Kap. 4 - Mathematik, TU Dortmund

Werbung
20
I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
4
Konvergente Folgen
4.1 Dezimalzahlen und Intervallschachtelungen. a) Reelle Zahlen werden meist
als Dezimalzahlen dargestellt, etwa
17, 304 = 1 · 10 + 7 · 1 + 3 ·
1
10
+0·
1
100
+4·
1
1000
.
Endliche Dezimalzahlen sind nur solche Zahlen, die als Bruch mit einer Zehnerpotenz
im Nenner geschrieben werden können. Dies trifft etwa auf die rationale Zahl 31 nicht
zu; die Entwicklung
1
3
= 0, 3333333 . . . = 0, 3̄
(1)
bedeutet, daß für alle n ∈ N gilt
1
3
0, 3 . . . 33 ≤
< 0, 3 . . . 34 (n Ziffern) .
Mit Jn := [0, 3 . . . 33, 0, 3 . . . 34] (n Ziffern) gilt also
(2)
∞
T
n=1
Jn = { 31 } .
b) Nach dem Satz des Pythagoras sollte x ∈ R mit x > 0 und x2 = 2 existieren
(vgl. 1.8). Man hat
12
1.42
1.412
1.4142
<
<
<
<
2
2
2
2
<
22
< 1.52
< 1.422
< 1.4152
⇒
⇒
⇒
⇒
x ∈ [1, 2]
x ∈ [1.4, 1.5]
x ∈ [1.41, 1.42]
x ∈ [1.414, 1.415]
usw. Wie in a) erhält man eine Folge kompakter Intervalle mit
J1 ⊇ J2 ⊇ . . . ⊇ Jn ⊇ Jn+1 ⊇ . . .
∞
T
Jn “, eine Intervallschachtelung für x . Die Existenz
mit | Jn | = 10−n und x ∈
”
n=1
√
von x = 2 ergibt sich nun aus dem folgenden Axiom für R , das die Vollständigkeit oder Lückenlosigkeit“ der Zahlengeraden präzisiert:
”
4.2 Axiom I (Intervallschachtelungsprinzip). Es sei (Jn := [an , bn ]) eine Folge
kompakter Intervalle mit
J1 ⊇ J2 ⊇ . . . ⊇ Jn ⊇ Jn+1 ⊇ . . . .
(3)
Dann existiert eine Zahl x ∈ R mit x ∈ Jn für alle n ∈ N .
4.3 Nullfolgen. a) Für eine Intervallschachtelung (3) bilden die Intervallängen
ℓn := | Jn | eine monoton fallende Folge. Gibt es nun zwei verschiedene Zahlen im
Durchschnitt der Intervalle Jn , etwa x < y , so gilt mit ε := y − x > 0 die Aussage
∃ ε > 0 ∀ n ∈ N : ℓn ≥ ε .
(4)
Die Negation (5) von (4) impliziert also, daß es genau eine Zahl im Durchschnitt
der Intervalle Jn gibt:
4 Konvergente Folgen
21
b) Eine monoton fallende Folge (ℓn ) ⊆ R positiver Zahlen heißt Nullfolge, falls
folgendes gilt:
∀ ε > 0 ∃ n ∈ N : ℓn < ε .
(5)
c) Bedingung (5) bedeutet also, daß es zu jeder noch so kleinen, aber positiven Zahl
ε > 0 einen Index n ∈ N gibt, für den 0 ≤ ℓn < ε ist. Wegen der Monotonie der
Folge gilt dann sogar 0 ≤ ℓk < ε für alle Indizes k ≥ n .
d) Für eine beliebige Folge (an ) positiver Zahlen muß diese Eigenschaft einfach
zusätzlich gefordert werden:
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n ≥ n0 : an < ε .
e) Eine Folge (an ) in R , die positive und negative Werte annehmen kann, heißt
Nullfolge, falls (| an |) eine Nullfolge ist, falls also gilt:
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n ≥ n0 : | an | < ε .
(6)
f) Schließlich heißt eine Folge (an ) in R konvergent gegen einen Grenzwert oder
Limes a ∈ R , falls (an − a) eine Nullfolge ist:
4.4 Definition. Eine Folge (an ) in R heißt konvergent gegen einen
Grenzwert oder Limes a ∈ R , falls folgendes gilt:
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N ∀ n ≥ n0 : | an − a | < ε .
(7)
Man schreibt a = n→∞
lim an oder an → a .
Nicht konvergente Folgen heißen divergent.
4.5 Beispiele und Bemerkungen. a) Die Konvergenz an → a bedeutet also, daß
für jedes gegebene ε > 0 ab einem gewissen Index n0 ∈ N alle Folgenglieder in
dem Intervall mit Länge 2ε um a liegen müssen. Der Index n0 = n0 (ε) ∈ N hängt
natürlich von ε (und von der Folge) ab.
b) Die Folge ((−1)n ) ist divergent: Für jedes a ∈ R gilt ja | a − (−1)n | ≥ 1 für alle
geraden oder für alle ungeraden n .
4.6 Das Axiom des Archimedes. Als erstes Beispiel für Konvergenz bietet sich
natürlich n1 → 0 an. Da diese Folge monoton fällt, bedeutet dies nach (5)
∀ε>0∃n∈N :
oder, mit C =
1
ε
1
n
<ε
,
∀ C >0 ∃ n∈N : n>C.
Es gilt also n1 → 0 genau dann, wenn N unbeschränkt ist. Sicher hat N keine obere
Schranke in Q , doch läßt sich mit Hilfe der bisherigen Axiome nicht beweisen, daß
es auch in R keine solche obere Schranke gibt. Es wird daher das Axiom des Archimedes postuliert:
Axiom A N ist unbeschränkt.
Damit ist dann also ( n1 ) wirklich eine Nullfolge.
22
I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
4.7 Feststellung. E seien a ∈ R sowie (an ) und (bn ) Folgen in R mit
∃ C > 0 ∀ n ∈ N : | an − a | ≤ C · bn .
(8)
Aus bn → 0 folgt dann an → a .
Beweis. Zu ε > 0 gibt es n0 ∈ N mit 0 ≤ bn <
| an − a | ≤ C · bn < ε für diese n .
ε
C
für n ≥ n0 . Dann folgt sofort
4.8 Wurzeln. a) Es sei c > 0 gegeben. Wie in 4.1 b) findet man eine Folge kompakter Intervalle Jn = [an , bn ] mit a2n ≤ c ≤ b2n und | Jn | = 10−n | J0 | ≤ Cn → 0
(vgl. 3.12 f)). Nach Axiom I und 4.3 a) gibt es genau eine Zahl x ∈
∞
T
n=1
Jn .
b) Auch die Intervalle In := [a2n , b2n ] bilden eine Intervallschachtelung, und offenbar
liegen sowohl x2 wie auch c im Durchschnitt aller In . Wegen
b2n − a2n = (bn + an ) (bn − an ) ≤ 2b1 | Jn |
gilt auch | In | → 0 . Folglich kann nur eine Zahl im Durchschnitt aller In liegen,
und das impliziert nun x2 = c . Somit gilt:
c) Zu jeder reellen Zahl c ≥ 0 gibt es eine eindeutig bestimmte Zahl√x ≥ 0 mit
x2 = c . Diese heißt Quadratwurzel, kurz Wurzel von c , Notation: x = c .
d) Die Eindeutigkeit folgt sofort aus der strengen Monotonie der Potenzfunktion
p2 : [0, ∞) 7→ [0, ∞) . Diese ist also √
bijektiv. Ihre Umkehrfunktion ist die auf [0, ∞)
definierte Wurzelfunktion w2 : x 7→ x . Nach Satz 3.16 b) ist auch die Wurzelfunktion streng monoton wachsend.
e) Analog zu a)-d) kann man auch m -te Wurzeln für alle m ∈ N konstruieren, vgl.
dazu auch 5.8.
4.9 Aussagen über konvergente Folgen. a) Eine Folge (an ) in R hat höchstens
einen Limes, Grenzwerte sind stets eindeutig bestimmt.
b) Konvergente Folgen an → a sind beschränkt. Die Umkehrung gilt natürlich nicht,
wie etwa das Beispiel (an ) = ((−1)n ) zeigt.
c) Aus an → a und bn → b folgt stets auch an + bn → a + b und an · bn → a · b . Ist
b 6= 0 , so gilt auch bn 6= 0 für große n , und man hat abnn → ab .
d) Aus an → a folgt stets auch | an | → | a | .
√
√
e) Aus 0 ≤ an → a folgt stets auch an → a .
f) Es seien (an ), (bn ) Folgen mit an ≤ bn ab einem n0 ∈ N . Aus an → a und
bn → b folgt dann a ≤ b . Das Beispiel an := − n1 < bn := + n1 zeigt, daß diese
Aussage für < “ nicht richtig ist.
”
4.10 Beispiele. a) Für q ∈ R betrachten wir die Folge (q n ) . Für q = 1 gilt q n → 1 ,
für q = −1 ist (q n ) = ((−1)n ) divergent. Für | q | > 1 schreibt man | q | = 1 + h mit
h > 0 . Es folgt | q n | = | q |n ≥ 1 + nh nach der Bernoullischen Ungleichung; (q n )
ist also unbeschränkt und somit divergent.
b) Für | q | < 1 ist, wiederum nach der Bernoullischen Ungleichung, die Folge (n·q n )
beschränkt (vgl. Beispiel 3.12 f)). Man hat also | q n | ≤ Cn , und nach Axiom A und
4 Konvergente Folgen
23
4.7 ist (q n ) eine Nullfolge.
c) Allgemeiner wird nun gezeigt (vgl. [K1], 5.7 für einen anderen Beweis):
∀ k ∈ N0 ∀ q ∈ (−1, 1) : lim nk · q n = 0 .
(9)
n→∞
Man hat
1
|q|
= 1 + h mit h > 0 . Für n ≥ 2k + 1 gilt die Abschätzung
(1 + h)n ≥
n
k+1
hk+1 =
n·(n−1)···(n−k)
(k+1)!
hk+1 ≥ ( n2 )k+1
hk+1
(k+1)!
,
und daraus folgt
nk
2k+1 · (k + 1)! 1
≤
·
→ 0 für n → ∞ .
(1 + h)n
hk+1
n
| nk q n | =
n
d) Für alle a ∈ R gilt lim an! = 0 . Zum Beweis wählt man ℓ ∈ N mit ℓ ≥ | a |
n→∞
und erhält für alle n > ℓ :
n
| an! | =
|a|
1
·
|a|
2
e) Wegen 4.9 e) folgt aus
···
1
n
|a|
ℓ
·
|a|
ℓ+1
|a|
ℓ+2
·
√1
n
→ 0 auch
···
|a|
n
≤
| a |ℓ
ℓ!
·
|a|
n
→ 0.
→ 0.
f) Zur Berechnung eines Grenzwertes von Brüchen kürzt man durch den am schnellsten gegen ∞ strebenden Term:
√
2
− √1n + 3
2 − n n + 3n2
0−0+3
3
n2
→
=
= ,
4
2
4n + 7n
+7
0+7
7
n
5 n
n5
9
n 2 − 4n + 8
=
2n − 3n
n
2
3
−
2n
3n
( n7 )n
4n9
3n
−1
+
8
3n
→
0−0+0
= 0,
0−1
sin n + 5 nn!n
0+0
→
= 0.
1 + n3−n
1+0
n
7 sin n + 5 n!
=
nn + n3
g) Im Fall a = b = 0 kann keine allgemeine Aussage über das Verhalten der Quotienten an/bn gemacht werden. Als Beispiel diene etwa bn = 1/n2 → 0 . Für an = 1/n3 gilt
an/b = 1/n → 0 , für a = c/n2 gilt an/b = c → c , und für a = 1/n ist ( an/b = n)
n
n
n
n
n
divergent.
q
√
√
2
3
h) Man hat 3+4n
=
+
4
→
0+4 = 2.
2
n
n
√
i) Die Folge (an = n) ist unbeschränkt. Trotzdem gilt für die Differenzen der
Folgenglieder
0 ≤ an+1 − an =
j)
√
√
n+1−
√
(n + 1) − n
1
n = √
√ ≤ √ → 0.
2 n
n+1+ n
n4 + 3n2 − n4
3
3
3
n4 + 3n2 − n2 = √ 4
→√
=q
= .
2
2
3
2
n + 3n + n
1+1
1 + n2 + 1
k) Die Folge (sin n) ist beschränkt und oszilliert zwischen −1 und 1 in unübersichtlicher Weise. Man kann zeigen, daß die Folgenglieder jeder Zahl x ∈ [−1, 1]
beliebig nahe kommen“, d. h. zu jeder Zahl x ∈ [−1, 1] und ε > 0 gibt es n ∈ N
”
mit | x − sin n | < ε (vgl. dazu [K1], Satz 7.5*).
24
I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
Aussage (9) bedeutet, daß für jede Zahl a > 1 und jede Potenz k ∈ N die Folge
”
k
(an ) schneller gegen ∞ strebt als die Folge (nk ) “; in der Tat gilt ja ann → 0 . Nach
4.10 d) strebt die Folge (n!) noch schneller gegen ∞ . “ Die soeben verwendete
”
bequeme Sprechweise für gewisse divergente Folgen präzisieren wir so:
4.11 Definition. a) Eine Folge (an ) ⊆ R strebt gegen +∞ , falls an > 0 ab einem
n0 ∈ N ist und a1n → 0 gilt. Ist dies der Fall, so schreiben wir an → +∞ .
b) Eine Folge (an ) ⊆ R strebt gegen −∞ , Notation an → −∞ , falls die Folge
(−an ) gegen +∞ strebt.
4.12 Die Symbole ±∞ sind keine reellen Zahlen. Manchmal ist es jedoch bequem,
R durch sie zur Menge
R := R ∪ {+∞, −∞}
(10)
zu erweitern. Dann sollen einige einleuchtende Regeln gelten, etwa
x
= 0 für x ∈ R ,
±∞
x · ±∞ = ±∞ für x > 0 , x · ±∞ = ∓∞ für x < 0 .
−∞ < x < +∞ , x ± ∞ = ±∞ ,
Man beachte, daß einige Ausdrücke, wie etwa 0 · ∞ ,
definiert sind.
∞
∞
, 1∞ oder ∞ − ∞ nicht
4.13 Wachstumsgeschwindigkeit von Folgen. Es ist für die Analysis sehr wichtig, die Wachstumsgeschwindigkeit von Folgen an → +∞ zu erfassen. Eine Folge
an
→ 0 gilt. In der folgenden Liste
(bn ) strebt schneller gegen +∞ als (an ) , falls
bn
strebt jede Folge schneller nach +∞ als die vorhergehende:
2
a) (nk ) , k ∈ N ; b) (an ) , a > 1 ; c) (n!) ; d) (nn ) ; e) 2n .
Die beiden ersten Behauptungen gelten
n nach 4.10. Weiter hat man offenbar
n!
1
2
n
1
nn
= n · n · · · n ≤ n → 0 sowie 2n2 = 2nn ≤ 2nn → 0 nach (9).
nn
4.14 Satz. Monotone beschränkte Folgen sind konvergent.
Der etwas technische Beweis basiert auf den Axiomen A und I (vgl. [K1], 6.12).
Es ist leicht einzusehen, daß auch umgekehrt Theorem 4.14 diese Axiome impliziert.
An Stelle der Axiome A und I kann man also auch Satz 4.14 als Formulierung der
Vollständigkeit von R betrachten.
4.15 Unendliche Reihen. a) Wegen 4.9 c) und 4.10 b) ergibt sich aus der geometrischen Summenformel (2.5) die wichtige Aussage
∞
P
k=0
q k := lim
n
P
n→∞ k=0
1 − q n+1
1
=
,
n→∞ 1 − q
1−q
q k = lim
|q| < 1.
(11)
Die Aufsummierung unendlich vieler positiver Zahlen“ liefert hier also einen end”
∞
P
lichen Wert, die Summe der geometrischen Reihe
qk .
k=0
25
4 Konvergente Folgen
b) Für eine Folge (ak ) in R betrachtet man die unendliche Reihe, kurz: Reihe
P
k≥1
ak = a1 + a2 + a3 + · · · .
(12)
Diese heißt konvergent, falls die Folge der Partialsummen (sn :=
ak ) konver-
k=1
giert. In diesem Fall heißt
∞
P
n
P
ak := s := lim sn
(13)
n→∞
k=1
die Summe der Reihe. Nicht konvergente Reihen heißen divergent.
c) Offenbar gilt
sn − sn−1 = an ,
n ≥ 1 (mit s0 := 0) .
(14)
Somit kann jede Folge (sn ) als Folge der Partialsummen einer Reihe aufgefaßt werden; dazu muß man nur (an ) gemäß (14) definieren.
d) Ist die Reihe
P
ak konvergent, so folgt mit (14) sofort
k≥1
an = sn − sn−1 → s − s = 0 .
(15)
Es ist also ak → 0 eine notwendige Bedingung für die Konvergenz der Reihe.
e) Diese Bedingung ist jedoch nicht hinreichend: Die harmonische Reihe
P
k≥1
divergent, obwohl
n
P
k=1
1
k
1
k
→ 0 gilt. Dies ergibt sich aus der Abschätzung
≥ 1+
m
2
für n ≥ 2m .
1
k
ist
(16)
f) Dagegen hat man für alle n ∈ N die Abschätzung
1
≤ 2;
2
k=1 k
n
P
(17)
nach Satz 4.14 ist daher die Reihe
P
k≥1
g) Die Entwicklung (1)
1
3
1
k2
konvergent.
= 0, 3333333 . . . = 0, 3̄ bedeutet
1
3
=
∞
P
gemeiner bedeutet eine Dezimalentwicklung x = x0 , x1 x2 x3 . . . · 10
xk ∈ {0, 1, . . . , 9} gerade
x =
∞
P
k=0
3 · 10−k ; all-
k=1
m
xk · 10m−k .
mit Ziffern
(18)
Die Konvergenz einer solchen Reihe ergibt sich aus a) und Satz 4.14.
4.16 Das babylonische Wurzelziehen. a) Es folgt ein schnell konvergentes Verfahren zur Berechnung von Quadratwurzeln, das Heron-Verfahren oder Babyloni”
sche Wurzelziehen“. Dieses kann geometrisch motiviert werden:
b) Zu a > 0 wird ein Quadrat mit Seitenlänge x > 0 und Flächeninhalt x2 = a
gesucht. Man startet mit einem Rechteck R0 mit Flächeninhalt a und Seitenlängen
x0 > 0 und y0 = xa0 . Die Seitenlänge des gesuchten Quadrats ist das geometrische
26
I. Zahlen, Konvergenz und Stetigkeit
√
√
Mittel x0 y0 = a = x von x0 und y0 . Da man dieses nicht (ohne weiteres) berechnen kann, berechnet man statt dessen das arithmetische Mittel x1 = 12 (x0 + y0 )
von x0 und y0 und damit das Rechteck R1 mit den Seitenlängen x1 und y1 = xa1 .
c) Nun hofft man, daß R1 eine bessere Annäherung an das gesuchte Quadrat ist als
R0 . Dies ist in der Tat der Fall, und die Iteration der Methode aus b) führt zum
Heron-Verfahren.
Das geometrische Mittel ist höchstens so groß wie das arithmetische Mittel:
√
4.17 Feststellung. Für x, y ≥ 0 gilt xy ≤ 12 (x + y) .
Beweis. Aus 0 ≤ (x − y)2 = x2 − 2xy + y 2 ergibt sich durch Addition von 4xy
sofort 4xy ≤ x2 + 2xy + y 2 = (x + y)2 und somit
xy ≤
1
2
(x + y)
2
.
(19)
Der Beweis (vgl. [K1], 6.15) des folgenden Satzes über das Heron-Verfahren liefert
auch einen von 4.8 unabhängigen Beweis für die Existenz der Quadratwurzeln
positiver Zahlen, da die Ungleichung in Feststellung 4.17 zwischen arithmetischem
und geometrischem Mittel nur in der Form (19) verwendet wird.
4.18 Satz. Es sei a > 0 gegeben. Für einen beliebigen Startwert x0 > 0 wird durch
xn+1
1
:=
2
xn
a
+
xn
(20)
rekursiv eine Folge (xn ) in (0, ∞) definiert. Die Folge (xn )n∈N ist monoton fallend,
und für den Grenzwert x := lim xn gilt x2 = a .
n→∞
4.19 Quadratische√ Konvergenz. Die in (20) definierte Folge (xn ) konvergiert
sehr schnell gegen a . Für a = 2 etwa ergeben sich folgende Werte mit dem
Startwert x0 = 2 :
n
xn
1
2
3
4
5
6
1, 5
1, 41667
1, 414215686
1, 4142135623746899
1, 4142135623730950488016896
1, 414213562373095048801688724209698078570
Man erhält mit jedem Iterationsschritt
etwa doppelt soviele gültige Stellen wie zuvor,
√
d. h. der Fehler dn := xn − a fällt quadratisch. Dies läßt sich auch allgemein
beweisen:
√
√ a
1 2
1
xn +
− a =
xn + a − 2xn a
dn+1 =
2
xn
2xn
√ 2
√ 2
1 1
xn − a
≤ √ xn − a , also
=
2xn
2 a
1
(21)
dn+1 ≤ √ d2n .
2 a
4 Konvergente Folgen
27
Man spricht
von quadratischer Konvergenz. Für a ≥ 1 (andernfalls berechnet man
q
zuerst 1/a ) fällt der Fehler sehr schnell gegen 0 , sobald dn < 1 erreicht ist (dies
√
ist um so eher der Fall, je näher der Startwert an a lag). Da x0 > 0 beliebig
wählbar ist, spielen eventuelle Rundungsfehler (vgl. Abschnitt 9) bei der Rechnung
keine Rolle. Ist a ∈ Q und wählt man x0 ∈ Q , so gilt auch xn ∈ Q für alle n ∈ N ,
d. h. man kann rational rechnen.
Aufgaben: 1. Ist die Reihe
1
√
k
k
k≥1
P
konvergent ?
2. Versuchen Sie, das babylonische Wurzelziehen auf die Berechnung dritter Wurzeln zu
erweitern.
Herunterladen