Alte neue Viktoriasee

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Aquaristik
aktuell | Viktoriasee-Cichliden
Alte neue Viktoriasee-Cichliden
Harpagochromis sp. serranus konnte bereits schon mehrfach in Deutschland nachgezüchtet werden.
Seit vielen Jahren bemüht sich eine kleine
Gruppe Aquarianer, die sich zur Interessengemeinschaft „Viktoriasee-Cichliden“ zusammengeschlossen hat, um die Haltung
und Zucht von bedrohten Cichliden aus
dem Viktoriasee. Im Vordergrund steht hierbei die Zucht von reinen Arten. Meist stammen die Tiere für unser Erhaltungszuchtprojekt aus verschiedenen Universitäten mit
einer verbürgten Herkunft. Die Mitglieder
der Interessengemeinschaft bemühen sich,
Eine ökologische Katastrophe und
kein Ende abzusehen
Das Einsetzen von Wasserhyazinthen (Eichhornia crassipes ) und des Nilbarsch (Lates
niloticus ) haben zu unzähligen Problemen
geführt, da sich die Neuzugänge explosionsartig ausbreiten. Nicht nur die Schifffahrt ist
in Teilen des Sees durch die rasant und immer
wieder nachwachsende Wasserhyazinthe zum
Erliegen gekommen, auch der bis zu 1,80 groß
werdenden Nilbarsch stellt die eigentlichen
Bewohner des Sees vor existenzielle Probleme.
Allerdings leben inzwischen auch etwa 30 Millionen Menschen rund um den See und ein Teil
dieser Menschen lebt mittelbar und unmittelbar von der Fischindustrie, die sich durch den
Lates entwickelt hat.
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die vorhandenen Bestände möglichst artenrein zu vermehren und somit in Aquarienbeständen zu erhalten.
Seit den 50iger Jahren erlebt der Viktoriasee, der etwa eine Größe wie das Bundesland Bayern hat, eine ökologische Katastrophe. Ein ständig sinkender Wasserspiegel,
das Einsetzen fremder Arten, Umweltverschmutzung und Staudammprojekte führen dazu, dass das komplette Ökosystem
des Sees zu kippen droht.
Entwicklungsbiologisch betrachtet ist der
Viktoriasee eine Schatzkammer und ein Musterbeispiel für Artenbildung. So haben sich
hier aus nur wenigen Vorfahren innerhalb von
rund 10.000 Jahren vermutlich mehr als 500
verschiedene Arten gebildet und an die unterschiedlichsten Lebensbedingungen im See
angepasst sowie zahlreiche Spezialisierungen
ausgebildet. Im Verlauf der Evolution haben
es die Viktoriasee-Buntbarsche geschafft, sich
aufgrund der vielfältigen Strukturen ihrer Lebensräume stark zu spezialisieren und viele
Nischen zur Nahrungsaufnahme zu besetzen.
So sind sie natürlich auch besonders anfällig
für Veränderungen in ihrem Lebensraum.
Für die evolutionären Schnellstarter, die
eigentlichen Bewohner des Sees, sieht die
Überlebensprognose derzeit allerdings bitter
aus. Das Ökosystem hat sich in den letzten
sechzig Jahren derart verändert, dass sie entweder keine geeigneten Laichpartner finden,
im sauerstoffarmen Wasser an den Rand ihrer
Existenz gedrängt werden oder vom Prädator
Nummer eins, dem Nilbarsch, gefressen werden.
Auch die mittelfristige Prognose ist für die
Erhaltung der vielen Arten vor Ort eher negativ.
Etliche Arten, die noch Mitte der 50iger Jahre
häufig im See lebten, sind mittlerweile völlig
verschwunden und werden heute bereits als
ausgestorben eingestuft. Darunter befinden
sich viele der sogenannten Freiwasser-Arten,
die die unterschiedlichsten Nahrungsnischen
besetzten. Hierzu gehören auch viele Fischfresser und Krabbenjäger, Schuppenfresser,
Plankton- und Pythoplanktonfresser.
Viktoriasee-Cichliden | aktuell
Es sprechen also viele Gründe dafür, dass
sich Aquarianer mit diesen Arten beschäftigen und vor allem artreine Bestände erhalten
möchten. So konzentrieren sich die Mitglieder
unserer Interessensgemeinschaft mit ihren
Bemühungen auf den Erhalt von bereits vorhandenen Beständen. Natürlich wird immer
versucht, neue oder wieder aufgetauchte Arten bzw. Standortvarianten zu erhalten und
diese in der Aquaristik zu etablieren.
Leider gestaltet sich das oft weit schwieriger als z.B. bei den Verwandten aus dem
Malawi- oder Tanganjikasee. Da es vom Viktoriasee kaum kommerzielle Exporte von Zierfischen gibt und viele Tiere aus unbekannten
Quellen stammen. Bei diesen Tieren kann weder die genaue Herkunft noch die Artreinheit
zu 100% Prozent belegt werden.
Es tauchen immer wieder Hybriden auf,
die durch Zufall entstanden sind oder mit der
Absicht zur farblichen „Aufbesserung“ hybridisiert wurden. So ist es sehr schwer für
uns, neue Blutlinien in bestehende Bestände
einzubringen, da bei unsicheren Quellen die
Gefahr besteht, Hybriden einzukreuzen und
damit die Art für unser Vorhaben zu verlieren
und damit auch ihr artspezifisches Verhaltensrepertoire.
Aus unserer Erfahrung können Fische aus
Forschungseinrichtungen als relativ sicher angesehen werden, da diese Einrichtungen im
Rahmen ihrer Forschungsarbeit die Cichliden
selbst fangen, importieren und in ihren Zuchtanlagen weiter pflegen und vermehren.
Besonders hervorzuheben ist hier die gute
Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ole Seehausen
und seinem Team, das an der Eidgenössischen
Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) in Kastanienbaum in der Schweiz Forschungen zur
Evolutionsbiologie der Viktoriasee-Cichliden
betreibt. Ohne diese Forschungseinrichtung
würden wohl viele der Arten nicht mehr in
unseren Aquarien schwimmen.
Darüber hinaus gibt es in Europa fast keine Möglichkeiten mehr, an solche Tiere zu
kommen, denn es besteht kein kommerzielles
Interesse. Die Interessensgemeinschaft bemüht sich deshalb seit Jahren, möglichst viele
Arten zu erhalten und an Spezialisten unter
den Haltern, aber auch an ganz normale
Aquarianer weiter zu geben.
Aufgrund unserer Recherchen konnten
wir eine geringe Anzahl von neu importierten oder noch vorhandenen Arten in den USA
ausfindig machen, und obwohl wir Kontakte
zu dortigen Züchtern aufbauten, gelang es
uns lange Zeit nicht, die Tiere über den Atlantik zu bringen.
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Viele Gründe für ein Engagement
Pundamilia sp. pink anal fin wird in den USA auch als Pundamilia sp. Black Widow bezeichnet, auch bei dieser Art können wir schon Zuchterfolge nachweisen.
Nach der aktuellen IUCN-Redlist ist diese Art (Haplochromis chromogynos ) im Biotop als
stark gefährdet eingestuft, allerdings adaptieren sich die Bestände scheinbar an die neue
Lebenssituation und nehmen wieder leicht zu.
Für Privatpersonen ist es praktisch unmöglich, aufgrund der Vorschriften einen
Import selbst durchzuführen. Es ist kaum zu
überschauen, alle Papiere für behördliche
Genehmigungen, die Abwicklung beim Zoll
usw. rechtzeitig und vollständig zu haben.
Auch die Kontakte mit verschiedenen Firmen
und Importeuren haben keine befriedigenden
Ergebnisse gebracht.
Eher durch einen Zufall sind wir auf ein
Angebot der Firma OF Aquaristik aus Butzbach gestoßen. Hier wurde für Aquarianer
die Möglichkeit angeboten, von dem auf
Mittel- und Südamerika spezialisierten Großhändler Jeff Rapps aus Phillipsburg (NJ), in
den USA Fische zu bestellen. Wir dachten
uns, wer mittelamerikanische Groß-Cichliden
über den großen Teich schicken kann, der
kann doch bestimmt auch ein paar kleine
Viktoriasee-Cichliden mitsenden. Nach wenigen Tagen und ein paar gesendeten E-Mails
war klar, der Transport ist zu realisieren, die
Zeit bis zum geplanten Import war jedoch äußerst knapp bemessen. Also versuchten wir
über unsere bestehenden Kontakte in den
USA herauszufinden, was möglich ist und
welche Tiere wir in der kurzen Zeit bekommen können.
So konnten wir sieben Arten aus den USA
nach Europa bringen, die nach unserem Wissen noch nicht nach Deutschland oder in die
EU eingeführt wurden, bzw. wieder aus den
Beständen verschwunden sind.
Entsprechend angespannt waren wir, als
uns die Tiere am Frankfurter Flughafen an
der Animal Lounge übergeben wurden und
zu unserer großen Freude alle Tiere den Flug
gut überstanden hatten.
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Angekommen sind folgende Arten
Harpagochromis sp. „serranus“ ist ein
Fischfresser von Juma Island und wurde als
Wildfangnachzucht aus den USA importiert.
Die Tiere wurden 2012 durch Laif DeMason,
einen amerikanischen Importeur, am Viktoriasee bei Juma Island gefangen. Diese Art
konnte von uns nun schon mehrmals nachgezogen werden.
Pundamilia sp. „pink anal fin“ von
Juma Island, F1 Nachzuchten, aus gleicher
Quelle wie die H. serranus. Auch diese Tiere
haben sich schon erfolgreich vermehrt.
Harpagochromis sp. „Golden Duck“ –
ein Fischfresser, welcher bei uns in Europa
in geringen Beständen schon einmal vorkam, jedoch alle Tiere leider wieder verschwunden waren.
Der als Psammochromis cf. riponianus eingeführte Fisch wird in Deutschland als unter Ptyochromis sp. Boyanga geführt, hier müssen die Taxonomen noch einmal genauer hinschauen.
Prognathochromis perrieri – ein Jungfischfresser, welcher im Viktoriasee selbst seit Mitte
der 80iger Jahre als Ausgestorben gilt. Jedoch
wurde diese Art in einem Arterhaltungsprogramm in den USA bis heute für die Aquaristik
erhalten und befindet sich nun erstmals auf
dem europäischen Kontinent.
Psammochromis cf. „riponianus“ – diese
Art wird ebenfalls seit mehr als 10 Jahren in
Arterhaltungsprojekten in den USA gepflegt.
Jedoch sind sich Experten ziemlich sicher, dass
es sich hier um eine andere Art als oben angeführt handelt. Es handelt sich hierbei warscheinlich um eine Ptyochromis-Art. Eventuell
P. fischeri aus dem nördlichen Teil des Sees
oder aber eine noch unbeschriebene Art. Weitere Beobachtungen könnten in Zukunft Aufschluss geben. Diese Tiere sind bei uns nun
in ganz geringer Bestandszahl und bereits mit
einigen Nachzuchttieren vorhanden.
Paralabidochromis (Haplochromis) chromogynos , Zue Island , Viktoriasee. Diese
Art ist in den 80igern aufgetaucht und war
in Deutschland nur kurz verfügbar. Da es sich
hier um einen alten Aquarienstamm handelt,
werden zu einem späteren Zeitpunkt noch taxonomische Untersuchungen stattfinden, um
die „Echtheit“ sicherzustellen. Aktuell sind die
Importtiere auf ca. 7-9 cm herangewachsen
und haben auch schon fleißig zur Arterhaltung
beigetragen.
Xystichromis (Haplochromis) sp. „Flame-
back”, Viktoriasee. Da es unterschiedliche Farbmorphen von „Flameback“ von verschiedenen
Fangorten gibt, die meist aus unbekannten
Quellen stammen, bleibt abzuwarten, wie sich
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Subadultes Männchen von Prognathochromis perrieri, diese Art befindet sich seit unserem Import erstmals auf europäischem Boden. Im Viktoria-See gilt diese Art seit 1996 als
ausgestorben.
die Tiere entwickeln. Da es sich auch hier um
einen alten Aquarienstamm handelt, müssen
weitere Untersuchungen erfolgen. Da unter
den importierten Tieren nur 2 Weibchen waren,
sind wir über die bisher ausgetragenen drei
Bruten sehr erfreut.
Wir hoffen, dass wir diese und viele andere
bedrohten Cichliden-Arten aus dem Viktoriasee
zumindest in unseren Aquarien erhalten können. Daher sind interessierte Aquarianer immer
herzlich willkommen, sich diesem ehrgeizigen
Ziel anzuschließen. Bedanken möchten wir uns
bei allen Beteiligten, die zur Verwirklichung dieses Projektes beigetragen haben.
Ganz besonders herzlichen Dank auch an
den Verein der Aquarien- und Terrarienfreunde Hohenlohe e.V., die das Vorhaben finanziell
unterstützt haben.
Auf der vom 13. bis 16. Mai 2016 stattfindenden Aquarienausstellung des Vereins werden
voraussichtlich manche dieser Arten zu sehen
sein. Weitere Informationen zum Thema unter:
www.ig-Viktoriasee-cichliden.de
oder über das Forum
www.cichlidenwelt.de
das der IgV als Plattform dient.
Text und Fotos: Thomas Elsässer, Marco Welß
Literatur:
BÖHNER, AXEL: Die Viktoriasee-Cichliden
in Deutschland (2010), Books on Demand
GmbH, Norderstedt, ISBN 978-3-83913286-9
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