Marketing Business OMD Special Zwischen Müll und Marketing Der Kampf um elektronische Kundenbeziehungen in den Zeiten von Spam. O M D O M SPECIAL 3 SPECIAL Über die Hälfte aller E-Mails in Deutschland sind illegale WerbeE-Mails, weltweit – so die Sicherheitsspezialisten von Messagelabs – sogar 76 Prozent. Aufrüsten und abschotten heißt deshalb die Devise bei Nutzern und Providern. Das senkt die Chancen für seriöses E-Mail-Marketing. Eigentlich könnte alles so schön sein: E-Mail-Marketing als traumhaftes Instrument für den Vertrieb, die Neukundengewinnung und Kundenbindung. Druck- kosten und Mindestauflagengrenzen entfallen, die elektronische Versendung kostet nur einen Bruchteil des üblichen Portos, eingespartes Geld kann für noch aufwändigere oder individuelle Kataloge verwendet werden. Das leidige Spam-Problem droht aber die schönen Webwege zum (potenziellen) Kunden komplett zu vermüllen. Natürlich setzen seriöse Anbieter wie der E-Mail-Marketing-Dienstleister Mission One schon seit Jahren ausschließlich auf Permission Based Marketing. Das damit verbundene Einverständnis der Adressaten, Werbe-Mails zu akzeptieren, hilft D E-ÜBERLAUF Immer mehr Spam lässt die elektronischen Postfächer überquellen – die Nutzer machen dicht, und seriöse E-Mail-Werbung bleibt außen vor. 124 aber oft nicht: Denn der hochgerüstete Spam-Schutz entsorgt häufig neben echter Junk Mail gleich auch die akzeptierte Post. In den Servern abgefangen, erreicht die Mail die Rechner der Adressaten erst gar nicht. E-Mail-Marketing-Dienstleister entwickeln daher eigene Konzepte, um das Problem in den Griff zu bekommen. Thomas Striegl, Vorstand der Mission One e-Relations AG, sieht die Zukunft bei den Newslettern. „Die funktionieren wie Zeitungs-Abos und kommen durch, wenn sie interessant und technisch wirklich gut gemacht sind.“ Auch Torsten Schwarz, führender E-MailMarketing-Experte, rät zur Fokussierung auf gut gemachte Newsletter. Christian Bachem, Gründer und Geschäftsführer von .companion Berlin, weist allerdings darauf hin, dass auch solche Post oft unter dem Problem der „False Positives“ leidet: „Durch den immer stärkeren SpamSchutz werden selbst abonnierte und erwartete Newsletter abgefangen.“ Hersteller wie Xtramind und Clean MX entwickeln zwar immer differenziertere Filtermethoden, um die False-Positive-Raten zu senken, die in Amerika E-MailMarketing enorm erschweren. Matthias Gottschalk, Experte beim Online-Forum e-mail-marketing-experts.de, malt trotzdem ein düsteres Bild: „Innerhalb der nächsten zwei Jahre könnten wir auch bei uns amerikanische Zustände haben.“ ANTI SPAM TASK FORCE MACHT MOBIL Das Problem hat die Anti Spam Task Force (ASTF) des Verbandes der Deutschen Internetwirtschaft eco auf den Plan gerufen, die sowohl E-Mail-MarketingDienstleistern als auch den InternetProvidern und -Nutzern helfen will. Gegründet nach dem 1. Deutschen AntiSpam-Kongress 2003 hat sich der Verbund von Spezialisten der Internet-Provider und TK-Anbieter das Ziel gesetzt, die technischen und organisatorischen Lösungen gegen Spam voranzubringen. In diesen Wochen geht das Projekt „White absatzwirtschaft 10/2004 PECH FÜR DEN PERMISSION-PAPST List“ der ASTF in die heiße Phase. Sven Karge, Projektmanager und -initiator: „Wir stehen im Moment in Verhandlung mit dem DDV zur Kooperationsvereinbarung, um ein gemeinsames Gütesiegel zu entwickeln.“ Dieses Gütesiegel soll helfen, mit den Providern eine einheitliche und verbindliche Liste der „guten Versender“ zu entwickeln, die an den Spam-Filtern vorbeigewunken werden. DIE RETTUNG MIT DER WHITE LIST Versandhäuser wie Karstadt, Otto und Quelle, die in Sachen E-Mail-Marketing besonders aktiv sind, setzen große Hoffnungen in die Initiative. Boris Meixner, E-Commerce Manager Vertrieb bei der Quelle AG: „Wir warten gespannt auf verbindliche Angaben zu Teilnehmern und Kosten.“ „Diese Angaben werden wir nach dem 2. Anti-Spam-Kongress Ende September haben“, so Sven Karge. „Das White-ListProjekt ist zwar noch im Aufbau“, so Karge weiter, „aber sicher ist, dass die E-Mail-Marketing in den letzten Zügen? Wie rigoros die Spam-Filter der Provider inzwischen arbeiten, musste Ende Juli auch eine Branchen-Größe am eigenen Leib erfahren: Seth Godin, der „Vater“ des Permission-Marketing, hatte eine Ankündigung an seine „supererlaubte“ Mail-Liste geschickt. Einer seiner Freunde, der auch in dieser Liste stand, bemerkte die Mail nur, weil er seinen Spam-Ordner zufällig öffnete. Godin war überaus überrascht, denn die Mail-Liste sei niemals verkauft, vermietet, mit anderen Adressen vermischt oder sonstwie verwertet worden. Er sei natürlich nicht über den Spam-Filter verärgert gewesen, notierte er in sein Web-Tagebuch. Was ihn aber enttäusche: Inzwischen hätten die Spammer eine solche Bedeutung gewonnen, dass das E-Mail-Marketing wohl bald seinen letzten Atemzug tue. zwölf größten Internet-Provider und zwischen 60 und 120 DDV-Mitglieder dabei sind.“ Wenn die Provider bei einer einheitlichen Lösung im Boot sind, lässt sich das Problem der False Positives lösen. Karge: „In Sachen E-Mail-Marketing wird sich daher sehr bald einiges bewegen.“ Iris Kraft INTERVIEW Mülltrennung mit künstlicher Intelligenz Mit dem Mailminder von Xtramind, einem Spin-off des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, und der Software Responsio vom Fraunhofer Institut Autonome Intelligente Systeme sind neuartige automatische Textanalyse-Tools auf dem Markt, die Hilfe im E-MailManagement versprechen. Die absatz- 10/2004 absatzwirtschaft wirtschaft sprach mit Susanne Hübner, Pressesprecherin von Xtramind. lyse. Die Abstraktionsfähigkeit des maschinellen Lernens von Software mit künstlicher Intelligenz erlaubt es, Textinhalte in ihrem Kontext zu erfassen und auszuwerten. E-Mails und Spam werden nicht mehr anhand von manuell angelegten Regeln nach Suchbegriffen identifiziert. Xtramind und das Fraunhofer Institut gehören im Bereich Textanalyse auf der Basis künstlicher Intelligenz zu den Vorreitern. Was bedeutet das für das E-Mail-Management? HÜBNER: Unsere E-Mail-ManagementLösung Mailminder versteht wie ein menschlicher Assistent die eingehenden E-Mail Anfragen, analysiert sie und ordnet sie den entsprechenden Ansprechpartnern zu. Die Software schlägt sogar automatisch passende Antworten vor. Die Kommunikation wird also schneller und kostengünstiger. Merkmale der erwünschten, wie auch der unerwünschten Post, kategorisiert E-Mails entsprechend und lernt anhand von vordefinierten Beispielen ständig weiter, um diese Merkmale zu optimieren. Sicher auch deshalb, weil unerwünschte Mails nicht mehr vom User eigenhändig gelöscht werden müssen. Aber helfen derartige Programme auch, das Problem der False Positives, der fälschlicherweise abgefangenen E-Mails, zu lösen? HÜBNER: Ja, Künstliche Intelligenz bietet eine andere Qualität der Textana- Was kann die künstliche Intelligenz hier leisten? HÜBNER: Der Nutzer kann damit E-Mails anders analysieren und kategorisieren und so das Problem der False Positives grundsätzlich lösen. Xtramind hat für die automatische Klassifizierung von E-Mails ein Patent erhalten. Wie funktioniert das konkret? HÜBNER: Unsere Software erkennt 125