Moral in Politik und Wirtschaft

Werbung
Dr. Heiner Geissler zu Gast bei:
P
R
I
V A
B
R
T
B
I
G
A
N
K
Willkommen
Moral in Politik und Wirtschaft
In einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom
16. Oktober 2008 äussert sich Herr Dr. Heiner Geissler zur derzeitigen Finanzkrise mit der Feststellung: „Der Kapitalismus als
Wirtschaftsideologie ist mit Sicherheit am Ende. Wenn wir am
Kapitalismus festhielten, würden solche Krisen, wie die derzeitige,
unausweichlich bleiben und sich wiederholen.“ Wie sieht aber eine
soziale Marktwirtschaft in Zukunft aus? Was muss die Politik tun,
um Vertrauen zu schaffen, und es stellt sich die Frage, welcher Art
des ethnischen Fundaments die Moral in Politik und Wirtschaft
sein muss, damit wir nicht von einer Krise in die andere stürzen.
„Die gegenwärtige Finanzkrise hätte wohl vermieden werden können, wenn
Ethik und Moral, statt Raffgier, das Handeln gewisser Investmentbanker
bestimmt hätte.“ Mit diesen einleitenden Worten begrüsste Paul Eyer, Mitglied
der Geschäftsleitung der Von Graffenried Vermögensverwaltung AG, das
zahlreich erschienene Publikum.
Paul Eyer
Dr. Heiner Geissler
Der freie Markt
Zuerst einmal stellt sich die Frage, hat denn Moral überhaupt etwas mit der Wirtschaft
zu tun? Bedeutende Wissenschaftler, wie etwa der Monetarist Milton Friedman, lehnen
diese Frage vollkommen ab. Für sie gibt es in der Wirtschaft ein Gesetz, das für immer
und ewig gilt – der freie Markt. Friedman, der den Neoliberalismus eigentlich begründet
hat, lehnt jegliche politische Eingriffe ab. Der Markt soll sich selber regulieren. Die
Vertreter dieser Theorien haben in Anspruch genommen, dass die Wirtschaftswissenschaften exakte Wissenschaften, wie Physik oder Mathematik, seien. Dem ist aber nicht
so, die Wirtschaftswissenschaften gehören zu den Geisteswissenschaften und sind
demzufolge natürlich dem Irrtum unterworfen. Nicht umsonst gibt es die unterschiedlichsten Theorien, die sich immer ablösen. Diese verschiedenen Theorien sind, mit
Unterstützung der Medien, von entscheidender Bedeutung für die Politik. Vor allem in
Deutschland und in der Schweiz haben die Medien entscheidend dazu beigetragen, dass
z. B. die antizyklische Wirtschaftspolitik immer mehr an Bedeutung verloren hat.
Ordoliberalismus – Ordnungswirtschaft
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die soziale Marktwirtschaft ausgedacht und in die politische
Realität umgesetzt. Diese soziale Marktwirtschaft war ein geistiges, ein ethisches Bündnis
zwischen dem Ordoliberalismus (Ordnungswirtschaft) der Freiburger Schule und der katholischen
Soziallehre und der evangelischen Sozialethik. Der Ordoliberalismus kennt den geordneten Wettbewerb und nicht den freien Wettbewerb. Breuning, Hirschmann u. a. stehen als Namen für diese
Beeinflussung der marktwirtschaftlichen Theorie durch ethische Ideen, ethische Grundlagen. Die
soziale Marktwirtschaft kannte keine Ausgrenzung, alle konnten am wirtschaftlichen Fortschritt
teilhaben. Heute haben wir eine ganz andere Situation. Heute finden wir uns mit dem so genannten
Präkariat ab. In Deutschland gibt es 10, 12 Millionen Menschen, die als arm gelten müssen. Diesen
Menschen, Angehörige des Präkariats, gibt man gar keine Chance mehr. Sie leben, wie dies einmal
der zurückgetretene SPD Vorsitzende Kurt Beck beschrieben hat, unter eine Decke. Diese Decke
ist so dick, dass sie gar nie mehr durchstossen werden kann, um zu denen zu gelangen, die auf
dieser Decke leben. Diese Leute haben gar keine Chance mehr weiterzukommen. Stellen sie sich
einmal vor, eine neue politische Partei käme auf die Idee, mit der Überschrift „Wohlstand für alle“
Wahlkampf zu führen. Die Wirtschaftsjournalisten würden sich vor Lachen auf die Schenkel
hauen über die Leute, welche eine solchen Wahnidee ins Leben setzen wollen. Wenn man nun den
Slogan „Wohlstand für alle“ für falsch hält, dann muss man gefälligst eine Antwort geben auf die
Frage, ja wie viel dürfen es dann eigentlich sein, für die der Wohlstand dann gelten soll? Die
gängige These ist die 2/3 Gesellschaft, 1/3 wird einfach vernachlässigt. Die gestellte Frage wird
natürlich nicht beantwortet, weil man sie auch gar nicht beantworten kann. Dies ist zunächst
einmal eine grundlegende Erkenntnis, dass da offenbar etwas schief läuft.
Fusionitis
Kleine mittelständige Betriebe haben im internationalen Wettbewerb immer grössere Schwierigkeiten. Es
entstehen immer grössere ökonomische Gebilde. „Merging“ heisst das Schlagwort! Bei den Fusionen von
Vodafone mit Mannesmann, von Aventis mit Höchst, wurden tausende Arbeitsplätze vernichtet. Wo sind die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geblieben? Über denjenigen, die noch Arbeit haben, hängt permanent das
Damoklesschwert der Arbeitslosigkeit. Die Banken hatten früher einen klaren Auftrag, eine dienende
Funktion, sie sollten durch Kredite der Privatwirtschaft und dem Staat Finanzmittel zur Verfügung stellen,
damit diese investieren können. Heute bestimmen die Finanzmärkte, wie ein Unternehmen sich betriebswirtschaftlich verhalten soll. Wegen einer höheren Kapitalrendite werden ganze Konzerne ins Ausland
verfrachtet. Die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz von 10'000 Menschen wird in Kauf genommen.
Die von den Finanzmärkten diktierte Ökonomie wirft sozusagen den menschlichen Abfall zur Entsorgung
dem Sozialstaat vor die Türe. Unterstützung fanden solche Theorien auch in der Politik, speziell in der
Brüsseler Wirtschaftspolitik. Mit der Billigung vom Kommissionspräsidenten Baroso, einem Neoliberalen
Betriebswissenschaftsprofessor aus Lissabon, entstanden in Osteuropa Sonderwirtschaftszonen, wo gar
keine Steuern bezahlt werden müssen. Dies mit Hilfe der Geldtöpfe in Brüssel, die zu 50% vom deutschen
Steuerzahler finanziert wird, sodass der arbeitslos gewordene deutsche Arbeitnehmer mit seiner Lohnsteuer
im voraus seine eigene Arbeitslosigkeit vorfinanziert hat. Ein solches System verstehen die Menschen nicht
mehr. Und sie kommen zu einer ganz klaren Erkenntnis: dieses Wirtschaftssystem ist krank! Die damit
verbundene Krise überträgt sich auf die Politik, auch auf die Demokratie. Unser politisches System ist stabil
durch die Trias, Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialstaat. Wenn eine Säule weg bricht, dann beginnt
das ganze System zu wackeln, beginnen Unsicherheit, Perspektivlosigkeit.
Der Mensch
Was ist der Mensch, wer ist der Mensch? Die Antwort auf diese Frage hat weit reichende politische,
ökonomische Konsequenzen. Bei den Nazis musste er der richtigen Rasse angehören, bei den
Fundamentalisten muss er die richtige Religion oder das richtige Geschlecht haben, der Mensch darf
keine Frau sein, sonst ist er von vornherein ein Mensch zweiter Klasse. Die Diskriminierung der
Frauen ist die am weitesten auf der Erde verbreitete negative Kategorisierung des Menschen. Wenn
die Leute das Pech haben, zur falschen Kategorie zu gehören, in der Menschheitsgeschichte bis auf
den heutigen Tag, dann werden sie versklavt, liquidiert, vergast, gesteinigt. Und deswegen ist die
Frage nach dem richtigen Menschenbild die entscheidende Frage nach den ethischen Grundlagen.
Der Mensch, wie er geht und steht, ist der eigentliche Mensch, er ist in seiner Würde unantastbar!
Unabhängig davon, ob er Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich ist. Gerade die Erhaltung des
Lebens, der Gesundheit, wird von den Finanzen abhängig gemacht. Wir haben eine neue Kategorie,
die inzwischen in der westlichen Welt generalisiert worden ist, welche die Bildungspolitik, die
Gesundheitspolitik beherrscht, die Ökonomisierung der Gesellschaft. Der Mensch ist zum Kostenfaktor geworden. In den offiziellen Dokumenten der Caritas heisst der Patient, der leidende Mensch,
nicht mehr Patient, sondern Kunde. Die Krankenhäuser werden zu einer an der Gewinnmaximierung
orientierten Unternehmung. Das sind die Folgen einer totalen Ökonomisierung unserer Gesellschaft.
Und alles steht unter dem Diktat des Geldes.
Die Nächstenliebe
Der zweite ethische Gesichtspunkt ist natürlich die Erkenntnis, dass der Mensch ein Sozialwesen
ist. Wir können ohne andere Menschen nicht leben. Das ist der Grundsatz der Solidarität. Etwas
unmoderner ausgedrückt, der Grundsatz der Nächstenliebe. Der Erfinder der Nächstenliebe hatte
vor zweitausend Jahren Schwierigkeiten in der kommunikativen Durchsetzung dessen, was er
vorgeschlagen hatte. Bei den alten Juden gab es auch die Nächstenliebe. Der Nächste war aber
genau definiert, es war der Volksgenosse. Die Pharisäer haben beratschlagt und sich gefragt, ja
meint Jesus denn dasselbe, wie wir. Bekanntlich haben sie dann einen zu ihm gesandt mit der Frage,
wer der Nächste sei? Wie wir wissen, hat Jesus nicht direkt geantwortet, sondern eine Geschichte
erzählt. Und diese Geschichte ist das Fundament der menschlichen Zivilisation geworden. Er hat
die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt, wo ein Jude, der überfallen und blutig geschlagen wird, am Wegrand liegt und sowohl vom jüdischen Priester, als auch vom Levit unbeachtet
bleibt. Erst der Apostat, der Renegat, der Mann aus Samaria hilft dem Mann. Und da hat Jesus den
Pharisäer gefragt, wer von den dreien der Nächste für den Überfallenen war? Der Pharisäer musste
sagen, dass es der Mann aus Samaria war. Was heisst das? Nächstenliebe ist nicht eine platonische
Angelegenheit, ist nicht Gefühlsduselei, sondern es bedeutet, dass wir alle miteinander die Nächsten
für diejenigen sind, die in Not sind. Wir müssen nicht die ganze Welt lieben, aber wir haben die
Pflicht, denen zu helfen, die Hilfe brauchen. Die Nächstenliebe, so wie sie vom Erfinder definiert
wurde, ist eine harte Angelegenheit, es ist eine Verpflichtung und sie muss erfüllt werden, oft kann
sie nur solidarisch erfüllt werden.
Fazit
Dies sind die entscheidenden ethischen Fundamente einer Politik von morgen,
auch der Wirtschaft. Die Wirtschaft ist ein Teil des ganzen und ist infolge dessen
auch darauf angewiesen, dass ein ethisches Fundament vorhanden ist. Diese
beiden ethischen Fundamente, die uneingeschränkte Achtung der menschlichen
Würde, auch im ökonomischen Geschehen, und die Verpflichtung zur Solidarität
für diejenigen, die in Not sind, sind die Voraussetzung für eine menschenwürdige
Weltwirtschafts- und Weltfriedensordnung. Was wir heute brauchen ist nicht die
Abschaffung des Marktes, aber wir brauchen den geordneten Wettbewerb. Wir
müssen diese Grundsätze auf die internationale Wirtschaft übertragen. Wir
brauchen eine internationale ökosoziale Marktwirtschaft, ohne Ausklammerung
der ökologischen Verantwortung, sie ist mindestens genau so wichtig, wie die
soziale Verantwortung. Das muss das Konzept für morgen sein.
Impressionen
ANDENMATTEN, EYER, WILLINER
VERMÖGENSVERWALTUNG AG
Bahnhofstrasse 14, Perrighaus, CH-3900 Brig
Tel. +41 27 922 11 77 Fax +41 27 922 11 78
mail: [email protected]
www.graffenried-brig.ch
Herunterladen