3 Suizidalität 18 Tab. 3-3 Fragen zu weiteren Risikofaktoren für suizidales Verhalten Lebensbereich Beispiele »Tun Sie oft Dinge aus dem Moment heraus, ohne lange zu überlegen, und ärgern sich hinterher darüber?« »Kaufen Sie oft Dinge, die Sie dann gar nicht brauchen?« »Geben Sie oft mehr Geld aus, als es ihre finanzielle Lage erlaubt?« »Fahren Sie schnell und riskant Auto?« »Nehmen Sie Drogen oder trinken Alkohol in ungeplant großen Mengen mit Kontroll- oder Gedächtnisverlust?« »Gehen Sie mitunter unüberlegte schnelle sexuelle Beziehungen ein, möglicherweise mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr?« »Nehmen Sie regelmäßig Drogen oder trinken Alkohol? Wie oft und in welcher Menge?« (Substanzen vorgeben und aufzählen.) »Haben Sie heute Alkohol oder Drogen zu sich genommen?« Impulsivität Alkohol- oder Drogenkonsum Beziehungsprobleme bedeutender Verlust soziale Isolation gesundheitliche Probleme körperliche Schmerzen Schlafstörungen Schamgefühle Ängste juristische und finanzielle Probleme In der Akutsituation sollte bei entsprechendem Verdacht oder Anhaltspunkten ein Drogen- und Alkoholtest durchgeführt werden. »Welches sind die wichtigsten Menschen in Ihrem Leben, wie verlaufen diese Beziehungen momentan?« »Haben Sie momentan Beziehungskrisen?« »Gab es einen Todesfall oder eine Trennung, unter der Sie momentan leiden?« »Gab es schmerzliche Verluste in der letzten Zeit, z. B. Verlust eines Haustiers oder der Arbeit?« »Wie verbringen Sie Ihre Tage? Mit wem haben Sie Kontakt?« »Wie wohnen Sie?« »Welche Menschen sehen Sie regelmäßig oder mit wem telefonieren Sie?« »Haben Sie Kontakt zu Freunden, Kindern, Eltern, Verwandten?« »Gibt es gesundheitliche Probleme? Stehen wichtige Vor- oder Nachsorgeuntersuchungen an?« »Waren oder sind Sie ernsthaft erkrankt?« »Haben Sie momentan Schmerzen? Wo?« »Haben Sie chronische Schmerzen? Seit wann?« »Wie lange brauchen Sie zum Einschlafen?« »Werden Sie nachts wach, nicht nur, um auf die Toilette zu gehen?« »Wachen Sie morgens deutlich früher auf, als Ihr Wecker klingelt?« »Ist irgendetwas vorgefallen, das Ihnen sehr peinlich ist, wofür Sie sich momentan schämen?« »Haben Sie Ängste? Gibt es Dinge, die Ihnen momentan Angst machen?« »Hatten Sie schon einmal einen Panikanfall?« »Gibt es laufende Verfahren oder Verurteilungen?« »Haben Sie Ärger mit dem Gesetz?« »Haben Sie finanzielle Probleme, z. B. Schulden?« sche Probleme Risikofaktoren für suizidales Verhalten. Auch eine positive Familienanamnese für Suizid ist ein Risikofaktor (▶ auch Tab. 3-3). Insgesamt hat das Vorliegen der Risikofaktoren jedoch nur eine geringe Vorhersagekraft hinsichtlich eines Suizids. Letztlich entscheidend ist der Gesamteindruck, der sich nicht eindeutig formalisieren lässt. Zusätzlich sollten auch protektive Faktoren erfasst und im Verlauf therapeutisch genutzt werden (z. B. Werte, Religion, wichtige Bezugspersonen, Haustiere, Lebensziele). Wich- Neu: Akutpsychiatrie. ISBN: 978-3-7945-3161-5. © Schattauer GmbH 3.2 Zuordnung zu einer Grunderkrankung 19 Tab. 3-4 Art der Suizidgedanken bei bestimmten Grunderkrankungen Grunderkrankung depressive Episode psychotische Störung Drogen- und Alkoholabhängigkeit Borderline-Persönlichkeitsstörung, histrionische Persönlichkeitsstörung, chronische PTBS und dissoziative Störungen narzisstische Persönlichkeitsstörung und narzisstische Persönlichkeitszüge Art der Suizidgedanken Grübeln über Suizid, über Tage oder Wochen Hoffnungslosigkeit imperative akustische Halluzinationen; werden teilweise von den Patienten verschwiegen in Verbindung mit starker Angst bei dem Gefühl der Fremdbeeinflussung bei Wahn oder Stimmen mit religiösen Inhalten, die zu letalen Handlungen auffordern im Rahmen der postpsychotischen Depression bilanzierend nach Remission der Positivsymptomatik in depressiver Stimmungslage mit herabgesetzter Hemmschwelle zum Suizid teilweise impulsive Suizidgedanken im Zusammenhang mit hoher Anspannung im Zusammenhang mit extremen Emotionen (Hass, Selbsthass, Wut) häufig nach Beziehungskonflikten nach intrusivem Wiedererleben traumatischer Ereignisse Situation, die als stark kränkend oder verletzend erlebt wird häufig Partnerschaftskonflikte (Trennung) oder Konflikte am Arbeitsplatz (Kündigung) tige Fragen hierzu sind »Was hat Sie davon abgehalten, sich umzubringen?«, »Was haben Sie noch im Leben vor, was wollen Sie noch erleben?« 3.2 Zuordnung zu einer Grunderkrankung In der psychiatrischen Akutsituation kann die Zuordnung zu einer Störung nach ICD-10 (International Classification of Diseases) oder DSM-5™ (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) nur vorläufig sein. Im Folgenden wird das Symptom Suizidalität im Rahmen der verschiedenen psychiatrischen Syndrome und Störungen behandelt (▶ auch Tab. 3-4). 3.2.1 Depressives Syndrom Kennzeichnend für ein depressives Syndrom (z. B. bei unipolarer und bipolarer Störung) sind neben Suizidalität Symptome wie traurige, niedergedrückte Stimmung, Antriebs- und Interesselosigkeit, Schlaf-, Libido-, Appetitund Konzentrationsstörungen, Selbstvorwürfe und Schuldgefühle, die seit mehreren Tagen oder Wochen fast durchgehend anhalten. Die Suizidgedanken sind oft länger andauernd, meist liegen ihnen keine konkreten Auslöser zugrunde, und sie stellen eher eine Art Ausweg aus der als hoffnungs- und perspektivlos empfundenen Gefühls- und Gedankenlage der Person dar. Teilweise werden die Suizidgedanken als Grübeln beschrieben, ein immer wieder gedankliches Durchgehen des geplanten Suizids. Oft verlaufen die Suizidgedanken über Tage oder sogar Wochen mit Schwankungen in der Intensität. Nachdem vom Patienten ein klarer Entschluss zum Suizid ge- Neu: Akutpsychiatrie. ISBN: 978-3-7945-3161-5. © Schattauer GmbH