Beispiel 4: Wiederauflösen von Niederschlägen durch

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Beispiel 4:
Wiederauflösen von Niederschlägen
durch Komplexbildung
Aufgabenstellung:
Herstellung von Niederschlägen und anschließende Versuche zur Wiederauflösung
(vorwiegend mittels Komplexbildung). Erklärung der verschiedenen Auflösungs- bzw.
Ausfällungsmechanismen.
Grundlagen
Chemisches Gleichgewicht, Komplexbildungsgleichgewichte, Aufbau von Komplexen
(Koordinationsverbindungen), Stabilität von Komplexen.
siehe auch Mortimer: „Chemie - Das Basiswissen der Chemie“, 9. Auflage.
Kap. 13.1 - 13.5
Kap. 16.1-16.2.
Kap. 19
Kap. 29.1-29.3.
(„Lösungen“)
(„Das chemische Gleichgewicht“)
(„Löslichkeitsprodukt und Komplexgleichgewichte“)
(„Komplexverbindungen“)
Komplexe sind Verbindungen, die durch Vereinigung von mehreren chemisch beständigen Komponenten entstehen. Bei Komplexbildung in Lösung treten zwei oder mehr
gelöste Komponenten zu größeren (komplexeren) Einheiten zusammen als in den
Lösungen der einzelnen Komponenten vorliegen. Man unterscheidet zwischen starken
und schwachen Komplexen. Starke Komplexe dissoziieren sehr wenig in ihre Bestandteile, während schwache Komplexe mit einem beträchtlichen Anteil freier Bestandteile
im Gleichgewicht stehen. Die meisten starken Komplexe zeigen aufgrund ihrer geringen
Dissoziation nicht mehr die typischen Reaktionen ihrer Komponenten, sondern
reagieren in einer neuen, für sie charakteristischen Weise.
In der anorganischen Chemie kommt vor allem jenen Komplexen große Bedeutung zu,
die aus folgenden Bestandteilen aufgebaut sind:
Zentralatom oder Zentralion (meist Metall-Kation) und Liganden (Anionen oder
neutrale Moleküle), die an das Zentralatom (-ion) gebunden sind. Als Koordinations–
zahl bezeichnet man die Zahl der Atome, die direkt an das Zentralatom gebunden sind.
Bei den Liganden unterscheidet man je nach der Anzahl der Atome eines
Ligandenmoleküls bzw. -ions, die mit dem Zentralatom gleichzeitig eine Bindung
eingehen können, „einzähnige“, „zweizähnige“ usw. Liganden. Bei einzähnigen Liganden
ist die Zahl der Liganden um das Zentralatom gleich der Koordinationszahl.
Einzähnige Liganden sind z.B. Fluorid (F-), Thiocyanat SCN- (Rhodanid), Cyanid (CN-),
Ammoniak NH3, Acetat CH3COO-. Mehrzähnige Liganden sind z.B. Sulfosalicylsäure
(zweizähnig) und Ethylendiamintetraessigsäure (vier- oder sechszähnig).
Sulfosalicylsäure:
-
OH
O
O
Me
O
HO3S
COOH
HO3S
C
O
O
HO3S
C
O
Die zwei Koordinationsstellen des Liganden Sulfosalicylsäure sind die phenolische OHGruppe und die Carboxyl-Gruppe (-COOH). Es können Komplexe mit bis zu 3 Sulfosalicylsäureliganden gebildet werden, wobei eine sechsfache Koordination des Zentralatoms erreicht wird.
Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA):
Die 4 Carboxyl-Gruppen (-COOH) und die 2 freien Elektronenpaare der Stickstoffatome
sind die 6 Koordinationsstellen des Liganden. Jeweils ein Molekül EDTA komplexiert ein
Metallion.
HOOC
H2
C
_
N
HOOC
_
C
H2
C
H2
H2
C
COOH
N
O
C
H2
C
H2
COOH
C
O
O
H2
C
C
CH2
N
O
-OOC
H2
C
N
-OOC
_
_
C
H2
C
H2
C
H2
H2
C
COO-
N
C
H2
-
COO
CH2
C
H2
Me
N
O
C
H2
C
O
O
CH2
C
O
Komplexe von Komplexbildnern wie Sulfosalicylsäure oder EDTA werden auch als
Chelate bezeichnet. Das Wort Chelat kommt aus dem Griechischen („chele“ =
Krebsschere). Das Metallion wird von je zwei (oder mehr) der koordinationsfähigen
Atome des Liganden ähnlich wie mit einer Krebsschere umfasst und unter Ringschluss
koordinativ gebunden.
Stabilität von Komplexen
Ein in Lösung gebildeter Komplex steht im chemischen Gleichgewicht mit seinem freien
Zentralatom und dem freien Liganden. Wird in ein solches System ein zweiter Komplexbildner eingebracht, der mit dem Zentralatom ebenfalls einen Komplex bilden kann, so
wird dieser Komplexbildner die Gleichgewichtskonzentration des ersten Komplexes
beeinflussen. Bildet der neue Ligand stabilere Komplexe als der erste, so kann die
Gleichgewichtskonzentration des ersten Komplexes so klein werden, dass das Zentralatom nur mehr vom zweiten Liganden komplexiert wird, und der erste Ligand praktisch
vollständig freigesetzt wird.
Im vorliegenden Beispiel werden bei den Experimenten nur einzähnige Liganden
herangezogen.
Komplexe können positive oder negative Ladung tragen oder auch neutral sein. Die
Gesamtladung eines Komplexes ist gleich der Summe der Ladungen seiner Bestandteile.
Komplexe werden bei der Formulierung von Reaktionsgleichungen in eckigen
Klammern geschrieben. Dies ist von der Klammerschreibung, mit der häufig
Konzentrationen bezeichnet werden, zu unterscheiden.
z.B. [FeF6 ]3-
aber [[FeF6 ]3- ], [Fe3+ ], [F- ]
Komplex
Konzentration
Die Bildung von Komplexen in Lösung ist eine Gleichgewichtsreaktion; man kann daher
das Massenwirkungsgesetz anwenden.
So lässt sich z.B. die Bildung eines anionischen Komplexes von Typ [AB4]2- aus dem
Zentralatom A2+ und den anionischen Liganden B- folgendermaßen formulieren:
A 2+ + 4 B- ⇌ [AB4 ]2[[AB 4 ]2- ]
=
[A 2+ ][B- ]4
(1)
(2)
Die Konstante ß wird als (Brutto-)Komplexbildungskonstante bezeichnet, während der
Reziprokwert von ß als Dissoziationskonstante bezeichnet wird.
Je weniger ein Komplex dissoziiert, d.h. je größer seine Komplexbildungskonstante ist,
desto „stärker“ ist der Komplex. Zu den starken Komplexen zählen Cyanidkomplexe (z.B.
[Cu(CN)4]3-, ß = 1027), schwache Komplexe dagegen sind viele Amminkomplexe (d.h.
Komplexe mit NH3 als Ligand, wie z.B. [Cu(NH3)4]2+, ß = 1013).
Der Komplex wird in Wirklichkeit nicht in der in Gl. (1) vereinfacht dargestellten Weise
gebildet, sondern die Komplexbildung erfolgt stufenweise, wobei sich nacheinander die
Komplexe [AB]+, [AB2], [AB3]- und schließlich [AB4]2- bilden können. Analog zu (1) und
(2) lässt sich für jeden einzelne Komplexbildungsschritt eine Bildungskonstante
anschreiben. Die Bruttokomplexbildungskonstante ist das Produkt der individuellen
Bildungskonstanten der einzelnen Komplexbildungsstufen. Bei jeder Komplexbildungsreaktion liegen in der Lösung immer die verschiedenen Komplexe entsprechend den
Gesamtkonzentrationen von Zentralion und Ligand und den individuellen Bildungskonstanten der einzelnen Stufenreaktionen nebeneinander vor.
Versuchsdurchführung
Es werden verschiedene schwerlösliche Niederschläge hergestellt, welche anschließend
mit unterschiedlichen Methoden (hauptsächlich mittels Komplexbildung) in Lösung
gebracht werden. Anhand von Zusatzversuchen soll das chemische Verhalten der in
Lösung gebrachten Stoffe untersucht und interpretiert werden.
a) Quecksilber(II)-iodid
1 ml einer 0,20 M Lösung von Hg(NO3)2 (Quecksilber(II)-nitrat) werden mit etwa der
gleichen Menge einer 0,5 M Lösung von KI (Kaliumiodid) in einem Zentrifugenröhrchen
schrittweise versetzt. Der so erhaltene rote Niederschlag von HgI2 wird durch
Zentrifugieren und Dekantieren von der überstehenden Lösung getrennt.
Versuch:
• Der Niederschlag wird nachträglich nochmals in 2-3 ml der KI-Lösung aufgewirbelt.
Frage:
• Warum löst sich der gebildete Niederschlag im ursprünglich zur Fällung verwendeten
Fällungsreagens wieder auf?
b) Aluminiumhydroxid
Ein Zentrifugenröhrchen wird mit 2 ml konz. NH3 + 1ml H2O beschickt. Darin löst man
~2 Spatelspitzen NH4Cl auf, um den pH-Wert auf etwa 8-10 einzustellen (überprüfen!).
Die nach anschließender Zugabe von etwa 1 ml Al(NO3)3 (0,5 M) gebildete Suspension
von Al(OH)3 wird auf zwei Zentrifugenrörchen verteilt, zentrifugiert und anschließend
durch Dekantieren von der überstehenden Lösung getrennt.
Versuche:
• Ein Teil des Niederschlags mit 2M NaOH versetzt,.
• der andere Teil wird mit 2 M HCl angesäuert (pH-Wert überprüfen!).
Frage:
• Welche Mechanismen liegen der Wiederauflösung jeweils zugrunde?
c) Silberhydroxid, -oxid
In einer Eprouvette wird 1 ml einer 0,5 M Lösung von AgNO3 mit etwa der gleichen
Menge 2 M NaOH versetzt und anschließend mit destilliertem Wasser auf insgesamt 4
ml aufgefüllt. Der gebildete Niederschlag wird durch Filtration von der Lösung getrennt.
Zu diesem Zweck wird in einen kleinen Glastrichter ein passendes Rundfilter
(„qualitatives Filterpapier“) eingelegt und der Niederschlag über einen Glasstab in eine
Eprouvette filtriert. Es wird mehrmals mit kleineren Mengen destillierten Wassers (ca
1-2 ml insgesamt) nachgewaschen, dabei versucht man, den Niederschlag möglichst in
der Spitze des Filters zu sammeln.
Nach Unterstellen einer anderen, sauberen Eprouvette wird der Niederschlag
tropfenweise (aus einer Pipette) mit einigen ml 2M NH3 übergossen. Die in der
Eprouvette aufgefangene Lösung wird in zwei Teile geteilt.
Versuche:
• Ein Teil der Lösung wird mit einigen Tropfen 2M HCl,
• der andere Teil wird mit 1M NaCl versetzt.
Frage:
• Wie lässt sich das unterschiedliche Verhalten der aufgefangenen Lösung gegenüber der
Zugabe von HCl bzw. NaCl erklären?
d) Bleichlorid
Zur Herstellung des Niederschlages von PbCl2 wird 1 ml Pb(NO3)2 (0,5 M) in einer
Eprouvette mit etwa 1 ml NaCl (1,0 M) versetzt und anschließend mit destilliertem
Wasser auf etwa 6 ml aufgefüllt. Zum Vergleich wird ausgehend von 1 ml AgNO3 (0,5 M)
in gleicher Weise eine Niederschlag von AgCl hergestellt.
Versuch:
• Anschließend werden beide Eprouvetten im Wasserbad einige Minuten erhitzt und die
Veränderung beobachtet.
Fragen:
• Wie ist das unterschiedliche Verhalten der beiden Niederschläge gegenüber
Erwärmung zu erklären ?
• Ist die beobachtete Veränderung reversibel ?
Dazu werden die Eprouvetten wieder abgekühlt. Um die Abkühlung zu beschleunigen
könnte man die Eprouvetten unter fließendem Wasser oder im Eisbad abkühlen.
Protokoll:
• Beschreibung sämtlicher beobachteten Vorgänge
• Beantwortung der gestellten Fragen
• Erklärung aller Beobachtungen in Form dazugehöriger Reaktionsgleichungen.
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