Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen 15.09.11 Inhalt Schlimm aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ¨ Anthropologisches (biopsychosoziales) Modell ¨ Psychiatrische Krankheiten mit Störung des Sozialverhaltens ¨ Therapie ¨ SCHLIMM ODER KRANK? WENN SCHLIMME KINDER KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRISCHE UNTERSTÜTZUNG BRAUCHEN Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at „Schlimm“: Verhalten aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht Instrumentell ¨ Emotional-überschwemmt ¨ ¤ Wut ¤ Angst, B. Bedrohungsgefühl ¤ Trauer ¤ Sexuell erregt Impulskontrollgestört ¨ Stimulationssuchend ¨ Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Verhalten Genetisch ¨ Epigenetische Regulation ¨ Objektkonstanz eines Objekts, welches soziale Kompetenz, Gefühlserkennung, Emotionsregulation, Bedürfnisbeantwortung, Spiegeln, Tunen, joined attention zeigt ¨ Modelllernen ¨ Konditionierung ¨ 1 Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen Anthropologisches Modell 15.09.11 Anthropologisches Modell Anthropologisches Modell Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at 2 Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen 15.09.11 DC:0-3R (2005) ICD-10 MAS Multiaxiales Klassifikationssystem: ¨ Achse I: Klinischpsychiatrisches Syndrom Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen Achse III: Intelligenzniveau Achse IV Körperliche Symptomatik ¨ Achse V Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände Achse VI: Globale Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus • I. Achse: Klinische (psychische) Störung • II. Achse: Beziehung • III. Achse: Medizinische Diagnosen nach ICD-10 und DSM-IV • IV. Achse: Psychosoziale Stressoren • V. Achse: emotionales und soziales Funktionsniveau ¨ DC0-3 Achse I: DC0-3: 410 Hypersensitive Regulationsstörung Typ B: Negativ, Trotzig Störungen, die Eltern als schlimm bezeichnen können 410: Hypersensitive Regulationsstörung Typ B: Negativ, trotzig ¨ 430 Stimulationssuchend/Impulsiv ¨ ¨ ¨ Remschmidt H, Schmidt M, Poustka F (Hrsg) (2001). Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO.Bern:Huber. ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at ¨ Aversive Reaktion auf sensorische Stimulation wie leichte Berührung, laute Geräusche oder Stimme, helles Licht, neue sensorische Erfahrungen wie Geschmack oder Geruch, rauhe Oberflächen oder Bewegung im Raum Leicht überwältigt durch alltägliche sensorische Reize mit Auslösung des Stresshormonsystems Abhängig von Ort, Dauer, Intensität, Wiederholung des Reizes Abhängig von der Ausgangslage des Stresshormonsystems vor der Reizapplikation Abhängig von der autonomen Kontrolle über den Reiz Vorläufer der oppositionellen Störung des Sozialverhaltens 3 Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen DC0-3: 430 Stimulationssuchend/Impulsiv Impulsivität, Angst, Belohnungssystem Sensorik: 1) 1) Aufsuchen von Reizen hoher Intensität. Dies kann zu Destruktivität oder Risikomissachtung führen Impulsivität Ängstlichkeit Erreichbarkeit über Belohnungen Antisozial hoch niedrig niedrig Histrionisch hoch niedrig hoch Explosiv-schizoid hoch hoch niedrig passiv-aggressiv hoch hoch hoch schizoid niedrig niedrig niedrig zyklothym niedrig niedrig hoch Zwangshandlunge n niedrig hoch niedrig passiv-abhängig niedrig hoch hoch Motorik: 2) 1) 2) 3) Bedürfnis nach starker Bewegung Unspezifische Impulsivität Hohe Unfallhäufigkeit mit Tollpatschigkeit Verhalten 3) 1) Ständig aktiv 2) Ständiges Aufsuchen von Kontakt mit Menschen und Gegenständen 3) Herausfordern von Stimulation durch Druckmachen Rücksichtslosigkeit (schlechte Theory of Mind bzw geringe Einfühlsamkeit) Desorganisierte, schlecht geplante, sprunghafte Wechsel in der Aktivität 4) 5) Fakultativ 4) 1) 2) 3) 4) 5) ¨ 15.09.11 Leicht emotional erregbar Aggressiv Grenzüberschreitend Waghalsig und rücksichtslos mit dem Risiko von Verletzungen und Unfällen Vorwiegend Aggressive Inhalte im Spiel Kann in weiterer Folge als ADHS diagnostiziert werden Tremblay 1994: Störung des Sozialverhaltens im Kindesalter. Studie aus Kanada an Kindergartenkindern im Alter von 17-42. Lebensmonat Prädiktoren für aggressives Verhalten im Alter vom 17.-42. Lebensmonat (1,5-3,5 Lj.) ¨ geringer Altersunterschied zu Geschwistern niedriges Einkommen der Eltern getrennt lebende Eltern junge Mutter antisoziale Mutter Rauchen während der Schwangerschaft Vater oder älterer Bruder antisozial postpartale Depression der Mutter Bildungsniveau ¨ elterliche Gewalt ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Körperliche Misshandlung ¨ ¨ Trauma Typ II nach Leonore Terr 74% der Misshandelten werden durch eine Störung des Sozialverhaltens auffällig Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 4 Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen Störung des Sozialverhaltens: Leitsymptome ¨ ¨ ¨ ¨ Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten oder Tyrannisieren Ungewöhnlich häufige oder schwere Wutausbrüche Erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum Grausamkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Zündeln Stehlen Häufiges Lügen Schuleschwänzen Weglaufen von zu Hause. 15.09.11 Psychiatrische Erkrankung und Aggression ADHS ¨ Sprachentwicklungsstörung ¨ Autismus ¨ Psychotische Episoden ¨ Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Deutscher Ärzte Verlag, 2. überarbeitete Auflage 2003 - ISBN: 3-7691-0421-8 Psychiatrische Erkrankungen und Aggression Psychiatrische Erkrankungen und Aggression Intellektuelle Minderbegabung ¨ Organische Psychosyndrome, die von Dissozialität begleitet werden (F0) – ¨ Abhängigkeitserkrankungen (F1) als Sekundärfolge und bei Beschaffungskriminalität ¨ ¨ Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Zwangserkrankung, vorwiegend Zwangshandlungen (F42) ¨ Manisch-depressive Erkrankung (F30) ¨ Depression (F31, F32) ¨ PTSD oder Anpassungsstörungen (F43.1/F43.2) ¨ Störung des Sozialverhaltens ¨ Unsicher-ambivalente Bindungsorganisation 5 Schlimm oder krank? Wenn Kinder kinder-­‐ und jugendpsychiatrische Unterstützung brauchen 15.09.11 Therapeutische Ansätze bei instrumenteller Aggression Therapeutische Ansätze bei emotional-überschwemmter Aggression ¨ ¨ ¨ ¨ pädagogisch: Vermittlung von neuen Erfahrungen: - Setzen klarer Grenzen (Machtverlust) - nur Handlungen zählen, nicht Worte - Belohnung prosozialen Verhaltens - Loslösung aus devianten Peer-Gruppen - Training sozialer Kompetenz psychotherap.: - Verbesserung der Bindungsfähigkeit - Förderung der Gewissensbildung - emotionale Nachreifung - Aufbau der psychischen Ich-Struktur und Objektkonstanz medikamentös: in der Regel keine Indikation, jedoch positive Berichte für Atomoxetin ¨ ¨ medikamentös: ¤ Neuroleptika, z.B. Risperidone (bis 2,5 mg) +/- MPH ¤ Valproinsäure ¤ Trazodon (Trittico) pädagogisch: ¤ Strukturierung ¤ kontingente Reaktion auf Verhalten ¤ Training sozialer Kompetenz ¤ Schaffung einer beruhigenden Atmosphäre ¤ Social Referencing Psychotherapie: ¤ Schulung der Emotionserkennung ¤ Verbesserung der Selbstkontrolle ¤ Verstärkerpläne ¤ Behandlung komorbider emotion. Störungen Therapeutische Ansätze bei ängstlich-aggressiven Störungen ¨ Psychotherapie: ¤ Veränderung der psychischen Struktur hin zu einer flexibleren Impulskontrolle. ¤ Behandlung komorbider emot. Störungen. ¤ ¨ pädagogisch: ¤ ¤ ¨ bei PTSD: Traumatherapie (z.B. EMDR) Schaffung einer angstfreien Atmosphäre rechtzeitige Deeskalation bei emotional aufgeheizten Situationen medikamentös: ¤ Sinnvoll: AN (Rispreidon, Ziprasidon, Quetiapin, Buspiron) Dr. Christoph GöGl www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at 6