Ethische Konflikte von Pflegenden und subjektive Belastungen

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05.04.2016
Ethische Konflikte von
Pflegenden und
subjektive Belastungen
Bernhard Bleyer
Lehrstuhl für Moraltheologie
2012: Empfehlungen der
Schweizerischen
Akademie der
Medizinischen
Wissenschaften (SAMW)
2010: Standards für
Ethikberatung Akademie für
Ethik in der Medizin (AEM)
Ethikkomitee (EK)
Schwerpunkt I:
Fortbildungen
Schwerpunkt II:
Ethikberatung auf
Station
Schwerpunkt III:
Leitlinienentwicklung
1
05.04.2016
Ich habe im letzten Jahr ethische
Konflikte erlebt … (in %)
eher täglich
90
eher wöchentlich
91,8
eher monatlich
93,1
79
19,2
22,4
24,9
23,4
26
30
27,7
30,7
16,7
17,7
19,6
9,9
7,7
22,2
25,1
Gesamt
Ärzte
Pflegende
seltener
30,7
Andere
Neitzke, Ethische Konflikte im Klinikalltag – Ergebnisse einer empirischen Studie.
Bochum 2007.
Befragung MA (3094 Personen) der Med. Hochschule Hannover
(Rücklauf 20,15 %)
Die ethischen Konflikte haben mich
belastet … (in %)
eher täglich
eher wöchentlich
eher monatlich
seltener
34,5
33,4
28,1
29,8
20,6
20,4
10,2
9,4
Gesamt
30,8
48,1
Ärzte
27,1
24
12,5
Pflegende
25,4
11,3
7,1
Andere
Neitzke, Ethische Konflikte im Klinikalltag – Ergebnisse einer empirischen Studie.
Bochum 2007.
Befragung MA (3094 Personen) der Med. Hochschule Hannover
(Rücklauf 20,15 %)
2
05.04.2016
Hurst, et al., Ethical difficulties in clinical
practice: experiences of European doctors,
in: J Med Ethics (2007) 33: 51-57.
• 1600 klin. Ärzte in 4 Ländern (UK, Nor, Ital, Switz),
∅ 25 Jahre im Beruf (Rücklaufquote: 43 %)
• Nur 17,6 % haben Zugang zu Ethikberatung
„Cultural differences may indeed influence how
doctors perceive ethical difficulties. The type of help
needed, however, did not vary markedly.“
Hurst SA et al.
(2007) J Med
Eth 33(1):51
3
05.04.2016
Studie „Ethische Konflikte und klinische
Ethikberatung“
• Geografisch: von der Mosel übers Allgäu bis
Dresden (34 Kliniken)
• Dateneingabe (n=2676)
• Unterschiedlichste Kliniktypen (Uniklinik,
Gerontopsychiatrische Fachklinik,
Kinderklinik, …)
Der Fragebogen
- 4 Seiten
- 15 Hauptfragen
- Nur die Bereiche Onkologie und Intensiv (Kinder und
Erwachsene), Geriatrie, Palliativ
- Befragte Berufsgruppen: Ärzte, Pflegende,
Psychologen, Seelsorger, Sozialdienst,
Physiotherapeuten
- Zeitraum der Befragung vor Ort: 15. März bis 31.
Mai 2012
4
05.04.2016
Was wir alles aus dem Innenleben von
Krankenhäusern erfahren haben …
- Ein Arzt macht sich die Mühe alle 15 Fragen samt
Rubriken zu kommentieren
- Die Leitung einer Klinik sortiert alle Bögen aus, die
nicht konform oder formal schlampig ausgefüllt sind
- Der Vorstand einer Klinik zensiert den Fragebogen
und ordnet Änderungen an
- …
Pflegende
Ärzte
Psychologe
Seelsorger
Physio-LogoErgotherapie
Sozialarbeiter
5
05.04.2016
Tätig in …
Intensiv
48%
Geriatrie
18%
Palliativ
8%
Onkologie
26%
Verteilungshäufigkeit nach Prozenten
in Häufigkeit und Schwerpunkt
Alle beteiligten
Kliniken, N=2676
6
05.04.2016
Sonstige Angaben zu Ethischen Konflikten
aller Befragten; in Ausschnitten
Mißverständnisse, Konflikte im Ärzte-Pflegeteam
OPs an Pat. die inoperabel waren und dann verstorben sind
am Leben erhaltende Maßnahmen bei Frühgeborenen mit schlechter Prognose
(Schwerste Behinderung!); Annehmen eines behinderten Kindes
Sterben geht häufig würdelos, Therapie bis zuletzt, Sterben im Abstell- oder
Dreibettzimmer
Konflikte mit anderen Abteilungen bezüglich Pat.Willen; Angst vor juristischen
Konsequenzen!
Auch weitere Versorgung des Patienten, z.B. Unterbringung im Altenheim usw.
Angehörige erwarten zu viel, Nichtakzeptanz der Erkrankung
meist wird nicht die Frage gestellt, welche Lebensqualität der Pat hatte/haben
wird bez. Lebensverlängerung
"Kapitäne an Land": punktuelle Einmischung von MA, die den Prozess nicht
verantworten müssen
völlig unzureichende personelle Ausstattung ohne jegliche Reserve
Bereiche ethischer
Konflikte:
Von 1 (nie) bis 3
(häufiges
Konflikterleben),
sowie
von 1 (geringe) bis 3
(starke
Konfliktbelastung).
Alle: N= 2676
7
05.04.2016
Bereiche ethischer
Konflikte:
Von 1 (nie) bis 3
(häufiges
Konflikterleben),
Welche inhaltlichen Bereiche führen in Ihrem Arbeitsbereich zu ethischen
Konflikten?
Konflikte mit Transplantation (Organspende/Organvergabe)
Konflikte durch medizinische Forschung
Konflikt Schweigepflicht?
Konflikte mit Apparatemedizin
Konflikte mit Aufteilung knapper Mittel
Konflikte mit Qualität medizinischer Versorgung (z.B. Behandlungsfehler)
Konflikt alltäglicher Patientenumgang?
Konflikt Patientenaufklärung
Pflegeethische Probleme
Konflikte im Umgang mit psychisch kranken Menschen
Konflikt Angehörigenaufklärung
Konflikt Wahrung der Menschenwürde
Konflikt unklarer Patientenwille
Konflikt Leben künstlich verlängern
Konflikte im Umgang mit verwirrten Menschen
Nichtakzeptieren eines Sterbeprozesses
N
1539
1561
1612
1572
1561
1584
1604
1628
1592
1606
1620
1620
1587
1621
1615
1624
Mittelwert
1,53
1,61
1,68
2,02
2,05
2,08
2,10
2,18
2,28
2,32
2,32
2,36
2,43
2,48
2,49
2,51
Nur Pflegende
(n=1659)
Hauptsächliche Belastungsbereiche:
• Nicht-Akzeptieren eines Sterbeprozesses,
künstlich Leben verlängern
• Umgang mit verwirrten Menschen,
unkalkulierbares Verhalten
Im Zentrum der Studie: der ALLTÄGLICHE
Umgang!
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05.04.2016
Pflegende versus sehr stark belastete Gruppe der
Pflegenden
Wie stark belasten Sie ethische Konflikte persönlich auf
einer Skala von 0 bis 10?
Wie stark belasten Sie ethische Konflikte?
Gültig
Fehlend
N
Pflegende
N = 1659
1433
226
5,48
Mittelwert
5,00
Median
Standardabweichung
2,044
Wie stark belasten Sie ethische Konflikte?
N
Gültig
299
Fehlend
Mittelwert
Median
Standardabweichung
20
6,07
6,00
2,036
Pflegende weiblich –
Lebensalter > 40 –
Schwerpunkt Intensiv
N = 319
Beispiel eines Uniklinikums
Pflegende auf Intensivstation sind enorm
belastet:
Median aller Befragten bei 5 (PsychologenMedian: 2), aber bei Intensivpflegenden bei 7!
Allgemein:
Der Belastungswert hängt signifikant mit der
Berufsgruppe zusammen (und mit den
Berufsjahren und mit dem Fachbereich).
9
05.04.2016
Pflegende versus sehr stark belastete Gruppe der
Pflegenden
Haben Sie schon einmal an einer ethischen
Fallberatung teilgenommen?
N
Ethische
Fallberatung bereits
selbst
teilgenommen?
Mittelwert
1627
N
Ethische
Fallberatung bereits
selbst
teilgenommen?
1,85
,357
Mittelwert
316
Pflegende
N = 1659
Standardabweichung
1,80
Standardabweichung
,398
Pflegende weiblich –
Lebensalter > 40 –
Schwerpunkt Intensiv
N = 319
Pflegende versus sehr stark belastete Gruppe der
Pflegenden
Ist Ihnen die Möglichkeit einer Ethischen
Fallberatung bekannt?
Pflegende
N = 1659
Pflegende weiblich – Lebensalter
> 40 – Schwerpunkt Intensiv
N = 319
10
05.04.2016
500
450
400
350
Vorgesetzte
300
250
Familie/Freunde
200
Fachleute (z.B. Seelsorge,
Psych.)
150
Kollegen d. Berufsgr.
100
Kollegen im Team
50
0
Ethische Fallberatung: Alle Befragten versus Pflegende versus
weiblich Pflegende auf Intensivstationen > 40 Jahre mit
Belastungen (2 Gruppen wurden zusammengefasst) N= 304
1. Die Gruppe der stark belastenden älteren Intensivschwestern
nimmt noch weniger Beratung/Supervision in Anspruch als Ihre
Vergleichsgruppen
2. Von der stark belasteten Gruppe nehmen 84,41% nie Beratung
und Supervision in Anspruch
3. Keine signifikanten Unterschiede im Gesprächsverhalten zu
TeamkollegInnen
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05.04.2016
Zusammenfassung
•
Weibliche Pflegende (> 40 Jahre) im
Intensivbereich geben die stärksten Belastungen
aufgrund ethischer Konflikte an, kennen besser die
Möglichkeit von Ethikberatung, nehmen sie aber
weniger wahr
•
Ethische Konflikte werden überwiegend
unsystematisch im beruflichen Nahbereich
besprochen
•
Der Umgang mit verwirrten Menschen ist eine
Quelle ethischer Konflikte wird jedoch von der
klinischen Ethikberatung kaum aufgefangen
12
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