„Eine Chance, Alzheimerpatienten gezielt und früh zu behandeln“

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Studienprogramm DIAN
„Eine Chance, Alzheimerpatienten
gezielt und früh zu behandeln“
Mit dem internationalen Studienprogramm
DIAN wird nicht nur die familiäre Alzheimer-Demenz erforscht, erstmals erhalten
Betroffene auch die Chance auf eine frühzeitig Therapie. Von den Erkenntnissen der
DIAN-Studien könnten zudem Patienten
mit sporadischer Alzheimer-Krankheit
profitieren, so Professor Adrian Danek aus
München. Zusammen mit Ärzten aus Tübingen baut er ein erstes Studienzentrum im
deutschsprachigen Raum auf.
Menschen, bei denen man den Pathomechanismus so
gut kennt, nichts geben kann, was sich genau gegen
diesen Mechanismus richtet. DIAN ist also nicht nur
eine Beobachtungsstudie, sondern auch eine Therapiestudie mit drei Therapiearmen und einen Placeboarm.
Noch herrscht Stillschweigen, um welche Präparate es
sich handelt. Mit dabei sind aber wohl immunologische
Ansätze und Sekretasehemmer.
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Was verspricht man sich von einer Langzeitstudie zu
familiärer Alzheimerdemenz?
Professor Adrian Danek: Man will zum einen an
diesem Modell auch mehr über die sporadische Alzheimer-Demenz lernen, zum anderen den Betroffen damit
helfen. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden Patienten mit familiärer Alzheimer-Demenz bewusst aus
Medikamentenstudien ausgeschlossen. Das fand ich
skandalös. Denn hier ist man am nächsten dran am
Amyloid-Pathomechanismus, und ausgerechnet solchen
Menschen enthält man Therapien vor.
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Man untersucht bei DIAN also nicht nur, sondern
behandelt auch?
Danek: Ja, das war für mich einer der Gründe teilzunehmen. Ich dachte, es darf nicht sein, dass man diesen
Die Teilnehmer sind zu Beginn ja noch gesund. Sie
werden hier also präventiv mit neuen Therapieansätzen
behandelt?
Danek: Genau, das hat zwar seine regulatorischen Tücken, ist aber auch die große Chance. Bei der sporadischen Alzheimer-Demenz glauben wir, dass wir mit
den bisherigen Therapien viel zu spät kommen. Hat
jemand bereits Symptome, ist schon so viel im Gehirn
zerstört, dass man nur noch wenig ausrichten kann. Aber
bei der sporadischen Krankheitsform wissen wir ja nicht
im Voraus, wer einmal krank wird und daher von einer
präventiven Therapie profitieren könnte. Anders ist dies
bei der familiären Alzheimer-Demenz: Jeder, der eine
entsprechende Mutation hat, wird im Alter krank. Man
könnte schon einem 18-Jährigen sagen, was sein Schicksal sein wird. Hier haben wir also eine Population mit
einer ganz frühen und sicheren Diagnose, und das bietet die Chance, gezielt und früh zu behandeln.
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Inwieweit sind denn die Pathomechanismen bei sporadischer und familiärer Alzheimer-Demenz vergleichbar?
Danek: Man geht davon aus, dass es enge Beziehungen
gibt, aber so ganz geklärt ist das nicht. Alle bekannten
autosomal dominanten Mutationen liegen in nur drei
Genen: APP, Presenilin-1 und -2. Diese Gene sind alle
am Amyloidstoffwechsel beteiligt. Das ist Wasser auf
die Mühlen der Amyloidhypothese.
© photos.com PLUS
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Das DIAN-Projekt will gezielt Menschen helfen, die noch nicht an Alzheimer erkrankt sind, aber eine Genmutation aufweisen, die in der Familie bereits zu einer
Alzheimer-Erkrankung geführt hat.
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Um an DIAN mitzumachen, müssen solche Mutationen
vorliegen?
Danek: Die Teilnehmer müssen nur potenzielle Genträger sein, das heißt, sie kommen aus einer Familie, in
denen eine Mutation bei Eltern oder Geschwistern in
einem der drei Gene nachgewiesen wurde. Viele fragen:
Bei mir in der Familie gibt es Alzheimer, kann ich bei
der Studie mitmachen? Denen muss man sagen: Im
Prinzip ja. Aber als nächsten Schritt müssen wir erst
prüfen, ob beim erkrankten Angehörigen eine entsprechende Mutation vorliegt.
In|FO|Neurologie & Psychiatrie
2012; Vol. 14, Nr. 5
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Die Teilnehmer selbst wissen also nicht, ob sie die
Mutation haben?
Danek: Sie haben das Recht, das zu wissen, aber nicht
innerhalb der DIAN-Konstellation. In den USA erhalten
sie eine Adresse, wo sie es erfahren können und eine
humangenetische Beratung erhalten. Wie wir damit in
Deutschland umgehen, müssen wir noch klären.
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Wie weit ist das Projekt?
Danek: Insgesamt wollen wir 400 Teilnehmer aufnehmen. In den USA, Großbritannien und Australien
konnten bereits etwa 200 Teilnehmer gewonnen werden.
In Deutschland fangen wir erst an, und zwar in Tübingen und München, weil nur da derzeit eine AmyloidPET möglich ist. Zudem ist es uns gelungen, beim Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
in Bonn finanzielle Unterstützung zu beantragen. Derzeit arbeiten wir an Übersetzungen der neuropsychologischen Protokolle und holen Voten der Ethikkommissionen ein. In Tübingen gibt es schon ein positives
Ethikvotum. Das Besondere dabei ist ja, dass auch Probanden ein PET bekommen, von denen die Ärzte nicht
wissen, ob sie Genträger sind. Die Frage ist nun, wie viel
Strahlenbelastung darf ich einem Gesunden hier zumuten? Bei den Therapien ist es zumindest so geregelt, dass
alle Teilnehmer ohne Genmutation in die Placebogruppe kommen, aber auch ein Teil derer mit Mutation.
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Wie kommen Sie überhaupt an geeignete Studienteilnehmer?
Danek: Das ist nicht einfach. Verdacht auf eine familiäre Erkrankung besteht, wenn jemand unter 60 Jahren
ist und schon früher jemand in der Familie erkrankt ist.
Dann aber nach Mutationen in der Familie zu suchen,
wird von den wenigsten Ärzten gemacht, und das liegt
nicht nur an den Kosten. Denn die Kollegen fragen sich:
Wem nützt es, wenn wir einem Angehörigen sagen
können, er wird in zehn Jahren auch erkranken? Wir
können die Humangenetiker nur bitten, dass sie die
Getesteten im Beratungsgespräch auf DIAN hinweisen
und Infomaterial dazu auslegen. Oder man muss DIAN
so bekannt machen, dass jemand, der getestet worden
ist, von sich aus zu uns kommt.
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Kann eine familiäre Erkrankung auch erst im höheren
Alter auftreten?
Danek: Ich hatte einen älteren Herrn, über 70 Jahre, der
eine Demenz mit einer spastischen Paraparese entwickelte – wie zuvor sein Bruder. Diese Kombination gibt
es bekanntlich bei Presenilin-1-Mutationen. Da habe
ich gesagt, das ist so verdächtig, das will ich jetzt testen.
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Es könnte also sein, dass eine familiäre AlzheimerDemenz wesentlich häufiger auftritt als angenommen,
weil man bei älteren Patienten normalerweise nicht daran
denkt?
Danek: Wesentlich häufiger würde ich nicht sagen, es
sind wohl schon eher die Jüngeren, aber es gibt beim
Manifestationsalter eben eine gewisse Variabilität. Wie
viele tatsächlich eine Mutation tragen – dazu gibt es
keine vernünftigen Schätzungen, weil die genetische
Diagnostik viel zu selten genutzt wird.
Professor Dr. med.
Adrian Danek
ist Leiter der Arbeitsgruppe Kognitive
Neurologie an der Neurologischen Klinik der
Ludwig-MaximiliansUniversität in München.
Dort leitet er auch die
Gedächtnissprechstunde (Sprechstunde Kognitive Neurologie) am
Klinikum Großhadern.
Das Gespräch führte Thomas Müller
DIAN und familiäre Alzheimer-Demenz
Die Erkrankung: Einige seltene Genmuta­
tionen können kausal eine AlzheimerDemenz auslösen. Alle diese Mutationen
befinden sich in nur drei DNA-Abschnitten:
Im Gen für das Amyloid-Precursor-Protein
(APP), für Presenilin 1 und Presenilin 2.
Diese drei Gene sind am Amyloidstoffwechsel beteiligt. Bei allen Mutationsträgern kommt es sehr früh zu einer
Anhäufung der alzheimertypischen Amyloidplaques, und alle erkranken ab einem
bestimmten Alter an einer Demenz, meist
vor dem 60. Lebensjahr.
Das Projekt: DIAN steht für „Dominantly
Inherited Alzheimer Network“. Die Initiative
wurde in den USA vom Alzheimerforscher
John C. Morris aus St. Louis gegründet, um
die genetisch bedingten Krankheitsformen
In|FO|Neurologie & Psychiatrie
2012; Vol. 14, Nr. 5
besser zu erforschen. Die Teilnahme steht
Personen aus Familien offen, in denen solche Formen nachgewiesen wurden. Derzeit werden an elf Standorten in den USA,
einem in London und drei in Australien
Studienteilnehmer aufgenommen. Geplant
sind auch Standorte in Deutschland – zunächst München und Tübingen (Professor
Mathias Jucker und Professor Christoph
Laske) – sowie in Spanien.
Die Untersuchungen: Erforderlich sind
Kognitionstests, Blut- und Liquorentnahmen inklusive Gentests, bildgebende
Untersuchungen per MRT sowie PETAufnahmen, unter anderem mit dem Biomarker Pittsburgh Compound B (PiB), der
Amyloid-Ablagerungen im Gehirn sichtbar
macht. Die Testintervalle hängen vom Alter
der Teilnehmer ab. Je näher sie an das Alter
herankommen, in denen die Demenz in
ihrer Familie auftritt, umso kürzer werden
die Abstände – bis hin zu jährlichen Tests.
Die Ziele: Ein besseres Verständnis der
Alzheimer-Demenz. Erkenntnisse aus DIAN
sollen die Entwicklung von Frühtests für
alle Alzheimer-Formen beschleunigen.
Zudem werden den Teilnehmern Präventionsstudien mit neuen Medikamenten
angeboten. Damit lässt sich prüfen, ob der
Ausbruch der Erkrankung durch Medikamente verhindert oder verzögert werden
kann.
Weitere Informationen: Koordinations­
büro München (Tel. 089-7095-4828) und
Tübingen (Tel. 07071-29-81928) sowie
www.dian-info.org/de, www.dian-info.org
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