Wann ist Suizidalität gefährlich?

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Fortbildungsmaterial für Schulungen bei
der Polizei
„Umgang mit Suizidalität“
Konzept:
Dr. Dipl. Psych. David Althaus / Rita Schäfer M.A.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Ludwig-Maximilians-Universität München
1.
Begrüßung und
Vorstellung
Themen
1. Begrüßung und Vorstellung
2. Einführung in die Thematik Suizidalität
3. Ursachen von Suizidalität
4. Wann ist Suizidalität gefährlich?
5. Umgang mit akut suizidalen Menschen
6. Die Situation nach einem Suizid: Überbringung von
Todesnachricht und Umgang mit den Angehörigen
7. Schlussbemerkung
Die Ausweitungspartner bundesweit
Flensburg
Rostock
Lübeck
Schwerin
Wilhelmshaven
Hamburg-Harburg
Ostfriesland
Gifhorn
Berlin
Bielefeld
Magdeburg
Marsberg
Düsseldorf
Eisenhüttenstadt
Göttingen
Duisburg Dortmund
Leipzig
Bad Wildungen
Bonn
Dresden / Kreischa
Aachen
Schwalm-Eder-Kreis
Gießen Wetteraukreis
Wiesbaden
Würzburg Bamberg
Hanau
Mainz
Ansbach
Alzey Groß-Gerau
Erlangen Nürnberg
Cham
Fürth
Stuttgart
Regensburg
Neckar-Alb Ingolstadt
Augsburg
Göppingen Dillingen Wasserburg
Memmingen
Bad Grönenbach
Kempten
rot: Ausweitungspartner
blau: in Planung
Bündnis gegen Depression:
4-Ebenen-Aktionsprogramm
Öffentlichkeitsarbeit,
Aufklärung
Kooperation
mit Hausärzten
Ziel:
Bessere
Versorgung depressiver
Patienten
Angebote
für Betroffene und
Angehörige
Zusammenarbeit
mit Multiplikatoren:
z.B. Pfarrer, Lehrer,
Altenpflegekräfte,
Medien
2.
Einführung in die Thematik
Suizidalität
Todesursachen im Vergleich: 2001
Suizid
11000
Drogen
1835
Verkehr
7100
Mord
914
Aids
900
0
2000
4000
(Daten des Bundesamtes für Statistik und BMI)
6000
8000
10000
12000
Suizide in Deutschland 2002
900
800
Männlich
700
Weiblich
600
500
400
300
200
100
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Suizidraten in Deutschland 2002
120
100
Männlich
Weiblich
80
60
40
20
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Häufigkeit & Letalität verschiedener Methoden
Erschießen
1,7%
84,2%
8,6%
Erhängen /Erdrosseln
Ertrinken
Überrollen lassen
63,5%
0,9%
60,0%
2,1%
54,2%
7,6%
Sturz aus Höhe
43,5%
16,4%
sonstige Medikamente
7,1%
Stiche / Schnitte
6,8%
14,5%
39,5%
Überdosis Psychoph. 0,7%
0,0%
5 Methoden
stehen für 76%
aller Suizide!
10,0%
Letalität
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
90,0%
Anteil an suizidalen Handlungen in Nürnberg 2001
Die eigenen Erfahrungen mit Suizidalität
10 Min Austausch zu zweit:

Wo und wie ist Ihnen Suizidalität begegnet (beruflich oder privat)?

Was waren die beteiligten Gedanken und Gefühle?

Wie haben Sie damals reagiert?

Wie beurteilen Sie rückblickend die Situation?
Definition von Suizidalität
„Suizidalität ist die Summe aller Denk- und
Verhaltensweisen von Menschen oder Gruppen von
Menschen, die in Gedanken durch aktives Handeln,
Handeln lassen oder passives Unterlassen den eigenen
Tod anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer
Handlung in Kauf nehmen.“
(Wolfersdorf, 2000)
3.
Ursachen von Suizidalität
Ursachen von Suizidalität


soziale und biologische Ursachen:
•
Transgenerationale familiäre Häufung
•
Genetische Disposition
•
Veränderungen der Impulskontrolle / neuronale
Veränderungen?
•
psychische Erkrankungen
•
kulturelle und religiöse Einflüsse
Auslösesituationen
•
Krisensituationen (Zuspitzung durch Situationen, für
deren Bewältigung nicht ausreichend Ressourcen zu
Verfügung stehen)
Ursachen von Suizidalität


soziale und biologische Ursachen:
•
familiäre Häufung / persönliche Disposition
•
psychische Erkrankungen
•
kulturelle und religiöse Einflüsse
Auslösesituationen
•
Krisensituationen (Zuspitzung durch Situationen, für
deren Bewältigung nicht ausreichend Ressourcen zu
Verfügung stehen)
Warum nehmen sich Menschen das Leben?

Verknüpfung von Suizid und psychischer Erkrankung in über
90% der Fälle (Depression als Hauptursache); 15% der
schwer Depressiven versterben durch Suizid.

Menschen, die sich das Leben nehmen, tun dies im
Allgemeinen unter schwerstem Leidensdruck und bei
subjektiv erlebtem Verlust jeglicher Wahlmöglichkeiten.
„Freitod“ auf der Basis rationaler Entscheidung gibt es
in der Realität so gut wie nie!
Akute Suizidalität: Risikogruppen

für Suizid: ältere, alleinstehende Männer

für Suizidversuch: jüngere Frauen

Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen
•
•
•
Depression
Suchterkrankungen
Psychosen (z.B. Schizophrenie)

Menschen in akuten Krisen (z.B. bei sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit,
Schulden, Scheidung, Traumatisierung)

Menschen mit Suiziden und/oder Suizidversuchen in der Familie

Menschen mit Suizidversuch in der Vorgeschichte

Menschen nach Entlassung aus psychiatrischen Kliniken
Indikatoren für akute Suizidgefahr

Drängende Suizidgedanken

Schwere depressive Verstimmung mit großer Hoffnungslosigkeit

(subjektiv) starker Handlungsdruck

Klient reagiert ausgesprochen gereizt, aggressiv oder ist agitiert

zunehmender sozialer Rückzug

Ankündigung/ Drohung von Suizid

Keine Distanzierung von Suizidideen/ Suizidversuch

Klient hat ein Suizidarrangement getroffen, das eine Auffindung
schwierig oder unmöglich macht
4.
Wann ist Suizidalität
gefährlich?
Wann ist Suizidalität gefährlich?

Viele (nicht psychisch kranke) Menschen erleben im Laufe des
Lebens Situationen, in denen sie sich mit der Möglichkeit des
eigenen Todes beschäftigen

Ein großer Teil berichtet in diesem Zusammenhang über passive
Todeswünsche und Suizidgedanken

Meist geht davon keine akute Gefahr eines Suizids aus. Risiko steigt
erheblich, wenn Vorstellungen sehr drängend werden und konkrete
Pläne gemacht werden

Aber: bei Verdacht sollte Suizidalität immer genau exploriert werden
Die verschiedenen Stadien von Suizidalität
Anzahl betroffener Menschen
Mäßige
Suizidgefahr
Passive
Todeswünsche
Erwägung
Hohe
Suizidgefahr
Suizidgedanken
Suizidideen
Suizidpläne
Vorbereitungen
Ambivalenz
Suizidale
Handlungen
Entschluss
Abklärung von Suizidalität: Kernfragen
vom Allgemeinen zum Konkreten:
 passiver Todeswunsch?
 abstrakte Suizidgedanken?
 konkrete Suizidideen?
 aktive Planung?
 Vorbereitungen?
 Suizidankündigungen?
 frühere Suizidversuche
Für eine Bewertung entscheidend: Wie hoch ist der
akute Handlungsdruck einzuschätzen?
Abklärung von Suizidalität: Formulierungshilfen

„Gibt es in ihrer derzeitigen schwierigen Situation auch Gedanken
an den Tod?“

„Was genau meinen Sie damit, dass Todsein besser wäre?“

„Denken Sie dabei auch an Suizid?“

„An was denken Sie genau, wenn Sie sagen, sie könnten sich
umbringen?“

„Haben Sie sich die ... (z.B. Medikamente) schon besorgt?“

„Wie oft und wie lange kommen die Gedanken an Suizid?“

„Haben Sie darüber schon mit jemandem gesprochen?“

„Haben Sie schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen?“

„Gibt es denn auch Dinge, die Sie noch am Leben halten?“
5.
Umgang mit akut
suizidalen Menschen
Vorgehen bei akuter Suizidalität
1. Zeitgewinn. Suizidalität ist in der Regel kein Dauerzustand. Akute
suizidale Krise kann in relativ kurzer Zeit wieder abklingen.
•
Kann eine suizidale Handlung verzögert werden, so erhöhen
sich deutlich die Chancen, dass der Mensch überlebt.
2. Einfühlsam Zuhören. (keine Lösungsvorschläge unterbreiten,
geduldiges und verständnisvolles Zuhören reicht)
3. zusätzlich Hilfe hinzuzuziehen. Gibt es (oder gab es) einen
behandelnden Psychiater. Besteht ein Vertrauensverhältnis zum
Hausarzt? Welche Beratungsstellen gibt es vor Ort? Wo ist die
nächste psychiatrische Klinik oder Notfallambulanz?
Vorgehen im Falle akuter Suizidalität
„Die Polizei wird verständigt, dass ein Mann
auf dem Dach eines Hochhauses steht und
zu springen droht.“
•
Konkretes Vorgehen?
Organisatorisches
•
Nachalarmieren: (Rettungskräfte, Notfallseelsorger,
polizeipsychologischer Dienst u.s.w.)
•
Sicherheitsvorkehrungen treffen:

Absperren: Zurückdrängen Schaulustiger, da Zurufe dieser oft
betrunkener Personen provozieren: "Nun spring doch endlich,
wenn du dich traust!" - Verkehr umleiten

Vorgehen absprechen mit Feuerwehr und RD/NA: Die Schritte der
Kontaktaufnahme und die ggf. parallel eingeleiteten technischen
Maßnahmen müssen mit allen Beteiligten abgesprochen werden.

Einigung, wer spricht mit Person wie und von welchem Ort
aus
Organisatorisches
•
Kontaktaufnahme von Drehleiter oder vom Dach aus. Notfalls mit
Handfunkgerät oder Telefon.
•
Wenn möglich kein Megaphon nehmen, da der Betroffene nicht mit
dem gleichen Mittel antworten kann und Schaulustige und
Presse/Medien mithören würden
•
Immer Kontakt über einen zweiten Mann im Hintergrund, der über
Handfunksprechgerät die Verbindung nach "unten" hält.
•
Eigensicherung beachten!
•
Wichtig! Vor der ersten Kontaktaufnahme immer erst versuchen,
Informationen bei Umstehenden, Nachbarn, Familienmitgliedern usw.
einzuholen:
Wie heißt der Mann? Was ist passiert?
Kontaktaufnahme
•
Nie überstürzt handeln und den Betroffenen durch plötzliches
Auftauchen in Panik versetzen!
•
Ankündigen, dass Sie kommen und mit ihm reden wollen
•
Polizeiuniformen lösen oft starke Aggressionen aus, vor allem bei
alkoholisierten Personen. (evtl. Uniformjacke ausziehen!)
•
Bevor Sie sich nähern, sein Einverständnis einholen!
•
Er kann bestimmen, wie nahe Sie kommen, er hat hier die Autonomie,
er kann die Situation gestalten!
"Kann ich ein bisschen näherkommen?!"
Kontaktaufnahme
•
"Einen Schritt weiter, und ich springe!" - Keinesfalls auf jemanden
zugehen, der zu springen droht! So nah wie möglich und so fern wie
nötig!
•
Erste Kontaktaufnahme: sich vorstellen, und versuchen ins Gespräch
zu kommen, Name erfragen (mein Name ist..... ich möchte gerne mit
Ihnen sprechen. Ich will Ihnen meine Hilfe anbieten.....)
•
Gesprächsbasis schaffen, Vertrauen zu gewinnen suchen. Deshalb:
Keine unüberlegten Handlungen, keine unangekündigten Aktionen der
Hilfskräfte.
•
vermitteln, dass Gegenüber die Kontrolle über Situation hat und dass
keinerlei Zeitdruck besteht
Zentrale Strategie: Zeit gewinnen!
Versuchen Sie herauszufinden....
•
In welcher körperlichen Verfassung ist er? Wie lange kann er sich
da halten?
•
Zugriffsversuch aber nur bei hochgradiger Erschöpfung oder geistiger
Verwirrung. Eigensicherung beachten!
•
Ein Überrumpeln des Suizidanten kann beim Scheitern der Aktion ein
Springen in Panik hervorrufen und Sie selbst gefährden (Absturz
durch Mitreißen!).
•
Bekommen Sie so möglichst schnell heraus, ob er
Wahnvorstellungen hat (Psychose, z.B. CIA verfolgt ihn, er hört
Stimmen, erzählt abstruse Geschichten, innere Logik stimmt nicht)
•
Argumentieren Sie nicht gegen den Wahn. Lassen Sie sich auf die
Wahninhalte ein. So gewinnen Sie Vertrauen
Beziehung zum Gegenüber herstellen!
Mögliche Gesprächsimpulse
•
"Was kann ich für Sie tun? Wie kann ich Ihnen helfen?" Nicht
bedrängen oder werten: "Machen Sie doch keinen Unsinn, kommen
Sie herunter!"
•
beharrliche Kontaktaufnahme auch wenn der andere schweigt;
notfalls so tun, als würde man im Gespräch sein ("Talkdown!"): „sie
müssen sehr verzweifelt sein, dass sie hier raufgeklettert sind.....“
•
Auch banale Äußerungen, ohne jemanden lächerlich zu machen: "Ich
bin ganz außer Atem vom Heraufklettern..." oder "Wie sind Sie denn
hier herauf gekommen?" können den Betroffenen zum Reden
bringen.
•
Das Sprechen über Probleme hat einen therapeutischen Effekt und
man erhält wichtige Informationen, z.B. ob der Betroffene
bewusstseinsklar oder ob er alkoholisiert ist, ob er Wahnvorstellungen
hat etc.
Beziehung zum Gegenüber herstellen!
Weitere Gesprächsangebote
•
Will er mit Arzt, dem Pfarrer, einem Psychologen reden? Pfarrer/in
ist oft Person des Vertrauens, Notfallseelsorger zu Beginn des
Einsatzes nachalarmieren lassen
•
Wenn Suizident mit (Ehe)partner,Verwandte oder Freunde
sprechen will, Namen, Adressen, Telefonnummern erfragen.
•
gewünschte Person (Partner, Verwandter usw.) durch zweiten
Einsatzleiter (besser Pfarrer, Arzt, Psychologe) auf dieses Gespräch
vorbereiten und prüfen, ob die Person willens oder auch in der Lage
ist, zu solch einem Gespräch.
•
Vorsicht, wenn viele aggressive Gefühle im Spiel ist: Bedenken Sie
die Möglichkeit der Rache des Lebensmüden, der nur darauf wartet,
vor den Augen der herbeigerufenen Person hinunterzuspringen
(Bestrafung der Angehörigen).
Grundsätzliches
•
Keine Tricks, keine Gewalt! Machen Sie keine falschen
Versprechungen
•
Keine paradoxe Intervention: "Springen Sie doch...!"
•
Selbstschutz: das autoaggressive Verhalten kann sich auf den
anderen richten. Bei vorhandener Schusswaffe nie in Sichtweite, bei
Messer nie in Reichweite gehen!
•
Falls Sie den Erstkontakt aufgenommen haben: nur ablösen lassen,
wenn der "Springer" damit explizit einverstanden ist, dass z.B. "der
Pfarrer" jetzt mit ihm/ihr reden würde. Zur Sicherung des anderen im
Hintergrund bleiben.
•
Überlassen Sie es dem anderen, die Richtung des Gesprächs zu
bestimmen. Hören Sie aufmerksam zu, zeigen Sie Interesse und
Anteilnahme an der Person und seinen Problemen
Das Gespräch an sich ist bereits suizidpräventiv!
Kränkung vermeiden
•
"Wie wäre es eigentlich, wenn Sie jetzt mit mir heruntersteigen
würden? Ich und meine Kollegen helfen Ihnen dabei."
•
Frage: Wie kommt er aus dieser Situation raus, ohne sein Ansehen
zu verlieren?
•
Z.B. Feuerwehreinsatzjacke zum Überziehen anbieten (so ist er
nicht so schnell erkennbar für die Schaulustigen und die Presse)
•
Bedenken zerstreuen wegen Übernahme von Einsatzkosten oder
des Gesichtsverlusts bei bekannt werden der Tat.
•
Angst vor einer Einweisung in eine "Klapsmühle" offen diskutieren
und hierzu ein Gespräch mit dem (unten wartenden) Notarzt oder
einem Psychologen anbieten.
Juristisches
•
Ein Suizident muss vor sich selbst geschützt werden, das beurteilt
ein Psychiater/Nervenarzt in der Klinik.
•
Darauf hinwirken, dass der Betroffne sich freiwillig vorübergehend
in psychiatrische Klinik begibt.
•
Darauf hinweisen, dass er in der Regel schneller wieder entlassen
werden kann (oft schon am nächsten Tag), wenn er sich freiwillig
ins Krankenhaus bringen lässt.
•
Bei einer Zwangseinweisung wegen Selbstgefährdung kann das
unter Umständen länger dauern.
Zusammenfassung:
Mensch in akuter Suizidgefahr
Können professionelle Helfer
Hinzugezogen werden?
ja
Ermutigung zu offenem Gespräch.
Suizidalität ernstnehmen,
geduldig zuhören
Verständnis zeigen
weitere Hilfe hinzuzuziehen
Begleitung des Betroffenen
in psychiatrische Klinik,
in psychiatrische Ambulanz,
zu Krisendienst,
zu behandelnden Arzt,
zu behandelndem Psychotherapeuten
im Notfall:
Hilfe auch gegen den Willen des
Betroffenen vermitteln
nein
Intervention nicht möglich ohne die Gefahr
der Eskalation (z.b. auf Brücke, auf Hausdach,
Kontakt per Telefon)
Zentrale Strategie: Zeitgewinn bis zum Abklingen
der gegenwärtigen akuten Suizidgefahr
Kontakt herstellen, ohne dabei Risiko einzugehen
Vorsicht vor Eskalation durch übereiltes Handeln
Jede Form von Druck vermeiden
• bis auf Hörweite nähern, ruhig und freundlich ansprechen
• sich vorstellen, und versuchen ins Gespräch zu kommen
• beharrliche Kontaktaufnahme auch wenn der andere schweigt
• notfalls so tun, als würde man im Gespräch sein
• vermitteln, dass Gegenüber die Kontrolle über Situation hat
• deutlich machen, dass keinerlei Zeitdruck besteht
• Vorsicht vor Kränkungen oder Provokationen
• Wenn der andere erzählt, aufmerksam zuhören und spiegeln
• keine vorschnellen Beschwichtigungen
• Verständnis für schwierige Situation signalisieren,
• Ausdruck stellvertretender Hoffnung
• Hinweis auf weitere Hilfsmöglichkeiten
• Ruhe bewahren, bis der andere bereit ist, die
Gefahrenzone zu verlassen
6.
Die Situation nach einem
Suizid
Nach erfolgtem Suizid
•
Wenn kein natürlicher Tod, muss Arzt unverzüglich Polizei zu
informieren, damit die Todesursache geklärt werden kann.
•
Zuständig ist der Zentrale Kriminaldienst (ZKD). Oft kommt aber
zunächst der Streifendienst zum Einsatz,
•
Doppelte Aufgabenstellung:
1. Ermittlungen, um Fremdverschulden (Mord oder Totschlag)
auszuschließen. (z.B.Fundort sichern, die Leiche
beschlagnahmen)
2. Mit Angehörigen in einer Extremsituation konfrontiert, die u.U.
den Suizid noch gar nicht realisiert haben und fassungslos sind.
wichtig: Sensibilität und Rücksichtnahme auf Hinterbliebene bei
der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen
Die Überbringung einer Suizidnachricht
Grundsätzliches:
•
Todesnachrichten nie telefonisch durchgeben
•
Todesnachrichten am besten immer im Team mit einem anderen
Kollegen oder einem Notfallseelsorger überbringen und sich mit
diesem vorher absprechen, wer welchen Part übernimmt
•
Der Überbringer der Todesnachricht sollte über folgende Bereiche
sachkundig sein: wie und wo kam es zum Suizid? Wo befindet sich
der Tote jetzt? Wer kann weitere Auskunft geben?
•
Planen Sie ausreichend Zeit (mindestens 30 Minuten) ein (es kann
auch deutlich länger dauern).
Die Überbringung einer Suizidnachricht
Verhalten vor Ort:
1. Unbedingt eindeutige Identifizierung des Gegenübers („Sind Sie der
Vater von....“).
2. Die Nachricht erst nach dem Betreten der Wohnung überbringen.„Ich
muss Ihnen eine schlimme Nachricht überbringen, dürfen wir bitte
hineinkommen, können wir uns bitte zunächst setzen?“.
3. Anwesende Unbeteiligte und Kinder sollten nicht zugegen sein.
4. Überbringen Sie jetzt Ihre Nachricht ohne Umschweife, und ohne
falsche Hoffnungen aufkommen zu lassen („Ich muss Ihnen mitteilen,
dass Ihr Sohn verstorben ist. Wir haben ihn vor einer Stunde erhängt
im Wald aufgefunden. Er war bereits tot........“)
5. Keine Mitleids- und Beileidsfloskeln, stattdessen Verständnis und
Anteilnahme (Bei starker emotionaler Reaktion: viel Zeit lassen, das
Gegenüber weinen lassen etc.).
Die Überbringung einer Suizidnachricht
6. Lassen Sie den Angehörigen jetzt nicht alleine (Suizidgefahr). Bei
körperlichem Zusammenbruch oder extremen psychischen
Reaktionen Arzt rufen.
7. Auf Fragen geduldig und bereitwillig Auskunft geben („Wo ist der Tote
verstorben? Wo ist er nun? Wer hat ihn gefunden?“ Etc.).
8. Fragen Sie den Angehörigen, wen er informieren möchte und welche
Personen zur Unterstützung benachrichtigt werden könnten.
9. Bleiben Sie bei den Hinterbliebenen, bis weitere Unterstützung und
Hilfe eingetroffen ist.
10. Hinterlassen Sie Ihre Visitenkarte oder eine Kontaktadresse, falls die
Hinterbliebenen nochmals mit Fragen an Sie herantreten möchten.
7.
Schlussbemerkung
„Den Verstorbenen noch mal sehen“
•
Besteht bei den Hinterbliebenen der Wunsch, den Toten noch einmal
zu sehen, so lassen Sie das wann immer möglich zu.
•
Meist erleichtert dies die Realität des Todes zu begreifen und ist Teil
des Abschieds.
•
Bereiten Sie sie auf den Anblick vor (wenn Sie möchten, können Sie
den Toten noch einmal sehen. Sein Körper ist aber sehr entstellt. Das
sollten Sie vorher wissen....)
•
Wird der Angehörige abgehalten, den Toten zu sehen, so kann es
geschehen, das die Imagination viel schrecklichere und dauerhaftere
Phantasien erschafft, als dies bei der Konfrontation mit der konkreten
Wirklichkeit der Fall wäre.
Literatur
Zur Vertiefung

Hansjörg Trum et al (1987). Psychologie für Polizeibeamte. Einen
Schritt weiter - und ich springe. Boorberg Verlag
Für Hinterbliebene:

Paul, C. (1998). Warum hast Du uns das angetan? Ein
Begleitbuch für Trauernde, wenn sich jemand das Leben
genommen hat. Gütersloher Verlagshaus.

Otzelberger, M. (1999). Suizid. Das Trauma der Hinterbliebenen.
Erfahrungen und Auswege. Links: Berlin.
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