Manuskript Nahaufnahme Titel: Marschmusik am Hindukusch? Untertitel: Bundeswehrorchester üben für Einsätze in Krisengebieten Autorin: Anja Kempe Redaktion: Bayern 2 Programmredaktion Sendedatum: Freitag, 21. Oktober 2016 15:30 Uhr Wiederholung: Sonntag, 23. Oktober2016 13:30 Uhr Seite 1 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Eins, zwei, drei!" Bundeswehrorchester spielt Marsch an / Bricht ab Der Marsch muss sitzen. Im Probensaal herrscht höchste Konzentration. Schließlich wollen die Trommler und Flötisten in Uniform sich nicht blamieren, wenn sie einen Auftritt haben weit weg von Zuhause, am Hindukusch zum Beispiel. O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Jawohl! Gut!" Alle folgen dem Kommando von Oberstleutnant Michael Euler. Er ist ihr Ausbilder. Zackig wirbelt er den Taktstock durch die Luft. Bundeswehrorchester spielt Marsch an / Bricht ab Die Musikfeldwebel im Ausbildungsorchester der Bundeswehr üben für ihre Auftritte in Kriegs- und Krisengebieten. Sie sollen die einheimischen Bevölkerungen musikalisch unterhalten, in Afghanistan, Afrika und anderswo. Das ist neu. Das gab es noch nicht in der Geschichte der Bundeswehr, dass die Orchester der deutschen Streitkräfte in ihren Auslandseinsätzen den dort lebenden Menschen Musik vorspielen sollen. Seit der Reform zur Einsatzarmee müssen die Musiker der deutschen Truppe sich zwar zum Auslandseinsatz verpflichten, doch bisher ausschließlich, um für die Soldaten in den Feldlagern zu musizieren. In Afghanistan, im Nordirak, an der türkisch-syrischen Grenze, auf dem Balkan, am Horn von Afrika und im westafrikanischen Mali sind Bundeswehrsoldaten im militärischen Auftrag unterwegs. Bundeswehrorchester spielt Marsch an / Bricht ab O-Ton Sebastian Breitsameter: "Ich bin Feldwebel Sebastian Breitsameter, komme aus Freising in der Nähe von München aus Bayern, bin 22 Jahre alt, hab’ Mittlere Reife und bin Schlagwerker." In Düsseldorf bereitet die deutsche Truppe zur Zeit rund 50 junge Männer und Frauen aus ganz Deutschland auf den Militärmusikdienst vor. Auch Sebastian Breitsameter, der Schlagzeuger, hat sich darauf eingestellt, in Auslandseinsätze zu gehen. Er ist optimistisch, in den Kriegsgebieten dieser Welt den richtigen Ton zu treffen. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Es ist ja nicht so, dass wir hinfahren und sagen, so, jetzt spielen wir, wir haben Proben regelmäßig, wo es sehr detailliert einstudiert wird, dass es auch ein hohes Niveau erreicht. Wir stecken da viel Zeit rein, dass das perfekt rüber kommt." Der Orchesterchef wirft einen Blick auf die Trompeter. Auch deren Instrumente müssen gut gestimmt sein. Die Trommeln, Flöten und Posaunen und die Knöpfe der Uniformen blitzen in der Sonne, die durch die Fenster des Probensaals fällt. Die Idee, in EinsatzSeite 2 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 ländern für Bevölkerungen Musik zu machen, kommt von der US-Armee. In einem Papier der Bundeswehr legt der amerikanische Militärmusik-Kommandeur Thomas Palmatier die Notwendigkeit dar. Die gegenwärtigen Schlachten könnten nicht mehr allein mit Waffen geschlagen werden. Um von Wert zu sein für moderne bewaffnete Streitkräfte in militärischen Operationen, müssten die Militärmusiker strategische Kämpfer im Einsatz sein. Von deutschen Militärs wird das nicht so offensiv formuliert und schon gar nicht öffentlich an die große Glocke gehängt, aber die NATO-Armee Bundeswehr hat nachgezogen. O-Ton Oberst Michael Schramm: "Ein ganz wesentliches Element auch in unseren Aktivitäten im Einsatzland ist, dass wir für die Bevölkerungen spielen." Erklärt Oberst Dr. Michael Schramm, der als Leiter des Zentrums 'Militärmusik der Bundeswehr' bereits dabei war, als die US-Armee vor rund zwei Jahren den deutschen Offizieren ihr Musik-Konzept vorstellte. O-Ton Oberst Michael Schramm: "Das heißt praktisch, wir müssen Musik im ganz breiten Feld auch international spielen können, nur dann werden wir diesem Auftrag gerecht. Und wir machen da sehr sehr gute Erfahrungen, das ist eine Riesenerfahrung, die wir machen, die die Einsatztätigkeit unserer Soldaten vor Ort in enormer Weise unterstützt." Oberstleutnant Michael Euler, der Orchesterchef, bittet um Aufmerksamkeit. Ein Musikfeldwebel in der Ausbildung pustet in seine Tuba. O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "Mit Afghanistan, Afrika, haben sich auch die Aufgaben der Musikkorps, der Militärmusik geändert. Wenn wir ein Musikkorps in ein Einsatzland schicken, haben wir eine Außenwirkung." Auch Generalmajor Werner Weisenburger von der Streitkräftebasis ist von dem neuen Auftrag überzeugt. Doch was spielt ein deutsches Militärorchester in Afrika oder Afghanistan? O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "Also das ist, hm, ja, wie soll man sagen, ein sich Annähern von musikalischen Kulturen, in dem man auch deren Musik spielt. Das dient einfach dazu, die Bevölkerung, ja, positiv zu stimmen, das unterstützen wir damit." "Die Amerikaner formulieren das ja ganz deutlich, das ist eine militärische Aufgabe." Generalmajor: "Ist bei uns auch so! Deswegen untersteht die Militärmusik ganz eindeutig jetzt auch in der neuen Struktur dem Streitkräfteamt. Also eine völlig, ja wie soll ich sagen, gleichgestellte militärische Funktionen innerhalb der Bundeswehr. Es untersteht dem Verteidigungsministerium die Streitkräftebasis, und innerhalb der Streitkräftebasis ist das Streitkräfteamt, und daher untersteht die gesamte Militärmusik jetzt mir." Seite 3 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 2014 wurden die Orchester der Bundeswehr der Streitkräftebasis zugeordnet, die direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. In früheren Jahren war die Funktion des Militärmusikdienstes anderen soldatischen Funktionen nicht gleichgestellt. Früher gab es in der Bundeswehr auch keine Kriegs- und keine Kampfeinsätze. Der Schlagzeuger Sebastian Breitsameter spielt die Marimba, ein größeres Xylophon. Dass er ein strategischer Kämpfer im militärischen Einsatz sein soll, damit scheint er einverstanden zu sein. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Ja wie soll ich sagen, wir spielen halt einfach der Freude wegen, und um den Leuten Freude zu bereiten, dass die mal ein bisschen auf andere Gedanken kommen. Es ist natürlich, wenn man in einem Sinfonieorchester spielt, macht man den Leuten natürlich auch Freude, aber das ist eine andere Art und Weise." Der Militärmusikdienst hat die Marimba neu angeschafft. Ihre Größe ist ein Meter mal zwei Meter. Dieses Instrument ist in den Musikkorps der Bundeswehr nicht üblich. Mit einer Marimba lässt es sich auch nicht gut marschieren. Weit verbreitet ist sie im asiatischen Raum. Ursprünglich stammt sie aus Afrika. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Diese ursprüngliche Marimba ist mit ganz einfachen Holzplatten, die solange geschliffen werden, bis der Ton stimmt, und ist eigentlich mit Kürbissen ursprünglich gebaut worden. Gibt’s dann teilweise auch als Grubeninstrument, also da wird ein Loch gebuddelt, da wird dann die Halterung für die Kürbisse rein gelegt und oben drauf die Platten, und dann kann man praktisch auf dem Boden spielen." Sebastian Breitsameter blättert in den Noten. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Da muss man sich dann ein bisschen mit auseinandersetzen, und irgendwann kommt man dahinter, wie das Instrument funktioniert, und dann kriegt man das relativ originalgetreu dann zum Spielen. Und jetzt proben wir halt und probieren mal ein bisschen aus, wie das klingt oder klingen könnte, und ob das dann in Frage kommt." Der Musikfeldwebel in der Ausbildung rückt die graue Jacke seiner Uniform zurecht und zupft an dem grünen Filzbarett auf seinem Kopf, damit es schön schräg sitzt. Er sei gern Musiker bei der Bundeswehr, erzählt er. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Ja, mich hat das bei der Bundeswehr schon immer fasziniert einfach, und ich hab’ schon immer gesagt, dass ich auf jeden Fall Musik studieren möchte, was natürlich, wenn man sich ein bisschen auskennt, relativ schwierig ist, später irgendwie eine Stelle zu bekommen, und so quasi über Freunde bin ich da Seite 4 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 dazu gekommen, dass ich das halt machen will, und allein dass man Musik in Uniform machen darf, man sieht super aus, und es ist alles adrett und man macht halt Musik." Der Schlagzeuger streicht sich eine Locke aus der Stirn. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Mir macht es Spaß, und wenn man im Ausland bei den Einsatzorten Musik macht, ist halt die Vielseitigkeit sehr interessant, wo man einfach alles abdeckt, bis Schostakowitsch ist alles dabei. Aber wenn man jetzt Schostakowitsch spielt, dann brauchen wir natürlich einen Kontrabass, und die eigentlichen Streicher werden halt durch die Bläser ersetzt." Dass Schostakowitsch als strategische Kampfhandlung des Militärmusikdienstes der Bundeswehr einmal in Moskau zum Einsatz kommt, will wohl niemand hoffen. Es wäre auch umständlich, einen Kontrabass über den Roten Platz zu schleppen. O-Ton Oberstleutnant Christoph Scheibling: "Eins, zwei, drei vier! Was machen wir jetzt?" Christoph Scheibling: "Jetzt kommt ein russischer Marsch." Oberstleutnant Christoph Scheibling ist der Leiter der Musikkorps der Bundeswehr. Als Chef des Gebirgsmusikkorps Garmisch-Partenkirchen war er schon zweimal in Afghanistan. In welche Einsatzländer er in Zukunft geschickt werden wird, weiß er nicht. Er sieht die Proben für die Einsätze vor allem als musikalische Herausforderung. Eine Flötistin und ein Trompeter warten auf ihren Einsatz. O-Ton Lukas Hüning: "Mein Name ist Lukas Hüning, ich bin 23 Jahre alt und spiel’ Trompete. Ich komme aus Eberswinkel, das ist in der Nähe von Münster. Ich war erst auf der Realschule und hab’ dann mein Fachabitur in Bau- und Holztechnik gemacht. Und bin dann zur Bundeswehr gekommen im Anschluss." O-Ton Valery Henning: "Mein Name ist Valery Henning und ich bin 23 Jahre alt, und ich komme aus der Mitte zwischen Stuttgart und Ulm, ich spiele Flöte, und ich hab’ in meinem Heimatort Abitur gemacht, und ich wollte nicht im Büro sitzen, und ich wollte auch nichts so normales machen, und dann hat mich das alles nicht so gereizt, und dann hatte ich überlegt, zur Bundeswehr zu gehen und hab’ dann eigentlich sofort festgestellt, dass das genau das Richtige für mich ist." Valery Henning und Lukas Hüning werden im nächsten Jahr ihre Ausbildung zum Musikfeldwebel beendet haben. O-Ton Lukas Hüning: "Also wenn ich kein Musiker bei der Bundeswehr geworden wäre, wäre ich trotzdem zur Bundeswehr gegangen, weil beide Aufgabenbereiche ihren Reiz haben. Dadurch, dass wir Musiker bei der Bundeswehr sind und auch Soldaten, haben wir natürlich auch genauso Gewohnheiten, wie jeder andere Soldat auch, zum Beispiel, Seite 5 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 dass wir ganz normal eine militärische Ausbildung haben, und dann ja auch immer in Uniform auftreten, und den größten Teil unserer Zeit aber eigentlich mit Musikmachen verbringen. Und deswegen lässt sich das für mich ganz gut vereinbaren." Lukas Hüning streicht über das Mundstück seiner Trompete. Die vierjährige Ausbildung ist hochkarätig. Die Musikfeldwebel absolvieren ein Musikhochschulstudium und lernen dasselbe, wie jeder andere Orchester-Musiker auch. Fast. Erklärt der Trompeter. O-Ton Lukas Hüning: "Der militärische Anteil ist relativ klein, aber schießen müssen wir mal gehen, das gehört auch dazu." O-Ton Oberst Michael Schramm: "Unsere Musiker werden umfassend auf ihren künftigen Beruf vorbereitet. Das bezieht sich einmal auf die musikfachliche Ausbildung, aber eben gleichzeitig auch auf die militärische Ausbildung, um eben zum Beispiel in Afghanistan leben und überleben zu können, die unverzichtbar ist für den Auftrag des Militärmusikers." Kriegsgebiete in Afghanistan oder Mali seien durchaus Orte für Bundeswehrmusiker, meint Oberst Michael Schramm. Oder wie der Militärmusik-Kommandeur der US-Armee in dem internen Papier der Bundeswehr referiert – Musiker sollten darauf vorbereitet sein, jederzeit in ein Kampfgebiet gehen zu müssen. Sie müssten über gute militärische Fähigkeiten verfügen. Militärmusiker müssten an den gefährlichsten Orten spielen, dort wo zivile Musiker niemals hingehen würden. Die Musiker tragen jedoch während ihrer Einsätze Splitterschutzwesten, erklärt der Oberst der Bundeswehr. O-Ton Oberst Michael Schramm: "Im Einsatz tragen die Angehörigen des Militärmusikdienstes auch bei ihrem musikalischen Einsatz den Anzug, den die Situation erfordert. Und dazu gehört natürlich auch, wenn erforderlich, die Splitterschutzweste, das ist überhaupt keine Frage." Der Musikfeldwebel Sebastian Breitsameter wiegt eine Wellentrommel hin und her. Ihr Herkunftsland ist Südostasien. Man hält sie waagerecht und schaukelt sie. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Grad wenn man ein Instrument hat, das wo sonst keiner spielen kann, wo in unseren Regionen oder in unserer Musik sehr sehr selten vorkommt, man steht dann da und muss versuchen, sich das irgendwie beizubringen. Damit muss man sich dann neu beschäftigen." Die Musikstile der Bevölkerungen in den Einsatzländern wurden in den Trainingsplan der Musikfeldwebel eingebaut, erläutert Oberstleutnant Michael Euler, der Ausbilder. O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Da haben wir extra Lehrer, die das durchführen, da gibt es Workshops für Trommeln aus Afrika, und für die Schlagzeuger, da ist es natürlich unglaublich vielfältig, dieses Instrumentarium, das gibt es wahnsinnig viele tolle Instrumente, wir haben afrikanische Jamben, das sind diese afrikanischen Trommeln, Seite 6 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 dafür bieten wir Kurse an, da wird die Trommel nicht nur aus den Armen geschlagen, sondern der ganze Körper wird eingesetzt, ich hab’ das selber mitgemacht, nach ’ner Stunde sind Sie fertig, als wenn Sie ’ne Stunde im Fitnessstudio gewesen wären. Da ist man wirklich voll ausgepowert, das ist nicht zu unterschätzen." Viel Arbeit habe der Musikdienst der Bundeswehr mit dem Einstudieren der vielen fremden Instrumente. Allein die Afghanen hätten so viele verschiedene Trommeln und Sitars, die könne man nicht alle beherrschen, meint Oberst Michael Schramm. Das sei manchmal schwierig für die Orchester. O-Ton Ober Michael Schramm: "Es ist natürlich wichtig im Umgang mit dem Ausland, dass man sich sehr gut auf die Befindlichkeiten dort einstellt. Man macht da sehr leicht Fehler, dass man falsche Stücke spielt. Die Bundeswehr, also wir machen uns sehr viele Gedanken, dass man sich überlegt, welche Musik machen wir eigentlich mit Afghanen." In Afghanistan macht man mit einem Marsch nichts falsch, weiß Oberst Michael Schramm. Die Afghanen lieben Märsche. O-Ton Ober Michael Schramm: "Der Marsch spielt in Afghanistan, in der afghanischen Armee eine große Rolle. Denn spätestens seit afghanische Militärmusik durch die Türken Ausbildungsunterstützung bekamen, im Königreich Afghanistan, war selbstverständlich die Marschmusik in der Armee eine Selbstverständlichkeit. Insofern ist es für die Menschen gar nichts Neues. Also bei den großen Paraden der Afghanen wird sehr großer Wert drauf gelegt, dass das afghanische Musikkorps dort marschiert." Der Ausbilder der Musikfeldwebel Oberstleutnant Michael Euler wippt auf den Zehenspitzen. O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Der Militärmarsch ist natürlich auch ein Kern unserer Existenz, das ist natürlich klar. Die Pflege der deutschen Marschmusik ist eine unserer Hauptaufgaben." Die Musiker der Bundeswehr scheinen erleichtert zu sein, dass sie in Afghanistan ihr militärmusikalisches Kerngeschäft unter Beweis stellen können. Militärmusiker spielen Märsche und marschieren dazu. O-Ton Sebastian Breitsameter: "Wenn man irgendwo auf ’nem Platz spielen soll, muss man natürlich erstmal da hinkommen. Und das ist nicht so, dass wir da einfach als wilde Wolke da einlaufen, sondern ab dem Zeitpunkt, wo die Öffentlichkeit das mitbekommt, wird einmarschiert. So lang wird marschiert, bis man an dem Platz steht, wo man stehen soll. Der kann mal 500 Meter sein, der kann aber auch mal länger sein." Seite 7 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Sebastian Breitsameter, der Schlagzeuger, zieht seinen Trommelstock in einem großen Bogen durch die Luft. Valery Henning, die Flötistin, und Lukas Hüning, der Trompeter, nicken. Ordentlich marschieren und sauber spielen, das will gekonnt sein. O-Ton Lukas Hüning: "Dass man beim Laufen immer gerade Töne spielen kann. Das ist eigentlich die größte Schwierigkeit." O-Ton Valery Henning: "Man merkt das schon beim Geradeauslaufen, also nur beim ganz normalen Geradeauslaufen, dass das wirklich schwierig ist, dass das alles gleich aussieht. Weil, man sieht das ja sofort, wenn einer nicht ganz so läuft wie die anderen, dann fällt das sofort auf. Und dann geht’s natürlich weiter in den Kurven, und das muss alles eintrainiert werden. Und wir als Militärmusiker, wir spielen dann auswendig. Man muss dann natürlich im Kopf erstmal die Noten haben, dass man das richtig spielt, und nebenher muss man eben auch akkurat und präzise marschieren." O-Ton Sebastian Breitsameter: "Jede Schrittlänge ist da geplant, nicht dass man rumwackelt wie ein Baum im Wind." Auch ein Marsch für Afghanistan muss akkurat geprobt werden, meint Oberstleutnant Christoph Scheibling. Der Marsch ist die afghanische Nationalhymne. Sie gehört zum Repertoire der Bundeswehr-Orchester. Komponiert hat die Nationalhymne Afghanistans der nach Deutschland emigrierte Komponist und Dirigent Babrak Wassa. Sehr afghanisch klingt sie nicht. O-Ton Oberstleutnant Christoph Scheibling: "Der Komponist hat natürlich ein Format gewählt, was dem internationalen Standard entsprechend ist, mit einem festen Rhythmus, wie es eine deutsche, eine amerikanische Hymne auch tut. Und deswegen klingt sie für Ihre Ohren jetzt westlich, wenn es eben mit den uns bekannten Parametern unterlegt wird. Das kennt der Afghane an und für sich sonst nicht." Christoph Scheibling war 2014 mit dem Musikkorps der Bundeswehr in Kabul. Er zeigt das Video, das er von seinem Einsatz mitgebracht hat. Die Soldaten der Afghanischen Nationalarmee stehen im Halbkreis vor dem Chef des deutschen Militärorchesters. Er erläutert ihnen die Parameter westlicher Musikkultur. Ein Dolmetscher übersetzt. Die afghanischen Soldaten nicken. Der Musikoffizier gibt den Einsatz. Rund 12.000 Soldaten der NATO-Streitkräfte sind zur Zeit in Afghanistan im Einsatz. Die Mission "Resolute Support" soll die afghanische Armee beraten und trainieren. 850 Bundeswehrsoldaten sind dabei. Auch der Musikoffizier Christoph Scheibling hat bereits afghanische Militärmusiker gecoacht, berichtet er. O-Ton Oberstleutnant Christoph Scheibling: "Wir haben mit jedem einzelnen trainiert. Erst einmal Zwei-, Drei-, Vierstimmigkeit trainiert, Rhythmus trainiert, harmonisches Empfinden trainiert, und das war eine große Herausforderung." Seite 8 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 Das Musikkorps der Bundeswehr hat in Afghanistan das Musikkorps der afghanischen Streitkräfte beraten und trainiert. O-Ton Oberstleutnant Christoph Scheibling: "Ja also wir haben zu allererst einmal eine Bestandsaufnahme gemacht. Was haben wir für Musiker, in welcher Leistungsbandbreite, mit welchen Fähigkeiten. Dann haben wir geschaut, was haben sie für ein Instrumentarium, bei den Afghanen waren das Klarinetten, Flöten, Trompeten, Posaunen und Hörner. Und nachdem wir eine Bestandsaufnahme hatten, konnten wir uns ein didaktisch-methodisches Programm entwickeln. Wie wird welcher Ton gegriffen, wie wird welcher Ton gespielt, was gibt es für Tonhöhen, was gibt es für Taktlängen, also die einfachste Basisunterrichtung. Da der Afghane keine Notenschrift kennt, hat er auch keinen Takt. Dazu kommt eine ganz einfache motorische Schwierigkeit. Wir lesen von links nach rechts, und die Afghanen lesen von rechts nach links. Und wenn Sie den Afghanen nun endlich soweit hatten, dass er die erste Reihe von links nach rechts fehlerfrei gespielt hat, dann dürfen Sie mal raten, wohin er springt in der zweiten Zeile, nämlich an den rechten Rand. Als wir dann die ersten Fortschritte im instrumentalen Bereich hatten, haben wir gesagt, gebt uns mal Musik von euch, und diese Musik bearbeiten wir mit westlichen Mitteln und unseren Möglichkeiten, mit Melodie, Harmonie und Rhythmus. Und siehe da, als der Afghane sein Bild in neuen Farben sah, war er unheimlich begeistert." Westlich klingende Musik findet statt im afghanischen Alltag. Gerade ist im afghanischen Fernsehen eine neue Staffel von "Afghanistan sucht den Superstar" angelaufen. Mehrere Teilnehmer und Teilnehmerinnen der letzten Staffeln mussten aus dem Land fliehen, weil sie von den radikalislamischen Taliban Morddrohungen erhalten hatten. O-Ton Ausbildungsleiter Oberstleutnant Michael Euler: "So. Jetzt machen wir mal Kontrastprogramm. Herr Breitsameter!" Der Schlagzeuger Sebastian Breitsameter zieht das Filzbarett auf seinem Kopf stramm und hebt seine Trommelstöcke. Das Ausbildungsorchester der Bundeswehr übt "Lord of the Dance" – die musikalische Nacherzählung einer irischen Legende vom Kampf der guten gegen die bösen Mächte. O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Noch einmal von vorn! Das muss besser klingen als das Original!" Militärmusiker müssten in der Lage sein, die einheimischen Bevölkerungen nicht nur mit traditioneller Musik zu unterhalten, sondern auch mit aktueller moderner Musik, so fordert es der Militärmusik-Kommandeur der US-Armee von den deutschen Streitkräften. Die Bundeswehrorchester haben eine ganze Liste westlicher Musik für Auslandseinsätze zusammengestellt, berichten die Führungsoffiziere. Seite 9 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger: " unsere Militärmusikkorps der Bundeswehr, die müssen moderne Musik spielen. Das ist mit der Auftrag." O-Ton Oberstleutnant Christoph Scheibling: "Wir spielen westliche Musik, weil wir Botschafter unseres Landes sind und diese Musik auch repräsentieren wollen. Und wir bringen die Kultur unseres Landes und die Werte unseres Landes mit der Musik als Gastgeschenk zur Zerstreuung und zur Unterhaltung rüber." O-Ton Ober Michael Schramm: "Wir müssen und wollen das Bild vermitteln einer modernen Bundeswehr, und die Musik umfasst gleichermaßen Funk und andere Dinge auch. Wir haben beispielsweise jetzt ein Projekt, wo wir unsere Orchester zusammenbringen mit Heavy Metal, und das ist so ein Beispiel für die Wege, die wir beschreiten." U.D.O. ist eine deutsche Heavy-Metal-Band. Ihre Alben heißen ‚Man and Machine’, ‚Dominator’ und ‚Steelhammer’. Der Dirigent des Ausbildungsorchesters schwitzt. Gar nicht so einfach, mit Heavy-Metal- und Hardrock-Bands mitzuhalten. Doch in den Kriegsgebieten sollen die Musikfeldwebel nicht ausschließlich für die einheimischen Bevölkerungen spielen, sondern auch für die dort stationierten Soldaten. Und die erwarten die Titel aus den Charts. Auch das ist eine militärische Aufgabe für die Musikorchester im Einsatz. Ihre Musik, so heißt es, müsse genauso gut oder sogar noch besser sein als die Musik, die die Soldaten auf ihren MP-3-Playern hören, sonst würden die Militärorchester ihrem Auftrag nicht gerecht. Der Bundeswehrdirigent hebt seinen Taktstock. O-Ton Oberstleutnant Michael Euler: "Eins, zwei, drei! Fett!!" Wie wirkt die Musik der westlichen Welt in den Kriegs- und Krisengebieten? Die deutschen Streitkräfte wissen das nicht genau. O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "Man muss den aktuellen Strömungen ihren Platz geben." Die Musik, die schallt aber ins Land raus. Ist das nicht eine Provokation? Generalmajor: "Also natürlich könnte der eine oder andere in Afghanistan sich provoziert fühlen. In der Regel führen wir dann Begleitmaßnahmen durch, indem wir versuchen zu erklären, dass damit gerade keine Provokation gemeint ist." Mit Begleitmaßnahmen meint Generalmajor Werner Weisenburger von der Streitkräftebasis: Sollte sich in Afghanistan jemand durch einen Musikstil provoziert fühlen, solle er das äußern. Dann könne ihm der Musikstil erklärt werden. O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "Das sind dann sogenannte Begleitmaßnahmen, die wir durchführen, um der einheimischen Bevölkerung, Seite 10 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016 egal welcher religiösen Strömung sie angehören, unsere Lebensart und unsere Militärmusik zu erläutern und zu erklären." Die rund 50 jungen Männer und Frauen, die zur Zeit bei der Bundeswehr zum Musikfeldwebel ausgebildet werden, gehen erst nach Abschluss ihres Studiums in ihren ersten Auslandseinsatz, oder mit den Worten des Musikkommandeurs der US-Armee gesagt – sie gehen als strategische Kämpfer in ein Kriegsgebiet. Vielleicht nach Afrika, vielleicht auch nach Afghanistan. O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "Ich glaube nicht! Zur Zeit spielen wir gar nicht in Afghanistan." Generalmajor Werner Weisenburger von der Streitkräftebasis schüttelt energisch den Kopf. Im Moment sei für Kämpfer im militärmusikalischen Auftrag nicht die rechte Zeit. O-Ton Generalmajor Werner Weisenburger / Streitkräftebasis: "In Afghanistan in der Gegenwart kann man Musikkorps nicht in der Öffentlichkeit einsetzen. Das lässt die Sicherheitslage im Moment nicht zu. Und ich persönlich bin der Auffassung, das Risiko muss gut kalkulierbar sein und sollte minimal sein. Also wir müssten annähernd so sichere Verhältnisse haben wie in der Bundesrepublik Deutschland oder in westlichen Staaten." Im Probensaal des Ausbildungsorchesters ist alles friedlich. Die Trommeln, Flöten und Posaunen und die Knöpfe der Uniformen blitzen in der Sonne, die durch die Fenster fällt. Der Dirigent der Musikfeldwebel gibt den Einsatz. – stopp – Seite 11 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800 5900 222 (0 Cent/Min.) Fax: 089/5900- 46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2016