M arek Janow ski 1. März 2015

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RundfunkSinfonieorchester
Berlin
So | 1. März 15 | 16.00
Philharmonie Berlin
Abokonzert A/4
14.45 Uhr, Südfoyer
Einführung von Steffen Georgi
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Marek Janowski 1. März 2015
MAREK JANOWSKI
Jacquelyn Wagner | Sopran
Rundfunkchor Berlin
Nicolas Fink | Choreinstudierung
Alexander Skrjabin
(1872 – 1915)
„God, how fine it is! It is one of the greatest masterpieces
of modern music.“
„Le Poème de l’extase“ – Sinfonie Nr. 4 op. 54
Igor Strawinsky an Florent Schmitt, 23. Februar 1912.
Die Briefstelle betrifft Schmitts „La Tragédie de Salomé“.
Maurice Ravel
(1875 – 1937)
„Shéhérazade“ –
Drei Poeme für Gesang und Orchester über
Gedichte von Tristan Klingsor
„Igor Strawinsky ist, wie ich glaube, der Messias, auf den wir
seit Wagner gewartet haben.“
› Asie
› La Flûte enchantée
› L’Indifférent
Florent Schmitt, 1913,
nach der Premiere von „Le Sacre du printemps“
Pause
Florent Schmitt
(1870 – 1958)
Psaume XLVII (Psalm 47)
für gemischten Chor, Sopransolo, Orgel und
Orchester op. 38
(gesungen in französischer Sprache)
HANDY AUS?
DANKE!
Wir bitten Sie, zwischen den Sätzen der einzelnen
Werke nicht zu applaudieren.
Kooperationspartner
in der roc berlin
Konzert mit
Europaweit. In Berlin auf 89,6 MHz;
Kabel 97,55 und Digitalradio.
Übertragung am 3. März 2015, 20.03 Uhr
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Steffen Georgi
Verstörend großartig
War er ein Wirrkopf oder ein Genie?
Auf diese Frage keine eindeutige
Antwort zu finden, ist häufig ein
Indiz für große Kunst und ihren
Hervorbringer. Für den Pianisten,
Komponisten und Hobbyphilosophen Alexander Skrjabin ist sie mit
Sicherheit zu stellen. Seine theosophischen Verschlingungen zwischen
Indien und Schopenhauer, sein musikalisches Kokettieren zwischen
Wagner und Debussy, sein turbulentes Leben zwischen Genfer See und
Moskau, zwischen mondänem französischem Parfum und kräftigem
russischem Machorka sind an überspannter Exaltiertheit, an morbider
Fin-de-Siècle-Atmosphäre kaum zu
überbieten. Der russische Komponist fand eine ganz eigene, von Wien
und Paris sehr verschiedene Sprache,
dem neuen Jahrhundert entgegenzukomponieren. Nicht weniger interessant als Schönbergs Mut zu neuen
Ufern oder Debussys Experimente
zur Klangverfeinerung, schöpfte
Skrjabin aus anderen Quellen, kam
zu anderen Lösungen, wurde im
20. Jahrhundert anders rezipiert.
Skrjabins künstlerische Wurzeln liegen in Chopin und Tschaikowsky,
Alexander Skrjabin
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Alexander Skrjabin
„Le Poème de l’extase“ – Sinfonie Nr. 4
op. 54
Besetzung
Piccoloflöte, 3 Flöten, 3 Oboen,
Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette,
3 Fagotte, Kontrafagott, 8 Hörner,
5 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken,
Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Orgel,
Streicher
Dauer
ca. 20 Minuten
Verlag
Belaieff/ Peters, Frankfurt am Main
Entstehung
1905 – Mai 1907
Uraufführung
10. Dezember 1908, New York
Modest Altschuler, Dirigent
die hörbaren Anklänge an Alexander Borodin und César Franck
(und damit auch an Richard Wagner
„à la française“) verschmelzen
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| Skrjabin, „Le Poème de l’extase“
Traditionen, die andere russische
Zeitgenossen, etwa Rachmaninow
oder Strawinsky, so nicht weitergedacht haben.
Götter und Götzen
Viel mehr noch als die beiden letztgenannten Kollegen war Skrjabin
ein intellektueller Kosmopolit. Er
lebte in Russland, Paris und in der
Schweiz. Sein Heimweh nach russischer Lebensart und Kultur äußerte
sich nicht in Sehnsucht nach Volksmelodien und -tänzen. Seine Popularität in der späteren Sowjetunion
fiel entsprechend gering aus. Aber
dass ausgerechnet der erste Volkskommissar für Kultur der UdSSR,
Anatoli Lunatscharski, bereits 1925
scharfsinnige Überlegungen zu
Skrjabin angestellt hatte, um dessen
fraglos epochale Bedeutung für die
russische wie für die moderne internationale Musik dem jungen Arbeiter- und Bauernstaat dienstbar zu
machen, hat den Skrjabin-Enthusiasmus im Westen für mehr als fünf
Jahrzehnte entscheidend abgekühlt.
Ein Fehler! Zumal damit der gewichtigste Ansatz verstoßen wurde, der
neben Strawinsky in der Waagschale
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der Moderne ein ernsthaftes Gegengewicht zu Schönberg hätte bilden
können. So konnte Schönbergs Ästhetik bei allem tatsächlichen Gewicht
gewaltig ins theoretische Kraut
schießen und die musikalische
Avantgarde fast ein halbes Jahrhundert lang allein dominieren.
Dabei existieren verblüffende Parallelen zwischen Schönberg und Skrjabin. Nach dem gemeinsamen, schier
göttlichen Sendungsbewusstsein
wäre zuerst der verbal-ideologische
Verhau zu nennen, welcher beider
Musik umgibt wie die berühmte
Dornenhecke Dornröschen. Ist die
Barriere bei Schönberg ein unseliges
Gemisch aus Intellekt, Verklemmtheit und Jähzorn, so verunklart
Skrjabin seine genial erdachte Musik
mit mystischer Hobbyphilosophie
aus der theosophischen Ecke. Sein
„Ich bin Gott“ ist gar nicht weit entfernt von Nietzsches Übermensch
Zarathustra, dem Strauss musikalisch gehuldigt und den Debussy
enthusiastisch begrüßt hat, nicht
weit entfernt von Mahlers Vision der
Auferstehung in der Sinfonie Nr. 2,
und dennoch: Skrjabins herausfordernder Anspruch tönt für christli-
Alexander Skrjabin, „Le Poème de l’extase“
Titelblatt der ersten Partiturausgabe
che Ohren noch unverschämter nach
Blasphemie und Selbstvergötzung
als beispielsweise die deftigen heidnischen Feiern Strawinskys. Doch
sogar hier findet sich eine verblüffende Brücke. Die pure Lust, an welcher
die alten Priester sich während des
„Frühlingsopfers“ ergötzen, sie findet ihr Pendant in Skrjabins explizit
notierter Wolllust im „Divin poème“,
desgleichen im „Poème de l’extase“,
im „Poème du feu“ und im geplanten
„Mysterium“.
Extase
„Ich bin Gott – ich bin nichts“, provozierte der zweimal verheiratete
Vater von sechs Kindern die Geistes-
welt anno 1906 mit einem 370-versigen Monstrum von Gedicht namens „Le Poème de l’extase“. Und
der bisher fast ausschließlich für
das Klavier komponiert hatte, setzte
sich sogleich hin, um nach „Le Divin
poème“ (Sinfonie Nr. 3, 1902 –1904)
ein weiteres fulminantes Orchesterwerk folgen zu lassen: „Le Poème
de l’extase“, Sinfonie Nr. 4. Später
folgte noch „Prométhée – Le Poème
du feu“ (1908 –1910). Hier ergänzte
er die ohnehin riesige Orchesterbesetzung samt Chören noch um ein
„Licht-Farben-Klavier“.
In den letzten Jahren seines kurzen,
von einer Sepsis 1915 jäh beendeten
Lebens kreisten Skrjabins Ideen um
ein kolossales „Mysterium“, das unter Beanspruchung aller Sinne die
Religion und die Kunst vereinen sollte. Der Prophet selbst, also Skrjabin,
sollte eines Tages, genauer: während
eines siebentägigen Rituals, dieses
Gesamtkunstwerk in einem indischen Tempel zelebrieren. Eine Symbiose aus Wort, Ton, Farbe, Duft,
Berührungen, Tanz und Architektur
hätte die Teilnehmer auf eine höhere,
„kosmische“ Bewusstseinsstufe,
geführt. Bayreuth war den Giganto-
9
| Skrjabin, „Le Poème de l’extase“
manen der Gründerzeit längst zu
popelig geworden.
Eine radikale Ich-Bezogenheit, die
Anmaßung vom Menschen als Gott
machte auch die Faszination von
Nietzsches Zarathustra aus. Und
ein Komponist wie Richard Strauss
zögerte nicht, sich musikalisch wie
philosophisch an dieser Stelle zu verorten. Arnold Schönberg hingegen
bezog mit der Verhöhnung des Tanzes ums Goldene Kalb in seiner Oper
„Moses und Aron“ auf der anderen
Seite der Moral Stellung. Gustav
Mahler, dessen Sinfonien als „Weltanschauungsdramen“ gelten, war
philosophisch wesentlich vorsichtiger, weniger anmaßend, was den
Alleingültigkeitsanspruch betraf.
Wo aber ordnete sich der Gottsucher
Alexander Skrjabin ein in diesem
um die Wende zum 20. Jahrhundert
sehr populären Streit?
Ich rufe euch zum Leben auf,
verborgene Bestrebungen!
Seiner Gönnerin Margarita Morosowa berichtete Skrjabin in einem Brief
vom Genfer See (28. Januar 1905)
von einem kompositorischen Vorhaben, mit dem er auf den sogenann-
10
ten „Blutsonntag von Petersburg“ –
der Zar hatte auf friedlich demonstrierende Arbeiter schießen lassen
– Bezug nehmen wollte. „Welchen
Eindruck macht auf Sie die Revolution in Russland: Sie freuen sich, nicht
wahr? Endlich erwacht auch bei uns
das Leben!“ Die sozialistische Musikgeschichtsschreibung ab Lunatscharski vereinnahmte auf Grund dieser
brieflichen Äußerung Skrjabins
Musik des „Poème de l’extase“ als
orchestrale Huldigung an die revolutionären Ereignisse in Russland. Das
Werk (das in einer früheren Version
„Poème orgiaque“ hieß) wurde mit
kämpferischem Tatendrang gleichgesetzt und in die Reihe der musikalischen Vorboten der späteren Oktober-Revolution (1917) eingereiht.
Man mag staunen, wie ein kluger
Kopf wie Lunatscharski angesichts
der extrem klangsinnlichen, üppig
instrumentierten Musik auf eine solche Idee verfallen kann. Vielleicht
wollte er Skrjabin einfach vor dem
ideologischen Verdikt retten. Aparte
Hinweise in der Partitur, die kaum
als Spielanweisungen gelten können,
wie „très parfumé“ und „presque en
délire“, „avec une volupté de plus en
plus extatique“ und „avec une ivresse
toujours croissante“ passen zu den
erotomanischen Klangvorstellungen
eines exaltierten Ekstatikers wesentlich besser als zur sinfonischen
Umsetzung des Kampfes der Arbeiterklasse.
Die Sehnsucht nach
Selbstbehauptung
Das „Poème de l’extase“ ist eine einsätzige Komposition in der Nachfolge der Sinfonischen Dichtungen von
Franz Liszt. Charakteristischerweise
trägt es keine Tonartenbezeichnung
mehr. Die harmonischen Kühnheiten Skrjabins stehen absolut auf
der Höhe seiner Zeit. Klangzentren
übernehmen die Funktion der ehemaligen harmonischen Ruhepunkte
innerhalb des dicht geflochtenen und
überreich orchestrierten Werkes.
Themen im strengen Sinne gibt es
nicht, wohl aber prägnante Motive –
hier folgt Skrjabin Wagner. Die sehr
leise beginnende Einleitung reiht
fünf Motivgruppen auf: 1. Andante.
Languido, 2. Lento. Soavamente,
3. Allegro volando, 4. Lento, 5. Allegro non troppo. Das Durchhören ist
schwierig, weil Skrjabin die Trans-
parenz zugunsten des voluminösen
Orchesterklanges vernachlässigt.
Die Flöte führt zuerst das „Thema
der Sehnsucht“ ein. Mit ihm verwandt ist das von der Klarinette
intonierte „Thema des Traums“.
Zusammen mit dem „Thema der
entstandenen Geschöpfe“ (Violine)
symbolisieren diese lyrischen Motive zunächst die passive („weibliche“)
Seite. Im stark rhythmisierten Allegro non troppo folgt in den Hörnern
das „Thema der Unruhe“. Wichtige
Rollen spielen danach das von den
Trompeten geschmetterte „Thema
des Willens“ und das von weiteren
Blechbläsern vorgestellte „Thema des
Protestes“; sie münden in das sieghafte „Thema der Selbstbehauptung“
– allesamt von Skrjabin als „männlich“ reklamiert.
Innerhalb des hitzigen Gebrodels
kommt es immer wieder zu dynamisch nuancierten Szenen. Einzelne Soli erhalten Gelegenheit zu zart
versonnenen Seitengedanken. Dennoch überwiegt der Eindruck eines
grandiosen Orchestercrescendos bis
hin zum dröhnenden C-Dur-Schlussakkord.
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Nun ergib dich vertrauensvoll mir!
In ein Meer von Wonnen versenke ich
dich,
In ein liebendes, lockendes, kosendes,
Das bald mit wuchtiger Woge drohend,
Bald nur von Ferne umspielend
Dich küsst
Nur mit sprühenden Tropfen.
Dennoch wirst du sehnlich verlangen
Anderes,
Neues!
Dann werde ich auf dich fallen
Als reicher Blütenregen,
Wohlgeruch in reicher Fülle
Spendend zu Lust und Qual,
Im Spiele der Düfte,
Bald zarter, bald schärfer,
Im Spiel der Berührung,
Bald leichter, bald stärker.
Und ersterbend
Wirst du dann flüstern
Voll Glut:
Mehr,
Immer mehr!
Dann stürz’ ich mich auf dich
Als Schar von Ungeheuern,
Wilder Qualen Schrecken bringend,
Wie Schlangen wimmelnd krieche ich
heran,
Und werde beißen und würgen!
Und stets wahnsinniger,
Stets stärker wird dein Verlangen.
Dann werde ich auf dich fallen
Als Wunder-Sonnen-Flut.
Blitze meiner Leidenschaft
Werden euch entzünden,
Heilige Flammen
Der seligsten,
Verbotensten,
Geheimsten
Wünsche.
Und du wirst sein ein einziger Strom
Von Freiheit und von Seligkeit.
(aus dem „Poème de l’extase“ von
Alexander Skrjabin, deutsch von
Ernst Moritz Arndt)
Das Konzert
im Radio.
Konzert
Di bis Fr, So • 20:03
Oper
Sa • 19:05
In Concert
Mo • 20:03
bundesweit und werbefrei
UKW, DAB +, Kabel, Satellit, Online, App
deutschlandradiokultur.de
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Von weit her
Ravels Shéhérazade stammt aus seiner frühen Reifezeit und die üppige,
doch subtile Harmonik sowie die
raffinierte, wenn auch gelegentlich
überwältigende Orchestrierung sind
typisch für die Magie, die dieser feinfühlige Komponist mit seiner eindringlichen Kunst erzeugen konnte.
Es sind Vertonungen eines Dichters,
der eigentlich Léon Leclère hieß,
aber einen Künstlernamen trug, der
den Helden einer Wagneroper mit
dem Bösewicht einer anderen verband –Tristan Klingsor. Der Zyklus
wurde im Mai 1904 in Paris uraufgeführt.
Das erste Lied zaubert eine Vision
Asiens aus der Phantasiewelt von Bilderbüchern und Märchen hervor, voller Geheimnisse, Gewalt, Schönheit,
Erotik, mit einer Vielzahl exotisch
angehauchter Szenen aus Syrien, Persien, Indien und China, gleichsam
von einem fliegenden Teppich aus
gesehen. Das zweite Lied, „La Flûte
enchantée“, beginnt mit den Klängen
dieses Instruments. Die Sängerin
lauscht aus dem Inneren eines Hauses, in dem ihr Gebieter schläft. Sie
ist eine Dienerin, und ihr Geliebter
spielt draußen auf der Flöte. Im letz-
Maurice Ravel
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Maurice Ravel
„Shéhérazade“
Besetzung
Singstimme, Piccoloflöte, 2 Flöten,
2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten,
2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten,
3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug,
2 Harfen, Celesta, Streicher
Dauer
ca. 15 Minuten
Verlag
Durand & Co.
Paris
Entstehung
1903
Uraufführung
17. Mai 1904, Paris
ten Lied, „L’Indifférent“, flaniert ein
junger Mann von ambivalenter Sexualität verlockend vor einem Haus, aus
dem die Sängerin ihn beobachtet und
hereinbittet. Doch er geht mit einer
anmutigen Geste vorüber.
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| Ravel, „Shéhérazade“
Scheherazade in drei Versionen
In Ravels umfangreichem vokalen
Schaffen stehen neben Einzelliedern
auch zyklische Werke. Der Komponist konnte dabei subtile Bilder und
Stimmungen in prägnante, ojektivierende Formen fassen, wobei ein
beschreibendes Element das lyrische
Moment eher zurückstellte. Oft ist
man versucht, in Ravels kantablem
Melos einen instrumentalen Charakter entdecken zu wollen.
Scheherazade ist die legendäre Erzählerin der Geschichten aus „1001
Nacht“. Der Name kommt aus dem
Persischen und bedeutet „von edlem Antlitz“. Ihre Erscheinung hat
die Phantasie vieler Komponisten
angeregt. Am bekanntesten wurde
die Sinfonische Suite von Nikolai
Rimski-Korsakow aus dem Jahr 1885.
Auch Ravel beschäftigte sich in unterschiedlichen Gattungen mit dieser
exotischen Frauengestalt. Zunächst
arbeitete er Anfang der 1890er Jahre
an einer Oper unter dem Titel
„Olympia“, die er dann zugunsten
von „Shéhérazade“ fallenließ, von der
wiederum lediglich die Ouvertüre
bekannt geworden ist. Die Uraufführung am 27. Mai 1899 in Paris leitete
16
der Komponist persönlich; es spielte
das Orchestre de la Société Nationale.
Das Werk und sein Autor ernteten
Beifall und Pfiffe zu gleichen Teilen. 1903 komponierte Ravel – ohne
Zusammenhang mit dem vorangegangenen Opernprojekt und der aufgeführten Ouvertüre – einen Zyklus
von drei Poemen auf Gedichte von
Tristan Klingsor, der wiederum den
Titel „Shéhérazade“ trägt.
Ravel war seit der Jahrhundertwende
mit Tristan Klingsor (Pseudonym
für Léon Leclère, 1874–1966) befreundet. Er kannte ihn aus dem
„Apachen-Club“, einem Treffpunkt
von Pariser Künstlern. Klingsors
Sammlung „Shéhérazade“ war 1903
erschienen. Die Gedichte kreisen
um den Orient und seine vielfältigen Verlockungen. Ravel gefiel vor
allem die Bildhaftigkeit der Sprache
Klingsors. Er vertonte den Text nach
Silben und folgte damit der Erkenntnis seines Poeten, dass der Rhythmus das wichtigste Mittel der Dichtung und der Musik sei. Nach dieser
Methode entstand eine oft rezitativisch wirkende Vertonung, wobei
die Melodik aus der rhythmisierten
Prosa Klingsors heraus entwickelt
Die Künstlergruppe „Les Apaches“.
Ganz links Florent Schmitt, ganz rechts Maurice Ravel
wird. Das Wort erhält durch die
Musik eine Überhöhung, wozu nicht
zuletzt Ravels raffinierte Instrumentierung ihren Beitrag leistet.
Hatte man die Ouvertüre noch als
„unbeholfenes Plagiat der russischen
Schule“ beurteilt, so konnte sich
Ravel mit dem Zyklus große Achtung und Anerkennung erwerben.
In den drei Vertonungen Klingsors
herrschen esoterische Distanziert-
heit und ästhetische Geschliffenheit.
„Asie“, das erste und längste der
Gedichte, beschwört trotz einer Monotonie des Textes (14-maliges Auftreten der Formel „Je voudrais“)
ein buntes Bild orientalischer Welt.
Zwei Themen (Oboensolo auf dem
flimmernden Tremolo der geteilten
1. Violinen sowie Klarinetten und
tiefe Streicher) treten, jeweils abgewandelt, im Verlauf des Stückes
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MAURICE RAVEL
„SHÉHÉRAZADE“ – TROIS POÈMES
TEXT VON TRISTAN KLINGSOR
immer wieder auf. Ravel teilte den
Text in verschiedene Abschnitte, die
er mit kurzen Zwischenspielen voneinander abhob. Es herrscht eine
rauschhafte Stimmung. „La Flûte
enchantée“ (Die verzauberte Flöte) und „L’Indifférent“ (Der Gleichgültige) sind wesentlich kürzer im
Umfang. Beide enden mit einem
modifizierten Bezug zum jeweiligen Anfangsthema: hier Lyrismus,
dort Sinnlichkeit. Ravel soll die heute übliche Reihenfolge bei der ersten
Aufführung umgestellt haben: „La
Flûte enchantée“, „L’Indifférent“ und
„Asie“.
Die Solistin der Uraufführung und
Widmungsträgerin von „Asie“, Jane
Bathori, berichtete später: „Ich war
sozusagen bestimmt, Ravels Lieder
uraufzuführen, sei es, weil er mich
dafür auserwählte, sei es, weil im
letzten Moment die Umstände ihn
genötigt hatten, mich zu holen. Ich
meine die Uraufführung von ‚Shéhérazade‘, die ich um 3 Uhr aus dem
Manuskript ablas, um sie um 5 Uhr
in einem … Konzert zu singen.“
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Asie
Asie, Asie. Asie
Vieux pays merveilleux des contes de
nourrice
Où dort la fantaisie comme une
impératrice
En sa forêt emplie de mystère.
Asie,
Je voudrais m’en aller avec la goëlette
Qui se berce ce soir dans le port,
Mystérieuse et solitaire,
Et qui déploie enfin ses voiles violettes
Comme un immense oiseau de nuit
dans le ciel d’or.
Je voudrais m’en aller vers des îles de
fleurs
En écoutant chanter la mer perverse
Sur un vieux rythme ensorceleur.
Je voudrais voir Damas et les villes de
Perse
Avec les minarets légers dans l’air.
Je voudrais voir de beaux turbans de
soie
Sur des visages noirs aux dents claires;
Je voudrais voir des yeux sombres
d’amour
Et des prunelles brillantes de joie
Et des paux jaunes comme des oranges;
Je voudrais voir des vêtements de
velours
Et des habits à longues franges.
Je voudrais voir des calumets entre des
bouches
Tout entourées de barbe blanche;
Je voudrais voir d’âpres marchands
aux regards louches,
Et des cadis, et des vizirs
Asien
Wunschtraum Asien – altes
wunderbares Land der Märchen –
Dort schlummert die Phantasie in
Wäldern voll Mysterien.
Ich möchte mit der Barke heute abend
fortfahren, die im Hafen
schaukelt – geheimnisvoll und
einsam –,
die dann ihre violetten Segel entfaltet
wie ein großer Nachtvogel,
der in den goldenen Himmel fliegt.
Ich möchte zu den Blumeninseln
ziehen und das wilde Meer rauschen
hören,
das in altem behexendem Rhythmus
singt.
Ich möchte Damaskus und die
Perserstädte wiedersehen,
deren Minarette zart emporragen.
Ich möchte die schönen seidenen
Turbane sehen
über schwarzen Gesichtern, in denen
die Zähne hell leuchten.
Ich möchte ferner liebesdunkle Augen
sehen
und vor Freude blitzende Augäpfel in
Gesichtern gelb wie Orangen.
Ich möchte Kleider aus Samt sehen und
Anzüge mit Fransen.
Ich möchte die langen Pfeifen sehen
zwischen Lippen von weißem Bart
umgeben,
Ich möchte die gierigen Händler sehen,
mit ihren scheelen Blicken,
auch Kadis und Großwesire, die mit
einem Fingerneigen
19
| Gesungene Texte
Qui du seul mouvement de leur doigt
qui se penche
Accordent vie ou mort au gré de leur
désir.
Je voudrais voir la Perse, et l’Inde, et
puis la Chine,
Les mandarins ventrus sous les
ombrelles,
Et les princesses aux mains fines,
Et les lettrés qui se querrellent
Sur la poésie et sur la beauté;
Je voudrais m’attarder au palais
enchanté
Et comme un voyageur étranger
Contemple à loisir des paysages peints
Sur des étoffes en des cadres de sapin
Avec un personnage au milieu d’un
verger;
Je voudrais voir des assassins souriants
Du bourreau qui coupe un cou
d’innocent
Avec son grand sabre courbé d’Orient.
Je voudrais voir des pauvres et des
reines;
Je voudrais voir des roses et du sang;
Je voudrais voir mourir d’amour ou
bien de haine.
Et puis m’en revenir plus tard
Narrer mon aventure aux curieux de
rêves
En élevant comme Sinbad ma vieille
tasse arabe
De temps en temps jusqu’à mes lèvres
Pour interrompre le conte avec art …
20
bestimmen über Leben und Tod, nach
ihrer Willkür.
Ich möchte Persien, Indien und China
sehen
und ihre dickbäuchigen Mandarine
unter Sonnenschirmen sitzend,
und die Prinzen mit schlanken Händen, und die Gelehrten,
die sich über Dichtung und Schönheit
streiten.
Ich möchte in dem bezaubernden
Palast weilen
und – wie ein fremder Reisender – in
Muße
die Landschaften betrachten – auf Stoffe
gemalt und in Edelholz gerahmt –
manchmal einen Gärtner in einem
Obstgarten darstellend.
Ich möchte Mörder sehen, die über den
Henker lächeln,
der den Hals eines Unschuldigen
abschneidet
mit seinem großen krummen
orientalischen Säbel.
Ich möchte Bettler sehen und
Königinnen.
Ich möchte Rosen sehen und Blut.
Ich möchte Leute aus Liebe oder aus
Haß sterben sehen.
Und dann möchte ich später
wiederkommen
und meine Abenteuer den auf Träume
Neugierigen erzählen.
Indem ich wie Sindbad meine alte
arabische Tasse
von Zeit zu Zeit an meine Lippen hebe,
um die Erzählung kunstvoll zu
unterbrechen.
La Flûte enchantée
L’ombre est douce et mon maître dort,
Coiffé d’un bonnet conique de soie
Et son long nez jaune en sa barbe
blanche.
Mais moi, je suis éveillée encore
Et j’écoute au dehors
Une chanson de flûte où s’épanche
Tour à tour la tristesse ou la joie.
Un air tour à tour langoureux ou frivole
Que mon amoureux chéri joue,
Et quand je m’approche de la croisée
Il me semble que chaque note s’envole
De la flûte vers ma joue
Comme un mystérieux baiser.
L’Indifférent
Tes yeux sont doux comme ceux d’une
fille,
Jeune étranger,
Et la courbe fine
De ton beau visage de duvet ombragé
Est plus séduisante encore de ligne.
Ta lèvre chante sur le pas de ma porte
Une langue inconnue et charmante
Comme une musique fausse …
Entre!
Et que mon vin te réconforte …
Mais non, tu passes
Et de mon seuil je te vois t’éloigner
Me faisant un dernier geste avec grâce
Et la hanche légèrement ployée
Par ta démarche féminine et lasse …
Die verzauberte Flöte
Die Schatten sind weich, und mein
Gebieter schläft,
eine kegelförmige seidene Mütze auf
dem Kopfe,
und seine lange gelbe Nase ragt in
seinen weißen Bart.
Aber ich – ich bin noch wach und höre
draußen
ein Flötenlied erklingen, in dem sich
Traurigkeit und Freude,
Schwermut und Leichtfertigkeit
abwechseln.
Mein Geliebter spielt es, und wenn ich
mich dem Fenster nähere,
scheint es mir, als ob jeder Ton, der aus
seiner Flöte kommt,
an meine Wange fliegt wie ein
geheimnisvoller Kuß.
Der Gleichgültige
Deine Augen sind wie die eines
Mädchens, junger Fremder,
Die feine Rundung Deines schönen
Gesichts ist beschattet von Flaum,
und dieses ist noch verführerischer als
die Linie.
Deine Lippen singen eine unbekannte
und charmante Sprache
auf der Schwelle meiner Tür – gleich
wie eine ungewohnte Musik …
Tritt ein! Möge mein Wein Dich stärken!
Aber nein! Du gehst an meiner
Schwelle vorbei.
Ich sehe, daß Du Dich entfernst,
indem Du mir noch einmal mit Grazie
zuwinkst
und die Hüfte leicht beugst
durch Deinen lässigen und weiblichen
Gang …
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Schlagen und schmettern
„Haltet euer Maul, Ihr Huren des
16. Arrondissements.“ Der französische Komponist Florent Schmitt
schrie diesen Satz den entrüsteten
Damen der vornehmen Gesellschaft
am 29. Mai 1913 im Pariser Théâtre
des Champs-Élysées entgegen. Das
war der Tag der Uraufführung von
Igor Strawinskys „Le Sacre du printemps“. Schmitt steckte mittendrin
in der spektakulären Prügelei, die an
diesem Tag das Theater in eine Boxarena verwandelte. Im Gegensatz zu
vielen anderen Anwesenden hatte er
aber einen gewichtigen Anteil am
Gewordensein von Strawinskys unerhörtem Werk. Denn Strawinsky verdankte Schmitt entscheidende musikalische Impulse, namentlich dessen
Ballett „La Tragédie de Salome“ aus
dem Jahre 1907 – womit Schmitt
wiederum das explosive Vorbild von
Richard Strauss’ Oper „Salome“
(1905) aufgenommen hatte. Schmitt
brannte derart für Strawinsky, dass
er nach der Uraufführung von dessen Ballett „Der Feuervogel“ (1910)
sein Haus in „Villa Oiseau de Feu“
benannt hat. Strawinsky erklärte im
Gegenzug gegenüber der Londoner
Zeitung „Daily Mail“, dass „Frank-
Florent Schmitt
22
Florent Schmitt
Psalm 47
für gemischten Chor, Sopransolo, Orgel
und Orchester op. 38
Besetzung
3 Flöten (3. auch Piccoloflöte), 3 Oboen
(3. auch Englischhorn), 3 Klarinetten
(3. auch Bassklarinette), 3 Fagotte (3. auch
Kontrafagott), 4 Hörner, 3 Trompeten,
3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug,
2 Harfen, Orgel, Sopran solo,
achtstimmiger gemischter Chor, Streicher
Dauer
ca. 30 Minuten
Verlag
Editions Salabert, Paris
Entstehung
1904
Uraufführung
27. Dezember 1906, Paris
Désiré-Émile Inghelbrecht, Dirigent
23
| Schmitt, Psalm 47
reich in Debussy, Ravel und Florent
Schmitt die hervorragendsten
Musiker der Zeit“ besäße. Davon
wiederum ließ sich ein Engländer
beeindrucken. Der Komponist
Ralph Vaughan Williams suchte
den Kontakt zu Florent Schmitt.
Die beiden ungleichen Künstler waren über 50 Jahre befreundet. Das
Verhältnis zwischen Schmitt und
Strawinsky kühlte dagegen später ab.
Hintergrund war möglicherweise,
dass Schmitt, nicht Strawinsky, 1936
in das Institut de France und in die
Académie des Beaux-Arts gewählt
wurde, um den Platz des verstorbenen Paul Dukas einzunehmen. Das
kam in Frankreich einem Ritterschlag gleich. Strawinskys Einstellung zu Schmitt habe sich in späteren Jahren derart gewandelt, dass sie
(laut Robert Craft in seiner Ausgabe
von Strawinskys Briefen) „nicht abdruckbar“ sei.
Zwischen Orient und Militär
Florent Schmitt wurde 1870 in
Blâmont (Blankenberg) bei Meurthe
et Moselle in der Provinz Lothringen geboren. Sein Vater besaß dort
eine kleine Tuchfabrik. Infolge des
24
deutsch-französischen Krieges wurde 1871 die Grenze neu gezogen, Elsass und Lothringen fielen weitgehend an Deutschland. Schmitts
Geburtsort rückte bis auf wenige
Kilometer an Deutschland heran. Die
deutsch- und die französischsprachige Bevölkerung in der jahrhundertelangen Zankapfelregion einte ein
starkes Heimatgefühl und ein konservativer Nationalstolz. Der Franzose Florent Schmitt mit dem deutsch
klingenden Nachnamen erhielt seine
erste musikalische Ausbildung in
Nancy. 1889 kam er nach Paris, wo
er am Conservatoire bei Dubois, Lavignac, Massenet und Fauré studierte. Besonders letzterer hatte Einfluss
auf seine Klavierpräludien „Soirs“
(1890), die er später als Suite für
kleines Orchester instrumentierte.
Bereits hier zeigte sich, dass sich ein
bestimmter Zweig der französischen
Musik von der deutschen nicht weit
entfernt entwickelte. Fauré und seine
Schüler knüpften hörbar bei Robert
Schumann an.
Im Jahre 1900 gewann Florent
Schmitt den berühmten Rompreis
mit einer Kantate „Sémiramis“. In
der Villa Medici, dem Sitz des fran-
zösischen Kulturinstitutes in Rom,
hielt er sich allerdings nur selten auf.
Vielmehr reiste er wie die meisten
seiner Vorgänger durch Italien und
durch Europa, um sich mit Kultur
und Kunst, vor allem mit dem zeitgenössischen Musikleben vertraut zu
machen. Dabei stieß er in Südeuropa
und in der Türkei auf orientalische
Musik, die ihn nicht weniger beeindruckte, als sie dies bei seinen Kollegen Rimski-Korsakow, Saint-Saëns,
Debussy, Ravel und vielen anderen
schon zuvor getan hatte. In jenem
Werk, dass Schmitt 1904 als „Envoi
de Rome“ (Sendung von Rom) nach
Paris schickte, fanden sich zahlreiche Spuren dieser Faszination. Es
handelte sich um den heute Abend
erklingenden Psalm 47 für Solosopran, gemischten Chor, Orgel und
großes Orchester. Daneben hat ihn
das Militär stets hörbar fasziniert,
allerdings ganz anders als ungefähr
zur gleichen Zeit Gustav Mahler. Der
Patriot Schmitt diente als Flötist in
einer Militärkapelle. Beim Ausbruch
des Ersten Weltkrieges 1914 wurde er
erneut einberufen und ließ sich auf
eigenen Wunsch sofort an die Front
versetzen.
Ein unbequemer Zeitgenosse
Florent Schmitt komponierte insgesamt 138 Werke mit Opuszahlen und
zahlreiche weitere nahezu aller Gattungen für die Bühne und den Konzertsaal. Damit erarbeitete er sich
einen geachteten Platz im französischen Musikleben. Zunächst gehörte
er neben Ravel, Delage, Fargue, dem
Dichter Tristan Klingsor, dem Dirigenten Désiré-Émile Inghelbrecht,
dem Pianisten Ricardo Viñes dem
elitären Künstlerzirkel an, der sich
„Les Apaches“ nannte, später war er
Präsident der Société nationale de
musique und Mitglied der Société
musicale indépendante. Von 1921 bis
1924 leitete er das Konservatorium
in Lyon. Ab 1929 arbeitete er als gefürchteter und einflussreicher Musikkritiker für die führende Pariser
Zeitung „Le Temps“. Von seinem
Sitz im Saal aus beleidigte er neue
Werke oder deren Interpreten. Wenn
das Publikum ein seiner Ansicht
nach gutes neues Werk nicht genügend würdigte, wandte er sich gegen
das Publikum. Allmählich avancierte
sein Urteil über Musik zur höchsten
Instanz für den französischen Nationalgeschmack. Geradezu verheerend
25
| Schmitt, Psalm 47
nimmt sich vor diesem Hintergrund
sein Zwischenruf am 26. November
1933 aus. Während einer Aufführung
mit Ausschnitten aus Weills „Silbersee“ in Paris schrie Schmitt „Vive
Hitler“, und man habe schon genug
schlechte Komponisten im eigenen
Land, so dass man die ganzen deutschen Juden nicht auch noch gebrauchen könne.
1936 wählten ihn, wie oben erwähnt,
das Institut de France und die Académie des Beaux-Arts zu ihrem Mitglied. 1952 wurde ihm der Orden der
Ehrenlegion verliehen, und 1957 erhielt er den Grand Prix de la Ville de
Paris. Nach seinem Tod 1958 wurden
Straßen und Schulen in Frankreich
nach ihm benannt. Er gilt bis heute
als einer der wichtigsten französischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Das bleibt er auch wegen
der Qualität seiner Werke, solange
man die kritischen Punkte in seiner Biografie und seiner Geisteshaltung klar benennt. Nicht anders als
Hans Pfitzner in Deutschland oder
Ildebrando Pizzetti in Italien gelang
ihm eine wichtige Facette der neuen
Musik.
26
Dionysischer Rausch
Französische Musik, das klingt nach
klassizistischer Eleganz, nonchalanter Detailgenauigkeit, feiner Ironie
und lakonischem Witz. Satie, Ravel,
Fauré, Saint-Saëns, Poulenc, Français, Dutilleux und andere stehen
für diese Ästhetik. Doch auch dies
ist französisch: monumental, dionysisch, exotisch, bisweilen barbarisch.
Musik von Hector Berlioz, Félicien
David, Albert Roussel, André Jolivet,
manches von Olivier Messiaen, vieles des gebürtigen Franzosen Edgard
Varèse und eben das meiste von
Florent Schmitt vertreten die dionysische Seite. Wer also heute Nachmittag angesichts des vorwiegend
deutschen Klischees von der französischen Musik in Florent Schmitts
Psalmvertonung Parfum und Esprit
vermutet hat, wird verblüfft sein.
Schier erdrückend, aber auch raffiniert und komplex rauscht der Psalm
über uns hinweg.
Psalmodierend provozieren
Hysterische Begeisterung und wütende Verachtung, diese Extrempole
schienen Schmitts Wesen auszumachen und sie scheinen auch seine
Musik geprägt zu haben. Der Gestus
des Gigantomanischen, des Überwältigenwollens durchströmt die Vertonung des 47. Psalms, die Florent
Schmitt 1904 in die Waagschale der
musikalischen Moderne geworfen
hat. Den Text entnahm er der französischen Übersetzung der Vulgata.
Dort firmiert der Psalm unter der
Nummer 46. Er ist einer der kraftvollsten und einschüchterndsten des
gesamten Psalters.
Schmitt wird ihn nicht zufällig gewählt
haben. In seiner Autobiographie erwähnte er, dass er die zeremoniellen
Akklamationen des ottomanischen
Sultans, die er 1903 in der Türkei
beobachtet hatte, in einen biblischen
Kontext zu übertragen versuchte. Da
mochte er nicht weniger unkirchlich
gedacht haben als Richard Wagner im
„Parsifal“. Denn Schmitts Behandlung des Textes ist geradezu unverschämt unchristlich. Ein stellenweise
infernalisches Gebrüll bar aller
Demut ersetzt das hohe Lob Gottes.
Schmitt macht keinen Hehl daraus,
dass er den Psalm als ein heidnisches
Triumphlied eines ganz und gar
menschlichen, orientalischen Herrschers verstanden wissen will.
Jauchzet dem Herrn! Aber schnell!
Ein heftig punktierter Marsch mit
schmetternden Trompeten und massivem Einsatz von Triangel, großer
Trommel und Pauken macht aus
dem derart militärisch besungenen Gott ohne Umschweife einen
mächtigen Heerführer. „Von den bewusst dissonanten Fanfaren des Anfangs an ist das Resultat vollblütig,
macht extravaganten, aufregenden
Gebrauch von den umfangreichen
Kräften, die Schmitt zur Verfügung
stehen, und besitzt ein ausgesprochen exotisches, östliches Aroma.
Sein Orientalismus ist tatsächlich
das Einzige, was sich dieses Werk
mit den zeitgenössischen Kompositionen von Debussy und Ravel teilen
könnte: die großen rhetorischen, reibenden Steigerungen haben jedoch
mehr mit den sinfonischen Dichtungen von Richard Strauss gemein, den
Schmitt sehr bewunderte, und die
scharfen Dissonanzen von Schmitts
Harmonik (die auf Strauss’ noch
nicht komponierte Opern „Salome“
und „Elektra“ vorausweisen) schlagen einen neuen Ton in der französischen Musik an – wie auch Schmitts
insistierende, stechend punktierte
27
| Schmitt, Psalm 47
Rhythmen, die der Musik eine
Art barbarischen Elans verleihen.“
(Calum MacDonald) Die Textpassage, wo der Herr, unser Gott, als
großer König dargestellt wird, verkünden der Chor und die volltönende
Orgel in schier unumstößlicher, altherbrachter Choralmanier.
Er ist hoch erhaben und sehr
schrecklich
Die Begründung für die erhabene
Größe des Herrn imponiert dem
Komponisten besonders, fordert ihn
zur leidenschaftlichen Identifikation
heraus. Hoch erhaben und sehr erschrecklich sei Gott, weil er zuerst
die Völker zwingt und danach die
(noch) Ungläubigen unter die Füße
der Gläubigen zwingt. Ein Meisterwerk von einer Fuge mit strengem
Kontrapunkt in überbordender Vielstimmigkeit verkündet diese nicht
zu hinterfragenden Tatsachen. Wenn
dann zum krönenden Höhepunkt
die „Jauchzet“-Rufe des Anfangs wieder aufgenommen werden, sehen
sich die Chorsoprane und -tenöre vor
die Herausforderung des hohen „c“
gestellt.
28
Ein längeres instrumentales Zwischenspiel zieht sich ganz kammermusikalisch zurück. Eine zarte Solovioline korrespondiert mit Fagott,
Bassklarinette und in der Folge weiteren Holzbläsern. Beeindruckt vernimmt man, wie Schmitt diese Facette der Musik offenbar auch glänzend beherrscht. Harfen und Flöten
übernehmen den lyrischen Duktus
und bereiten den Boden für den Einsatz einer Solosopranstimme.
Er hat erwählt uns zu seinem Erbteil
Jetzt, da von der Liebe Gottes die
Rede ist, von seiner beschützenden
Art, darf auch die Musik weich, lyrisch und zart, ja süß klingen. Die
gut 10-minütige Passage ist nach
dem etwa eben so lange andauernden (aber gefühlt viel längeren), betäubenden Gejauchze und Gedrohe
von größtem dramaturgischem Effekt. Unsinnlich ist diese Beruhigung jedoch nicht. Im Gegenteil
vermag die Sopranstimme im Verein
mit dem zuerst mitstammelnden,
dann zunehmend erregten Chor eine
neue Welle der Extase aufzuschaukeln, diesmal lasziv. Ein extrem leises, akkordisch kompaktes Orgelsolo
(es könnte von Duruflé stammen)
wirkt als Scharnier zum letzten Teil.
Gott fährt auf
Aus der Tiefe des musikalischen
Urgrundes steigt ein Hymnus herauf, der die wilde Feier des Herrn
noch einmal steigern möchte. Mehrere Harfenraketen schießen in den
Tonhimmel, die Bässe röhren, die
Posaunen dröhnen. Dann entfesselt
Schmitt einen orgiastischen Lobpreis dessen, der da hoch erhaben
und sehr erschrecklich ist und dem
zu frohlocken alle Völker aufgerufen
sind. Sie sollen sich gefälligst ebenfalls erheben und die Hände (alias
den Hintern) bewegen.
Der allgemeine Jubel nach der Uraufführung 1906 war groß. „Schmitts
Dichterfreund, der Bohemien LéonPaul Fargue, schrieb Dithyramben
in (unübersetzbarer) Begeisterung
für die neuen Klänge, die von ‚cet
orchestre de triphtongues, de saxotartes, de trimbalets, de tromboches,
de pangibles et de fusils …‘ produziert wurden.“ (Calum MacDonald)
Beklemmende Assoziationen tun
sich auf, wenn man diese Komposition von 1904 auf eine Zeit ungefähr
30 Jahre später und auf die bestimmt
nicht plötzlich entstandenen politischen Sympathien Florent Schmitts
hochrechnet.
29
| Gesungene Texte
FLORENT SCHMITT
TEXTVERSION DES PSALMS 47
(AUSZUG)
Psaume XLVII
Gloire au Seigneur!
Nations, frappez des mains toutes
ensemble, chantez la gloire de Dieu!
Mêlez vos voix!
Parce que le Seigneur est très élevé et
très redoutable, et qu’il est le roi suprême qui a l’empire en toute la terre.
Chantez la gloire de Dieu par des cris
d’une sainte allégresse!
Chantez, chantez: gloire au Seigneur!
Frappez des mains toutes ensemble!
Exaltez-vous à sa gloire!
Il nous a assujetti les peuples,
il a mis les nations sous nos pieds!
Gloire au Seigneur!
Gloire au Dieu suprême!
Il a choisi dans son héritage
la beauté de Jacob qu’il a aimée avec
tendresse.
Dieu est monté au milieu des chants
de joie,
et le Seigneur est monté à la voix de la
trompette éclatante!
Nations, frappez des mains toutes
ensemble!
Chantez, mêlez vos voix!
Parce que le Seigneur est très élevé et
très redoutable,
et qu’il est le roi suprême qui a l’empire
en toute la terre.
Chantez la gloire de Dieu par des cris
d’une sainte allégresse!
Chantez, chantez: gloire au Seigneur!
30
Psalm 47
Jauchzet dem Herrn! Frohlocket mit
Händen alle Völker, singt Gott mit fröhlichem Schall!
Denn der Herr, unser Gott, er ist hoch
erhaben und sehr erschrecklich und ein
großer König in aller Welt, auf dem gesamten Erdboden.
Frohlocket mit Händen alle Völker,
singt Gott mit fröhlichem Schall!
Denn er zwinget unter uns die Völker
und die Leute unter unsere Füße.
Jauchzet dem Herrn, Gott, dem Allerhöchsten!
Er hat erwählt uns zu seinem Erbteil,
die Herrlichkeit Jakobs, den er geliebt.
Ah.
Gott fähret auf mit Jauchzen und der
Herr mit heller Posaune.
Frohlockt, jauchzet dem Herrn mit
Händen! Frohlockt mit fröhlichem
Schall! Alle Völker, singt Gott mit fröhlichem Schall!
Denn der Herr, unser Gott, er ist hoch
erhaben und sehr erschrecklich und
ein großer König auf der ganzen Erde.
Jauchzet Gott!
„Gott fähret auf mit Jauchzen und der Herr mit heller Posaune“ –
La Place Stanislas in Nancy
31
Biografie
Marek Janowski
Seit 2002 ist Marek Janowski Künstlerischer Leiter des RundfunkSinfonieorchesters Berlin. Zwischen
1984 und 2000 hatte er das Orchestre
Philharmonique de Radio France
zum Spitzenorchester Frankreichs
entwickelt. Außerdem war er jeweils
für mehrere Jahre maßgeblich am Pult
des Gürzenich-Orchesters in Köln
(1986 –1990), der Dresdner Philharmonie (2001–2003), des Orchestre
Philharmonique de Monte-Carlo
(2000 –2005) und des Orchestre de la
Suisse Romande (2005–2012) tätig.
1939 geboren in Warschau, aufgewachsen und ausgebildet in Deutschland,
führte Marek Janowskis künstlerischer
Weg über Aachen, Köln, Düsseldorf
und Hamburg als GMD nach Freiburg
i. Br. und Dortmund. Es gibt zwischen
Metropolitan Opera New York und
Bayerischer Staatsoper München,
32
zwischen San Francisco, Hamburg,
Wien und Paris kein Opernhaus von
Weltruf, wo er seit den späten 1970er
Jahren nicht regelmäßig zu Gast
war. Im Konzertbetrieb, auf den er
sich seit den späten 1990er Jahren
ausschließlich konzentriert, führt er
die große deutsche Dirigententradition
fort, gilt weltweit als herausragender
Beethoven-, Schumann-, Brahms-,
Bruckner- und Strauss-Dirigent, aber
auch als Fachmann für das französische Repertoire. Sein Abschied von der
Oper war indes nur ein institutioneller,
kein musikalischer. Deswegen zählt
Marek Janowski heute mehr denn je
zu den Kundigsten etwa für die Musik
von Richard Wagner. Mit dem RSB,
dem Rundfunkchor Berlin und einer
Phalanx von internationalen Solisten
realisierte er zwischen 2010 und 2013
die zehn Opern und Musikdramen des
Bayreuther Kanons in konzertanten
Aufführungen in der Berliner Philharmonie. Sämtliche Konzerte wurden
in Kooperation mit Deutschlandradio
von Pentatone mitgeschnitten und sind
inzwischen alle auf SA-CD erschienen.
Mehr als 50 zumeist mit internationalen Preisen ausgezeichnete Schallplatten – darunter mehrere Operngesamtaufnahmen und komplette sinfonische
Zyklen – tragen seit 35 Jahren dazu
bei, die besonderen Fähigkeiten Marek
Janowskis als Dirigent international
bekannt zu machen.
Biografie
Jacquelyn Wagner
Gegenwärtig begeistert die amerikanische Sopranistin Jacquelyn Wagner ihr
Publikum in Wien als Contessa und
als Violetta, in Frankfurt als Violetta,
in Minneapolis und in Düsseldorf als
Arabella, in Köln als Suor Angelica, in
einer Serie der „Walküre” als Ortlinde
unter Leitung von Zubin Mehta in
Florenz, auf Konzertpodien in New
York, Madrid, Liverpool und Oslo.
Ein Gastspiel der Oper Basel führte
die Künstlerin als Contessa zu ihrem
Japan-Debüt. Beim RSB war sie am
15. März 2013 erstmals zu hören als
3. Norn in der „Götterdämmerung“.
Silvester 2015 wird sie die Sopranpartie
in Beethovens Neunter Sinfonie singen.
Jacquelyn Wagner wird demnächst
als Vitellia („La Clemenza di Tito“),
Tatjana („Eugen Onegin“), Marguerite
(„Faust“), Desdemona („Otello”) und
Elsa („Lohengrin”) debütieren.
Zunächst im Festengagement der Deutschen Oper Berlin verbunden, gastierte
die Künstlerin u. a. als Fiordiligi am
Grand Théâtre de Genève, am Staatstheater Stuttgart, an der Vlaamse Opera
Antwerpen und der Opéra de Marseille.
2011 debütierte sie zur Saisoneröffnung
in Oslo mit Beethovens Sinfonie Nr. 9,
in Minnesota als Fiordiligi, in Strasbourg als Rosalinde und in Bordeaux
als Donna Anna, ein Jahr zuvor war sie
erstmals Agathe in Toulon, Contessa
in Basel, Donna Anna an der Miami
Opera sowie Micaela an der Semperoper Dresden.
Jacquelyn Wagner studierte an der
Manhattan School of Music und an der
Oakland University of Michigan und ist
Gewinnerin zahlreicher internationaler
Wettbewerbe, u. a. des Internationalen Gesangswettbewerbes „Francisco
Viñas“, des Gesangswettbewerbes
„Renata Tebaldi“, der Queen Sonja
International Music Competition und
des Panasonic Voice Wettbewerbes in
New York. Sie war Finalistin in Plácido
Domingos „Operalia“ 2008 und erhielt
zwei Auszeichnungen beim Palm
Beach Opera Jugend-Wettbewerb. Die
Jenny Lind Society und das Fulbright
Study Grant förderten ihre Ausbildung
mit Stipendien.
33
Biografie
Rundfunkchor Berlin
Biografie
Nicolas Fink
Der Schweizer Dirigent Nicolas Fink
arbeitet mit den führenden Chören
Europas. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter beim Edward-Grieg-Kor
in Bergen, Norwegen, und hat 2014
mit großem Erfolg als Chordirektor
die Leitung des neugegründeten
Schleswig-Holstein Festival-Chores
übernommen.
Sein besonderes Interesse gilt neuen
Aufführungsformen: 2014 war Nicolas
Fink in einer Co-Produktion des Rundfunkchores Berlin mit den Tänzern
und Perkussionisten des Taiwanesischen U-Theatre in der Weltpremiere
von Christian Josts „Lover“ zu erleben.
In Bergen hat er die norwegische
Erstaufführung von Martins „Le Vin
Herbé“ in einer visuellen Umsetzung
des Fotografen Magnus Skrede angeregt und aufgeführt. Beim WDRRundfunkchor stieß er mit der Leitung
34
einer choreographierten Fassung von
Rachmaninows Vesper auf begeisterte
Resonanz.
Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Marek
Janowski und Thomas Hengelbrock
schätzen seine musikalische Vorbereitungsarbeit. Eine besonders enge
Beziehung verbindet ihn mit dem
Rundfunkchor Berlin. Dieses Ensemble wird er in der Spielzeit 2014/15
gleich mehrfach dirigieren, darunter
in Poulencs „Figure Humaine“ und als
Leiter des Jugendprojektes „Liederbörse“ im Kammermusiksaal der
Philharmonie. Weitere Höhepunkte
bilden die Aufführung von Rachmaninows Vesper mit dem Chœur de Radio
France in Paris sowie die musikalische
Vorbereitung zweier Uraufführungen
mit Werken von Sofia Gubaidulina
mit dem MDR-Rundfunkchor und von
Wilfried Maria Danner mit dem Chor
des Bayerischen Rundfunks.
Nicolas Fink hat an der Musikhochschule Luzern Chorleitung mit Auszeichnung abgeschlossen und das Konzertdiplom als Bariton erlangt. Weitere
Studien führten ihn zu Meisterkursen
in der ganzen Welt und 2006 als
Conducting Fellow an das Tanglewood
Music Center.
Ausgezeichnet mit je einem Grammy
Award 2008, 2009 und 2011, drei Echo
Klassik-Preisen seit 2009 und Gastauftritten bei allen großen Festivals,
ist der Rundfunkchor Berlin Partner
von international herausragenden Orchestern und Dirigenten. Stilsicherheit,
Präzision, Textverständlichkeit gehen
einher mit einem unverwechselbaren,
warmen, reich schattierten Klang und
machen ihn zu einem der herausragenden Chöre der Welt. In Berlin tritt er
regelmäßig mit den Philharmonikern,
dem Rundfunk-Sinfonieorchester und
dem Deutschen Symphonie-Orchester
auf. Seit 2000 vergeht kein Jahr, ohne
dass Marek Janowski gemeinsam mit
dem Rundfunkchor Berlin für musikalische Sternstunden gesorgt hätte,
seit 2010 u. a. mit den sechs Opern
Wagners, die neben dem „Ring“ zum
Bayreuther Kanon gehören.
„Broadening the Scope of Choral Music“ – den Wirkungskreis der Chormusik erweitern – heißt die experimentelle
Reihe des Rundfunkchores Berlin seit
2005, die international auf großes
Interesse stößt. So war die Aufführung
von Rodion Shchedrins „Der versiegelte
Engel“ mit fünf Tänzern mittlerweile in
vielen Ländern zu Gast. 2010 kam Gustav Holsts „Sāvitri“ im Berliner TechnoClub Berghain mit Kontorsionistinnen
zur Aufführung. 2011 präsentierte der
Chor ein Richard-Strauss-Programm
im Neuen Museum, 2012 Brahms’
Requiem als „human requiem“ im
Radialsystem V. Fest etabliert in Berlin
haben sich das jährliche große „Mitsingkonzert“, der „LeaderChor“
für Führungskräfte, die „Liederbörse“
für Kinder und Jugendliche. Die Initiative SING! möchte das Singen als
Teil des Schulalltags fördern.
1925 in Berlin gegründet und von Dirigenten wie Helmut Koch, Dietrich Knothe und Robin Gritton geprägt, wird
der Rundfunkchor Berlin seit 2001 von
Simon Halsey und ab Sommer 2015 von
Gijs Leenaars geleitet.
35
Nachrichten
Rundfunkchor Berlin
„human requiem“ in Berlin, Paris
und Granada
Nach durchgehend ausverkauften
Aufführungen und Wiederaufnahmen kehrt das „human requiem“
Ende März nach Berlin zurück.
Zwei Jahre nachdem Jochen Sandigs
‚Verkörperlichung‘ von Johannes
Brahms’ „Ein deutsches Requiem“
im Radialsystem V zur Uraufführung kam, ist die ebenso ungewöhnliche wie faszinierende Produktion
wieder an ihrem Entstehungsort zu
erleben. Im Juni folgen Gastspiele in
Paris und Granada.
„Human requiem“ bedeutet, Vertrautes neu zu entdecken: In der
szenischen Umsetzung des BrahmsRequiems ist die Trennung zwischen
Bühne und Zuschauerraum aufgehoben. Text, Körper, Raum und Klang
werden in ihrer Verbindung neu erfahrbar – und das Publikum steht
mittendrin. Brahms’ Requiem
ist keine herkömmliche Totenmesse,
weshalb der Text auch nicht der katholischen Liturgie folgt. Es will den
Lebenden Trost spenden. In einem
viel zitierten Brief an den Dirigenten
der Uraufführung Carl Reinthaler
schrieb Johannes Brahms 1867:
„Was den Text betrifft, will ich
bekennen, dass ich recht gern das
‚Deutsch‘ fortließe und einfach den
RundfunkSinfonieorchester
Berlin
‚Menschen‘ setzte.“ In der Gemeinschaft aus Singenden und Hörenden
wird diese Botschaft zu einem
sehr persönlichen Erlebnis – zum
„human requiem“.
LeaderChor Berlin im
Neuen Museum
Bereits zum neunten Mal lädt der
Rundfunkchor Berlin Führungspersönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen ein, um gemeinsam mit Mitgliedern des Ensembles
unter der Leitung von Simon Halsey
ein anspruchsvolles Chorprogramm
zu erarbeiten. Am 29. März 2015 präsentiert der diesjährige LeaderChor
Berlin im Neuen Museum die Ergebnisse seines viertägigen Workshops.
Das Programm ist dem Gedenken an
den Ausbruch des Ersten Weltkriegs
vor einhundert und an das Ende des
Zweiten Weltkriegs vor siebzig Jahren gewidmet und spannt den Bogen
vom altfranzösischen Chanson „La
Guerre“ über Auszüge aus Haydns
„Nelson-Messe“ und Regers „Nachtlied“ bis hin zu Werken von John Tavener, Karl Jenkins und einer neuen
Komposition des für seine Filmmusik „Emmy“-preisgekrönten Briten
Howard Goodall.
Z
I
WE
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RTA
MAREK JANOWSKI
DI | 5. MAI 2015 | 20.00 | PHILHARMONIE BERLIN
RICHARD S TR AUSS | DAPHNE
MIT REGINE HANGLER (DAPHNE) | DANIEL BEHLE (LEUKIPPOS)
STEFAN VINKE (APOLLO) | HERREN DES RUNDFUNKCHORES BERLIN U. A.
DO | 7. MAI 2015 | 20.00 | PHILHARMONIE BERLIN
RICHARD S TR AUSS | ELEK TR A
MIT CATHERINE FOSTER (ELEKTRA) | CAMILLA NYLUND (CHRYSOTHEMIS)
WALTRAUD MEIER (KLYTÄMNESTRA) | STEPHEN GOULD (AEGISTH)
RUNDFUNKCHOR BERLIN U. A.
RundfunkSinfonieorchester
Berlin
Telefon +49 (0)30 - 20 29 87 15 | www.rsb-online.de
36
37
T
Biografie RundfunkSinfonieorchester Berlin
Seit 2002, dem Beginn der Ära von
Marek Janowski als Künstlerischem
Leiter und Chefdirigent, wird dem
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
eine herausragende Position zwischen den Berliner Spitzenorchestern
und deutschen Rundfunkorchestern
zuerkannt. Das unter Marek Janowski
erreichte Leistungsniveau macht das
RSB attraktiv für Dirigenten der internationalen Spitzenklasse. Nach Andris
Nelsons, Yannick Nézet-Séguin, Vasily
Petrenko, Alain Altinoglu und Jakub
Hrůsa in den vergangenen Jahren
debütieren in der Saison 2014/2015
u.a. Tomáš Netopil, Ivan Repušic und
Dima Slobodeniouk beim RundfunkSinfonieorchester Berlin.
Das älteste deutsche rundfunkeigene
Sinfonieorchester geht auf die erste musikalische Funkstunde im Oktober 1923
zurück. Die Chefdirigenten, u.a. Sergiu
Celibidache, Eugen Jochum, Hermann
Abendroth, Rolf Kleinert, Heinz
Rögner, Rafael Frühbeck de Burgos,
formten einen flexiblen sinfonischen
38
Klangkörper, bei dem große Komponisten des 20. Jahrhunderts immer wieder selbst ans Pult traten, darunter Paul
Hindemith, Richard Strauss, Arnold
Schönberg. Die Zusammenarbeit mit
Deutschlandradio, dem Hauptgesellschafter der ROC GmbH Berlin, der das
RSB angehört, trägt reiche Früchte auf
CD. Ab 2010 konzentrierten sich viele
Anstrengungen zusammen mit dem
niederländischen Label Pentatone auf
die mediale Auswertung des Wagnerzyklus. Alle zehn Live-Mitschnitte sind
mittlerweile erschienen und haben
sogleich ein weltweites Echo ausgelöst.
Die Gesamteinspielung aller Sinfonien
von Hans Werner Henze mit WERGO
ist ebenfalls abgeschlossen.
Künstlerischer Leiter
und Chefdirigent
Marek Janowski
1. Violinen
Erez Ofer, Konzertmeister
Rainer Wolters, Konzertmeister
N.N., Konzertmeister
Susanne Herzog, stellv. Konzertmeisterin
Andreas Neufeld, Dimitrii Stambulski,
Vorspieler
Philipp Beckert, Susanne Behrens, Marina
Bondas, Franziska Drechsel, Anne Feltz,
Karin Kynast, Anna Morgunowa, Maria
Pflüger, Prof. Joachim Scholz, Bettina Sitte,
Deniz Tahberer, Steffen Tast, Misa Yamada,
Michiko Feuerlein*, Isabella Bania*,
Juliane Färber*
2. Violinen
Nadine Contini, Stimmführerin
N. N., Stimmführer
N. N., stellv. Stimmführer
David Drop, Vorspieler
Sylvia Petzold, Vorspielerin
Rodrigo Bauza, Maciej Buczkowski,
Neela Hetzel de Fonseka, Brigitte Draganov,
Martin Eßmann, Eren Kustan, Juliane
Manyak, Enrico Palascino, Christiane
Richter, Anne-Kathrin Weiche, Nicola
Bruzzo*, Clara Plößner*, Richard Polle*
Bratschen
Prof. Wilfried Strehle, Solobratschist
N. N., Solobratschist
Gernot Adrion, stellv. Solobratschist
Prof. Ditte Leser, Vorspielerin
Christiane Silber, Vorspielerin
Claudia Beyer, Alexey Doubovikov, Jana
Drop, Ulrich Kiefer, Emilia Markowski,
Carolina Alejandra Montes, Ulrich Quandt,
Luzía Ortiz Saúco*, Öykü Canpolat*,
Julia Lindner*
Violoncelli
Prof. Hans-Jakob Eschenburg, Solocellist
Konstanze von Gutzeit, Solocellistin
Ringela Riemke, stellv. Solocellistin
Jörg Breuninger, Vorspieler
Volkmar Weiche, Vorspieler
Peter Albrecht, Christian Bard, Georg Boge,
Andreas Kipp, Andreas Weigle, Jee Hee
Kim*, Raúl Mirás López*, Guido Scharmer*,
Kontrabässe
Hermann F. Stützer, Solokontrabassist
N.N., Solokontrabassist
Stefanie Rau, stellv. Solokontrabassistin
Eduardo Rodriguez, Vorspieler
Iris Ahrens, Axel Buschmann,
Nhassim Gazale, Georg Schwärsky,
Philipp Dose*, Callum Hay Jennings*
Flöten
Prof. Ulf-Dieter Schaaff, Soloflötist
Silke Uhlig, Soloflötistin
Franziska Dallmann, Rudolf Döbler
Markus Schreiter, Piccoloflöte
Oboen
Gabriele Bastian, Solooboistin
Prof. Clara Dent, Solooboistin
Florian Grube, Gudrun Vogler
Thomas Herzog, Englischhorn
Klarinetten
Michael Kern, Soloklarinettist
Oliver Link, Soloklarinettist
Peter Pfeifer, Es-Klarinette
N. N.
Christoph Korn, Bassklarinette
Fagotte
Pieter Nuytten, Solofagottist
Sung Kwon You, Solofagottist
Leni Mäckle, Alexander Voigt
Clemens Königstedt, Kontrafagott
Hörner
Dániel Ember, Solohornist
Martin Kühner, Solohornist
Felix Hetzel de Fonseka, Uwe Holjewilken,
Ingo Klinkhammer, Anne Mentzen,
Frank Stephan
Trompeten
Florian Dörpholz, Solotrompeter
Lars Ranch, Solotrompeter
Simone Gruppe, Jörg Niemand, N.N.
Posaunen
Hannes Hölzl, Soloposaunist
Prof. Edgar Manyak, Soloposaunist
Hartmut Grupe, József Vörös
Jörg Lehmann, Bassposaune
Tuba
Georg Schwark
Pauken/Schlagzeug
Jakob Eschenburg, Solopaukist
Arndt Wahlich, Solopaukist
Tobias Schweda, stellv. Solopaukist
Frank Tackmann
Harfe
Renate Erxleben
* Orchesterakademie
39
Nachrichten RundfunkSinfonieorchester Berlin
Asientournee
Am 7. März 2015 brechen Marek
Janowski und das RSB zu einer längeren Tournee durch Taiwan, Südkorea und Japan auf. Die Musiker erwartet ein straffes Programm mit elf
Konzerten innerhalb von 15 Tagen,
bei denen Werke von Beethoven,
Sibelius, Weber, Bruckner und
Brahms gespielt werden. Dazwischen
gilt es, logistische Meisterleistungen zu vollbringen und dem Jetlag
zu trotzen, um in jedem neuen Saal
wieder höchste künstlerische Leistungen erbringen zu können. Als
Solisten sind der Geiger Frank Peter
Zimmermann (10., 13., 16.3.) und der
Pianist Seong-Jin Cho (12.3.) dabei.
Marek Janowski und das RSB reisen
regelmäßig nach Asien, wo sie immer wieder enthusiastisch gefeiert
werden in den verschiedenen Spielstätten, die zueist die Dimensionen
deutscher Konzertsäle um ein Mehrfaches übertreffen.
Kammerkonzert im Rahmen der
Asien-Tournee
Ulf-Dieter Schaaff, Soloflötist des
RSB, unterrichtet und konzertiert
seit vielen Jahren regelmäßig in
Fernost. Im Rahmen der aktuellen
Asien-Tournee seines Orchesters
wurde er vom Seoul Flute Trio ein-
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geladen, ein gemeinsames Kammerkonzert zu geben. Zusammen mit
Gabriele Bastian, Oboe, und Michael
Kern, Klarinette, musiziert er am
11. März 2015 in der Youngsan Art
Hall in Seoul.
Vorschau
Di | 31. März 15 | 20.00
So | 19. Apr. 15 | 20.00
Philharmonie Berlin
Konzerthaus Berlin
Abokonzert D/6
Abokonzert B/5
SEBASTIAN WEIGLE
Di | 21. Apr. 15 | 20.00
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Konzerthaus Berlin
Konzert mit
NEU auf CD: Schnittkes Dritte
Am 9. Februar 2015 erschien die
neueste Aufnahme des RundfunkSinfonieorchesters Berlin aus dem
Hause Pentatone. Unter der Leitung
von Vladimir Jurowski spielte das
RSB im Sommer 2014 die opulente
Sinfonie Nr. 3 von Alfred Schnittke
ein, die der russische Dirigent wie
seine Westentasche kennt. 300 Jahre Musikgeschichte spiegeln sich in
dem großbesetzten Werk wider, von
Schnittke anlässlich der Wiedereröffnung des Leipziger Gewandhauses
1981 eindrucksvoll in Szene gesetzt
und dicht ineinander verwoben.
Abokonzert C/6
MAREK JANOWSKI
Kristóf Baráti | Violine
Max Bruch
Konzert für Violine und
Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur WAB 106
Konzert mit
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Vorschau
Impressum
Sa | 23. Mai 15 | 20.00
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Philharmonie Berlin
Künstlerischer Leiter und Chefdirigent:
Marek Janowski
Orchesterdirektor: Tilman Kuttenkeuler
Abokonzert A/5
MAREK JANOWSKI
Alexandra Reinprecht | Sopran
Peter Sonn | Tenor
„Freunde, das Leben ist lebenswert“
Franz Lehár
Auschnitte aus den Operetten
„Die lustige Witwe“, „Paganini“,
„Land des Lächelns“, „Giuditta“
und „Der Zarewitsch“
Franz Lehár
„Gold und Silber“ – Walzer op. 79
Johann Strauß (Sohn)
Ouvertüren zu den Operetten
„Waldmeister“, „Der Zigeunerbaron“ und „Nacht in Venedig“
Konzert mit
Ein Ensemble der Rundfunk-Orchester
und -Chöre GmbH Berlin
Geschäftsführer: Thomas Kipp
Kuratoriumsvorsitzender: Rudi Sölch
Gesellschafter:
Deutschlandradio, Bundesrepublik
Deutschland, Land Berlin, Rundfunk
Berlin-Brandenburg
Text und Redaktion
Steffen Georgi
Gestaltung und Realisierung
schöne kommunikation
A. Spengler & D. Schenk GbR
Druck
H. Heenemann GmbH & Co, Berlin
Buch- und Offsetdruckerei
Redaktionsschluss: 20. Februar 2015
Ton- und Filmaufnahmen sind nicht
gestattet. Änderungen vorbehalten!
© Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin,
Steffen Georgi
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