B KULTURWISSENSCHAFTEN BA PHILOSOPHIE Personale Informationsmittel Friedrich NIETZSCHE Rezeption Martin Heidegger 13-2 Heideggers Nietzsche : Geschichte einer Obsession / Rita Casale. (Aus dem Italienischen übers. von Catrin Dingler). Bielefeld : Transcript-Verlag, 2010. - 370 S. ; 23 cm. - (Edition Moderne Postmoderne). - Einheitssacht.: L'esperienza Nietzsche di Heidegger. - Zugl. rev. Fassung von: Bari, Univ. degli Studi, Diss., 1997. - ISBN 978-3-8376-1165-6 : EUR 29.80 [#1522] Unter den zahlreichen Publikationen der letzten Zeit zu Heidegger ist nun auch diese deutsche Übersetzung einer italienischen Dissertation von 1997 anzuzeigen, die bereits 2005 im italienischen Original veröffentlicht wurde. Rita Casale, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Wuppertal, kontextualisiert die Nietzsche-Rezeption Heideggers, indem sie sie wenig überraschend auf die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bezieht. Etwas kryptisch schreibt die Verfasserin über das Ziel ihrer Untersuchung: „In meiner Studie über Heideggers Nietzsche habe ich nichts anderes versucht, als durch die Rekonstruktion einer bestimmten Episode der Geschichte der Philosophie das sich Erschöpfen der metaphysischen Erfahrung des Denkens und das sich Ermöglichen einer anderen Form der philosophischen Reflexion, die es zu entwickeln gilt, zu bezeichnen. Sie ist nicht mehr als die metaphysische Grundlage politischer Handlung zu verstehen, aber doch im Sinne Nietzsches als Biss in die schwarze Schlange“ (S. 15). Was immer es heißen mag, in die schwarze Schlange zu beißen (dazu weiter unten mehr) - jedenfalls zielt das Buch auf die Bedingungen der Möglichkeit des Poststrukturalismus. Man mag das als historische Fragestellung sehen, doch hat diese Frage damit zu tun, wie unsere Zeit selbst in Gedanken gefaßt werden kann. Die Frage um das Nichts und den Nihilismus, die Nietzsche wie Heidegger antrieb, könnte jene Frage gewesen sein, „in deren Umkreis ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine ganz andere begriffliche Erfahrung der nietzscheschen Philosophie möglich wurde. Indem sie Nietzsche aus seiner Gefangenschaft in die Geschichte der abendländischen Metaphysik befreiten, öffneten Deleuze, Derrida und Foucault den Raum für eine Philosophie im Sinne einer historischen Genealogie der Differenzen“ (S. 329). Casales Interpetation hat zwei Teile.1 Der erste behandelt die Begegnung mit Nietzsche, in der Nietzsche als Holzwurm erscheint, das Verhältnis von Nietzsches einsamer Meditation und Heideggers Universitätsphilosophie reflektiert und schließlich die hermeneutische Phänomenologie als „Fröhliche Wissenschaft“ präsentiert wird. Der zweite Teil behauptet dann eine Verklärung Nietzsches, die über die Auseinandersetzung mit Nietzsche führt. Folgen dieser Auseinandersetzung sind dann Heideggers Verklärung des Nietzscheschen Willens zur Macht; ein abschließendes Kapitel interpretiert die ewige Wiederkehr als Denken der Krise. Darin wird dann auch klar, was es mit dem Biß der Schlange auf sich hat – denn dieses Bild entstammt dem wohl dichterischsten Teil der Philosophie Nietzsches in Also sprach Zarathustra – eben jener Teil, der noch Heidegger Anlaß gegeben hatte, zu Beginn seiner intensiven Auseinandersetzung mit Nietzsche die Frage aufzuwerfen, ob Nietzsche überhaupt als Philosoph und nicht vielmehr als Dichter zu verstehen sei.2 Der Dichter Nietzsche schildert Zarathustra, wie er davon berichtet, er habe einen jungen Hirten am Boden liege gesehen, „sich windend, würgend, zuckend, verzerrten Antlitzes, dem eine schwarze Schlange aus dem Mund hing“. Die Schlange steht nun nach Heidegger für das „Düstere, Immergleiche und im Grunde Ziel- und Sinnlose des Nihilismus, ist dieser selbst“ (S. 327). Zarathustras Versuch, dem Hirten die Schlange zu entreißen, mißlingt, ein Sinnbild dafür, daß jeder äußere Versuch, den Nihilismus zu überwinden durch Ersetzung des christlichen Gottes mittels eines anderen Ideals scheitern muß. Nur derjenige, der selbst affiziert sei, könne die Schlange töten und außer Gefecht setzen – und hier wird das Bild endgültig eklig, denn die Lösung kann metaphorisch nur darin bestehen, der Schlange den Kopf abzubeißen. Das Abbeißen der schwarzen Schlange ist auch das, was dann zur Verwandlung führt, indem nämlich der Hirt zu einem Lachenden wird. Die Philosophie, oder vielleicht das Denken, ist identisch mit dem Biß, denn nur durch den Biß „kann der Augenblick als historisches Entscheidung“ gedacht werden (S. 328). - Der Band verfügt über ein Namensregister. Till Kinzel QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft http://ifb.bsz-bw.de/ http://ifb.bsz-bw.de/bsz314912991rez-1.pdf 1 Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/998766070/04 Siehe Nietzsche / Martin Heidegger. - Pfullingen : Neske. - Bd. 1 (1961), S. 13 14. 2