Aminosäuren Ammoniak CPS ASS NAGS OTC ASL Arginase Harnstoff Blickpunkt Harnstoffzyklusdefekte Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 80 Kinder mit einem Harnstoffzyklusdefekt geboren. Nur die rechtzeitige Diagnose und Therapie eröffnet ihnen die Chance auf ein möglichst normales Leben. n Harnstoffzyklusdefekt – Was ist das? Harnstoffzyklusdefekte sind angeborene, potenziell le­ bensbedrohliche Stoffwechsel­ erkrankungen der Leber, die mit einem gestörten Eiweißab­ bau einhergehen. Durch den Mangel bestimmter Enzyme wird das toxische Zwischen­ produkt Ammoniak nicht mehr ausreichend zu Harn­ stoff umgewandelt und rei­ chert sich in Blut und anderen Geweben an. Hirn- und Ner­ venschäden, die bis zum Tod führen können, sind die Folge. Sechs verschiedene Enzym­ defekte im Harnstoffzyklus sind bisher bekannt, die alle zu einer lebensbedrohlichen Hyperammonämie führen können. Die unterschiedlichen n Verlaufsformen Schwere Erkrankungsver­ läufe resultieren vor allem aus Defekten der ersten drei Enzyme im Harnstoffzyklus. Grundsätzlich bestimmt das Ausmaß des Enzymmangels den Krankheitsverlauf. Hö­ here Restaktivitäten haben chronische Verlaufsformen zur Folge, die sich meist erst jenseit der Neonatalphase be­ merkbar machen. Abhängig vom Alter bei Erstmanifestation fallen die Symptome der Harnstoffzy­ klusdefekte unterschiedlich aus: Symptome im n Säuglingsalter • Lethargie • Trinkschwäche • Erbrechen • Tachypnoe • Krampfanfälle • Enzephalo­ pathie • Koma • Exitus inner­ halb weniger Stunden. Es besteht die Gefahr, das klinische Bild fälschlicher­ weise als Sepsis zu werten. Bei 79 % der Patienten, die die Neonatalzeit überleben, werden US-Daten zufolge schwere geistige Behinde­ rungen und bei 46 % mul­ tiple Defizite im Lauf des Lebens beobachtet. Symptome im n Kleinkindalter • gestörte Entwicklung • Nah­ rungsverweigerung • Ataxie • Irritabilität • auffälliges Ver­ halten • Krampfanfälle • (po­ tenziell tödliches) Koma. Die Symptomatik entwickelt sich weniger akut als im Säug­ lingsalter und ist oft nicht ganz so schwerwiegend. Symptome bei n Jugendlichen und Erwachsenen meist progredient verlaufen­ de psychiatrische oder neuro­ logische Symptome • rezidi­ vierende Akutsymptomatik mit Inappetenz • Lethargie • Reizbarkeit • Agitiertheit • Verwirrtheit • Ataxie • Er­ brechen • Kopfschmerzen • episodisch auftretende he­ patische Enzephalopathie möglich • in schweren Fällen Exitus. Akuttherapie n Bei neonataler Krankheits­ manifestation ist das Kind vital gefährdet und muss sofort intensivmedizinisch Wichtige Enzymdefekte des Harnstoffzyklus Bis heute sind sechs genetisch bedingte Enzymdefekte des Harnstoffzyklus bekannt, die alle zu einer Hyperammonämie führen: nCarbamylphosphat-Synthetase(CPS)-1-Mangel nOrnithin-Transcarbamylase(OTC)-Mangel nArgininosuccinat-Synthetase(ASS)-Mangel (Citrullinämie Typ 1) nArgininosuccinat-Lyase(ASL)-Mangel (Argininbernsteinsäure-Krankheit) nArginase-1-Mangel (Hyperargininämie) nN-Acetylglutamat-Synthetase(NAGS)-Mangel Schwere Erkrankungsverläufe sind besonders bei CPS-1-, OTC- und ASS-Mangel zu erwarten, da die ersten drei Schritte im Harnstoffzyklus betroffen sind. behandelt werden. Dies sollte möglichst in einem Stoffwechselzentrum erfol­ gen. Ziel ist, die toxischen Ammoniakspiegel rasch zu senken. Dies gelingt durch nDialyse bei Ammoniak­ konzentrationen über 400 µmol/l nKeine Proteinzufuhr nMedikamentöse Redukti­ on des Ammoniak-Blut­ spiegels Langzeittherapie n Langfristig kommen zur Be­ handlung eines Harnstoff­ zyklusdefektes diätetische plus medikamentöse Maß­ nahmen in Betracht. Diese müssen lebenslang durchge­ führt werden, was von den Patienten bzw. ihren Eltern ein hohes Maß an Disziplin erfordert. Die einzige kura­ tive Therapie ist die Leber­ transplantation. Leberzelltherapie n Schwer kranken Säuglingen Primäre Labordiagnostik Besteht nach Ausschluss einer Infektion der Verdacht auf eine Stoffwechselstörung, sollten zunächst folgende Laborparameter bestimmt werden: nim Blut: Glukose, Säure-Ba- sen-Status, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Transaminasen, Kreatinkinase, Laktat, Ammoniak nim Urin: Ketonkörper (Stix) Hilfreich ist die Berechnung der Anionenlücke aus der Summe der Konzentrationen von Natrium und Kalium (Kationen) minus der Summe der Konzentrationen von Chlorid und Bikarbonat (Anionen). ([Na+] + [K+]) – ([Cl-] + [HCO3-]) Eine Anionenlücke > 20 mmol/l bei normalem Blutzucker weckt den hochgradigen Verdacht auf eine angeborene Stoffwechselstörung. drohen auch zwischen den einzelnen Dialysen weiterhin lebensbedrohliche Ammoni­ akspitzen. Die Lebertrans­ Foto: thinkstock Intensivtherapie ist nötig, wenn der Ammoniakspiegel in toxische Höhen steigt. Das SELICA-Studienprogramm Die klinischen Zwischenergebnisse des SELICA*-Studienprogramms belegen die Sicherheit der Leberzelltherapie. In der deutschen Teilstudie SELICA V will man nun nachweisen, dass das neue Verfahren die mangelnde Enzymaktivität bzw. die gestörte Harnstoffproduktion in der Le­ber tatsächlich kompensieren kann. Aufgenommen werden sowohl schwer kranke Neugeborene (0–3 Monate) mit CPS-1-, OTC-Defizienz oder Citrullinämie Typ 1 als auch Kinder im Alter von 15 Monaten bis 5 Jahren, bei denen es trotz Standardtherapie zu Hyperammonämien kommt. *Safety and Efficacy of Liver Cell Application Foto: Cytonet plantation wäre zwar eine effektive Behandlungsform, doch für die noch sehr klei­ nen Körper ist selbst ein ein­ zelnes Lebersegment zu groß. Als therapeutische Alternati­ ve könnte sich für diese Pa­ tienten die Leberzelltherapie anbieten: Adulte Hepatozyten werden aus Spenderlebern gewonnen und frei von bak­ teriellen Kontaminationen in einer Suspension kryo­ konserviert. Erst wenn sich die Zellen in umfangreichen Tests als si­ cher erwiesen haben, werden sie via Katheter in die Pfort­ ader des Patienten infundiert. Nach Ansiedelung in der Le­ ber soll die Funktion der en­ zymdefizienten Hepatozyten übernommen werden. Derzeit wird die Leberzelltherapie in Deutschland und den USA im Rahmen der SELICA-Studien bei Harnstoffzyklusdefekten bei Neugeborenen oder Kin­ dern bis 5 Jahren eingesetzt, Die Applikation der Leberzellen darf nur langsam und portionsweise erfolgen, damit der Druck in der Pfortader nicht zu hoch wird und die Zellen tatsächlich in der Leber verbleiben. mit dem Ziel, die Effizienz so­ wie Sicherheit der Leberzell­ substitutionstherapie weiter zu untersuchen. Die Leberzellsuspensionen sind als Arzneimittel reguliert, was einen hohen Sicherheits­ standard gewährleist. Folgende Stoffwechsel­ zentren nehmen in Deutschland an den klinischen Prüfungen teil: n Heidelberg n Düsseldorf n Hannover n Berlin Impressum | Idee und Konzeption: Inter Medical Sonderpublikationen Redaktion: Birgit Maronde · Chef vom Dienst: Hannelore Schell, Alice Schmelz In Kooperation mit Cytonet GmbH & Co. KG, Weinheim · MTD 35/2011 – 7172