch eher schmalspurig aufgestellt, so hat sich mit wachsender Kommerzialisierung
und Professionalisierung der Vertriebsstrukturen ein Sortiment etabliert, das von
jugendtypischen Angeboten am Rande des Mainstreams bis zu rechtsextremistischen Hardcore-Devotionalien fast alles bereit hält.
Mittlerweile besteht ein breit gefächertes Anbietergeflecht aus Szeneläden,
Versänden und Musiklabels, das sich einen weit über die regionalen Grenzen hinausreichenden Käuferstamm erschlossen hat und mit seinen finanziellen Gewinnen
eine logistische Stütze des Rechtsextremismus darstellt.
Interessant hierbei: die jährlichen Einnahmen sächsischer Vertriebe übersteigen diejenigen der NPD auf Bundesebene.
Wollen die Betreiber von einschlägigen Vertrieben einen Kundenstamm aufbauen, so
benötigen sie neben der unabdingbaren rechtsextremistischen Gesinnung auch die in-
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
11
nere Bereitschaft, sich als Teil des Ganzen, sprich der „Bewegung“ bzw. des „nationalen
Widerstandes“ zu verstehen und in den inneren Zusammenhalt der Szene zu investieren; anderenfalls – bei ideologischer Uneindeutigkeit und/oder bloßem Gewinnstreben
– erfolgen szeneinterne „Abmahnungen“, die bis zu einem Kaufboykott führen können.
Seit einigen Jahren ist eine Entwicklung zu erkennen, die im Aufbau von wirtschaftlichen
Parallelstrukturen ohne vordergründig erkennbare politisch-ideologische Zielsetzung strategisches Kalkül erkennen lässt. Rechtsextremisten sind in Baugewerbe und Brennstoffhandel,
im Textildruck sowie mit Sonnen- und Tattoo-Studios unternehmerisch aktiv.
Vordergründiges Ziel: Steigerung von Umsatz und Gewinn, um weitere finanzielle Mittel für
die Szene zu rekrutieren – und: Schaffung von ganz legalen sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen für „Kameraden“, die mitunter wegen ihres Vorstrafenregisters nur mit Schwierigkeiten eine andere Arbeitsstelle finden würden.
Neben diesen eher kurzfristigen Wirkungen steht hierbei eine klare strategische Absicht:
der Aufbau eines „nationalen Wirtschaftssektors“ als des ersten Schritts auf dem Weg zu
12
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
„national befreiten Zonen“, so wie es die Hochschul- und Jugendorganisationen der NPD
in einem Strategiepapier der frühen 90er Jahre verlangt hatten, die hierbei anknüpften an das Konzept der befreiten Zonen lateinamerikanischer kommunistischer GuerillaKämpfer der 70er Jahre.
Fazit:
Im Freistaat Sachsen existieren Strukturen und Interessenlagen, um über Unternehmensgewinne von Rechtsextremisten die Szene durch Vernetzung der Akteure und Rekrutierung von Nachwuchs zu stabilisieren.
Betriebswirtschaftliches Kalkül muss erkennen, dass ohne ideologischen Unterbau und
weitreichende Akzeptanz im rechtsextremistischen Milieu große Gewinne nicht zu erzielen sind.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
13
Über den Aufbau von „unpolitischen“ Unternehmen ist zumindest das Bemühen erkennbar, Ansätze einer rechtsextremistischen Parallelgesellschaft zu entwickeln.
Im rechtsextremistischen Konzertgeschehen ist für die Veranstalter ebenso wenig Gewinn zu erzielen wie mit der Herausgabe von Musiktiteln durch die einschlägigen Bands.
14
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Gordian Meyer-Plath*, Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes
„Rechtsextremismus als Berufung – Sozioökonomische
Profile brandenburgischer Rechtsextremisten“
Sehr geehrter Herr Minister und sehr geehrte Frau Schreiber, vielen Dank für die nette
Begrüßung und die gelungene Einführung in die heutige Veranstaltung. Meine Damen
und Herren Abgeordneten, liebe Freunde hier im Saal!
Die ideale Überleitung von Herrn Döring zu mir wäre: und nun zu den finanziell armen rechtsextremistischen Schluckern in Brandenburg. Insbesondere die Höhe der
Finanzströme, die Herr Döring für Sachsen geschildert hat, erreichen wir in Brandenburg so nicht. Zum Glück! Trotz allem hat das Folgen für Brandenburg. Hier muss der
Rechtsextremismus nach anderen Wegen suchen, um sich zu finanzieren. Denn auch
bei uns gilt: „Ohne Moos nichts los“. Aber wie kann man ohne viel „Moos“ viel erreichen?
Dafür lohnt es sich, den brandenburgischen Rechtsextremismus und seine Akteure genauer unter die Lupe zu nehmen.
_____________________
*
Zum Zeitpunkt seines Vortrages war Herr Meyer-Plath erst wenige Tage Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes. Zuvor leitete er das Auswertungs-Referat des brandenburgischen Verfassungsschutzes.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
15
Gestatten Sie mir jedoch zunächst noch eine Anmerkung als Co-Gastgeber. Schließlich
wird diese Fachtagung vom sächsischen und brandenburgischen Verfassungsschutz
gemeinsam ausgerichtet. Dieses gemeinsame Vorgehen ist ein ganz wichtiges Zeichen.
Es existieren erhebliche Unterschiede in der Extremismusgeografie beider Länder. Im
Landtag Brandenburg sitzt keine NPD-Fraktion, auch hat Brandenburg nicht so viele führende rechtsextremistische Vertriebsdienste wie Sachsen. Doch da sind auch Gemeinsamkeiten. Für beide Länder gilt: Der Rechtsextremismus ist das entscheidende extremistische Phänomen, dem sich die Gesellschaft stellen muss. Deswegen freue ich mich
so, dass sie heute alle hier sind. Der ganzheitliche Erfolg, den man gegen Rechtsextremismus erzielen kann und muss, benötigt zwingend mehr Kenntnisse darüber, wie sich
der Rechtsextremismus finanziert. Daher danke ich den Kolleginnen und Kollegen aus
Brandenburg für die gesamte Organisation dieser Veranstaltung. Es handelt sich um
die neunte Fachtagung des brandenburgischen Verfassungsschutzes und ich sage an
dieser Stelle jetzt einfach einmal kühn zu: Es wäre sehr schön, wenn eine der nächsten Fachtagungen des brandenburgischen Verfassungsschutzes wieder zusammen mit
Sachsen stattfindet. Dann aber in Sachsen, wo wir Ihnen ein wenig Arbeit bei der Organisation und Durchführung abnehmen können.
Kommen wir zurück zur Fragestellung. Wie finanzieren brandenburgische Rechtsextremisten ihre extremistischen Aktionen? Kann man vom Rechtsextremismus leben? In
Brandenburg können das nur sehr wenige. Dann stellt sich jedoch die Frage: Wovon leben sie und woher kommt das Geld für Aktivitäten? Da gibt es vielfältigste Möglichkeiten,
auf die ich im Kern meines Vortrages zu sprechen kommen möchte. Und daraus ergeben sich Ansätze für die Bekämpfung des Extremismus.
Rechtsextremisten sind mitten unter uns - gerade im Erwerbsleben. Aber es ist ganz wichtig, immer wieder zu
betonen: Sie sind nur soziologisch in der Mitte der Gesellschaft, nicht politisch. Politisch stehen sie außerhalb.
Sie sind nicht Teil unserer freien Gesellschaft. Nur ganz
selten gibt es Fälle, wo Rechtsextremisten auch soziologisch außerhalb der Gesellschaft stehen. Ein Beispiel
dafür ist das Abtauchen in die Illegalität. Innenminister
Auszug aus einem Fahndungs­
Woidke hat heute Morgen darauf hingewiesen, dass der
foto des Bundeskriminalamtes
„Nationalsozialistische Untergrund“ diesen Weg gegangen ist und von dort seine fürchterlichen Taten beging. Aber trotzdem lebten auch diese
16
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Täter unter uns. Sie haben schwerste Straftaten der Beschaffungskriminalität begangen,
um ihr extremistisches Handeln zu finanzieren und sie haben brutal getötet. Das hatten
wir im Rechtsextremismus bis zur Aufdeckung des NSU nicht für möglich gehalten. So
lautet auch der Hauptvorwurf, der den Sicherheitsbehörden übrigens zu Recht gemacht
wird. Doch so schlimm die Ereignisse um den NSU auch sind, sie sind die Ausnahme.
Die Bekämpfung solcher Strukturen liegt zudem in erster Linie in den Händen der Sicherheitsbehörden.
Kommen wir zurück zu den Rechtsextremisten, die offen unter uns leJuwelier
Krankenschwester
ben und irgendwie im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen
Die Mitte der
– wenn sie denn arbeiten. Da gibt
Lehrer
Student
Gesellschaft
es die verschiedensten Berufe. Ich
könnte Ihnen Beispiele aus Brandenburg oder aus anderen ostdeutschen
Gerüstbauer
Hartz IV
Ländern nennen. Manche sind natürlich Leistungsempfänger. Eine Erwartungshaltung muss ich jedoch ein wenig dämpfen. Wir besitzen kein Zahlenmaterial,
nach dem wir alle Rechtsextremisten exakt nach Berufen klassifizieren können. Diese
Daten liegen uns schlicht nicht vor. Von manchen kennen wir aber die Profile. Und da,
wo es notwendig ist, erheben wir sie. Das gilt insbesondere für führende Protagonisten
des brandenburgischen Rechtsextremismus. Insofern beruhen meine Angaben auf hinreichend belegten Einzelbeispielen, die es wert sind, hier erwähnt zu werden.
Was ich in meiner Anfangszeit beim Verfassungsschutz noch kennengelernt habe,
spielt heute mit Blick auf Finanzströme in Brandenburg keine Rolle mehr: Geldspritzen
für die Szene aus NS-Nachlässen. Die waren früher nicht unerheblich. Ich erinnere
mich, Herr Döring wahrscheinlich ebenso, in Süddeutschland verstarb ein Schwesternpaar. Das hatte bis zum Tod ein ungebrochenes Verhältnis zum Nationalsozialismus
und vermachte der Szene seinen nicht unerheblichen Immobilien- und Bargeldbesitz.
Darüber frohlockten damals Rechtsextremisten. Doch das ist Vergangenheit. Darauf
kann sich die Szene nicht mehr verlassen. Also muss man arbeiten oder sonst wie zu
Geld kommen.
An dieser Stelle bietet sich noch ein weiterer Blick zurück an. Früher wollten Rechtsextremisten gerne zur Bundeswehr oder zur Polizei. Sie suchten so nach ihrem KomVerfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
17
promiss mit dem eigentlich verhassten Staat und hofften, auf diese Weise beispielsweise den Kommunismus bekämpfen zu können. Ebenso bedienten waffentragende
staatliche Einrichtungen rechtsextremistische Grundbedürfnisse. Auch das hat sich
geändert. Rechtsextremisten lehnen die Bundeswehr heutzutage aus verschiedenen
Gründen ab. Ihnen fehlt das Element des Führens von Eroberungskriegen. Und mit
friedenssichernden sowie humanitären Einsätzen können Rechtsextremisten schon
gar nichts mehr anfangen. Mit der Polizei verhält es sich ähnlich. Sie ist einer der wichtigsten Faktoren in der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Da will man also nicht
mehr hin. Und wenn sich doch mal einer zur Polizei oder Bundeswehr verirrt, wird er
recht zügig identifiziert.
Kommen wir zurück zur Gegenwart. Die meisten Rechtsextremisten, die in Lohn und Brot
stehen, sind in Handwerksbetrieben, in der Gastronomie, in Dienstleistungsunternehmen
oder in Pflegeberufen tätig. Für Brandenburg ist das nicht überraschend. Schließlich ist das
Land von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. In solchen Unternehmen
kennt jeder jeden. Darin liegt zugleich ein Vorteil. Dieser ist – provokant formuliert – der
böse Chef. Er ist ein natürlicher Verbündeter der Zivilgesellschaft. Extremisten in der Belegschaft können ihm das Geschäft verderben. Also kann er sagen: „Du bist mein bester
Dreher, du bist mein bester Koch und ich möchte ungern auf dich verzichten. Aber was ich
hier mitbekomme, kann ich mit Blick auf meine Kunden und auf meine Belegschaft nicht tolerieren. Entscheide dich.“ Vor diese Entscheidung gestellt denken viele Extremisten schon
darüber nach, wie es weitergehen soll. An seinem Broterwerb hängt schließlich nicht selten
eine kleine Familie. Dieses funktioniert in der Regel und ist ein wichtiger Faktor, den sich
Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft zu Eigen machen können. Natürlich gibt es Extremisten, die standhaft bleiben und versuchen, einen neuen Job zu finden. So weit geht bei
einigen in der Tat der Fanatismus.
Wir kennen Fälle, wo Extremisten in den
Kalender gucken und sagen: „Oh Samstag
ist Demo in Neubrandenburg, Dortmund
oder Dresden. Das ist ein bisschen weiter
weg und kostet Geld. Ich habe keines. Also
muss ich Blutspenden.“ Damit einher geht
oftmals die Überhöhung des eigenen Tuns.
Rechtsextremisten, gerade Neonazis, bemühen in ihrer Ideologie gerne Blutbezüge
18
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
und reden von „Blut und Boden“ oder „Blut und Ehre“. Im vorliegenden Fall spenden sie
selbstaufopfernd ihr Blut für ihre Bewegung.
Damit wären wir beim ersten Zwischenfazit: Brandenburgische Rechtsextremisten sind
in der Regel arme Schlucker, die mehr oder weniger gute Jobs haben und von diesen
Jobs eben das Geld in Form von Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Soli-Obolusse und ähnlichem für die Szene abzweigen müssen. Während in Sachsen einige von der Szene
(Versandhäuser, NPD, etc.) direkt leben können, sind ihre Kameraden in Brandenburg
gezwungen, eher für die Szene zu leben.
Manch einer ist selbständig, beispielsweise als Tätowierer. Selbstverständlich will
ich das Tätowiergewerbe nicht unter Generalverdacht stellen. Aber wir kennen genügend Fälle, in denen sich Rechtsextremisten so zumindest ein Zubrot verdienen. Oft
sind Szeneangehörige die Kunden. Nun könnte man vermuten, der rechtsextremistische Geldkreislauf bleibt in sich geschlossen und der eine verpasst dem anderen geschmacklose und zum Teil strafbare Tätowierungen. Dabei bleibt es aber nicht immer.
Schließlich tätowieren Rechtsextremisten auch über ihr Milieu hinaus. Was da für eine
Verbindung entstehen kann, sehen wir insbesondere an den Bezügen ins Rockermilieu.
Rocker sind zahlungskräftig. Und aus solchen Geschäftsbeziehungen entstehen Netzwerke. Ein Tätowierer aus dem rechtsextremistischen Milieu kommt weit rum, lernt viele andere Rechtsextremisten aber eben auch andere subkulturelle Milieus wie Rocker
kennen.
Wenn Rechtsextremisten nicht Polizist oder Soldat werden können, aber trotzdem eine
Tätigkeit anstreben, die mit Uniform und autoritären Exekutivfantasien verbunden ist,
dann bietet sich natürlich das Ordnerwesen, das Bewachungsgewerbe an. Da gibt es
ein größer werdendes Dunkelfeld, auch wenn dieses Thema gerade in einem anderen Extremismuszusammenhang Schlagzeilen produziert hat. Sie haben es vielleicht
den Zeitungen entnommen, dass ein islamistischer Gefährder eine nicht unwichtige
Liegenschaft im Land Brandenburg mit bewacht hat. Das war ein böse Überraschung
und kann so nicht angehen. Davon losgelöst beobachten wir Szenarien mit Ordnern in
Fußballstadien. Dort sollen sie eigentlich die teilweise rechtsextremistisch motivierten
Hooligans im Auge haben. Stattdessen brüllen sie selber die schlimmsten Parolen mit
und pöbeln Gäste sowie Fans an, besonders solche mit Migrationshintergrund. Auch bei
Volksfesten laufen Ordner auf, die selbst der rechtsextremistischen Szene entstammen
und noch immer mit ihr verbunden sind. Wenn dann die Gemeinde X ein Volksfest veranstaltet, kann ein Ordner auch ein neonationalsozialistischer „Unsterblicher“ sein. Der
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
19
nutzt dann die Gelegenheit, schleust die „Unsterblichen“ mit ihren Utensilien rein und
gibt ihnen Zeit, ihren Auftritt samt Video-Dreh abzuziehen. So wird der Bock zum Gärtner. Schlaflos kann einen der Gedanke machen, wenn solche Ordner sogar als Bewacher von Asylbewerberheimen eingesetzt werden könnten. Über dieses sehr ernste Problem müssen noch intensivere Gespräche geführt werden.
Ich habe die Branchen Handwerk, Gastronomie und Dienstleistungen angesprochen.
Hinzu kommt, dass gerade in Brandenburg ein durchaus höheres Bildungsniveau bei
Rechtsextremisten festzustellen ist. An diesem Punkt rückt insbesondere die IT-Branche
ins Bild. Wir haben Rechtsextremisten mit in der Tat guten IT-Kenntnissen. Solche Experten sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. In solchen Jobs lernen sie nicht nur weiter hinzu, sondern nutzen möglicherweise auch die IT-Infrastruktur ihres Arbeitgebers für ihre
Aktivitäten. Das ist ein Bereich, wo Firmen sehr aufpassen müssen.
Ein weiteres Beispiel wird vielen jungen Eltern erst einmal warm ums Herz werden lassen: der männliche Erzieher. Der ist Gold wert und in Deutschland – leider – noch zu
selten anzutreffen. Wie gut, dass es sie gibt. Ebenso gibt es Rechtsextremisten, die
die Ausbildung zum Lehrer nicht schaffen, aber die zum Erzieher schon. Dort können
sie ziemlich unterschwellig ihr Weltbild an die fast Wehrlosesten weitergeben. Ich habe
durchaus die Sorge, dass sich solche Berufe in der Szene etablieren könnten. Herr
Döring hat es bereits angesprochen: Rechtsextremisten machen sich durchaus Gedanken darüber, wie sie in der Gesellschaft wirken und gleichzeitig ihren Lebensunterhalt
bestreiten können.
Aus den Medien kennen Sie eventuell den Fall des von Rechtsextremisten betrieben
Reiterhofes. Solch ein Reiterhof kann Ferien für die Szene anbieten und der Kreislauf
innerhalb der Szene wäre wieder geschlossen. Er kann aber ebenso unverfängliche
Ferienangebote für junge Menschen im Angebot haben und – das wissen wir in diesem
Fall – den Spaß mit den Pferden dazu nutzen, gleich Rassezucht und Eugenik mit zu
thematisieren. All dies sind Einzelfälle. Brandenburg ist nicht voller brauner Reiterhöfe,
kaum ein Tätowierer ist Rechtsextremist und unsere männlichen Erzieher sind keine
Neonationalsozialisten. Ich will lediglich andeuten, dass Rechtsextremisten bestimmte
berufliche Präferenzen haben, dabei kreativ sein können und wie alle anderen zusehen
müssen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Und da sind wir an einem Punkt angelangt, an dem Brandenburg sehr viel zu bieten hat
und der Rechtsextremisten sozusagen im Blut steckt: Die Sehnsucht nach der eigenen
20
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Scholle, nach dem Bewirtschaften des eigenen Bodens, um mit der Kraft des eigenen
Blutes der Erde die Rohstoffe abzuringen. Wie manch ein Linksextremist träumt auch ein
Rechtsextremist vom autarken Leben jenseits der globalisierten Umwelt mit ihren Kiwis
aus Neuseeland. Manch einer kann ihn verwirklichen. Ein ehemaliger NPD-Vorsitzender hier im Land ist Biobauer. Damit stellt sich das nächste Problem: Wenn so ein Bauer erfolgreich ist, gewinnt er Einfluss im Dorf und die Dorfgemeinschaft wird sich fragen,
wie mit ihm umzugehen ist. Erst recht dann, wenn er seine Mitarbeiter aus der Szene rekrutiert. Das ist in Brandenburg zwar noch kein Problem, woanders aber schon, weil der
Drang, in diesem Bereich zu arbeiten, bei Rechtsextremisten immanent ist.
Eine weitere, wenn auch nicht so große Verdienstmöglichkeit findet sich für Anbieter
heidnischer Hochzeiten, das so genannte „Eheleiten“. Ich möchte die Anbieter absolut
nicht unter Generalverdacht stellen. Jeder soll seine Ehe schließen, wie er das für richtig hält. Wir wissen aber, dass bei vielen Neonationalsozialisten, gerade bei der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“, so etwas gang und gäbe ist beziehungsweise war. Wir kennen Rechtsextremisten, die genau diese Nische suchen und ihr Angebot
nicht unbedingt nur an Rechtsextremisten richten. Öffnen sie ihren Kundenkreis, gewinnen sie Einflussmöglichkeiten außerhalb der Szene und können für die Szene selbst
werben. Gott sei Dank alles Einzelfälle.
Sie sehen an diesem bunten Potpourri von Tätigkeiten, dass sich Rechtsextremisten oft
genau überlegen, womit sie ihren Lebensunterhalt hauptsächlich bestreiten und gleichzeitig nach Möglichkeiten suchen, ihre extremistische Botschaft an den Mann, die Frau
und vielleicht sogar an die Kinder zu bringen. Solche Entwicklungen und Prozesse müssen wir sehr genau beobachten. Sicherlich gibt es weitere Berufe, an die wir jetzt gar
nicht denken.
Meine Damen und Herren, in Brandenburg ist das Geld in der Szene knapp. Es reicht
hinten und vorne nicht, um eine politische Arbeit zu leisten, wie es Herr Döring für Sachsen beschrieben hat. Man muss die Mittel selbst generieren. Da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten. Eine ist das Konzert- beziehungsweise Partywesen, wobei dieses auf deutlich niedrigerem Niveau als in Sachsen angesiedelt ist. Damit lassen sich
Einnahmen generieren. Solche Veranstaltungen ereignen sich oft im Zusammenhang
mit Vereinsverboten von neonationalsozialistischen Personenzusammenschlüssen.
Die Szene benötigt dann Geld für Anwälte. Dem dienen solche Partys und Konzerte.
All dies geschieht auf relativ kleinem Niveau, doch Kleinvieh macht auch Mist. In anderen Fällen dient dieses Geld der Finanzierung einer lokalen Szene oder soll in eine
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
21
Immobilie fließen. Wenn ich Immobilie sage, dann bewegen wir uns in Brandenburg
meistens auf dem Niveau einer Datsche. Wenn eine Szene erst einmal über eine Liegenschaft für Veranstaltungen verfügt, kann sie Einnahmen erzielen und ihrem Klientel etwas bieten. Dazu zählen sicherlich Schulungen und die Rekrutierung neuer Anhänger.
Ebenso werden gelegentlich „Solidaritäts“-Tonträger wie
„Lieder-Abend in Brandenburg“ produziert. Ich zitiere ein
Beispiel aus dem mittlerweile verbotenem Thiazi-Forum:
„Unterstützt mit dem Kauf dieses Tonträgers den politischen Kampf des Nationalen Widerstands.“ Besonders
konkret ist das sicherlich nicht. Manchmal ist es dagegen
sehr konkret, wenn es beispielsweise einem inhaftierten
Kameraden oder einem unter staatlichem Druck stehenden Personenzusammenschluss zufließen soll. Solche
Soli-Veranstaltungen werden auch für die nach wie vor gering frequentierte Liegenschaft
in Biesenthal genutzt. Dort kommt es ebenso zu Arbeitseinsätzen, um diese Liegenschaft auszubauen und in Stand zu halten. Rechtsextremisten werden regelmäßig dazu
verpflichtet. Das entsprechende Engagement schwankt jedoch.
Merchandising hat Herr Döring schon angesprochen. Mit wenig Aufwand lässt sich damit viel erzielen. Dazu zählen beispielsweise T-Shirts, bedruckt mit dem Namen einer
Kameradschaft oder einem Szene-Spruch. Beim inzwischen verbotenem „Widerstand
Südbrandenburg“ lautete der Spruch „Leben heißt Kampf“ samt Boxhandschuh-Motiv. Vertrieben wurde es bei Kampfsportveranstaltungen:
Ein weiteres T-Shirt war mit „Wählst du noch oder
kämpfst du schon?“ versehen. Um der NPD auch
einmal zu zeigen, wo der Hammer hängt. Mit solchen Dingen lässt sich ein wenig Geld erwirtschaften. Jedoch ist der Ideologietransport auch nicht
so kostenintensiv.
Ich weiß nicht, wie viele von ihnen „Flattr“-Kunden sind. „Flattr“ ist ein Social-Payment-Service
mit Sitz im schwedischen Malmö. Dahinter steht
die Idee, Internetseiten mit Geld zu belohnen,
wenn sie einem gefallen. Will ich eine Seite beloh22
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
nen, muss ich bei „Flattr“ ein Konto eröffnen und eine monatliche Geldsumme dort einzahlen. Ebenso muss die zu belohnende Internetseite dort registriert sein. Zur Belohnung klicke ich einfach auf den „Flattr“-Button der entsprechenden Internetseite. Und
am Ende des Monats wird mein eingezahltes Geld gleichmäßig nach Anzahl meiner
Belohnungs-Klicks verteilt. Klicke ich nur eine Seite an, bekommt die eben alles. Klicke
ich 100 Seiten an, bekommt jede einen hundertsten Teil meiner monatlichen Belohnung.
So etwas nutzen auch Rechtsextremisten.
Beispielsweise war die Seite „Spreelichter“ der inzwischen verbotenen Organisation
„Widerstand Südbrandenburg“ bei Flattr registriert und hatte auch Zahlungen erhalten.
In welcher Höhe ist jedoch nicht bekannt. Sicherlich werden da keine Millionen-Beträge an den brandenburgischen Rechtsextremismus fließen. Doch Kleinvieh macht
eben auch Mist.
Hie und da gibt es in der Szene den einen oder anderen Musikmacher, der vielleicht
ansatzweise davon leben kann. Der Liedermacher Frank Rennicke, ehemaliger NPDKandidat für das Amt des Bundespräsidenten, könnte dazu zählen. Oder der von Herrn
Döring erwähnte Michael Regener, Sänger der Band „Die Lunikoff Verschwörung“. Leider fehlen uns für Brandenburg entsprechende Zahlen über Umsätze in der rechtsextremistischen Hass-Musik-Szene, wie sie teilweise für Sachsen vorliegen. Aber einige
wenige – glaube ich auch – können von ihrer rechtsextremistischen Musik tatsächlich leben. Für die meisten brandenburgischen Bands, selbst die musikalisch etwas versierteren wie „Preussenstolz“ etwa, bleibt es ein Zubrot. Vielleicht bekommen „Preussenstolz“
200 Euro für einen Auftritt. Und diese Summe muss noch unter den Bandmitgliedern aufgeteilt werden. Eventuell erhalten sie zusätzlich einen Spritkosten-Zuschuss und können
auch ein paar ihrer Tonträger vor Ort verkaufen. Das Problem für die brandenburgischen
Bands, wenn sie denn überhaupt in Brandenburg auftreten, ist, dass diese Konzerte
meistens relativ klein sind. Da kommen keine 1.000 Leute. Eher maximal 150. Und von
den Tonträgern lässt sich auch nicht leben. Herr Döring hat das angesprochen. Meistens
sind es kleine Auflagen, die zunächst vorfinanziert werden müssen. Wenn so ein Tonträger eine Auflage von 1.000 Stück erreicht, wäre das wirklich schon sehr viel. Insofern
kann man sich damit maximal ein Zubrot erwerben.
Will eine Band erfolgreich sein, muss sie raus aus ihrem angestammten Milieu. Und sie
muss versuchen, ihren rechtsextremistischen Fanstamm zu halten und gleichzeitig neue
Fans hinzugewinnen. Ein solches Beispiel sind vielleicht „Kategorie C“. Der Band ist völlig
bewusst, dass sie nach wie vor Kult-Status unter Rechtsextremisten genießt. Sie hat aber
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
23
ebenso Fans außerhalb der Szene. „Kategorie C“ zähle ich zu Gruppen, die schon eher
von ihrer Musik leben könnten. Diesen Spagat zwischen der eigenen Szene und Fans von
außen schaffen die meisten jedoch nicht. Die frühen „Bösen Onkelz“ oder eben „Kategorie C“ sind eine Ausnahme. Hier wage ich einen kleinen Rückgriff auf die Fachtagung des
brandenburgischen Verfassungsschutzes im letzten Jahr. Mit „Kultur des Hasses“ war sie
betitelt. Thema waren auch aggressive Bands aus dem linken Spektrum. Solche Bands
haben es manchmal etwas leichter. Nehmen wir etwa „Slime“, deren CDs man im Media
Markt kaufen kann. Dadurch ergeben sich völlig andere Gewinnspannen.
Jetzt komme ich noch mal kurz auf Konzerte zurück. In Brandenburg ist das Konzertwesen
fast zum Erliegen gekommen. Und wenn mal eines stattfindet, sind die Besucherzahlen
recht niedrig. Großereignisse wie vor ein paar Jahren in Brandenburg/Havel sind die absolute Ausnahme. Das ist die entscheidende Leistung unserer brandenburgischen Polizei. Sie geht rigoros dagegen vor. Potenzielle Veranstalter werden so abgeschreckt. Sie
machen sich Sorgen um ihre Investition und müssen damit rechnen, dass ihr Konzert
erst gar nicht anfängt oder mittendrin aufgelöst wird.
Trotzdem bleiben Konzerte – auch wenn sie klein sein mögen – eine wichtige
Finanzquelle. Im Jahr 2011 nutzten die „Jungen Nationaldemokraten“ in Oranienburg
das „Juz“ für insgesamt acht Konzerte mit jeweils 40 bis 80 Besuchern. Bands traten
ohne Gage auf und es wurde Eintritt erhoben. So floss ein wenig Geld in die lokale
Szenekasse, welches in die Szenearbeit investiert wurde. Seit Ende 2011 können die
„Jungen Nationaldemokraten“ die Einrichtung nicht mehr nutzen. Lassen Sie noch zwei,
drei andere Örtlichkeiten in Brandenburg dazu kommen. Und dann war es das schon.
Das ist sehr wenig und damit eine der guten Nachrichten, die wir haben.
Ebenso ist der brandenburgische Szene-Versandhandel nicht wirklich mit dem
in Sachsen vergleichbar. Der eine oder
andere Rechtsextremist in Brandenburg
kann vielleicht von seinem Versandhandel leben. Jedoch werden keine Gewinne wie auf dem Niveau in Sachsen erzielt, wo
daraus ein paralleles Wirtschaftsimperium mit Brennstoffhandel und anderen Dingen
entstanden ist. Hinzu kommt, dass ein Szene-Händler, Herr Döring hat das wunderbar geschildert, unter Beobachtung der Szene selbst steht. Wer mit und durch die Szene Geld verdient, muss ständig demonstrieren, dass seine Einnahmen auch wieder der
Szene zugutekommen.
24
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Zusammenfassend können wir festhalten, der Rechtsextremismus in Brandenburg ist
nicht wohlhabend. Große Geldflüsse sind nicht da. Brandenburgische Rechtsextremisten sind daher auf Pragmatismus und Einfallsreichtum angewiesen, um aus wenig
doch einigermaßen viel zu machen. In vieler Hinsicht schaffen sie das. Besonders die
brandenburgische Szene der Neonationalsozialisten ist ein Motor, ein Ideengeber für die
bundesweite Szene. Sie hat vorgemacht, wie besonders über das Internet mit wenig finanziellen Mitteln Ideologie modern und schnell verbreitet werden kann. All dies verbunden mit einer großen Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Sie sind bereit, einen Großteil
ihrer Freizeit, ihres Einkommens bis hin zur Blutspende für die Szene einzusetzen. Ihr
Arbeitsplatz, wo sie sich hauptsächlich verdingen müssen, ist eine Einflussmöglichkeit
für uns als Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörde. Denn dort haben Rechtsextremisten eine Schwachstelle. Ihr Erwerbsleben entscheidet mit darüber, ob sie eine gesicherte bürgerliche Existenz führen wollen oder ob sie sich für einen anderen Weg entscheiden. Bei bestimmten Berufen, das ist mein Appell, müssen wir sehr genau hingucken.
Damit meine ich insbesondere diejenigen, die an der Nahtstelle zu Rockern bestehen:
Bewachungsgewerbe, Tätowierer. Besondere Unterschiede zwischen Brandenburg und
Sachsen bestehen bei der Nutzung von Immobilien. Der Szene in Sachsen stehen deutlich mehr zur Verfügung. Unsere brandenburgischen Sicherheitsbehörden haben an diesem wichtigen Punkt einen Standortvorteil. Ich werde mir das sehr bald in Sachsen noch
sehr viel genauer angucken können. Denn Immobilien sind immer auch Rückzugsorte
für die Szene und damit ein Nährboden für Ideologietransfer und Gelderwerb.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
25
Dr. Marc Brandstetter
„Die Finanzen der NPD –
Wie die Demokratie ihre Feinde finanziert“
ENDSTATION
RECHTS.
ENDSTATION
RECHTS.
I.
Die NPD unter Holger Apfel
Der November 2011 markiert eine Zäsur in der Geschichte der größten und aktivsten rechtsextremistischen Partei der Bundesrepublik, der NPD. Auf dem Parteitag im
brandenburgischen Neuruppin löste der sächsische NPD-Fraktionsvorsitzende Holger
Apfel in einer Kampfabstimmung mit 126 zu 85 Stimmen seinen Ziehvater Udo Voigt ab,
der der Partei 15 Jahre vorgestanden hatte. Dieser Führungswechsel war das Resultat
eines erbitterten Richtungsstreits, der aus einer „Finanzkrise“ der Partei erwachsen war.
Holger Apfel verfolgt den Plan, die NPD zu „modernisieren“: Er möchte ihr eine neue, „gemäßigtere“ Außendarstellung verpassen. Der ehemalige Kopf des Parteinachwuchses
„Junge Nationaldemokraten“ (JN) nennt diese Marketingstrategie „seriöse Radikalität“.1
Die neue Marschroute hatte er frühzeitig ausgegeben, die NPD solle sich noch stärker als „Anti-EU“ und „Anti-Euro“-Partei positionieren. Zugleich versicherte er, das
ideologische Grundprofil der Partei werde nicht aufgeweicht, dies stehe für eine
„Weltanschauungspartei“ nicht zur Debatte. Es gehe darum, für neue Wählerschichten
attraktiv zu werden. Weg von einer Polit-Sekte und Bürgerschrecktruppe hin zu einer
echten Wahlalternative. Die Botschaft müsse heißen: „Aus dem Volk für das Volk.“2
Der „zweite Frühling“3 der NPD bleibt unweigerlich mit dem Namen Udo Voigt verbunden. Als er 1996 an die Spitze der NPD gewählt wurde, lag sie am Boden. Die ehe1
2
3
26
Vgl. Holger Apfel: Seriöse Radikalität, in: Deutsche Stimme Nr. 11/2011, S. 12.
Vgl. Ebenda.
So Armin Pfahl-Traughber, vgl. Armin Pfahl-Traughber: Der „zweite Frühling“ der NPD. Entwicklung, Ideologie, Organisation und Strategie einer rechtsextremistischen Partei, Sankt Augustin/Berlin 2008.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
mals erfolgreiche Organisation versank in der politischen Bedeutungslosigkeit, in den
siebziger, achtziger und bis weit in die neunziger Jahre hinein war sie nie mehr als eine
„bedeutungslose, rechtsradikale Sekte“4. Die gesellschaftlich isolierte, überalterte Partei mit ihrer rückwärtsgewandten Programmatik übte selbst auf die extremistische Rechte keinerlei Anziehung aus. Erst eine organisatorische, ideologisch-programmatische
und strategische Neuausrichtung, die von Voigt eingeleitet und energisch vorangetrieben wurde, brachte sie zurück in die (begrenzte) Erfolgsspur. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Konzentration auf die neuen Bundesländer, die Hinwendung zu sozialen
Themen und der Schulterschluss, den die NPD mit der DVU, aber auch mit den militanten Freien Kameradschaften, übte.5
2. Die Finanzen der NPD
Finanziell war die NPD nie auf Rosen gebettet. Aber als Udo Voigt 1996 die Partei übernahm, stand sie auf einigermaßen gesunden Füßen. Ihr Reinvermögen belief sich in seinem ersten vollständigen Amtsjahr 1997 auf mehr als 1,6 Millionen DM, das Haus- und
Grundvermögen schlug mit 2,3 Millionen DM zu Buche, die Verbindlichkeiten machten
ca. 1,5 Millionen DM aus. Die Gesamteinnahmen betrugen mit knapp 2,4 Millionen DM
ungefähr ein Drittel der Gelder, die von der NPD heute eingenommen werden. Damals
finanzierte sich die Partei vor allem durch Spenden und Mitgliederbeiträge.6 Im Schnitt
bezahlte jeder Anhänger 123 DM für seine NPD-Zugehörigkeit. Staatliche Unterstützung
erhielt sie keine, was an ihren schwachen Wahlergebnissen lag. In der Amtszeit von
Günther Deckert (1991 bis 1996), dem Vorgänger Voigts, übersprang die NPD bei keinem Wahlantritt die Ein-Prozent-Marke.
In den letzten beiden Geschäftsjahren, für die Rechenschaftsberichte vorliegen (2009
und 2010), nahm die NPD pro Jahr jeweils etwas mehr als drei Millionen Euro ein, 2009
sogar fast 3,2 Millionen Euro.7 Mit diesen Geldern mussten die Rechtsextremisten ihren Parteiapparat bezahlen, den allgemeinen Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, Wahl-
4
5
6
7
Zitiert nach: Horst Meier: In der Nachfolge der NSDAP? Das SRP-Verbotsurteil und das Verfahren gegen die NPD,
in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 4/2003, S. 485-495, hier S. 485.
Vgl. Marc Brandstetter: Die „neue“ NPD zwischen Systemfeindschaft und bürgerlicher Fassade. Parteienmonitor Aktuell der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin 2012. http://www.kas.de/wf/doc/kas_30034-544-1-30.pdf
Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/703, S. 172.
Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/8551, S. 33.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
27
kämpfe bestreiten, ihre Liegenschaften unterhalten oder sonstige politische Aktivitäten
finanzieren.
Den Löwenanteil ihres Finanzetats bestreitet die NPD heute mit staatlichen Geldern, die
ihr aus der Teilfinanzierung der Parteien zustehen. Nach § 18 Parteiengesetz erhalten
die politischen Parteien Mittel aus dem Bundeshaushalt, um „an der Willensbildung des
Volkes“ (wie es im Grundgesetz heißt) mitzuwirken. Dabei trägt der Gesetzgeber der tatsächlichen gesellschaftlichen Verwurzelung einer Partei Rechnung. Überspringt diese
ein bestimmtes Quorum (0,5 Prozent bei Europa- und Bundestagswahlen bzw. 1,0 Prozent bei Landtagswahlen), werden für die ersten vier Millionen Stimmen 0,85 Cent pro
Stimme ausgezahlt, für alle weiteren noch 0,70 Cent. Da die Parteien außerdem angehalten sind, selbst Mittel zu akquirieren, steuert die Bundesrepublik für jeden gespendeten Euro bis zu einer Grenze von 3.300 Euro pro Person 0,38 Cent bei. In den Jahren
2009 und 2010 überwies das „System“ jeweils rund 1,2 Millionen Euro an die NPD. Ohne
diese Unterstützung wäre die NPD nahezu handlungsunfähig, weshalb in der momentanen Verbotsdebatte das Argument, ein Verbot dieser Partei würde dem Rechtsextremismus den finanziellen Nährboden entziehen, zu den stichhaltigsten gehört.
Außerdem nimmt die NPD pro Jahr mehr als eine halbe Million Euro an Mitgliederbeiträgen
ein. 2009 waren es rund 519.000 Euro, ein Jahr später sogar 532.000 Euro.8 Durchschnittlich unterstütze ein Anhänger seine Partei mit ca. 81 Euro (2010). Spendengelder flossen in den zurückliegen Jahren in beachtenswerter Höhe an die NPD. „Natürliche Personen“ gaben 2009 fast 1,2 Millionen Euro, 2010 waren es 836.000 Euro. Als Großspender
trat dabei ein weiteres Mal Rolf Hanno aus Marbella (Spanien) in Erscheinung. Er überwies 30.374 Euro. Auch einige Spitzenfunktionäre zeigten sich in Geberlaune. An
der Spitze lagen der Schweriner Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs mit 25.720 Euro
und der NPD-Vorzeige-Ideologe und Landtagsabgeordnete aus Sachsen, Jürgen
Gansel, mit 19.135 Euro. Ihnen folgten der NPD-Bundesvize und einstige Landeschef
von Thüringen, Frank Schwerdt (11.839 Euro), und die beiden Fraktionskollegen aus
Mecklenburg-Vorpommern, Tino Müller (11.650 Euro), bzw. Sachsen, Arne Schimmer,
mit 10.186 Euro.9 Überraschenderweise sind die beiden bekanntesten „NPD-Größen“
Udo Voigt – damals noch Bundesvorsitzender – und Holger Apfel nicht auf der Liste der
Spender zu finden, die nach dem Parteiengesetz veröffentlicht werden müssen, wenn
8
9
28
Vgl. Ebenda, S. 33.
Vgl. Ebenda, S. 46.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
sie der NPD mehr als 10.000 Euro haben zukommen lassen. Und das, obwohl sich die
Partei in diesem Jahr in einer finanziellen Schieflage befand. 2009 war das noch anders:
Damals spendeten Voigt und Apfel jeweils mehr als 10.000 Euro an die NPD.10 Eine dringend benötigte Finanzspritze in Höhe von gut 150.000 Euro erhielt sie 2010 von dem
„Verein zur Pflege nationaler Politik“, der im Berichtszeitraum seine Selbstauflösung bekannt gab und sein beträchtliches Vereinsvermögen der NPD vermachte. Auch eine private Erbschaft verbesserte die finanzielle Situation der Rechtsextremisten. Günter Licht
aus Gülzow (Schleswig-Holstein) bedachte sie in seinem Testament mit 25.000 Euro.11
Nur einen kleinen Teil ihres Parteietats, nämlich zwischen vier und fünf Prozent, bestreitet die NPD durch Gelder, die sie mit Veranstaltungen, der Verbreitung von Druckschriften oder anderen Veröffentlichungen einnimmt. 2010 kamen so 129.000 Euro
zusammen (2009: 158.500 Euro). Offensichtlich hat die Parteiführung in jüngerer Vergangenheit die Möglichkeiten, die sich aus eigenen Veranstaltungen ergeben, (wieder)
entdeckt. Im Sommer des Jahres hatten musikbegeisterte Rechtsextremisten fast jedes Wochenende die Möglichkeit, an einem von der NPD oder ihren Suborganisationen
wie der Parteijugend „Junge Nationaldemokraten“ organisierten Open-Air-Konzert teilzunehmen. Als Schwerpunktregion wählten die Strategen Thüringen, wo gleich drei solcher Großevents – der „Eichsfeldtag“, das „Rock für Deutschland“ und der „Thüringentag
der nationalen Jugend“ – stattfanden. Ein breiter zivilgesellschaftlicher Widerstand und
Kommunen, die den Veranstaltern versuchten, immer mehr Steine in den Weg zu legen,
sorgten aber dafür, dass die Besucherzahlen hinter den Erwartungen zurückblieben.
Nicht so beim „Pressefest des Deutschen Stimme Verlages“, das 2011 zum ersten Mal
in Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Trotz der hohen behördlichen Auflagen, die beispielsweise das Zelten auf oder in der Nähe des Veranstaltungsgeländes untersagten,
machten sich ungefähr 1.000 Neonazis auf den Weg nach Pasewalk, einer kleinen Gemeinde in der Nähe der polnischen Grenze. Zwar wurden die Zuschauerrekorde nicht erreicht – 2004 mobilisierte die NPD noch 7.000 junge und alte Rechtsextremisten zu einer
ähnlichen Veranstaltung nach Mücka (Sachsen) –, angesichts der Umstände dürften die
Veranstalter damit aber zufrieden gewesen sein. Wer die neue Band „Die Lunikoff Verschwörung“ des ehemaligen „Landser“-Sängers und NPD-Mitglieds, Michael Regener,
sehen wollte, musste an der Tageskasse 23,50 Euro Eintritt auf den Tresen legen. Auch
10 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/4801, S. 46.
11 Vgl. Ebenda, S. 50.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
29
die zahlreichen Verkaufsstände des parteieigenen Verlages oder anderer Rechtsrockund Textilienvertriebe, die sicherlich eine Standgebühr entrichten mussten, und die Einnahmen aus dem Verkauf von Essen und Getränken, sorgten mutmaßlich für ein Plus
unter dem Strich, zumal sich die Ausgaben in Grenzen gehalten haben dürften. Die auftretenden Bands und Liedermacher waren dem Parteiumfeld zuzurechnen, weshalb ihre
Gagen verhältnismäßig gering ausgefallen sein dürften. Selbst die eingesetzte Bühnentechnik befindet sich im Besitz der NPD, wie eine Anzeige in ihrem Parteiblatt Deutsche
Stimme verrät, in der sie „professionelle Bühnen-, Ton- und Lichttechnik für Lautsprecherwagen, Info-Stände, Kundgebungen, Großdemonstrationen sowie Konzerte aller
Art“ zur Miete anbietet.
Zusätzlich hat die Parteiführung eine Umstrukturierung ihres Propagandavertriebes in
die Wege geleitet. Eine Überarbeitung des Geschäftsmodells war nötig, denn im Geschäftsjahr 2010 schrieb der Deutsche Stimme Verlag, der auch das gleichnamige
Parteiblatt herausgibt (Auflage laut Eigenangabe: 25.000 Exemplare), einen Verlust von
ca. 35.000 Euro.12 Unter der Leitung des neuen Chefredakteurs Karl Richter veränderte
sich das Erscheinungsbild der Monatszeitung. Vier farbige Seiten sollen die Hetzschrift
optisch aufwerten, die Artikel sind kürzer gehalten, Bilder nehmen einen breiteren Raum
ein. Die ausführlichen Strategiediskussionen der Vergangenheit spielen nur noch eine
untergeordnete Rolle. Dafür haben Kategorien wie „Nazialarm des Monats“ oder „Wir
zeigen Gesicht. Die NPD im Profil“ Einzug gehalten. Die Mehrzahl der Artikel besteht aus
(aufgearbeiteten) Pressemitteilungen, Berichten oder Initiativen der Parteigliederungen
und Fraktionen, die meistens bereits Wochen vor der Veröffentlichung in der Deutschen
Stimme auf den jeweiligen Internetseiten nachgelesen werden können.
Die Leitung des Verlages hat mit Eckart Bräuniger ein altgedienter Funktionär übernommen, der gegenüber der „Zeit“ die „angespannte wirtschaftliche Situation“ eingestehen musste. Mit 6.000 bis 7.000 Artikeln sei der Warenbestand des Versandhandels zu umfangreich, außerdem habe die Indizierung des Katalogs die Situation
verschärft.13 Der ehemalige Söldner im Balkankrieg löste den glücklosen Uwe Meenen
ab, der vor allem durch seine dubiosen Immobiliengeschäfte in den Blick der Öffentlichkeit geraten war. Er soll die Deutsche Stimme fit für die Zukunft machen. Neben einem erweiterten Veranstaltungsangebot – auf dem Gelände in Riesa finden regelmäßig
12 Vgl. Ebenda, S. 48
13 Vgl. Martin Machowecz: Der nationale Niedergang, unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-12/npd-holgerapfel-nsu-deutsche-stimme (eingesehen am 11. September 2012).
30
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Parteiveranstaltungen wie das „Lesertreffen“ oder das „Sommerfest“ statt – wurde das
Verkaufssortiment umgekrempelt. Zwischen klassische Artikel wie Rechtsrock-CDs oder
einschlägige „T-Hemden“ haben Dekorationsartikel wie der „Adler zur Wandbefestigung
mit Halterung für 5 Kerzen“ zum Preis von 269 Euro Einzug gehalten. Dieser Weg soll
auch in der kalten Jahreszeit weiter beschritten werden: In der September-Ausgabe
2012 sucht die Deutsche Stimme per Anzeige eine Halle mit 2000 Quadratmetern Fläche für eine „einmalige Veranstaltung.“ Offensichtlich reichten alle Maßnahmen aber
nicht, um den Verlag kurzfristig in die Gewinnzone zu führen. Deshalb stellt der sächsische Landesverband den Blattmachern einen Kredit in Höhe von 50.000 Euro (zuerst
war sogar von 140.000 Euro die Rede) zur Verfügung. In dem entsprechenden Vertrag
sicherten sich die beiden Spitzenkader Holger Apfel und Udo Pastörs, die als Gesellschafter auftreten, zugleich weitgehende Einflussmöglichkeiten auf das operative Geschäft. Sie seien dem Geschäftsführer gegenüber „weisungsbefugt“, heißt es in dem Papier.14 Unterdessen fand in der Szene ein Gerücht wie ein Lauffeuer Verbreitung, dass
der Deutsche Stimme zum Jahresende 2012 die Schließung drohe.15 Offenbar haben
die Maßnahmen nicht wie erhofft gefruchtet. Während das Parteiblatt vermutlich erhalten werden soll, steht womöglich der Versandhandel vor dem Aus. Intern diskutieren die
Funktionäre über „neue Konzepte und Schwerpunktsetzungen“.16
3. Finanzskandale der NPD
3.1 Das „System Golkowski“
Immer wieder macht die NPD mit ihren Finanzaffären Schlagzeilen. Eine saftige
Strafzahlung der für die Parteienfinanzierung zuständigen Bundestagsverwaltung in
Höhe von 870.000 Euro brachten ihr die kriminellen Machenschaften ihres ehemaligen
thüringischen Landesvorsitzenden Frank Golkowski ein, der in seinem Landesverband
ein System verfolgte, das so einfach wie perfide war. Anhänger der Partei verzichteten
für geleistete Dienste (z. B. Plakate kleben) auf eine Aufwandsentschädigung, erhielten aber fingierte Spendenquittungen, die sie bei ihrer Steuererklärung geltend machen
14 Vgl. Marc Brandstetter: Für 140.000 Euro. NPD-Chefs Apfel und Pastörs sichern Einfluss auf die Deutsche Stimme,
unter: http://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=7491:140000&Itemid=388 (eingesehen am 5. September 2012).
15 Vgl. Kombinat Fortschritt: „Deutsche Stimme“ am Ende?, unter: http://kombinat-fortschritt.com/2012/09/06/deutschestimme-am-ende/ (eingesehen am 11. September 2012).
16 Vgl. Patrick Gensing: NPD-Versand „Deutsche Stimme“ vor dem Aus?, unter: http://www.publikative.org/2012/09/07/
npd-versand-deutsche-stimme-vor-dem-aus/ (eingesehen am 11. September 2012).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
31
konnten. Durch die so gewonnenen „Spenden“ kam die Partei darüber hinaus in den Genuss überhöhter Gelder aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung. Im Jahre 1998 explodierte das Spendenaufkommen der Thüringer NPD geradezu. Nachdem es im Vorjahr noch 222.000 DM betragen hatte, flossen nun 533.000 DM auf die Parteikonten (bei
nur 12.000 DM aus Mitgliederbeiträgen).17 Eine derart wundersame Geldvermehrung
konnte von den zuständigen Stellen erwartungsgemäß nicht übersehen werden. Ein
Ermittlungsverfahren deckte bald das „System Golkowski“ auf, das Amtsgericht Erfurt verurteilte den NPD-Funktionär wegen Steuerhinterziehung in 135 Fällen zu einer
Bewährungsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.18 Die relativ milde Strafe befeuerte in der Szene das Gerücht, Golkowski sei ein „Agent Provocateur“ mit dem Auftrag gewesen, der NPD durch seine kriminelle Energie bleibenden Schaden zuzufügen. Doch
dieses Argument verfängt nicht, denn Golkowski verfolgte in einer von ihm gegründeten
Splitterpartei, dem „Bund Deutscher Patrioten“ (BDP), die gleiche Masche.
Nach seinem Rückzug belastete Golkowski seine einstigen „Kameraden“ schwer: Sein
„System“ sei kein Einzelfall gewesen. Er gab weiter an, auf Schatzmeisterseminaren
sei das Thema „Luftbuchungen“ besprochen worden, die Berliner Parteiführung habe
nicht nur Bescheid gewusst, sondern seine Machenschaften sogar gefördert. Auch andere Landesverbände wären bei der Beschaffung neuer Gelder so vorgegangen wie die
NPD-Aktivisten in Thüringen.19 Damit unterstellte er, die NPD betreibe eine systematische Fälschung ihrer Buchführung. Die NPD ging juristisch gegen die Strafzahlungen
vor, verlor das Verfahren aber vor dem Berliner Verwaltungsgericht.20
3.2. Die „Affäre Kemna“
Verglichen mit dem Skandal, der in den Jahren 2008 und 2009 die NPD erschütterte,
war Golkowski ein kleiner Fisch. Der langjährige Schatzmeister der Bundes-NPD, Erwin Kemna, hatte zwischen 2004 und 2006 rund 750.000 Euro an Parteigeldern auf seine eigenen Konten umgeleitet, um sein marodes Küchenstudio zu retten. Rund 80 Mal
griff er in die Parteikasse, die Hinterziehung dieser Gelder verschleierte er hinter einem
17
18
19
20
32
Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/3535, S. 184.
Vgl. Sven Röbel/Andreas Wassermann/Steffen Winter: Geld aus dem Nichts, in: Der SPIEGEL Nr. 24/2006, S. 40.
Vgl. Sven Röbel/Andreas Wassermann: Geld in der Schublade, in: Der SPIEGEL Nr. 48/2007, S. 42.
Vgl. Deutscher Bundestag: Rückforderungen gegen die NPD waren rechtens.
http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2008/20539076_kw21_npd_urteil/index.html (eingesehen am 4. September
2012).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
undurchsichtigen Geflecht aus Unterkonten und Bilanzmanipulationen. Das Landgericht
Münster verurteilte den geständigen Kemna am 12. September 2008 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.21
Im Zuge der Ermittlungen und während des Prozesses kamen einige interessante Details ans Licht. So hatte sich die NPD in der Vergangenheit systematisch geringere Beträge bei ihren Sympathisanten geliehen, die nach dem Parteiengesetz nicht namentlich
veröffentlicht werden müssen. Dadurch konnte die Herkunft bestimmter Gelder verschleiert werden. Außerdem griff die Partei ihren eigenen Funktionären in finanziellen
Notlagen unbürokratisch – also ohne Präsidiumsbeschluss – unter die Arme. Parteichef
Udo Voigt hatte gleich mehrere Male von diesem dubiosen System profitiert. Einmal erhielt er ein (mittlerweile zurückgezahltes) Darlehen in Höhe von 5.000 Euro, ein anderes Mal 30.000 Schweizer Franken, deren Zahlung über die damalige Firma des Spitzenfunktionärs, die „Wing Textilreinigung“ in Landshut, abgewickelt wurde.22
Bald erhärtete sich der Verdacht, dass der Kassenwart die Rechenschaftsberichte der
Partei frisiert haben könnte, was erneut die Bundestagsverwaltung auf den Plan rief. Die
Untersuchungen dauern noch immer an. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen,
drohen der NPD weitere Strafen in Millionenhöhe. Sicher jedenfalls ist, dass der Bericht
für das Jahr 2007 gleich mehrere Fehler aufwies. Der neue Schatzmeister Stefan Köster
war mit der Erstellung eines ordentlichen Berichts heillos überfordert, zu groß war das
von Kemna hinterlassene Chaos in der Buchführung. Auf dem Parteitag in Berlin 2009,
wo die Affäre durch die Delegierten aufgerollt wurde, musste er haarsträubende Fehler
eingestehen: Der Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern hatte Irrtümer der Landesund Kreisverbände übersehen, seinem Bericht sieben falsche Seiten beigelegt und statt
des vom Parteiengesetz geforderten Nettobetrags der staatlichen Unterstützung den
Bruttobetrag zugrunde gelegt – und diesen auch noch falsch berechnet.23 Ohnehin stellte die parteiinterne Untersuchungskommission den buchhalterischen Fähigkeiten des
NPD-Personals ein schlechtes Zeugnis aus. Auf allen Ebenen kümmerten sich „unfähige Schatzmeister“ um die Parteifinanzen. Persönlich bereichert – dieser Verdacht stand
während des gesamten Parteitages im Raum – habe sich aber niemand.
21 Vgl. SPIEGEL Online: Chaosbuchhalter bringt Rechtsextreme in Bedrängnis.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,577986,00.html (eingesehen am 4. September 2012).
22 Vgl. SPIEGEL Online: NPD-Chef profitiert privat von Parteigeld.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,626378,00.html (eingesehen am 4. September 2012).
23 Vgl. Martin Kotynek/Marc Serrao: Die Zahlen stimmen nicht, in: Süddeutsche Zeitung vom 4./5. April 2009.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
33
Die Verwaltung des Hohen Hauses ließ der NPD eine Zahlungsaufforderung über
mehr als 2,5 Millionen Euro zukommen, die erste Abschlagszahlung des Jahres von
305.000 Euro behielt sie ein. Die NPD setzte sich gegen die Strafzahlungen juristisch
zur Wehr und erzielte vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Punktsieg: Die Kammer verpflichtete die Bundestagsverwaltung zur Auszahlung der einbehaltenen Mittel, sofern die Partei bei Gericht eine Sicherheitsleistung in gleicher Höhe hinterlege. Außerdem reduzierte sie die Höhe der Zahlungen um die Hälfte. Die Revision der
Bundestagsbeamten erfolgte umgehend; das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg folgte ihrer Argumentation, änderte die erstinstanzliche Entscheidung und
setzte die zu zahlende Summe wieder auf ihren ursprünglichen Betrag von 2,5 Millionen Euro fest. Außerdem ließ der Senat die Möglichkeit einer Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zu.24
Damit war die „Affäre“ für die Parteiführung keineswegs ausgestanden. In einer ersten Reaktion nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Voigt seinen Freund Kemna noch verteidigt und versprochen, die „politische Verantwortung“ zu übernehmen. Außerdem verteidigte er die „kreative Buchführung“ seines Vorstandskollegen mit dem Druck des „Systems“
auf die Partei.25 Taten ließ er indes nicht folgen. Während des ausbrechenden Machtkampfes gegen die beiden starken Landesfürsten Apfel und Pastörs klammerte sich der einstige Bundeswehroffizier verzweifelt an seinen Chefsessel, was ihm den Szenenamen „Pattex-Udo“ einbrachte. Die „Finanzaffäre“ ließ die strategischen Differenzen, die schon lange
unter der Parteioberfläche gärten, mit unverminderter Härte ausbrechen. In der Vergangenheit hatte Voigt den Part eines „Mittlers“ zwischen den Strömungen eingenommen,
die bescheidenen Erfolge hielten die Partei zusammen. Diese Rolle musste er nun aufgeben, Wahlerfolge unter seiner Führung blieben aus, politische Visionen ließ der langjährige
NPD-Chef vermissen. Im Herbst 2011 hatte ihn die innerparteiliche Oppositionsbewegung
schließlich sturmreif geschossen und löste ihn ab.
Obwohl die beiden NPD-Flügel das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Überwindung
des demokratischen Systems der Bundesrepublik, stehen sie sich doch unversöhnlich gegenüber: Die „gemäßigtere“ Linie möchte der NPD eine „bürgerlich-seriöse“
Außendarstellung verpassen, ohne jedoch die ideologischen Grundprinzipien wie das
„Abstammungsprinzip“ aufzugeben. Die NPD soll als „Kümmerer“ auftreten, die Wähler
24 Vgl. Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2011 „Beanstandungen gegen
den Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 2007 – 13/11 (OVG 3a B 1.11).
25 Vgl. Gideon Botsch/Christoph Kopke: Die NPD und ihr Milieu, Münster/Ulm 2009, S. 104.
34
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
mit vermeintlich unverfänglichen Themen binden. Vorreiter dieser Strategie der „seriösen Radikalität“ ist Holger Apfel mit seiner sächsischen NPD. Ihnen gegenüber stehen
die Hardliner, die die NPD als Sperrspitze einer revolutionären außerparlamentarischen
Bewegung von rechts sehen. Aufbauend auf einem gemeinsamen nationalsozialistischen Fundament möchte diese Parteiströmung mit den militanten Freien Kameradschaften ein Kampfbündnis schmieden, um die Republik zu „unterwühlen“. In diesem
Konflikt spiegelt sich das Grunddilemma der NPD wider: Der „Kampf um die Straße“
und der „Kampf um die Parlamente“ sind unvereinbar.
3.3. „Kreative“ Geschäfte
Auch ansonsten zeigte sich die NPD in der Vergangenheit bei der Geldbeschaffung „kreativ“. Auf ihrer Webseite platzierte sie zwei „0900-Nummern“ (– sonst vor allem durch dubiose Gewinnspiele oder Sex-Hotlines bekannt –), mit denen ein Anrufer wahlweise fünf oder
zehn Euro spenden konnte. Nachdem dies in der Presse für Spot und Gelächter gesorgt hatte, verschwand die neue Einnahmequelle genauso schnell wie sie aufgetaucht war. Und zu
ihren Bundesparteitagen erhob sie 10 Euro Eintritt pro Delegiertem, um die Saalmiete zu refinanzieren.
Quelle: http://www.npd-jena.de/index.php?ID=28&anfang=100&npd=aktuelles (eingesehen am 11. März 2009).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
35
Ein „spezielles“ Angebot unterbreitete der NPD-Kreisverband Jena verkaufswilligen
Immobilienbesitzern. Gegen eine Parteispende bekunde man schriftlich ein Kaufinteresse der NPD und gebe eine entsprechende Mitteilung an die Lokalpresse heraus,
um damit die Chance zu eröffnen, ein sonst unverkäufliches Objekt „zu Höchstpreisen“ an die Kommune zu veräußern (siehe Abbildung S. 35). Immer wieder machen
Städte und Gemeinden von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, um ein rechtsextremistisches Schulungszentrum oder einen anderen Szenetreffpunkt in ihren Orten zu verhindern. Ob die Berliner Parteiführung in diese Machenschaften eingebunden war, ist
bis heute ungeklärt.26 Mancherorts hatte diese Masche jedenfalls Erfolg. In Menden
(Nordrhein-Westfalen) kaufte die Stadt ein altes Gut für 800.000 Euro, konnte das Herrenhaus aber nicht wie geplant wieder veräußern, da eine komplizierte Vertragssituation
und strenge Auflagen des Denkmalschutzes mögliche Investoren früh abschreckten. Ein
neues Gutachten hat den Verkehrswert der Immobilie daher auf null Euro festgelegt, was
in der Stadt für Unruhe sorgt.27
4. Finanzen NPD Mecklenburg-Vorpommern
Neben Geldern aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung erhält die NPD auch Mittel für ihre beiden Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Aus den jeweiligen Landeshaushalten fließen siebenstellige Beträge an die rechtsextremistischen Fraktionen – pro Jahr. In der zurückliegenden Legislaturperiode (2006
bis 2011) summierten sich die Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern
auf ungefähr sieben Millionen Euro. Rund zwei Millionen erhielten die sechs damaligen Abgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster, Michael Andrejewski, Tino Müller, Birger Lüssow und Raimund Borrmann als Entschädigung. Zusätzlich stand ihnen eine
steuerfreie Kostenpauschale von 436.000 Euro sowie knapp 1,2 Millionen Euro für ihre
Wahlkreismitarbeiter zur Verfügung. Die Fraktionszuschüsse schlugen mit 3,25 Millionen
Euro zu Buche, außerdem hatte Fraktionschef Pastörs Anrecht auf einen Dienstwagen,
der den Steuerzahler 72.500 Euro in fünf Jahren kostete.28 Da die NPD bei der Landtags26 Vgl. Elmar Vieregge: Die NPD und die Immobilien – Ausbau rechtsextremer Strukturen oder Scheingeschäfte?, in:
Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 19, Baden-Baden 2008, S. 182-198,
hier S. 197.
27 Vgl. Michael Koch: Teure NPD-Abwehr. Gut Rödingshausen nichts wert, unter:
http://www.derwesten.de/staedte/menden/teure-npd-abwehr-gut-roedinghausen-nichts-wert-id7039436.html (eingesehen am 4. September 2012).
28 Vgl. Parlamentsdatenbank des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Eigene Berechnung.
36
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
wahl im September 2011 ein Mandat verlor, fallen nun die Zahlungen des Landes geringer aus. In der Summe belaufen sie sich immer noch auf rund eine Million Euro pro Jahr.
Dazu gehören Diäten von fast 320.000 Euro, eine Kostenpauschale von mehr als 75.000
Euro oder verschiedene Fraktionsgelder, die sich auf eine halbe Million Euro summieren.29 Damit stellt alleine das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern der NPD-Fraktion
eine Summe zur Verfügung, die ungefähr genauso hoch ist wie die Zahlungen aus der
staatlichen Teilfinanzierung, die zwischen der Bundespartei und den nachgeordneten
Gliederungen aufgeteilt werden müssen.
Mit diesen Geldern unterhält die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern
Bürgerbüros. An der Ostsee hat sie fünf solcher Treffpunkte eröffnet, von denen mindestens zwei, wahrscheinlich drei, in Immobilien untergebracht sind, die im Besitz
von Parteisympathisanten sind. Der Fraktionsvorsitzende Pastörs und der parlamentarische Geschäftsführer Köster nutzen zwei verschiedene Räumlichkeiten. In Pastörs
Heimatstadt Lübtheen (Landkreis Ludwigslust-Parchim) hat das gut erkennbare, mit
Parteiaufklebern und Plakaten versehene Bürgerbüro der beiden Spitzenkader sein Zuhause in zentraler Lage gefunden. Direkt in der Mitte des Ortes, am Ernst-Thälmann-Platz,
demonstrieren die beiden Wahlkreismitarbeiter Andreas Theißen und Torgai Klingebiel
das Selbstbewusstsein dieser Partei in Mecklenburg-Vorpommern. Einige Indizien deuten daraufhin, dass das Haus der Familie Pastörs gehört. Das zweite Büro befindet sich
im „Thinghaus“, einem Szenetreffpunkt in Grevesmühlen (Nordwestmecklenburg). Hinter hohen Mauern und Stacheldraht residiert in dem Gebäude, das dem ehemaligen, u.
a. wegen Waffenbesitzes und Hehlerei zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilten NPD-Landesvorstandsmitglied Sven Krüger gehört, auch das Internetportal „MUPinfo“. Die von dem Mitglied des Landtages David Petereit verantwortete Onlineplattform
gehört zu den wichtigsten Informations- und Kommunikationsinstrumenten des „nationalen Widerstandes“. Damit fließen womöglich über den Umweg der Miete Gelder direkt in die Bewegung. Außerdem sind die NPD-Aktivisten näher bei den Menschen. In
Anklam bietet ihr „Fraktionsexperte“ Michael Andrejewski in seinem Büro jeden Montag
zwischen 10.00 Uhr und 18.00 Uhr Sprechstunden zum Thema „Hartz IV“ an. Die Partei
verfügt mit diesen Räumlichkeiten über Rückzugsräume in eigentlich abgelegenen Gebieten, in denen politische Aktionen geplant und Propagandamaterialien vorrätig gehalten werden können.
29 Vgl. Ebenda.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
37
Viele der aktiven rechtsextremistischen Kader arbeiten bei oder für die NPD. Diese
„Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ ermöglichen den bis in die Haarspitzen motivierten Überzeugungstätern, den „Kampf um Deutschland“ 24 Stunden am Tag zu führen. Neben dem hauptamtlichen Parteiapparat, mit Stellen auf Bundes- und Landesebene, stehen Spitzenfunktionäre bei der Partei in Lohn und Brot. So zum Beispiel
der stellvertretende Bundesvorsitzende und Münchner Stadtrat der „Bürgerinitiative
Ausländerstopp“ (BIA), Karl Richter, als Chefredakteur bei der Parteizeitung Deutsche
Stimme. Auch die beiden Landtagsfraktionen haben sich als effektives Instrument für
die Unterbringung der eigenen Anhängerschaft erwiesen. Im Schweriner Schloss arbeiteten im März 2012 wahrscheinlich 15 Personen für die NPD. Nicht in diese Zählung eingeflossen sind die fünf Abgeordneten und deren Wahlkreismitarbeiter, so dass
alleine in Mecklenburg-Vorpommern mindestens 25 NPD-Kader vom Land ihre Diäten
und Gehälter beziehen. Würden diese Aktivposten einer geregelten Arbeit außerhalb der
Parteistruktur nachgehen, stünde ihnen weniger Zeit, eine geringere Informationsdichte
und womöglich eine schlechtere technische Ausstattung zur Verfügung, um ihr antidemokratisches Gedankengut zu verbreiten.
5.
Ein möglicher Verlust staatlicher Gelder trifft die NPD –
nicht aber die gesamte Szene
Durch die staatliche Parteienteilfinanzierung hat sich der Staat zum wichtigsten Geldgeber der NPD entwickelt. Gut 40 Prozent ihres Jahreshaushaltes bestreiten die
Rechtsextremisten aus dieser Quelle. Hinzu kommen die Gelder, die in Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern für die beiden Landtagsfraktionen gezahlt werden. Ohne diese Mittel wäre die NPD nicht in der Lage, ihren Apparat aufrechtzuerhalten, der vielen
Parteianhängern ein Auskommen bietet. Dadurch haben die Aktivisten die Zeit und den
finanziellen Spielraum für ihre systemfeindlichen Aktivitäten.
Den Parteistrategen ist bewusst, dass diese Quelle nicht unendlich ist, sie irgendwann
versiegen kann. Bereits seit Monaten diskutiert die Öffentlichkeit über ein „Parteiverbot
light“: Ziel ist es, der NPD den Geldhahn zuzudrehen. Hintergrund sind die hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht für weitere Verbotsverfahren aufgestellt hat.
Deshalb hat die Parteiführung um den neuen Chef Holger Apfel begonnen, den Deutsche Stimme Verlag zu einem zweiten finanziellen Standbein umzubauen, was bislang
aber mehr schlecht als recht funktioniert. Als ertragreiche Einnahmemöglichkeit haben
sich in der Vergangenheit darüber hinaus die Parteiveranstaltungen erwiesen, die einen
38
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Redner- und einen Musikanteil kombinieren. Neben den bekannten Großevents in Thüringen oder dem „Pressefest des Deutschen Stimme Verlages“ fanden zuletzt immer
wieder Veranstaltungen auf dem Verlagsgelände in Riesa statt. Ein Verlust der staatlichen Gelder hätte für die NPD dessen ungeachtet weitreichende Folgen, die politische
Arbeit müsste zusammengestrichen werden. Die Geschäftsstellen müssten Stellen abbauen, Personalausgaben von fast 320.000 Euro könnte sich die Partei in diesem Fall
nicht mehr leisten. Eine Minderung der politischen Schlagkraft und eine Reduzierung
des zum Einsatz kommenden Propagandamaterials wären die Konsequenz.
Für die gesamte rechtsextremistische Bewegung blieben die Folgen überschaubar. In
vielen Regionen haben sich die Freien Kameradschaften längst zu dominierenden Strömungen der extremistischen Rechten entwickelt. Abseits ihrer ostdeutschen Hochburgen spielt die NPD nur selten eine politische Rolle. Im Gegenteil: In den alten Bundesländern haben ihr die parteiunabhängigen Neonazis längst den Rang abgelaufen.
Schon früh hat sich die Szene auf ein eventuelles Verbot dieser Partei, und damit auf
den Wegfall der staatlichen Gelder, eingestellt. Nahezu alle wichtigen Immobilien sind
heute in den Händen von „freien“ Aktivisten. Der Aufbau einer rechtsextremistischen
Parallelwirtschaft mit eigenen Vertrieben und Läden für Musik, Kleidung, NS-Devotionalien und sonstigen Gebrauchsgegenständen sichert den Führungskräften ihren Lebensunterhalt und ermöglicht außerdem die Anstellung gesinnungstreuer „Kameraden“. In einigen Fällen wird sogar ein Überschuss für die politische Arbeit erwirtschaftet.
Die Kameradschaften müssen keine teuren Wahlkämpfe führen, ihr Aktionsrepertoire
ist anders gewichtet. Aktivitäten wie Kameradschaftsabende, nächtliche Aufmärsche im
Fackelschein, das Kleben und Verteilen neonationalsozialistischer Plakate und Flugblätter oder gemeinsame Wehrsportübungen und Fußballturniere können auch mit verhältnismäßig wenig Geld organisiert werden. Und nicht zu Letzt haben die Neonazis das
Internet für sich entdeckt. Dort sind die Möglichkeiten, die eigenen Ansichten mit Gesinnungsgenossen in aller Welt zu teilen, sich auszutauschen, neue Anhänger zu gewinnen oder spezielle Szeneprodukte zu verbreiten, schier unerschöpflich. Die Ansprache
einer anderen Zielgruppe, nämlich vor allem Jugendliche, erleichtert dieses Unterfangen. Strategische Zurückhaltung, wie sie die NPD in Wahlkampfzeiten üben muss, spielt
für sie keine Rolle.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
39
Klaus Hanfland
„Gesetzliche Grundlagen
und Praxis der Parteienfinanzierung“
Zum Thema „Parteienfinanzierung“ in der Bundesrepublik ist zunächst einmal zu sagen,
dass die politischen Parteien sich in erster Linie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden selbst
finanzieren sollen. Daneben gibt jedoch auch eine subsidiäre staatliche Teilfinanzierung,
die sich nach dem Erfolg der jeweiligen Partei bei Wahlen und dem Umfang der finanziellen Zuwendungen durch natürliche Personen an die Parteien bemisst.
Die politischen Parteien sind, anders als die Parlamentsfraktionen, nicht Teil der verfassten Staatlichkeit, sondern wurzeln im gesellschaftlich-politischen Bereich. Ihre Gründung ist frei, ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Über
Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen müssen sie öffentlich
Rechenschaft geben, wie Art. 21 des Grundgesetzes garantiert. Dies erfolgt durch die
jährliche Einreichung eines Rechenschaftsberichts beim Präsidenten des Deutschen
Bundestages, der als Drucksache und im Internet veröffentlicht wird.
Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien verlangt, dass sie nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der
40
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Bürger angewiesen bleiben müssen. Eine staatliche finanzielle Unterstützung darf daher
nur ergänzend erfolgen.
Das Gesamtvolumen der staatlichen Parteienfinanzierung auf Bundes- und Landesebene beträgt derzeit 141,9 Mio Euro pro Jahr. Die an der staatlichen Teilfinanzierung teilnehmenden Parteien hatten ausweislich ihrer Rechenschaftsberichte für das Jahr 2010
Eigeneinnahmen in Höhe von insgesamt ca. 290 Mio Euro. Die staatliche Finanzierung
der politischen Parteien belief sich damit auf knapp die Hälfte ihrer gesamten Einnahmen. Insgesamt nehmen zurzeit 19 Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung teil.
Zur gesetzlichen Regelung der Parteienfinanzierung: Art. 21 Grundgesetz sah bereits seit
seinem Inkrafttreten im Jahr 1949 vor, dass die Parteien über ihre Einnahmen öffentlich
Rechenschaft ablegen müssen. Das Nähere wurde im Jahr 1968 in dem Gesetz über
die politischen Parteien geregelt, das nicht nur die Einzelheiten der Rechnungslegung,
sondern auch die Grundsätze einer staatlichen Teilfinanzierung der Parteien festlegt. Als
mittelverwaltende Behörde wurde der Präsident des Deutschen Bundestages festgelegt.
Zunächst wurde jedoch noch keine allgemeine staatliche Parteienfinanzierung vorgesehen, sondern lediglich die Erstattung der Kosten eines angemessenen Wahlkampfes, die
jeweils nach einer Wahl nach dem Stärkeverhältnis der Parteien ausgezahlt wurde.
1992 hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die besonders herausragende
Bedeutung der politischen Parteien als gesellschaftliche Gruppierungen es für zulässig
erklärt, den Parteien nicht nur die notwendigen Kosten für einen angemessenen Wahlkampf zu erstatten, sondern ihnen auch für die durch Grundgesetz und Parteiengesetz
auferlegten allgemeinen Aufgaben eine staatliche Teilfinanzierung zukommen zu lassen.
Dies führte ab dem Jahr 1994 zur allgemeinen staatlichen Teilfinanzierung. Diese wurde
jedoch zweifach nach oben begrenzt, und zwar absolut auf das Volumen, das die Parteien auf Grund der bisherigen Rechtslage erhalten hatten sowie relativ auf die Höhe der
jährlichen Eigenfinanzierung der jeweiligen Partei („relative Obergrenze“).
Das Parteiengesetz wurde im Jahr 2002 noch einmal wesentlich geändert. Mehrere
Spendenskandale hatten deutlich gemacht, dass bessere Vorkehrungen zur Abwehr
rechtswidriger Handlungen bei der Beschaffung und Verwaltung der Parteifinanzen
notwendig sind. Die Regelungen über Sanktionen, die der Bundestagspräsident als
mittelverwaltende Stelle bei fehlerhaften Rechenschaftsberichten und Verstößen gegen
das Parteiengesetz zu verhängen hat, wurden präzisiert. Auch ein Straftatbestand wurde eingeführt.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
41
Nun zur Finanzierung im Einzelnen. Zunächst: die Eigenfinanzierung der Parteien.
Als nicht staatliche, sondern gesellschaftliche Gruppierungen sind die Parteien verpflichtet, sich in erster Linie privat zu finanzieren. Wie ich bereits erläuterte, ist die staatliche
Finanzierung nur ergänzend und darf nie höher sein als die Eigenfinanzierung der jeweiligen Partei („relative Obergrenze“ der staatlichen Finanzierung).
Die Haupteinnahmequelle der Eigenfinanzierung der politischen Parteien sind Mitgliedsund Mandatsträgerbeiträge sowie Spenden. Spenden dürfen die Parteien grundsätzlich
in unbegrenzter Höhe annehmen. Bei der Abwägung einerseits der Notwendigkeit, dass
sich die Parteien vor allem selbst finanzieren sollen, und andererseits der Gefahr, dass
die Parteien und ihre politische Arbeit bei zu hohen Spenden undemokratischen Einflüssen ausgesetzt sein können, hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, in genau bestimmten Fällen die Annahme von Spenden zu verbieten.
Dabei handelt es sich, kurz gesagt, um Fälle, in denen entweder durch unzulässigen
Einfluss auf die Parteien demokratische Grundsätze verletzt werden könnten, zum
Beispiel bei Spenden, die erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gegeben werden, sog. Einfluss- oder
„Dankeschön-Spenden“, oder durch eine indirekte Parteienfinanzierung die absolute
Obergrenze umgangen werden könnte, zum Beispiel: Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Parlamentsfraktionen oder auch politischen Stiftungen, oder von
Unternehmen, die zu mehr als 25 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand stehen.
Ansonsten ist die Spendenhöhe nicht begrenzt. Der Gefahr von Korruption soll durch
eine möglichst große Transparenz begegnet werden. Diese besteht darin, dass Spenden, die eine Partei von einem Spender innerhalb eines Rechnungsjahres im Gesamtwert von mehr als 10.000 Euro erhält, mit Namen und Anschrift des Spenders und der
Höhe der Gesamtspende im Rechenschaftsbericht deutlich gemacht werden muss. Der
Rechenschaftsbericht wird, wie gesagt, veröffentlicht. Spenden über 50.000 Euro müssen außerdem unverzüglich dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden, der sie
„zeitnah“ in einer eigenständigen Bundestagsdrucksache veröffentlicht.
Durch die im Parteiengesetz im Detail festgeschriebene Pflicht der politischen Parteien,
über ihre Einnahmen und Ausgaben und über ihr Vermögen umfassend öffentlich Rechenschaft zu legen, ist ein Weg gefunden worden, der zum einen den Parteien eine
möglichst weitgehende Eigenfinanzierung ermöglicht und sie zum anderen zu einem
gesetzeskonformen und demokratiegerechten transparenten Arbeiten befähigt.
42
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Nun: Staatliche Teilfinanzierung.
Die im Parteiengesetz geregelte staatliche Teilfinanzierung der Parteien orientiert sich
an dem Maßstab ihrer Verwurzelung in der Gesellschaft. Eine Partei, die in der Gesellschaft Rückhalt findet, soll größere staatliche Finanzmittel erhalten als eine Partei, die
von der Gesellschaft abgelehnt wird. Dies bemisst sich zum einen anhand des Wahlergebnisses, das die Parteien in der Europawahl, der Bundestagswahl und den 16 Landtagswahlen, erhalten haben, und zum anderen anhand des Erfolgs, den die Parteien
dadurch erzielen, dass sie möglichst viele Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie
Spenden erhalten.
Parteien nehmen an der staatlichen Finanzierung teil, wenn sie bei den letzten Europaoder Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen oder bei einer Landtagswahl mindestens 1 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Sie bekommen für die ersten 4 Millionen für sie abgegebenen Stimmen 0,85 Euro je
Stimme und für jede weitere Stimme 0,70 Euro. Außerdem erhalten sie 0,38 Euro für jeden Euro, den natürlichen Personen als Mitgliedsbeitrag oder Spende zahlen, bis zu einer Grenze von 3.300 Euro je natürlicher Person. Bei der Berechnung müssen jedoch
absolute und relative Obergrenze beachtet werden.
Die staatliche Teilfinanzierung hängt direkt von der Befolgung der gesetzlichen Pflicht
zur Rechnungslegung ab, denn die Teilfinanzierung wird von der mittelverwaltenden Behörde auf der Grundlage der jährlich einzureichenden Rechenschaftsberichte berechnet
und festgesetzt. Ist ein Rechenschaftsbericht unrichtig, so ist die Partei verpflichtet, dies
unverzüglich nach der Entdeckung zu berichtigen.
Verstöße gegen die Pflicht zur Rechnungslegung und andere Gebote des
Parteiengesetzes, insbesondere Spendenverbote, lösen finanzielle Sanktionen in Höhe
des Zwei- oder Dreifachen des unrichtigen Betrages aus. Außerdem gelten spezielle
Strafvorschriften, nach denen zum Beispiel einzelne Parteimitglieder, die die Vorschriften über die öffentliche Rechnungslegung umgehen und damit einen unrichtigen Rechenschaftsbericht beim Präsidenten des Deutschen Bundestags einreichen, strafrechtlich angemessen zur Verantwortung gezogen werden können.
Nicht unerwähnt bleiben soll noch die mittelbare Parteienfinanzierung durch steuerliche Privilegierung von Zuwendungen. Neben der unmittelbaren staatlichen Finanzierung der Parteien besteht auch eine mittelbare Finanzierung durch die Befreiung der
Parteien von der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie durch die Möglichkeit für na-
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
43
türliche Personen, Zuwendungen an die Parteien in einem begrenzten Umfang, nämlich
bis 3.300 Euro / Jahr und Person, steuerlich abzusetzen.
44
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Univ.-Prof. Dr. iur. Volker Epping
„Müssen Demokraten ihre Feinde finanzieren?
Extremisten im Spannungsfeld von Parteienfinanzierung,
Überwachung und Verbot1“
Gegenstand meiner Ausführungen ist die Frage, wie Parteien, die nicht auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen und diese am liebsten beseitigen, zumindest aber beeinträchtigen wollen, im Rahmen der Rechtsordnung
begegnet werden kann. Art. 21 Abs. 2 GG gibt insofern Aufschluss: Solche Parteien
sind verfassungswidrig. Über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit entscheidet das
Bundesverfassungsgericht. Dies aber keineswegs von Amts wegen, sondern nur wenn
ein entsprechender Antrag vom Bundestag oder vom Bundesrat oder von der Bundesre1
Der Beitrag fußt auf einem Rechtsgutachten, das der Verfasser für das Land Niedersachsen zu der Frage, „ob
und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen
Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann“ im November 2008 erstellt hat. Das Rechtsgutachten ist
abrufbar über http://www.jura.uni-hannover.de/656.html. Wesentliche Ergebnisse des Gutachtens finden sich auch
wieder in dem Beitrag Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49-72, an den sich auch der vorliegende Beitrag insbesondere ab Teil III. anlehnt. Dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport sowie
dem Nomos-Verlag sei an dieser Stelle für die Abdruckgenehmigung gedankt.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
45
gierung gestellt wird (§ 43 BVerfGG). Da über die Verfassungswidrigkeit allein das Bundesverfassungsgericht entscheidet, spricht man insofern von einer Privilegierung der
Parteien beziehungsweise dem sog. Parteienprivileg: Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei für verfassungswidrig erklären. Daraus folgt, dass bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand die Verfassungswidrigkeit einer
Partei rechtlich geltend machen kann. Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung noch so feindlich verhalten. Erst die verfassungsgerichtliche Feststellung
der Verfassungswidrigkeit impliziert das Parteienverbot, das heißt ..... die Auflösung der
Partei und das Verbot der Schaffung von Ersatzorganisationen (§ 46 Abs. 3 BVerfGG).
Nach geltendem Recht ist das Parteiverbotsverfahren die einzige Möglichkeit, auf verfassungswidrige Parteien zu reagieren.
I. Das Parteienprivileg und die Rechtswirklichkeit
Springen wir nach diesem kurzen Befund in die Rechtswirklichkeit: Sobald eine Gewalttat geschieht, bei der man einen rechtsextremistischen Hintergrund vermutet, verfällt die
Politik in ein klassisches Schema: Repräsentanten des Staates und führende Politiker
propagieren mit der Inbrunst der Überzeugung ein neues Verbotsverfahren und tragen
Tatsachen für die Verfassungswidrigkeit der NPD vor. Passiert ist bislang nichts, sieht
man einmal davon ab, dass sich die Innenminister nach Jahren nun durchgerungen haben, die V-Leute zumindest auf Führungsebene abzuziehen.2 Der Bundesinnenminister
prüft derzeit immer noch, ob ein Verbotsverfahren eingeleitet werden soll. Dies ist auch
notwendig, denn eine zweite Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht wäre verheerend für den Staat, wie auch unser Bundespräsident unmittelbar nach seiner Wahl in
einem Fernsehinterview angemerkt hat.3
2
3
46
Beschluss der Innenministerkonferenz vom 22.3.2012, abrufbar unter http://www.bundesrat.de/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/12-03-22/Beschluesse,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Beschluesse.pdf
http://www.derwesten.de/nachrichten/npd-verbot-gauck-merkel-und-lammert-skeptisch-id6485981.html.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
1. Das Parteiverbotsverfahren von 20014 und seine
Konsequenzen für ein erneutes Parteiverbotsverfahren
Zur Erinnerung: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat 2003 über die Anträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf Verbot der NPD in der Sache
nicht entschieden, sondern das Verfahren eingestellt.5 Drei der sieben Richter hatten angenommen, es bestehe „ein nicht behebbares Verfahrenshindernis“6. Dies war ausreichend, weil nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG eine dem Antragsgegner nachteilige Entscheidung – hier das Verbot der Partei – einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder
des Senats bedarf (sechs von acht).7 Die drei Richter waren nämlich der Auffassung,
es sei mit „den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren“ nicht vereinbar, dass
eine politische Partei „durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor oder während der
Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der
Verfassungswidrigkeit der Partei“ beobachtet werde. Sie stellten sich vor, der Staat sei
durch seine „V-Leute“ „auf der Führungsebene der Partei“ „präsent“ gewesen und habe
somit auf deren Willensbildung und Tätigkeit „Einfluss genommen“.8
Zwar ist diese Rechtsauffassung durch die vier dissentierenden Richter im Zweiten Senat seinerzeit kritisiert worden. Das Verfahren hätte nach ihrer Auffassung weitergeführt werden können, weil eine „staatliche Fremdsteuerung“ der NPD „nicht ansatzweise erkennbar“ gewesen sei.9 Insbesondere ergäben sich „aus der bekanntgewordenen
Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit Mitgliedern des Bundesvorstandes und der
Landesvorstände der Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür, dass das politische
Erscheinungsbild der Antragsgegnerin nicht mehr das Ergebnis eines offenen gesell4
5
6
7
8
9
Mit ihren am 30.01.2001 und 30.03.2001 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Anträgen begehrten die
Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in erster Linie die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD und die Auflösung ihrer Parteiorganisation, s. BVerfGE 107, 339 (342).
BVerfGE 107, 339 ff.
BVerfGE 107, 339 (360).
Dass sich eine Minderheit gegenüber einer Mehrheit durchsetzt (siehe hierzu instruktiv Eckart Klein, Ein neues
NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 28 f.), ließe sich nicht entscheidend ändern, wenn man in der bisherigen Systematik des BVerfGG bleibend die Zwei-Drittel Mehrheit des § 15 Abs. 4 S. 1 BVerfGG zugunsten der einfachen Mehrheit
des § 15 Abs. 4 S. 2 BVerfGG aufgeben würde. In entsprechender Heranziehung des § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG würde bei Stimmengleichheit dann keine Verfassungswidrigkeit der Partei festgestellt werden können. Mithin wären bei
einem in voller Besetzung entscheidenden Senat dann auch fünf von acht Stimmen für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit erforderlich.
BVerfGE 107, 339 (365 ff.).
BVerfGE 107, 339 (378 ff.).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
47
schaftlichen Willensbildungsprozesses“ sei.10 Zwar legen die dissentierenden Richter
sprichwörtlich ihre Finger in die Wunde, gleichwohl wird man aber unschwer die enormen Gefahren eines erneuten Parteiverbotsverfahrens sehen müssen. Um diesen Gefahren zu begegnen wird man daher die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 zu beachten haben. Denn es ist keineswegs
ausgeschlossen, dass der dieses Verfahren dann entscheidende Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts sich an den Vorgaben der Entscheidung aus dem Jahre 2003
orientieren wird, auch wenn er in seiner personellen Zusammensetzung nicht mehr identisch ist mit dem seinerzeit entscheidenden Senat.11
Für ein neuerliches Parteiverbotsverfahren bedeutet dies, dass alle Informanten des
Verfassungsschutzes, die Mitglied eines Landes- oder des Bundesvorstandes dieser
Partei sind, weit vor Einreichen des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht
„abzuschalten“12 sind – dies haben die Innenminister – wie bereits ausgeführt – mittlerweile auch beschlossen. Damit ist es aber nicht getan: Denn das bis dahin erlangte Material ist in Gänze „kontaminiert“, auch wenn es nicht über die vorgenannten Informanten
erlangt wurde. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Informanten an
der Erstellung des Materials (zum Beispiel Parteiprogrammen, Flugblättern etc.) mitgewirkt haben. Grundlage für das Verbotsverfahren kann daher nur das nach dem Abschalten erlangte Material sein. Reicht dies aber, um das für ein Verbot notwendige „aggressiv kämpferische Verhalten“13 zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen
10 BVerfGE 107, 339 (381). - Bemerkenswert aber ist, dass einer der vier dissentierenden Richter, der ehemalige
Bundesverfassungsrichter Hans­Joachim Jentsch, der i.Ü. „Berichterstatter“ der vier dissentierenden Richter im letzten Parteiverbotsverfahren war, auf die Risiken eines neuen Verbotsantrags aufmerksam gemacht hat. Auch er bestätigt die Notwendigkeit, alle V-Leute aus den Führungsgremien der NPD abzuziehen und stellt sich damit nunmehr
auf den Standpunkt der seinerzeit auch von ihm abgelehnten Dreiermeinung (s. Hans Peter Bull, Warum die NPD
nicht verboten werden kann, FAZ v. 27.01.2009, Nr. 22, S. 22.).
11 Seinerzeit wirkten an der Entscheidung die Richter Hassemer, Sommer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Melling­
hoff und Lübbe­Wolff mit. Bis auf Frau Lübbe­Wolff, deren Amtszeit im Frühjahr 2014 enden wird (ihre Amtszeit begann im April 2002; siehe insofern aber § 4 Abs. 4 BVerfGG), sind alle anderen Richter bereits aus dem Bundesverfassungsgericht nach Ablauf ihrer zwölfjährigen Amtszeit (§ 4 Abs. 1 BVerfGG) – die Wiederwahl ist ausgeschlossen,
§ 4 Abs. 2 BVerfGG – ausgeschieden. Selbst wenn noch ein Parteiverbotsantrag im Herbst 2012 beim BVerfG eingereicht würde, wäre es absehbar, dass Frau Lübbe­Wolff voraussichtlich nicht mehr mitentscheiden würde. – Siehe
zur zeitlichen Dimension eines Parteiverbotsverfahrens eingehend Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren,
2012, S. 25 ff. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf den KPD-Prozess, der sich insgesamt über fünf Jahre hinzog; an 51 Tagen wurde mündlich verhandelt.
12 BVerfGE 107, 339 (374).
13 BVerfGE 5, 85 (140 f.), s. Zitat in Fn. 18.
48
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
demokratischen Grundordnung14 zu belegen?15 Bislang hielt man dies ohne die internen
Quellen für nicht darstellbar. Allein auf offenes Material zurückzugreifen wurde jedenfalls
bislang als kaum ausreichend angesehen. Denn die Partei muss, um verfassungswidrig zu sein, nach ihrer Zielrichtung, wofür das Parteiprogramm wesentliche Hinweise geben kann, oder auch durch das Verhalten ihrer Anhänger16 „darauf ausgehen“, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder gar
zu beseitigen. Die bloße argumentative Ablehnung der Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung genügt insoweit nicht.17 Erforderlich sind Angriffe auf diese Ordnung, das heißt Handlungen, aus denen sich ergibt, dass die Partei das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung planvoll beeinträchtigen oder
beseitigen will.18 Die schrecklichen Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds
14 Was unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1952 in seinem SRP-Urteil in noch heute gültiger Weise definiert, s. BVerfGE 2, 1, (12 f.: „So läßt sich die frei­
heitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt­ und Will­
kürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach
dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien die­
ser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten,
vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltentei­
lung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte,
das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmä­
ßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“).
15 Die zweiten Alternative des Art. 21 Abs. 2 GG (die Partei muss darauf ausgehen, „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“), fokussiert auf separatistische Tendenzen, die hier indes fernliegend sind. Siehe insoweit Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 18, der auch die Weiterungen des Lissabon-Urteils
(BVerfGE 123, 267 [insbes. 343 f.]) mit einbezieht.
16 BVerfGE 5, 85 (144: „Die Zielsetzungen einer Partei werden sich in der Regel ergeben: aus dem Programm und den
sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, aus den Schriften der von ihr als maßgebend anerkannten Autoren über die
politische Ideologie der Partei, aus den Reden der führenden Funktionäre, aus dem in der Partei verwendeten Schu­
lungs- und Propagandamaterial, sowie aus den von ihr herausgegebenen oder beeinflußten Zeitungen und Zeit­
schriften. Das Verhalten der Parteiorgane und der Anhänger kann Schlüsse auf die Zielsetzung zulassen.“).
17 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17.
18 So zutreffend z.B. Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17 f.; siehe insoweit BVerfGE 5, 85 (140
f.: „Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie einzelne Bestimmungen, ja ganze Institutionen des
Grundgesetzes ablehnt. Sie muß vielmehr die obersten Werte der Verfassungsordnung verwerfen, die elementa­
ren Verfassungsgrundsätze, die die Verfassungsordnung zu einer freiheitlichen demokratischen machen, Grundsät­
ze, über die sich mindestens alle Parteien einig sein müssen, wenn dieser Typus der Demokratie überhaupt sinnvoll
funktionieren soll. Eine Partei ist auch nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie diese obersten Prinzipien ei­
ner freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt, sie ablehnt, ihnen andere entgegensetzt. Es muß
vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen; sie muß
planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wol­
len.“).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
49
(NSU), die zu einem zwischenzeitlichen „Hoch“ der Verbotsdiskussion geführt hatten,
sind der NPD – so unisono der Befund unseres Generalbundesanwalts und auch der
Verfassungsschützer19 – indes nicht zurechenbar; Entgleisungen einzelner Anhänger20
reichen eben nicht aus.21
Überdies ist bekannt, dass die NPD vor dem Hintergrund des in Aussicht genommenen
Verfahrens auf sprichwörtlichen „Schmusekurs“ zum Staat gegangen ist. Die Partei wird
sich gerade während eines Parteiverbotsverfahrens bewusst als „brav demokratische,
friedliche Opposition“ gerieren.22 Die Verfassungswidrigkeit der Partei muss nämlich zum
Zeitpunkt der Entscheidung, also gerade nicht zum Zeitpunkt des Antrags, gegeben sein:
das Bundesverfassungsgericht stellt gem. § 46 Abs. 1 BVerfGG fest, „dass die politische
Partei verfassungswidrig ist“. Thomas Darnstädt vom Spiegel hat dies sehr plakativ zusammengefasst: „Ohne Spitzel in den Reihen der NPD wird nicht viel zu erfahren sein über deren interne Pläne.“23 Soll aber der Antrag Erfolg haben, müssen Informationen aus der Partei verfügbar sein – ein Teufelskreis, wie Hans Peter Bull richtig bemerkt.24
2. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte (EGMR) zu Parteiverboten
Hinzu kommt ein zweiter Punkt, der auch in dem Votum der unterlegenen Richter des
Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2003 angerissen worden ist: Die Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Wenn die Richter in
ihrem abweichenden Votum davon sprechen, dass eine Sachentscheidung auch die Gelegenheit eröffnet hätte „über die Fortentwicklung des Verfassungsrechts im Hinblick
auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
[EMRK] und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
zu entscheiden, die verhältnismäßige Parteiverbote als Ausdruck des Gedankens einer
19 Vgl. etwa die Aussage des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Range in einem Interview mit dem Fernsehsender „Phoenix“, s. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-02/neonazi-mordserie-nsu-npd.
20 Dies ergibt sich bereits aus dem Duktus des Art. 21 Abs. 2 GG, der nicht von Parteimitgliedern spricht, sondern explizit von „Anhängern“. Eingehend Hans Hugo Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 21 Rn. 537
(Stand: Januar 2012); s. u.a. auch BVerfGE 5, 58 (144; s.o. Zitat in Fn. 16), das ebenfalls den grundgesetzlichen
Wortlaut aufnimmt.
21 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren, 2012, S. 17; Hans Hugo Klein, ebd., Art. 21 Rn. 540.
22 Hans Peter Bull, Warum die NPD nicht verboten werden kann, FAZ vom 27.01.2009, Nr. 22, S. 22.
23 Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft 5/2012, I.
24 Hans Peter Bull, ebd.
50
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
wehrhaften Demokratie akzeptieren“25, muss man sich zugleich vergegenwärtigen, dass
der Schutz der Vereinigungsfreiheit in Art. 11 EMRK Einschränkungen wie namentlich
Parteiverbote nur erlaubt, wenn dies zur Abwehr einer tatsächlichen Bedrohung in einer
demokratischen Ordnung „notwendig“ sei. Namentlich das Verbot von Splitterparteien
hat der EGMR aber durchgängig als Verstoß gegen die EMRK gebrandmarkt,26 weil – so
auch der Spiegelredakteur Thomas Darnstädt – „von ein paar Radikalinskis und ihrer bösen Absicht noch keine ernsthafte Gefahr für den Staat ausgehe. Und ist – so Darnstädt
– mit kühlem Kopf betrachtet, die 6000-Mitglieder-Krawall-Partei NPD wirklich eine konkrete Gefahr für die Demokratie? „Wenn sie wirklich in Gewalttaten, Terror gar verwickelt
ist, gibt es Strafgesetze.“27 Gefährlich ist das rechtsextremistische Denken, und das kann
kein Verbot aus der Welt schaffen, so zutreffend der Bundestagsabgeordnete Stefan
Ruppert (FDP).28 Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Hans­Peter Uhl, hält es für mehr als fraglich, ob der EGMR ein Verbot der NPD für verhältnismäßig halten wird. Die NPD ist gerade einmal in zwei Landtagen mit wenig Abgeordneten vertreten und stellt nur etwa 300 Gemeinderäte. „Die NPD ist vom Wähler in
die Bedeutungslosigkeit zurückgeführt worden.“29 Im Parteienspektrum haben sich bislang lediglich „in der SPD die Zweifler … bisher zurückgehalten. Es gibt sie aber auch
dort“ – so Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.30 Es wäre in der Tat
ein Fiasko, wenn der EGMR ein Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht
wegen Verstoßes gegen menschenrechtliche Verpflichtungen der EMRK beanstanden
25 BVerfGE 107, 378 (394 f.; Sondervotum der Richter Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff zu BVerfGE 107,
339 ff., die insofern explizit auf EGMR, Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei [TBKP] u.a. gegen Türkei, Reports of Judgments and Decisions 1998-I, S. 1 ff.; Partei für Freiheit und Demokratie [ÖZDEP] gegen Türkei, Reports
of Judgments and Decisions 1999-VIII, S. 293 ff.; Wohlfahrtspartei [REFAH] u.a. gegen Türkei, Urteil vom 13. Februar 2003 [Nr. 41340/98, 41342-44/98] verweisen).
26 St. Rspr., vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 12.04.2011, Republican Party of Russia ./. Russland, dazu etwa Felix Arndt/
Anja Schubert, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer, EMRK, 2011, Art. 11 Rn. 40. – Der EGMR betont durchgängig
die Bedeutung der politischen Parteien für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens und verlangt in
der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwingende Gründe für einen so schwerwiegenden Eingriff wie das Parteiverbot. Der
in Art. 11 EMRK eingreifende Staat trifft daher eine sehr hohe Rechtfertigungslast, die der EGMR in weitem Maße einer Überprüfung zuführt, wobei er den Staaten lediglich einen sehr beschränkten Bewertungsspielraum zubilligt (s.
hierzu auch m.w.N. Christoph Grabenwater/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012,
§ 23 Rn. 95).
27 Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft 5/2012, I.
28 Zitiert nach Reinhard Müller, Nicht ohne Straßburg – Zweifel an einem neuen NPD-Verbotsverfahren, FAZ v.
5.5.2012, Nr. 105, S. 12.
29 Ebd.
30 Ebd.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
51
würde und dieses darum rückgängig gemacht werden müsste.31 Dass der EGMR mit
Blick auf die Besonderheiten der Geschichte Deutschlands von seiner ständigen Rechtsprechung abweichen würde, ist wenig wahrscheinlich, da das Bestreben des EGMR
nur in einer konsistenten Rechtsprechung für alle der EMKR unterworfenen 47 Mitgliedstaaten bestehen kann.32
Dass es indes überhaupt zu einer Befassung des EGMR kommt, ist keineswegs ausgemacht. Denn die unterlegenen Verfassungsrichter haben schon 2003 von der Fortentwicklung des Verfassungsrechts im Hinblick auf die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR
gesprochen. Diese hat in den letzten Jahren eine dynamische Entwicklung genommen,
wie namentlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011 zeigt. In seinem ersten Leitsatz hält das Bundesverfassungsgericht
nämlich fest, dass „Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthalten, … rechtserheblichen
Änderungen gleich[stehen], die zu einer Überwindung der Rechtskraft einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen können.“33 „Auch wenn Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als feststellende Judikate keine unmittelbare Änderung der Rechtslage, zumal auf der Ebene des Verfassungsrechts, herbeiführen, können sie“ – so das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich – „gleichwohl für
die Auslegung des Grundgesetzes rechtserhebliche Bedeutung erlangen. Soweit verfassungsrechtlich entsprechende Auslegungsspielräume eröffnet sind, versucht das Bundesverfassungsgericht wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, Konventionsverstöße zu vermeiden.“34 Die sich darin offenbarende „EMRK-affine
Tonlage“35, die insbesondere durch den auch für das Parteiverbotsverfahren zuständigen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts geprägt ist, lässt eine maßgebliche
Berücksichtigung der Judikatur des EGMR zu Art. 11 EMRK erwarten. Trotz der spezifi31 Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, S. 20 f.
32 Indiziell kann insoweit auf die Beschwerde gegen das KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 1956 (BVerfGE 5, 85 ff.) verwiesen werden, die 1957 von der damals noch zuständigen Europäischen
Menschenrechtskommission mit höchst fragwürdiger Begründung (Eckart Klein, ebd., S. 21) als unzulässig zurückgewiesen worden war, s. EKMR, Entscheidung vom 2.07.1957, European Commission of Human Rights, Documents
and Decisions 1955-1957, S. 222 ff. 55 Jahre später kann eine solche Entscheidung durch den nunmehr zuständigen Gerichtshof aus den o.g. Gründen wohl kaum erwartet werden.
33 BVerfGE 128, 326.
34 BVerfGE 128, 326 (365) unter Bezugnahme auf vgl. BVerfGE 74, 358 (370); 83, 119 (128); 111, 307 (317); 120, 180
(200 f.); BVerfGK 3, 4 (7 f.); 9, 174 (190); 10, 66 (77 f.); 10, 234 (239); 11, 153 (159 ff.).
35 Christoph Grabenwater/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 3 Rn. 8 (S. 21).
52
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
schen deutschen Geschichte wird sich das Bundesverfassungsgericht daher kaum mehr
den Vorgaben aus den beiden Parteiverbotsverfahren des Bundesverfassungsgerichts zu
Beginn der Bonner Republik, zumal mehr als 67 Jahre nach Überwindung des NS-Regimes verpflichtet fühlen. Nicht anders sind die Bekenntnisse des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zur Sicherungsverwahrung zu verstehen, in der hervorgehoben wird, dass „die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes … Ausdruck eines
Souveränitätsverständnisses“ sei, „das einer Einbindung in inter- und supranationale Zusammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht nur nicht entgegensteht, sondern diese voraussetzt und erwartet.“36
Abschießend ist noch darauf hinzuweisen, dass der in Folge des Parteiverbots durch
§ 46 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 BWahlG, § 22 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 EUWG sowie die Wahlgesetze der Länder37 einschließlich der Kommunalwahlgesetze38 angeordnete automatische
Mandatsverlust, den das Bundesverfassungsgericht im SRP- und im KPD-Urteil noch
unmittelbar aus Art. 21 Abs. 2 GG abgeleitet hat39, mit der Rechtsprechung des EGMR
nicht in Einklang zu bringen ist.40 Der EGMR hat anlässlich der Beschwerde eines türkischen Abgeordneten, der als Angehöriger einer später verbotenen Partei dem Parlament angehörte, in dem automatischen Verlust des Mandats in Folge des Parteiverbots
ohne Prüfung seiner persönlichen politischen Aktivitäten einen unverhältnismäßigen
Eingriff in das in Art. 3 des 1. ZP zur EMRK garantierte Recht auf freie Wahlen gesehen.41
3. Zwischenergebnis
Festzuhalten ist somit, dass ein Parteiverbotsverfahren, sofern es überhaupt von den
möglichen Antragstellern – Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat – angegangen
wird, mit erheblichen Risiken behaftet ist. Da sich der Staat indes ein erneutes Scheitern eines Parteiverbotsverfahrens nicht leisten kann, auch nicht vor dem EGMR – insoweit besteht bis hin zum Bundespräsidenten Konsens42 –, wird nicht nur in Fachkreisen
36
37
38
39
40
41
BVerfGE 128, 326 (369).
Z.B. §§ 41 Abs. 1 Nr. 7; 45 BbgLWahlg; § 8 Abs. 1 Nr. 4 NLWG.
Z.B. § 62 BbgKWahlG; § 44 Abs. 3 NKWG.
BVerfGE 2, 1 (72); 5, 85 (392).
Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, S. 21.
EGMR, Urteil v. 11.6.2002, Selim Sadak u.a. / Türkei, Nr. 25144/94, Ziff. 37 ff.; siehe zur Würdigung der deutschen
Rechtslage insoweit Felix Arndt/Anja Schubert, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer, EMRK, 2011, Art. 11 Rn. 40
und Katharina Pabel, Parteiverbote auf dem europäischen Prüfstand, ZaöRV 63 (2003), 921 (940 ff.).
42 S.o. Fn. 3.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
53
nachdrücklich von einem erneuten Verbotsantrag abgeraten.43 Exemplarisch sei der renommierte Parteienrechtlicher Martin Morlok zitiert, der auf die Frage, ob ein erneutes
NPD-Parteiverbotsverfahren mehr Schaden anrichten als nützen würde, wie folgt geantwortet hat: „Jedenfalls ist es mit deutlichen rechtlichen Risiken behaftet und der tatsächliche Nutzen ist auch fraglich. Wir haben in allen demokratischen Staaten ein rechtsradikales Potenzial und rechtsradikale Parteien mit nicht unerheblichen Wahlerfolgen. Man
wird damit leben müssen, auch wenn uns das in Deutschland besonders schwerfällt.“44
II. Parteienfinanzierung
Eine Frage müssen wir uns aber gleichwohl stellen: Muss der Staat Parteien, die die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zumindest zu beeinträchtigen
suchen, auch finanziell mit Steuergeldern unterstützen?
Verfassungsrechtlich ist der Staat nicht verpflichtet dafür zu sorgen, dass der Geldbedarf
der politischen Parteien befriedigt wird.45 Ein solcher Anspruch besteht lediglich nach
Maßgabe des einfachen Rechts. Das Grundgesetz hat den Parteien das Risiko des
Fehlschlagens eigener Bemühungen um ihre Finanzierung nicht abgenommen. Eine
staatliche Teilfinanzierung der Parteien, die nicht zu einer Abhängigkeit der Parteien
vom Staat führt, lässt das Grundgesetz nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mithin zu.46 Das Parteiengesetz (PartG) lässt daher eine Teilfinanzierung der allgemeinen den Parteien nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben zu (§ 18 Abs. 1
PartG). Maßstäbe für die Verteilung des staatlichen Mittel bilden der Erfolg, den die
Partei bei den Wählern bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielt, die
Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie der Umfang der von ihr
eingeworbenen Spenden (§ 18 Abs. 2 PartG). Das Gesamtvolumen staatlicher Mittel
(sog. absolute Obergrenze, § 18 Abs. 2 PartG) der direkten Parteienfinanzierung betrug
2010 133.000.000,00 Euro47, 2011 141.900.000,00 Euro48. Abgesehen von der hierdurch
43 Jüngst: Eckart Klein, Ein neues NPD-Verbotsverfahren?, 2012, 30; Martin Morlok, Für und Wider eines
Parteiverbotsverfahrens, NJW-aktuell 28/2012; Thomas Darnstädt, Wer hat Angst vor der NPD?, Editorial JA Heft
5/2012, I; Hans Peter Bull, Warum die NPD nicht verboten werden kann, FAZ v. 27.01.2009, Nr. 22, S. 22. Siehe i.Ü.
die bei Reinhard Müller, Nicht ohne Straßburg – Zweifel an einem neuen NPD-Verbotsverfahren, FAZ v. 5.05.2012,
Nr. 105, S. 12, zitierten Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
44 Martin Morlok, Für und Wider eines Parteiverbotsverfahrens, NJW-aktuell 28/2012.
45 BVerfGE 20, 56 (100); 111, 54 (98 f.).
46 BVerfGE 85, 264 (289 f.).
47 http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_10.pdf.
48 http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_11.pdf.
54
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
nicht erfassten indirekten Parteienfinanzierung durch die steuerliche Begünstigung von
Mitgliedsbeiträgen und Parteispenden (§§ 34g; 10b Abs. 2 EStG) erhielt die NPD im
Jahr 2010 als direkte Parteienfinanzierung 1.176.446,52 Euro, im Jahr 2011 insgesamt
1.323.547,81 Euro. Von den insgesamt vom Staat an die Parteien 2010 ausgekehrten
Mitteln erhielt die NPD damit rund 0,88 Prozent; 2011 erhielt die NPD von den ausgekehrten 141.900.000,00 Euro rund 0,93 Prozent (§ 18 Abs. 2, § 19a Abs. 5 PartG).49
Da die Parteienfinanzierung verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, wäre es ein
Leichtes, durch Streichung der Regelungen zur Parteienfinanzierung in den §§ 18 ff.
PartG den staatlichen Mittelzufluss an die NPD zu unterbinden. Politisch ist dieser Weg
indes nicht durchsetzbar, da die auf dem Boden der Verfassung stehenden Parteien an
dieser staatlichen Teilfinanzierung festhalten wollen. Es stellt sich daher die Frage, ob
es nicht möglich ist, verfassungsfeindliche Parteien von der Finanzierung auszuschließen. In der aktuellen Diskussion sind insofern zwei Vorschläge vorgelegt worden, die
entsprechende Wege aufzeigen. Dies ist zum einen der Vorschlag des Düsseldorfer
Parteienrechtlers Martin Morlok, der bei Verstößen gegen das in Art. 21 Abs. 1 S. 3
GG festgelegte Erfordernis der innerparteilichen Demokratie auf einfachgesetzlicher
Ebene Sanktionen im Bereich der staatlichen Parteienfinanzierung vorsehen will (Vorschlag Einführung von § 19a PartG). Zum anderen habe ich in einem Rechtsgutachten
für das Land Niedersachsen vorgeschlagen, im Wege der Verfassungsänderung Art. 21
GG dahingehend zu ergänzen, dass verfassungswidrige Parteien von der staatlichen
Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können.
Ob der eine und/oder der andere Weg gangbar ist, lässt sich letztlich nur bestimmen,
wenn man von dem bei einer Änderung der Rechtslage einzuhaltenden Rechtsrahmen,
namentlich dem verfassungsrechtlichen, ausgeht.
III. Der Ausschluss verfassungswidriger Parteien aus
der staatlichen Parteienfinanzierung
1. Der verfassungsrechtliche Schutz der Parteien
Aufgrund der zentralen Rolle für das demokratische System stehen die Parteien unter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der sich nicht nur durch das
49 Im Vergleich zur NPD erhielten 2011 die CSU 10.411.577,43 Euro, Die Linke 12.130.761,23 Euro, die FDP
13.588.556,74 Euro, die Grünen 13.814.822,36 Euro, die SPD 42.407.424,88 Euro und die CDU 44.641.547,45
Euro, s. http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/festsetz_staatl_mittel/finanz_11.pdf.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
55
Parteienprivileg ausdrückt, sondern in diesem Privileg seine Flankierung bzw. Absicherung findet: Dies ist zum einen die in Art. 21 Abs. 1 GG explizit angelegte Parteienfreiheit
und zum anderen die ebenfalls verfassungsrechtlich zu verortende Parteiengleichheit.
Aus der Parteienfreiheit folgt in erster Linie ein Eingriffs- und Einflussnahmeverbot gegenüber dem Staat. Eine Partei handelt, auch wenn sie verfassungsfeindliche Ziele propagiert, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz.50 Dies drückt sich
auch im Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG aus. An die politische Ausrichtung einer
Partei dürfen grundsätzlich keine nachteiligen Rechtsfolgen geknüpft werden. Insofern
besteht ein Bezug zur Parteiengleichheit, die die Gleichbehandlung aller Parteien unabhängig von ihrer politischen Einstellung garantiert. Diese Chancengleichheit steht allen Parteien zu, die nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht verboten sind. Es beansprucht umfassende Geltung nicht nur für den Wahlvorgang selbst,
sondern auch für die Wahlvorbereitung und den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden sowie für die Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen. Differenzierungen, die das Recht auf Chancengleichheit einschränken, bedürfen der Rechtfertigung durch einen besonderen zwingenden Grund.51 Ein derartiger zwingender Grund
kann jedoch nach der gegenwärtigen Verfassungslage nicht in der inhaltlichen Ausrichtung einer Partei bestehen. Die Sperrwirkung des Art. 21 Abs. 2 GG verbietet jede staatliche Bekämpfung einer politischen Partei, solange das Bundesverfassungsgericht sie
nicht für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst hat, und gewährleistet ihr das Recht zur
freien Betätigung. Es verbietet sich deshalb nach der gegenwärtigen Verfassungslage,
staatliche Zuwendungen davon abhängig zu machen, ob die dargelegten Ziele der Partei inhaltlich mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes in Einklang stehen oder ob die um Wählerstimmen werbende Partei und deren Kandidaten für die verfassungsmäßige Ordnung eintreten.52
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Bereich der Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst (Stichwort: Radikalenerlass)53 sowie der Beobachtung54 und vor allem
50
51
52
53
BVerfGE 47, 198 (228); 107, 339 (362).
BVerfGE 47, 198 (227); 111, 54 (105).
BVerfGE 47, 198 (227); 111, 382 (410).
Grundlegend insoweit BVerfGE 39, 334 (359 f.), das die Beschränkung des Zugangs zum öffentlichen Dienst für
Mitglieder von als verfassungsfeindlich eingestuften Parteien auch hinsichtlich ihrer faktisch nachteiligen Auswirkungen für die Partei als verfassungsrechtlich unbedenklich einstuft. Diese Rechtsprechung wird von den
Verwaltungsgerichten bis heute fortgeführt, wobei – soweit ersichtlich – die Frage eines möglichen Eingriffs in Art. 21
GG nicht thematisiert wird, s. nur BVerwGE 114, 258 ff; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2008, 149 ff.
54 BVerfGE 107, 339 (366); BVerwGE 110, 126 (136 ff.).
56
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
für die Berichterstattung durch den Verfassungsschutz55 – Ausnahmen zugelassen. Diese Anknüpfung an die inhaltliche Ausrichtung einer Partei ist indes jedenfalls hinsichtlich der Beobachtung und Berichterstattung in Art. 21 Abs. 2 GG vorausgesetzt: Das
Parteiverbotsverfahren bedarf der Beobachtung und wohl auch der Berichterstattung:
Ohne Informationen über die mögliche Verfassungswidrigkeit von Parteien liefe Art. 21
Abs. 2 GG von vornherein leer. Hieraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass die
Gerichte weitere Einschränkungen hinnehmen werden. Gerade für den sensiblen Bereich der Parteienfinanzierung gilt nach wie vor, dass Einschränkungen der hier zentralen Parteiengleichheit einer Rechtfertigung durch zwingende Gründe bedürfen, die
nicht in der inhaltlichen Ausrichtung einer Partei liegen können. Einschnitten bei der Finanzierung kommt überdies ein weitaus größeres Gewicht zu als beispielsweise der
Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht. Zwar mag eine derartige Berichterstattung die Chancen der betroffenen Partei verschlechtern. Es bleibt ihnen aber unbenommen, mit den Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit ihre Position zu vertreten. Eingriffe bei der
staatlichen Finanzierung belassen der Partei diese Freiheit praktisch nicht. Wenn private Spender nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen, bedrohen Einschnitte
die betroffene Partei in ihrer Existenz. Als Alternative bleibt lediglich eine drastische Einschränkung aller kostenintensiven Aktivitäten, was ihre Sichtbarkeit beeinträchtigt. Die
Eingriffsintensität ist demnach weitaus höher als bei den bislang von der Rechtsprechung
tolerierten Einschränkungen. Die Streichung der Finanzierung soll verfassungsfeindliche
Parteien zurückdrängen. Das impliziert eine strenge verfassungsrechtliche Prüfung, der
Kürzungen nicht standhalten dürften.
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach der gegenwärtigen
Verfassungslage gezielte Kürzungen bei der Parteienfinanzierung zu Lasten
verfassungsfeindlicher Parteien nicht zulässig sind. Das Parteienprivileg steht der Berücksichtigung materieller Kriterien zwingend entgegen.
Dieser allgemein geteilte Befund steht letztlich auch dem interessanten Vorschlag von
Martin Morlok entgegen.56 Martin Morlok knüpft an die innerparteiliche Demokratie als
55 Vgl. nur im Nachgang zu verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfGE 39, 334 [360]; 40, 287 [293]) OVG
Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 838 (839 f.); OVG Münster, Beschl. v. 24.05.2007 - 5 A 4719/05, unveröffentlicht;
VG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.2005 - 1 K 3189/03, juris; Urt. v. 04.12.2007 - 22 K 1286/06, juris; VG Hamburg, Urt. v.
13.12.2007 - 8 K 3483/06, juris.
56 Martin Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat – Reformmöglichkeiten der Gewährung
staatlicher Leistungen an politische Parteien, 2009; eingehender hierzu Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des
Beamtentums, 2011, S. 49 (56 ff.).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
57
verfassungsrechtliche Vorgabe für die Parteien in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG an. Defizite in diesem Bereich – zum Beispiel keine ausreichende innerparteilichen Willensbildung von unten nach oben – führen indes nicht dazu, dass die Partei nicht mehr an
den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Parteienfreiheit und -gleichheit teil
hat. Nach geltender Verfassungslage können Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie nur im Rahmen eines Verbotsverfahrens geltend gemacht werden und zum
Verbot einer Partei führen. Kürzungen der Parteienfinanzierung, wie Martin Morlok
sie vorschlägt, lässt der klare Rahmen- und Ablaufplan des Art. 21 GG gerade nicht
zu. Die einfachgesetzlich vorgesehene Kürzung der staatlichen Parteienfinanzierung
bei Verstößen gegen das Gebot der innerparteilichen Demokratie (insbesondere §
19b PartG-E)57, greift zwangsläufig in die verfassungsrechtlich gewährleistete Chancengleichheit der betroffenen Partei ein. Dem aber kann – wenn überhaupt – nur durch
eine Verfassungsänderung begegnet werden. Aber selbst wenn man mit Verweis auf
die Ausgestaltung der Funktionsmodalitäten des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG entsprechendes für Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG zuließe, darf die daran anknüpfende Rechtsfolge, die
massiv in den Bestand einer Partei eingreift, einer Betrachtung gerade im Lichte der
Verfassung und des Parteienprivilegs.
57 Martin Morlok, ebd., S. 79 f.: Ergänzung des § 9 Abs. 1 PartG um einen neuen Satz 4 und 5: „Die Parteien verhandeln öffentlich. Die Öffentlichkeit kann nur aus wichtigem Grunde ausgeschlossen werden.“ Ergänzung des § 18
Abs. 1 PartG um einen neuen Satz 2: „Voraussetzung für die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung ist,
dass Organisation und Willensbildung der Parteien den demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Des Weiteren
soll § 19a Abs. 1 PartG die Voraussetzungen des neuen § 18 Abs. 1 S. 2 PartG als Anspruchsvoraussetzung für die
Parteienfinanzierung in Bezug nehmen und ein neuer § 19b eingefügt werden:
(1) 1Bestehen ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 18 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes
nicht erfüllt sind, so obliegt es der Partei, das Vorliegen dieser Voraussetzungen dazutun.
(2) 1Verstöße gegen die demokratischen Grundsätze liegen vor bei Verletzung von Vorschriften des zweiten und
dritten Abschnitts dieses Gesetzes und bei schweren Verstößen gegen vom Parteitag nach § 9 Absatz 3 dieses
Gesetzes zu beschließende Vorschriften, welche die im zweiten und dritten Abschnitt dieses Gesetzes geregelten Materien betreffen.
(3) 1Bei Verstößen gegen die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts dieses Gesetzes wird die staatliche
Teilfinanzierung (Zuwendungs- und Wahlstimmenanteil) anteilig zurückgefordert. 2Der Umfang der Rückforderung bemisst sich nach der Summe der staatlichen Leistungen, die rechnerisch auf den Gebietsverband entfallen, in dem die Rechtsverletzung vorgekommen ist. 3Grundlage für diese Bemessung ist der letzte der Partei
gegenüber ergangene bestandskräftige Festsetzungsbescheid nach § 19a dieses Gesetzes. 4Erfolgt eine Anzeige eines solchen Rechtsverstoßes durch einen Funktionsträger der Partei, so reduziert sich die Summe der
staatlichen Rückforderungen um die Hälfte.
(4) 1Eine Rückforderung nach Absatz 3 erfolgt nur, wenn die Partei zuvor unter Fristsetzung und Androhung der
Rückforderung aufgefordert wurde, den Rechtsverstoß und dessen Folgen zu beseitigen und dieser Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen ist.
58
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Überdies: Die Annahme, dass fehlende innerparteiliche Demokratie auf verfassungsfeindliche Tendenzen schließen ließe, ist wenig tragfähig, wie das Beispiel Hamburg
zeigt: Das Hamburger Verfassungsgericht hatte seinerzeit die Bürgerschaftswahl vom
2. Juni 1991 wegen Verstoßes der CDU gegen das Wahlvorschlagsrecht für ungültig erklärt.58 Ebenso wenig muss sich die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei in ihrer
innerparteilichen Ordnung ausdrücken. Des Weiteren lässt sich kaum ein belastbarer
Nachweis über Defizite der innerparteilichen Ordnung führen, wenn diese einerseits
nach außen hin gewahrt wird, nach innen aber ein ideologischer Konsens über die
Kommunikationsmuster von Befehl und Gehorsam herrscht. Hier ist man also wieder
auf interne Kenntnisse angewiesen, mithin zurückgeworfen auf die V-Mann-Problematik (s.o.).
2. Änderung der Verfassung
Bei Einhaltung der formellen Anforderungen für eine Verfassungsänderung59 stellt sich allein die Frage, ob die sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG eine Verfassungsänderung in der von mir beschriebenen Form zulässt. Nach Art. 79 Abs. 3 GG sind Änderungen des Grundgesetzes unzulässig, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder,
die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Art. 1 und
Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden. Damit werden wichtige Grundprinzipien des Grundgesetzes einer Verfassungsänderung entzogen. Das Grundgesetz möchte mithin in seinen tragenden Institutionen und Grundsätzen eine dauerhaft stabile Ordnung sein, die nicht der Disposition der tagespolitischen Mehrheiten unterliegt.60
Aus der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 79 Abs. 3 GG „den
verfassungsändernden Gesetzgeber nicht hindere, die positivrechtliche Ausprägung der
Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren“61, folgt, dass nur die Grundsätze nicht „berührt“ werden dürfen. Dies bedeutet, dass Konkretisierungen, die der Umsetzung der Grundsätze unter den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Bedingun58 NVwZ 1993, 1083-1090.
59 Das Grundgesetz ist gem. Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG im Wortlaut durch ein Gesetz zu ändern. Dieses Gesetz bedarf gem.
Art. 79 Abs. 2 GG der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln
der Stimmen des Bundesrates. I.Ü. ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz für den Bund aus Art. 79 GG.
60 Peter Badura, in: Josef Isensee/Paul Kirchof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, 1. Aufl. 1992, § 160 Rn. 26; Jo­
hannes Dietlein, in: Volker Epping/Christian Hillgruber, BeckOK GG, Art. 79 Rn. 15.
61 BVerfGE 84, 90 120 f.; 94, 12 (34); 94, 49 (103); auch 30, 1 (24).
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
59
gen dienen („positivrechtliche Ausprägungen der Grundsätze“), selbst nicht Inhalt eines
der Grundsätze sind.62 Konkretisierungen sind daher grundsätzlich, das heißt unter und
zur Wahrung der unberührbaren Leitgedanken, das heißt der Grundsätze änderbar.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Chancengleichheit bei der Parteienfinanzierung ein
Grundsatz im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG ist, der einer Verfassungsänderung entzogen
ist.63 Explizit angesprochen ist die Parteiengleichheit zwar nicht in Art. 79 Abs. 3 GG. Sie
könnte aber ein Grundsatz des Art. 1 GG und auch des Art. 20 GG sein.
a) Grundsätze des Art. 1 GG
Einzelne Grundrechtsgehalte wie das Willkürverbot (eine Ausprägung davon ist die
Chancengleichheit) sind nur insoweit von der Ewigkeitsgarantie erfasst und daher „unantastbar“, soweit sie notwendiger Bestandteil der Menschenwürde sind.64 Hierbei ist
aber zu beachten, dass die in Art. 79 Abs. 3 GG angelegte „ewige“ Garantie der Menschenwürde in der prinzipiellen Fähigkeit des Menschen zur Selbstbestimmung begründet ist, auf dem die Anerkennung des Eigenwertes - der Würde - eines jeden Menschen beruht.65 Die Chancengleichheit der Parteien indes ist nicht originär in der so
beschriebenen Menschenwürde angelegt, sondern allenfalls mittelbar, das heißt sie
wird allenfalls vermittelt über die Parteimitglieder. Die Parteien indes, die hier allein in
62 Bezogen auf die Grundsätze im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG ist dies zwingend, da bei den stark auf Konkretisierungen angelegten Prinzipien bzw. Grundsätzen die Annahme, der gesamte Norminhalt, namentlich die unzähligen
Rechtsinstitute und Konkretisierungen des Art. 20 GG, würden am Schutz der Ewigkeitsgarantie teilnehmen, eine
weitgehende Ausstrahlungswirkung zur Folge hätte und so zu einer Unbeweglichkeit des verfassungsändernden Gesetzgebers führen würde („normative Zementierung“, so Theodor Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 79 (1960) Rn. 31). Dies wird auch im Schrifttum allgemein konsentiert, vgl. nur Brun­Otto Bryde, in: Ingo v.
Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 28; Hans­Ulrich Evers, in: Rudolf Dol­
zer/Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Abs. 3 (1982), Rn. 68; Sönke E.
Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, 2008, S. 29 f. m.w.N.; Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 57 (97).
63 Problematisch ist die inhaltliche Konkretisierung der geschützten Grundsätze, d.h. die Herausarbeitung des
Grundsatzgehalts der in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze, s. hierzu Volker Epping, Parteienrechtliche
Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits
des Beamtentums, 2011, S. 49 (58 ff.) m.w.N.
64 BVerfGE 102, 370 (392): „Das Grundgesetz erklärt damit neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der
Menschenwürde den von ihm umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 84, 90 [120 f.];
94, 12 [34]) … für unantastbar.“ Ebenso Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommentar,
Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 79 Rn. 36; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 11. Aufl.
2011, Art. 79 Rn. 10; Klaus Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, § 5 IV 5 b, d.
65 Siehe nur aus der insofern ständigen Rechtsprechung des BVerfG, BVerfGE 2, 1 (12).
60
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Rede stehen, können sich nicht auf die Menschenwürdegarantie berufen.66 Denn dort,
wo der Grundrechtsschutz an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen anknüpft, die nur natürlichen Personen wesenseigen sind, kommt eine Erstreckung auf juristische Personen als bloße Zweckgebilde der Rechtsordnung gemäß Art. 19 Abs. 3
GG nicht in Betracht. Eine Erstreckung kommt allenfalls insoweit in Betracht, als der
Grundrechtsschutz im Interesse der Menschenwürde gewährt wird, die nur natürliche
Personen für sich in Anspruch nehmen können. Dies wird man mit Blick auf die Parteien
indes nur schwerlich unterstellen können.
Aber selbst wenn man die vorgenannte Prämisse bejahen sollte, ist das Willkürverbot,
das den Kernbestand des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, erst dann verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt,
kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.“67 Selbst wenn
dies der Fall wäre, läge eine Berührung nicht vor, da eine in verfassungsfeindlichen Bestrebungen begründete Ungleichbehandlung auf einem sachlichen Grund beruhen und
deshalb nicht willkürlich erfolgen würde. Im Ergebnis kann die Parteiengleichheit jedenfalls nicht als Grundsatz des Art. 1 GG gelten.
b) Grundsätze des Art. 20 GG
aa) Demokratie
Zu den Grundsätzen des Art. 20 GG gehört unstreitig die Demokratie beziehungsweise das demokratische Prinzip.68 Die Grundentscheidung für die Demokratie umfasst neben dem unberührbaren Grundsatz der Volkssouveränität u.a. auch den offenen Prozess politischer Willensbildung als Basis des Willensbildungsprozesses des Volkes.69
66 BVerfGE 95, 220 (242); ebenso z.B. Horst Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 III Rn. 35.
67 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 1, 14 (52); siehe z.B. BVerfGE 61, 138 (147); 68, 237 (250); 83, 1 (23); 89,
132 (141). Mit der Willkürformel geht nicht nur ein weiter Gestaltungsspielraum des Staates einher, sondern auch ein
eingeschränkter Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts. Diesen umschreibt es selbst dahingehend, dass
es „nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit (Willkürverbot) nachprüfen [kann],
nicht aber ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden
hat“, BVerfGE 50, 57 (77).
68 Siehe z.B. BVerfGE 89, 155 (182).
69 Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 41; Horst Dreier, in:
ders., GG-Kommentar, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 79 III Rn. 41; Johannes Dietlein, in: Volker Epping/Christian Hillgruber,
BeckOK GG, Art. 79 Rn. 39, 38; Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008) Rn. 125,
135; Georg Wegge, Zur normativen Bedeutung des Demokratieprinzips nach Art. 79 Abs. 3 GG, 1996, S. 169 ff.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
61
Demgegenüber ist das Recht der Chancengleichheit der Parteien eine ungeschriebene70 Konkretisierung der in Art. 21 Abs. 1 GG explizit niedergelegten Parteienfreiheit, die
ihrerseits lediglich eine grundgesetzliche Konkretisierung des unberührbaren Grundsatzes der Demokratie darstellt.
Ausgehend von der Prämisse, dass Konkretisierungen von Grundsätzen im Sinne von
Art. 79 Abs. 3 GG einer Modifikation zugänglich sind, müsste die in jedem Fall als Konkretisierung entweder des Demokratiegrundsatzes oder des in Art. 20 GG ebenfalls
angelegten Grundsatzes der Parteien(gründungs)freiheit zu qualifizierende Chancengleichheit der Parteien einer Modifikation zugänglich sein.71
Dass die Chancengleichheit der Parteien Modifikationen zugänglich ist, offenbart nachdrücklich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur zur abgestuften Chancengleichheit (siehe § 5 PartG)72: Verboten ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine unterschiedliche Behandlung von Parteien nur dann, wenn sie
nicht durch einen besonderen zwingenden Grund gerechtfertigt ist.73 Wäre die Chancengleichheit der Parteien indes ein Grundsatz des Art. 20 GG, der der Ewigkeitsgarantie
des Art. 79 Abs. 3 GG zuzuordnen wäre, dürfte die Chancengleichheit nicht „berührt“
werden, wäre also auch keiner der vorgenannten Einschränkungen zugänglich. Mit anderen Worten geht das Bundesverfassungsgericht mit der in ständiger Rechtsprechung
praktizierten Zubilligung der Modifikationsmöglichkeiten hinsichtlich der Chancengleich70 Diesen Umstand schon hervorhebend BVerfGE 6, 272 (280): „… die das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf
Chancengleichheit der Parteien verletzt. Diese ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich statuiert, ergibt sich aber
aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteiengründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demo­
kratie zukommt ­ Art. 21 Abs. 1 GG ­.“ Sieht man den Sinn der Ewigkeitsgarantie darin, Grundentscheidungen des
historischen Verfassungsgebers, die dieser als besonders wichtig angesehen hat, dauerhaft vor dem Zugriff des
verfassungsändernden Gesetzgeber zu bewahren (so z.B. Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 57 [68]), werden zwangsläufig ungeschriebene, d.h. nicht explizit im Grundgesetz niedergelegte, erst
durch nachfolgende Rechtsprechung und Literatur kreierte Prinzipien (wie das in Rede stehende Prinzip der Chancengleichheit der Parteien) nicht von der Garantie des Art. 79 Abs. 3 GG erfasst.
71 So Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008) Rn. 135 („Bei den Regelungen des
Parteienstatus [Art. 21 GG] hat der verfassungsändernde Gesetzgeber weitgehend freie Hand…“).
72 Parteien sind nach § 5 PartG gleich zu behandeln, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung ihnen Einrichtungen zur
Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Der Umfang der Gewährung kann allerdings nach der
Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zwecks erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden.
Die Bedeutung der Parteien bemisst sich dabei „insbesondere auch“ nach den Ergebnissen vorangegangener Wahlen zu Volksvertretungen. - BVerfGE 24, 300 (354 f.) hat die Vereinbarkeit des § 5 PartG mit dem Grundgesetz bejaht; siehe auch BVerwGE 75, 67 (77).
73 BVerfGE 111, 54 (105) unter Verweis auf BVerfGE 8, 51 (65); 14, 121 (133); 34, 160 (163); 44, 125 (146); 47, 198
(227).
62
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
heit der Parteien zumindest unausgesprochen davon aus, dass insoweit kein Grundsatz
im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG besteht, sondern die Chancengleichheit der Parteien lediglich eine (ungeschriebene) Konkretisierung des Grundsatzes der Demokratie bzw.
des Grundsatzes der Parteien(gründungs)freiheit ist.
bb) Rechtsstaatsprinzip: Das Entscheidungsmonopol des
Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG
Eine letzte von Art. 79 Abs. 3 GG als Grundsatz des Art. 20 GG geschützte Position
könnte das in Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG niedergelegte Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit einer Partei sein. Diese Bestimmung ist indes nicht von der Ewigkeitsgarantie umfasst: Grundsätzlich folgt aus dem
Rechtsstaatsprinzip, das in Einzelelementen zu den Grundsätzen des Art. 20 GG gehört74, nur, dass gegen staatliche Entscheidungen überhaupt ein effektiver Rechtsschutz
gewährleistet sein muss.75 Einen erst- und letztinstanzlichen Rechtsschutz durch das
Bundesverfassungsgericht garantiert das Rechtsstaatsprinzip indes nicht. Zum anderen
betrifft Art. 21 Abs. 2 GG nur die Verfassungswidrigkeit einer Partei, die – sobald sie festgestellt ist – zur schärfsten aller denkbaren Rechtsfolgen, dem Parteiverbot, führt. Der
Ausschluss von der Parteienfinanzierung stellt demgegenüber ein milderes Mittel dar76,
sodass schon ausgehend von der Rechtsfolge ein Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend ist.77
c)
Modifizierung von Konkretisierungen der
Grundsätze i.S. des Art. 79 Abs. 3 GG
Da es sich bei der Chancengleichheit der Parteien um eine Konkretisierung des in
Art 20 GG niedergelegten Grundsatzes der Demokratie, eines Grundsatzes im Sinne
von Art. 79 Abs. 3 GG handelt, ist folglich eine systemimmanente Modifizierung grund74 Vgl. BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (121); Horst Dreier, in: ders., GG-Kommentar, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 79 Rn. 49 ff.;
Karl-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 90; Klaus-Dieter Schna­
pauff, in: Dieter Hömig, Grundgesetz Kommentar, 9. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 4.
75 Vgl. BVerfGE 30, 1 (28); 84, 90 (121); Brun­Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig, Grundgesetz Kommen­
tar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 79 Rn. 43; Matthias Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 79 Abs. 3 (2008)
Rn. 142; Diana Zacharias, in: Markus Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 57 (94) m.w.N. in Fn. 233.
76 So auch explizit Joachim Linck, DÖV 2006, 939 (945), der insofern für eine „verfassungsrechtliche Einschränkung
der Freiheit und Chancengleichheit für verfassungswidrige Parteien in Art. 21 GG“ plädiert.
77 Auf verfassungsrechtlich mögliche Alternativen zum bzw. neben oder unterhalb des Parteiverbots weisen schon Hart­
mut Maurer, AöR 96 (1971), 203 (223), und Joachim Linck, DÖV 2006, 939 (945), hin.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
63
sätzlich möglich, wie es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung
betont: Beeinträchtigungen müssen aber von einem „besonders zwingenden Grund“
getragen werden.78 Ein solcher systemimmanenter79 Grund wiederum lässt sich in der
verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie ausmachen,
die in bewusster Abkehr von der wertneutralen Demokratie der Weimarer Republik in
das Grundgesetz implementiert wurde.80 Dieses insbesondere aus der Gesamtschau der
Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2, Art. 73 Nr. 10, Art. 79 Abs. 3,
Art. 87 Abs. 1, Art. 91, Art. 98 Abs. 2 GG abgeleitete Prinzip der wehrhaften Demokratie bezeichnet das Bundesverfassungsgericht als selbstständiges Verfassungsprinzip,
als Grundentscheidung des Grundgesetzes bzw. der Verfassung81, das als Auslegungs-,
Abwägungs- und Rechtfertigungskriterium dient. Das Prinzip der wehrhaften Demokratie ist ein sich aus der Verfassungsstruktur ergebender verfassungsrechtlicher („besonders zwingender“) Grund, der dem (verfassungsändernden) Gesetzgeber ein Abgehen
von der Gleichbehandlung aller Parteien gestattet. Namentlich hat das Bundesverfassungsgericht judiziert, dass es keine Neutralität des Staates gegenüber den Gegnern der Verfassung unter dem Regime des Grundgesetzes geben könne.82 Die Verfassung ist keineswegs wertneutral, sondern entscheidet sich für zentrale Grundwerte,
die sie in ihren Schutz nimmt, wobei sie dem Staat aufgibt, sie zu sichern und sie zu
gewährleisten. Zudem trifft sie Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung wie die Institutionalisierung besonderer Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung. Konkretisierung dessen ist beispielsweise die in Art. 21 Abs. 2 GG angelegte Möglichkeit des Parteiverbots als die bislang einzige im Grundgesetz angelegte
Reaktionsmöglichkeit des Staates auf Parteien, die darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.
3. Zwischenergebnis
In der Konsequenz der vorangegangenen Ausführungen können somit Parteien, die die
freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zumindest zu beeinträch78 BVerfGE 1, 208 (225); 14, 131 (133), 95, 335 (376 f.); 95, 408 (417 f.).
79 Zur Systemimmanenz eingehend Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth (Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (64 f.) m.w.N.
80 Eine Zusammenfassung der Begrifflichkeiten findet sich bei Markus Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 2003,
S. 1 (5 f.).
81 BVerfGE 30, 1 (19 f.); 39, 334 (349).
82 BVerfGE 5, 85 (139); 39, 334 (349).
64
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
tigen suchen, von der Parteienfinanzierung im Wege der Verfassungsänderung ausgeschlossen werden. Die bislang verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit der
Parteien nicht unter den Schutz der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG. Sie
ist mithin einer systemimmanenten Modifikation zugänglich, die ihre erforderlich Rechtfertigung in der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie findet.
IV. Vorschlag für eine Verfassungsänderung
Als Standort für eine entsprechende Verfassungsänderung dürfte nach dem systematischen Zusammenhang allein Art. 21 GG in Betracht kommen. Denkbar wäre eine Ergänzung von Art. 21 Abs. 3 GG um einen zusätzlichen zweiten Satz:
„Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, können auf Grund
eines Gesetz von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien ausgeschlossen
werden.“83
Die Formulierung „kann“ lässt dem Gesetzgeber Spielraum, ob er unter
Opportunitätsgesichtspunkten einen Ausschluss tatsächlich gesetzlich regelt. Entscheidet er sich hierzu, muss er dies in Gesetzesform regeln. Nur auf der Basis einer entsprechenden gesetzlichen Regelung kann durch die Exekutive ein Ausschluss
derjenigen Parteien erfolgen, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung verfolgen.84 In Nutzung dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung
bietet sich als Standort für den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der
Parteienfinanzierung im einfachen Recht das Parteiengesetz, namentlich der vierte Abschnitt, der bislang schon der staatlichen (Parteien-) Finanzierung gewidmet ist.85 Hinsichtlich der mittelbaren bzw. indirekten Parteienfinanzierung müssten - will man auch
diese erfassen - Anpassungen im Einkommensteuergesetz vorgenommen werden.86
83 Aus dieser Formulierung ergibt sich zumindest mittelbar die verfassungsrechtliche Verankerung der staatlichen
Teilfinanzierung der Parteien, die bislang nur einfachgesetzlich durch Parteiengesetz gewährt wird. Zur Verdeutlichung dieses Aspekts sollte Art. 21 Abs. 1 ein neuer Satz 5 („Eine Teilfinanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Parteien aus staatlichen Mitteln ist zulässig“) angefügt werden, s. Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 65 f.
84 Die Einbeziehung der Bestrebungen gegen „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland“ erfolgt in Anlehnung an
Art. 21 Abs. 2 GG. Ein Grund dafür, bei derartigen, nicht minder gefährlichen Bestrebungen auf finanzielle Einschränkungen zu verzichten, ist nicht ersichtlich.
85 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 67 ff.
86 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 62 ff., 71 ff.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
65
1. „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“
Entscheidend dürfte aber sein, dass tatbestandlich „Bestrebungen gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung“ für einen Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung
der Parteien erforderlich sind (s.o. Art. 21 Abs. 3 S. 2 GG-E). Angeknüpft wird insoweit bewusst an Begriffe, die durch das einfache Recht bzw. die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts inhaltlich ausreichend vorgeprägt sind, sodass sie eine hinreichend präzise Abgrenzung ermöglichen.87 Dass Eingriffe in die Rechtsposition der
Parteien an Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung anknüpfen, ist dem Recht der politischen Parteien nicht fremd. Neben den Regelungen zum
Parteiverbot sehen beispielsweise die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der
Länder vor, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
zum Anlass genommen werden können, die betreffende Partei zu beobachten und über
ihre Aktivitäten zu berichten. Unter Bestrebungen sind politisch bestimmte, ziel- und
zweckgerichtete Verhaltensweisen zu verstehen. Voraussetzung ist mithin, dass sich die
verfassungsfeindliche politische Zielsetzung in dem konkreten Verhalten der Partei und
ihrer Mitglieder niederschlägt. Erforderlich sind aktive Verhaltensweisen, die - insoweit
in Anlehnung an die Definition in § 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB88 - auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung von Merkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet sind.89 Es genügt jedes Tätigwerden, auch wenn es lediglich verbaler Natur ist.
Mit der Anknüpfung an den Begriff der „Bestrebungen“ wird aber vor allem das Ziel
der praktischen Wirksamkeit einer Verfassungsänderung verfolgt, die nur über eine
Absenkung der Eingriffsschwelle (gegenüber dem Parteiverbot) erfolgen kann. Dies erscheint nicht nur deshalb geboten, weil der Finanzierungsausschluss gegenüber dem
Parteiverbot ein erheblich milderes Mittel darstellt, sondern vor allem vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung der für
ein Parteiverbot erforderlichen aggressiv-kämpferischen Grundhaltung.90 Diese vom
Bundesverfassungsgericht für ein Parteiverbot aufgestellte Anforderung ist vor dem Hintergrund der Missbrauchsgefahr zu sehen91, die freilich auch im Fall des Ausschlus87 Zum Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung s.o. Fn. 14.
88 „ … Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen
Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.“
89 OVG Münster, Urt. v. 12.02.2008 - 5 A 130/05, juris; BT-Drs. 11/4306, S. 60.
90 S.o. unter I. 1.
91 BVerfGE 5, 85 (141).
66
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
ses von der Parteienfinanzierung nicht auszuschließen ist. Dessen Sanktionswirkung
ist allerdings ungleich geringer als der Fall des Parteiverbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG:
Der Ausschluss von der Parteienfinanzierung mindert zwar die Chancen im politischen
Wettbewerb, lässt aber die Partei im Gegensatz zum Parteiverbot als solche bestehen und belässt ihr den privaten Finanzierungsanteil. Dass eine aktiv kämpferische,
aggressive Haltung keine zwingende Voraussetzung für einen Eingriff in die Rechtsstellung einer Partei ist, ist auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt. Der Begriff der Bestrebungen, der nach den Verfassungsschutzgesetzen des
Bundes und der Länder die Schwelle für eine Beobachtung und Berichterstattung markiert, erfordert aktiv kämpferische, aggressive Verhaltensweisen für die Erreichung der
verfassungsfeindlichen Ziele - auch im Licht des Art. 21 GG – gerade nicht.92
2. Anforderungen an die Überzeugungsbildung93
In einigen Verfassungsschutzgesetzen der Länder sind Eingriffe in Form der Beobachtung mittels nachrichtendienstlicher Mittel und der Berichterstattung - mit Billigung des
Bundesverfassungsgerichts94 - schon dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen.95 Diese Schwelle dürfte indes für
den Ausschluss von der Parteienfinanzierung zu niedrig liegen. Da die Eingriffsintensität
bei einem Ausschluss von der Parteienfinanzierung deutlich höher liegt als diejenige
der Beobachtung und Berichterstattung, dürfte die vorgenannte Eingriffsschwelle zu
niedrig liegen. Zwar handelt es sich bei der staatlichen Parteienfinanzierung nur um
eine Teilfinanzierung. Zudem ist der Ausschluss von dieser Finanzierung - im Gegensatz zum Parteiverbot - in gewissen Grenzen reversibel, solange die Partei noch besteht. Wahlchancen in der Zeit des Ausschlusses sind jedoch endgültig verstrichen. Hinzu kommt, dass der Ausschluss von der Parteienfinanzierung schon bei einem Verdacht
dieses Instrument weit in das Vorfeld der eigentlichen Gefahr verlagern würde. Tatsächliche Anhaltspunkte sind tendenziell leicht zu begründen, sodass die Gefahr besteht,
dass Parteien an den Rändern des demokratischen Spektrums aus der Finanzierung
92 BVerwGE 110, 126 (134); OVG Münster, Urt. v. 12.02.2008 - 5 A 130/05, juris; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006,
838 (839); OVG Münster, Beschl. v. 21.12.2000 - 5 A 2256/94, juris; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 242 (243); VGH
Mannheim, Beschl. v. 11.03.1994 - 10 S 2386/93, juris.
93 Volker Epping, Parteienrechtliche Aspekte der Verfassungstreue bei nicht verbotenen Parteien, in: Winfried Kluth
(Hrsg.), Verfassungstreue jenseits des Beamtentums, 2011, S. 49 (69 f.); ders., Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 53 ff.
94 BVerfGE 113, 63 (80 f.)
95 Vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 BrgVerfSchG, § 5 Abs. 1 Satz 2 NVerfSchG, § 3 Abs. 1 VSG NRW.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
67
ausgeschlossen werden. Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung darf
sich aber nicht gegen unliebsame politische Konkurrenten an den Rändern, sondern lediglich gegen erwiesene Verfassungsfeinde richten. Daraus folgt, dass Bestrebungen
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung positiv festgestellt werden müssen.
Für die positive Feststellung kann sich der Staat auf alle Erkenntnisse stützen, die beispielsweise mit den Mitteln des Verfassungsschutzes gewonnen worden sind. Maßgeblich ist das Gesamtbild, das eine Partei bietet, wobei aus der Summe der einzelnen Tätigkeiten und Veröffentlichungen der Partei und ihrer Mitglieder Schlüsse gezogen werden
können. Die Problematik ist insofern keine andere als diejenige im Rahmen der geltenden
Verfassungsschutzgesetze, mit denen die Verwaltungsgerichte vertraut sind.96
3. Entscheidungszuständigkeit und Rechtsschutz
Für den Entzug der Parteienfinanzierung kommen mehrere Organe in Betracht. Im Ergebnis bietet es sich an, die Entscheidungszuständigkeit beim Bundestagspräsidenten
anzusiedeln, der bereits nach den bisherigen Regelungen der §§ 18 ff. PartG mit den
Fragestellungen der Parteienfinanzierung betraut bzw. hierfür zuständig ist.97 Um von
vornherein jeglichen Missbrauchseinwänden zu begegnen, sollte ein höchst effizientes
96 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die insofern geltenden Grundsätze wie folgt formuliert: OVG
Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 838 (840 f.: „Die Entscheidung darüber, ob die Aufnahme des Klägers in den
Verfassungsschutzbericht 1997 rechtswidrig oder rechtmäßig gewesen ist, ist aufgrund einer Gesamtschau der im
Berichtszeitraum vorliegenden und für ihn aussagekräftigen Erkenntnisse vorzunehmen. Diese Gesamtschau ist
nach wohl einhelliger und vom Senat geteilter Auffassung nicht allein auf das offizielle Programm oder auf Hand­
lungen oder Äußerungen des klagenden Landesverbandes der Partei beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf
Handlungen, Presseerzeugnisse, Verlautbarungen und Äußerungen der Bundespartei, anderer Landesverbände
und deren Untergliederungen sowie der Mitglieder der genannten Verbände (…). Dabei kommt es nicht auf die ab­
strakte Interpretierbarkeit und Bewertung der Äußerungen an, sondern auf ihre konkrete Verwendung und ihren
Stellenwert in der Gesamtpolitik der Partei (…). Bei der Würdigung der Verlautbarungen ist dem in Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG verbürgten Recht auf freie Meinungsäußerung Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, dass die
Abhandlung von Themen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, allgemein die Vermutung für die freie Rede
nahe legt (…). Mit der Feststellung, dass die einzelnen Äußerungen unter den Schutz der Meinungsfreiheit des
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen, ist jedoch nicht zugleich gesagt, dass deswegen die Aufnahme der Partei in den
Verfassungsschutzbericht unzulässig wäre (…); die verfassungsfeindliche Zielrichtung kann sich vielmehr auch aus
einer ständigen Polemik gegen tragende Verfassungsgrundsätze ergeben (…). Der Staat muss es trotz der Rolle,
die das Grundgesetz in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 den politischen Parteien zuweist, nicht tatenlos hinnehmen, wenn eine
Partei die Willensbildung des Volkes mit verfassungsfeindlicher Zielrichtung betreibt. Unter dem Gesichtspunkt der
wehrhaften Demokratie darf er bei einem dahingehenden Befund vielmehr mit den Mitteln des Verfassungsschutzes,
auch durch Darstellung der betreffenden Partei im Verfassungsschutzbericht, tätig werden.“).
97 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 56 ff. (insbes. 58), 69 f.
68
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Rechtsschutzverfahren gegen belastende Entscheidungen des Bundestagspräsidenten
zur Verfügung gestellt werden. Entsprechend dem Rechtsschutz bei Vereinsverboten durch
den Bundesinnenminister (siehe § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) ist es naheliegend, eine erstund zugleich letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu begründen. Gegen eine der Klägerin nachteilige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
stünde der betroffenen Partei dann die Verfassungsbeschwerde als zusätzliches, freilich
nachgelagertes Rechtsschutzinstrument zur Verfügung.98
V. Zusammenfassung der Ergebnisse
1. Ein Parteiverbotsverfahren ist mit erheblichen rechtlichen Risiken behaftet. Dies betrifft zum einen die Frage, ob es gelingt, nach Abschalten der Informanten in der NPD
das für ein Verbot notwendige „aggressiv kämpferische Verhalten“ zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu belegen. Zum anderen hat der EGMR das Verbot von Splitterparteien – als eine solche
wird man die NPD bezeichnen müssen – durchgängig als Verstoß gegen die EMRK
gewertet. Da sich der Staat ein erneutes Scheitern eines Parteiverbotsverfahrens
nicht leisten kann, auch nicht vor dem EGMR, ist vor übereilter ‚Symbolpolitik‘ nachdrücklich zu warnen.
2. Die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland stehen unter dem besonderen
Schutz des Grundgesetzes. Die Parteienfreiheit und die Parteiengleichheit sind
verfassungsrechtlich verankert und bauen vor jeder staatlichen Beeinträchtigung
hohe Hürden auf. Aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung darf eine Partei grundsätzlich weder gegenüber anderen Parteien benachteiligt, noch darf deshalb ihre
Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden. Hier wirkt sich das Parteienprivileg aus.
Nur wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat,
verliert eine Partei ihren besonderen Status. Ein Ausschluss von der staatlichen
Parteienfinanzierung durch bloße Änderung des einfachen Rechts kommt daher
nicht in Betracht.
3. Der Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung ist nur im
Wege der Verfassungsänderung möglich. Diese hat neben den formellen Vorgaben des Art. 79 Abs. 1 und 2 GG den Anforderungen der sog. Ewigkeitsgarantie
des Art. 79 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen, die u.a. die Grundsätze der Art. 1 GG
98 Siehe hierzu Volker Epping, Rechtsgutachten (s.o. Fn. 1), S. 60 ff., 67 ff.
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
69
und Art. 20 GG für unberührbar erklärt. Die durch einen Ausschluss extremistischer
Parteien von der Parteienfinanzierung beeinträchtigte Chancengleichheit der Parteien ist indes kein Grundsatz des Art. 1 GG oder des Art. 20 GG, sondern nur eine
Ausprägung bzw. Konkretisierung des durch Art. 79 Abs. 3 GG absolut geschützten Grundsatzes der Demokratie bzw. des Grundsatzes der Parteienfreiheit. Die
Chancengleichheit der Parteien ist daher einer systemimmanenten Modifizierung
zugänglich, die durch besondere zwingende Gründe getragen sein muss. Einen
solchen zwingenden Grund, der eine Durchbrechung der grundsätzlich zu gewährleistenden Chancengleichheit der Parteien erlaubt, ist die verfassungsrechtliche
Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie.
4. Ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung im Wege der Verfassungsänderung sollte konkrete Bestrebungen einer Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zur Voraussetzung haben. Ein bloßer Verdacht genügt nicht.
Die Entscheidungszuständigkeit sollte unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten
dem Bundestagspräsidenten überlassen werden, wobei auf die vorhandenen Regelungen des Parteiengesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückgegriffen werden kann. Gesonderter Regelungen zum Rechtsschutz bedarf es
nur dann, wenn aus politischen Gründen eine erstinstanzliche Zuständigkeit des
Bundesverwaltungsgerichts begründet werden soll.
70
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Kontaktdaten der Referenten
Martin Döring
Sächsische Landeszentrale für politische Bildung
Schützenhofstraße 36
01129 Dresden
[email protected]
Gordian Meyer-Plath
Präsident des Landesamtes für
Verfassungsschutz Sachsen
Neuländer Straße 60
01129 Dresden
[email protected]
JungsozialistInnen in der SPD
Landesverband Mecklenburg-Vorpommern
Endstation Rechts
Dr. Marc Brandstetter
Wismarsche Straße 152
19053 Schwerin
[email protected]
Deutscher Bundestag
Referat PM 3
Herr RD Klaus Hanfland
Platz der Republik 1
11011 Berlin
[email protected]
Univ.-Prof. Dr. iur. Volker Epping
Gottfried Wilhelm Leibnitz Universität Hannover
Juristische Fakultät
Königsworther Platz 1
30167 Hannover
[email protected]
72
Verfassungsfeinde und das Kapital – Finanzströme im Rechtsextremismus
Bildnachweis
Titel:
Seiten 2, 4, 9
Seiten 10-13
Seite 15
Seite 16
Seite 17
Seite 18
Seite 22
Seite 24
Seite 26
Seite 40, 45
© picture-alliance / dpa Themendienst
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
Landeszentrale für politische Bildung Sachsen
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
www.bka.de
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
© Gina Sanders / Fotolia.com
oben: aus http://forum.thiazi.net (17.12.2009)
unten: aus http://spreelichter.info (22.11.2010)
www.rebel-records.com
© Endstation Rechts
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
Herausgeber:
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
Pressestelle
Referat 52
Redaktion:
Verfassungsschutz durch Aufklärung
Henning-von-Tresckow-Straße 9 - 13
14467 Potsdam
Telefon:
0331 866-2699
Fax:
0331 866-2609
Email:[email protected]
Internet:www.verfassungsschutz.brandenburg.de
Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen
In Kooperation:
Neuländer Straße 60
01129 Dresden
[email protected]
Redaktionsschluss: November 2012
Copyright:
Nachdruck nur mit Genehmigung der jeweiligen Referenten
Druck:
Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg
Auflage:
5.000
Herunterladen