Gesundheit 18 5. – 18. März 2010 Tinnitus als Alarmzeichen Ein hochkomplizierter Mechanismus: Das menschliche Ohr ist ein besonders feines Instrument Foto: Stephen Bazely/stockxchange Tinnitus gehört heute zu den Ohr-Erkrankungen, die europaweit kontinuierlich zunehmen. Nach wie vor ist aber vielen Menschen nicht klar, was sich hinter dieser Krankheit verbergen kann, wie die Symptome aussehen und was sie über die gesundheitliche Verfassung des Betroffenen aussagen. Von einem Tinnitus (Ohrgeräusche), sprechen HNOÄrzte, wenn der Patient unter einer anhaltenden oder ständig wiederkehrenden subjektiven Wahrnehmung eines Tons oder Geräuschs ohne akustische Stimulation von außen leidet. Diese Töne können von Klingeln, über Pfeifen, Brummen oder Rauschen reichen, kontinuierlich oder in regelmäßigen Abständen auftauchen, an- und abschwellen, sowie sich in der Frequenz verändern. Der Auslöser für die Tonbeziehungsweise Geräuschempfindung liegt entweder im Innenohr oder im Gehirn. Je nach Dauer unterscheiden Mediziner zwischen drei unterschiedlichen Formen von Tinnitus: Der akute Tinnitus hält bis zu drei Monaten an. Drei Monate bis zu einem halben Jahr dauert dagegen der subakute Tinnitus, während man von chronischem Tinnitus spricht, wenn die Erkrankung länger als ein Jahr dauert. Unterschiede machen HNO-Spezialisten auch beim Schweregrad des Tinnitus: Grad 1 bis 2: Hier nimmt der Patient die Ohrgeräusche zwar wahr, kann jedoch damit umgehen und hat keine gesundheitlichen Probleme. Wer unter Tinnitus Grad 2 leidet, empfindet die Geräusche nur bei Stress oder Stille als störend. Grad 3: Hier leidet der Patient unter anhaltender Beeinträchtigung, es kommt zu Störungen im emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereich. Wer Tinnitus vierten Grades hat, wird von der Krankheit in seinen Wahrnehmungen so beeinträchtigt, dass es zu massiven körperlichen und seelischen Problemen kommt – bis hin zur Berufsunfähigkeit. Nicht jeder Mensch, der ein Piepen oder Dröhnen im Ohr hört, leidet jedoch unter Tinnitus. Zeitweilige Ohrgeräusche sind ein ziemlich häufiges Phä- mikroskopie mit speziellen Mikroskopen für den Gehörgang. Im weiteren Verlauf folgen Untersuchungen wie: Hörtests mit einer Stimmgabel, Registrierung des noch wahrnehmbaren Frequenzbereichs mittels Audiogramm, um eine Innenohrschwerhörigkeit auszuschließen Tympanogramm/Stapediusreflexe: Prüfung des Paukendrucks im Ohr, Fortleitung von rhythmischen Kontraktionen der Mittelohrmuskeln, Funktionsprüfung der Gehörknöchelchen, Bestimmung der Frequenz, bei der die Geräusche am stärksten sind, und Bestimmung ihrer Lautstärke mit einem so genannten Audiometer; anschließend Beschallung des erkrankten Ohrs mit so genanntem weißen Rauschen, wobei ein Tonrauschen erzeugt wird, in dem alle für das Ohr hörbare Frequenzen enthalten sind (Verdeckung). Gleichgewichtsprüfung mit der Frenzel-Brille (die verhindert, dass der Betroffene einen Punkt mit den Augen fixieren kann), da Tinnitus in mehr als 20 Prozent der Fälle mit einer Gleichgewichtsstörung einher geht. Blutuntersuchungen: Differentialblutbild und Entzündungsparameter; ferner Serologie, um Infektionen mit Herpes simplex, Masern, Mumps oder Syphilis auszuschließen, Magnetresonanztomographie (MRT), um einen Tumor am Hörnerv auszuschließen und Funktionsuntersuchungen der Halswirbelsäule. In Selbsthilfegruppen lernen die Betroffenen, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen Leise Musik im Schlafzimmer lenkt von Tinnitus ab, der nachts als besonders störend empfunden wird nomen, dass rund ein Viertel der Bevölkerung in Europa betrifft. Das Krankheitsbild Tinnitus dagegen, bei dem die Ohrgeräusche immer wieder auftreten, ist deutlich seltener; nur rund vier Prozent der Menschen leiden darunter. Ebenso vielfältig wie die Geräusche, die bei Tinnitus auftreten, sind auch die Ursachen: So leiden einige Betroffene schlicht an einem Verschluss des Gehörgangs durch Ohrenschmalz oder Fremdkörper oder unter vorspringenden Knochen im Gehörgang. Einige Gründe für Tinnitus liegen auch im Mittelohr. Dazu zählen: ein Trommelfelldefekt durch Riss oder Durchlöcherung, eine Tubenfunktionsstörung oder eine Mittelohrentzündung. Das Innenohr dagegen ist Auslöser für lärmbedingte Gehörstörungen wie Knalltrauma oder Lärmschwerhörigkeit, Drehschwindel mit Schwerhörigkeit oder starker Blutdruckabfall mit nachfol- Ständig laute Musik führt heute selbst bei Kindern und Jugendlichen schon zu Tinnitus gender Minderdurchblutung des Innenohrs. Zu den weiteren Ursachen für Tinnitus zählen Hirnhautentzündung, Hirntumore ein Tumor des Hörnervs, Bluthochdruck, zu niedriger Blutdruck, Multiple Sklerose und Blutarmut. Ohrgeräusche können auch bei Problemen mit der Halswirbelsäule, den Kiefergelenken oder durch Zähneknirschen auftreten. Emotionale Ursachen für Hörgeräusche sind meistens Angst, Stress oder Überforderung. Besteht der Verdacht auf Tinnitus müssen demnach verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, um die Ursache genau zu ergründen. Am Anfang steht die ausführliche Befragung zu Art und Häufigkeit der Geräusche, zu eventuellen Unfällen mit Kopfverletzungen, Ohrenerkrankungen, Operationen am Kopf, Blutdruckmessung, Hals-NasenOhren-Untersuchung, Ohr- Foto: Gary Manning/Stockxchange Es piept und dröhnt, es fühlt sich taub an oder klingelt – unsere Ohren schlagen oftmals Alarm, wenn es unserem Körper nicht gut geht. Foto: Julia FreemanWoolpert/stockxchange Von Andrea Rink Foto: John Scheijen/stockxchange Hören Sie auf Ihre Ohren!