Die Lobby mit Marmormosaik. HOTEL AM STEINPLATZ, BERLIN Hommage an die Zwanziger Nachdem die Anwohner jahrelang dem Verfall dieses Baudenkmals zusehen mussten, erstrahlt das Hotel am Steinplatz in Berlin nun in neuem Glanz. Marriott hat es am 24. Januar 2014 als Boutiquehotel unter seiner Marke Autograph Collection wieder eröffnet. 46 E igentlich wollte dieses Hotel schon David Fattal haben und damit in Europa Fuß fassen. Laut „The Jerusalem Post“ hatte der israelische Hotelier 2006 in das historische Gebäude sowie das um die Ecke liegende Hotel Excelsior investiert und die Managementrechte für die nächsten 15 Jahre erworben. Geworden ist aus den Plänen nichts. Stattdessen sorgen nun Amerikaner mit diesem Projekt für Furore, denn einziehen wird in das historische Bauwerk nun kein Leonardo Hotel der Fattal Hotelgruppe, sondern das erste März/April 2014 deutsche Autograph Collection Hotel in Deutschland von Marriott. Autograph Collection steht laut Marriott für eine Sammlung einzigartiger und historisch bedeutender Häuser mit 5-SterneStandard. Es ist also nur konsequent, das Jugendstilhaus am Steinplatz der weltweiten Sammlung hinzuzufügen. Verantwortlich für den Innenausbau des Bauwerks war Tassilo Bost, Inhaber des Büros „bost group berlin“. Er sagt: „Autograph Collection war die einzig mögliche Marke für dieses besondere Hotel-Projekt. Nirgendwo sonst hätten www.hotelbau.de Umbau wir die nötigen Freiheiten für die Gestaltung gehabt.“ Entworfen und errichtet hat das Jugendstilhaus der bekannte Architekt August Endell im Jahre 1907/08 als Wohnhaus. Seit 1971 ist der Gebäudekomplex als Einzeldenkmal, aber auch als Bestandteil des Denkmal-Ensembles am Steinplatz, in der Denkmalliste des Landes Berlin erfasst. Neben den Hackeschen Höfen ist es ein letztes erhaltenes großes Werk Endells in Berlin. Endells Formensprache des Jugendstils ist unverwechselbar und besticht vor allem durch die organisch-geometrischen Ornamente und Stuckdekors mit Motiven aus der Unterwasserwelt, Farnen und Moosen an der Fassade. Das Haus repräsentiert eine der Ikonen des Reformwohnungsbaus des frühen 20. Jahrhunderts. 1913 wandelte der damalige Eigentümer Max Zellermayer das Gebäude in ein Hotel um und machte es zu einem wichtigen und exklusiven Bestandteil der Berliner Hautevolee. Vor allem in den Zwanzigerjahren gehörte das Hotel zu den ersten Adressen der Hauptstadt und war Anziehungs- und Treffpunkt für Künstler und Gelehrte. Seinen exklusiven Status hatte das Hotel bis in die 1970erJahre inne – danach wurde es zum Seniorenheim umgebaut. Nach dem Bild: Lucas Müller (6) Verwandt mit den Hackeschen Höfen Einst vornehmes Wohnhaus in Charlottenburg, möchte das Hotel am Steinplatz heute die neue Mitte Berlins aufwerten. Verkauf 2006 mussten die Senioren dann wieder ausziehen und es folgten Entkernungsarbeiten, die allerdings bald wieder eingestellt wurden. Dank Entkernung standen von dem Gebäude, das bereits im Zweiten Weltkrieg in Mitleidenschaft gezogen worden war, im Wesentlichen nur noch die tragenden Mauern und die Fassade – und auch diese verfielen nun zusehends. Bis sich 2010 mit der Eigentümergesellschaft DG Steinplatz 4 GmbH, gegründet von Dr. Hans Karl Fischer in Berlin, ein neuer Investor fand. Dieser beauftragte den Generalunternehmer DSH GmbH und die Architektin Claudia Dressler, das Hotel wieder neu aufzubauen. Ihr zuverlässiger Partner für den Innenausbau in der gehobenen Hotellerie www.hotelbau.de März/April 2014 Drei Jahre dauerte es, das Gebäude komplett zu Ende zu entkernen und mit viel Liebe zum Detail im Zwanzigerjahre-Stil wieder aufzubauen. Insgesamt mussten die Eigentümer über 30 Mio. Euro investieren, weil aufgrund der vielen Schäden an der Bausubstanz die Sicherung des Gebäudes und die Sanierung entsprechend aufwendig waren. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen wurden die Fundamente statisch ertüchtigt und der Keller mit einer wasserundurchlässigen Sohle versehen. Unter dem Innenhof entstand eine Tiefgarage mit 14 Stellplätzen. Das alte Holzdach ließ Dressler oberhalb des letzten Vollgeschosses in der vierten Etage kom- www.dsh-hotelprojects.com 47 Umbau S T E C K B R I E F Adresse: Hotel am Steinplatz, Am Steinplatz 4, 10623 Berlin Betreiber: DG Steinplatz Hotelgesellschaft mbH; Marriott; Autograph Collection Klassifizierung: 5 Sterne Eröffnung: 24. Januar 2014 Bauzeit: 2010 - 2013 Investor/Eigentümer: DG Steinplatz 4 GmbH Investitionssumme: 32 Mio. Euro Projektentwickler/ Generalübernehmer: DSH GmbH Architekt: morgen Gesellschaft von Architekten Innenarchitekt: bost group berlin Innenausbau: DSH GmbH Grundstücksgröße: 1.531 m² Bruttogrundfläche: 8.971 m² Zimmeranzahl: 84 Zimmer und 3 Suiten Standardzimmer: 27 - 40 m² Zimmerpreise: ab 195 Euro Spa-/Fitness-Bereich: 320 m² + 16 m² Terrasse Konferenzbereich: 120 m² Ausrüster Heizung: Jaga, Zehnder, Kermi Brandmeldetechnik: Bosch Sprinkler: Minimax Aufzüge: Schindler Schließsystem: Miditec Türen: Schörghuber Fenster/Möbel: DSH Bodenbeläge: DSH Sonnenschutz: Warema Beleuchtung: DSH Schalter/Steckdosen: Busch-Jaeger Safe: Elsafe Fernseher: LG Audiosystem: Bose Spa/Wellness: DSH Sanitär: Aliseo Kamin: Vero design 48 Die Bar erstrahlt durch hinterleuchteten Onyx. Im Restaurant können die Gäste den Küchenchefs auf die Finger schauen. Ein Gefühl von Heimat, gepaart mit dem Flair der Zwanzigerjahre, sollen die Zimmer vermitteln. plett abtragen und durfte trotz Denkmalschutz das Gebäude um ein sechstes Stockwerk erweitern. Das neue Dach ist mit Stahlrahmen ausgesteift und beherbergt den Spa- und Fitnessbereich, der sich inklusive zweier SpaSuiten mit Zugang zum Wellnessbereich bis auf den fünften Stock erstreckt. Neben Fundamenten und Dach ließ die Architektin auch die Holzbalkendecken statisch ertüchtigen bzw. teils ersetzen. So sind etwa die Decken zwischen Unterund Erdgeschoss sowie über dem vierten und fünften Stock heute als Stahlbetondecken ausgeführt. Obwohl es möglich gewesen wäre, das denkmalgeschützte Projekt von den Auflagen der Energieeinsparverordnung befreien zu lassen, haben die Planer die Vorgaben in Bezug auf die geforderten Stärken der WärmeMärz/April 2014 dämmung weitestgehend eingehalten. So wurden nur die straßenseitigen historischen Putzfassaden nicht gedämmt; die Hoffassade hingegen ist mit einem Wärmedämmverbund-System versehen und die alten Fenster sind neuen Holzfenstern mit Isolierverglasung gewichen, die aber in Typ und Form den Original-Fenstern nachempfunden sind. Neu hinzugekommen sind zudem ein neues, geschwungenes Eingangsdach sowie eine Balustrade. Inspiriert von einer Zeitzeugin Dass eigentlich nur noch die tragenden Wände und Fassaden des ursprünglichen Gebäudes erhalten geblieben sind, fällt beim Betreten des Hauses nicht auf. Um dieses „Wie-aus-einem-GussGefühl“ zu schaffen, hat Architektin Dressler eng mit Kunsthistorikern sowie www.hotelbau.de Umbau Denkmalschützern zusammengearbeitet und ein Konzept entwickelt, das sowohl dem historischen Gebäude als auch seiner kulturellen Bedeutung gerecht wird. So ließ sich die Geschichte des Gebäudes behutsam in die moderne Welt fortschreiben. Zur Inspiration haben die Architekten auch die Erinnerungen der Tochter des ehemaligen Hoteliers, Ilse Eliza Zellermayer, herangezogen – mit dem Ziel, gestalterisch an die goldene Zeit des Hauses anzuknüpfen. So zieren heute originalgetreue Stuckverzierungen die Decken des Interieurs. Mit Ornamenten und Motiven aus Flora und Fauna hat die Architektin auf die Formensprache Endells zurückgegriffen, der sich gerne auch als Formkünstler bezeichnete und dessen Motto „Umsetzung von Bewegung in Architektur und Dekor“ lautete. Die Fußböden im Gang und in den öffentlichen Bereichen bestehen aus Granit und Marmor. In Lobby und Lounge ist der Marmorfußboden gar als Mosaik einem Teppichdesign der Zwanzigerjahre nachempfunden. Außer der Bar aus hinterleuchtetem Onyx und dem Restaurant mit der teiloffenen Küche gibt es in den öffentlichen Zonen auch eine RaucherLounge, denn „die Raucher eines 5-Sterne-Hauses vor die Tür zu schicken, wie beim Waldorf Astoria, ist eine Zumutung“, findet Interieur-Designer Tassilo Bost. Verbunden sind die öffentlichen Bereiche durch ein weiteres neues Element: einen Glasgang, der auch die Erschließung der hofseitigen Gebäudeteile gewährleistet und Aufenthaltszonen für Restaurant, Lounge und Konferenzen bietet. Die bodengleichen Fenster hier stellen nicht nur einen optischen Bezug, sondern auch einen Zugang zum begrünten Innenhof her. Neue Zimmer ziehen ein Um den Anforderungen eines modernen Hotels zu entsprechen, sind die historischen Grundrisse neu aufgeteilt. So entstanden 84 Zimmer und drei Suiten unterschiedlicher Größe und Form sowie verschiedene Badtypen, die auch individuell aufgeteilt und gestaltet wurden. „Das war Herausforderung und tolle Aufgabe zugleich“, meint Bost. Die Zimmer hat er alle in hellen Naturtönen in Kontrast mit dunklen Elementen in Braun, Schwarz und Chrom gehalten. Die Bäder sind schwarz-weiß gestaltet und mit ebenerdigen Duschen und viel schwarzem Marmor ausgestattet. Dass man bei aller Nostalgie auf der Höhe der Zeit ist, zeigen die iPod-Docking-Station, die moderne Medienausstattung und als iPhone getarnte Video-Spione an der Tür. Zudem wurde moderne Haustechnik, die einen Hotelbetrieb der 5-Sterne-Klasse gewährleistet, integriert. Neben der Klimatisierung, der SPA-Ausstattung, einem Gas-Tunnelkamin und den Aufzugsanlagen war, um dem Denkmalschutz zu entsprechen, ein Wassernebelsystem zur Brandbekämpfung nötig. Gut 100 Jahre nachdem es erstmals als Hotel an den Start gegangen war, hat das altehrwürdige Haus am Steinplatz nun als Hotel wiedereröffnet. Damit sind die Pforten wieder offen für wohlhabende 5-Sterne-Gäste, die ein ganz besonderes Flair suchen. Ein Flair, mit dem jetzt Marriott statt David Fattal an die goldenen Zeiten des Hauses anzuknüpfen sucht ... Die schwarz-weiß gehaltenen Bäder sind zum Teil beidseitig begehbar. www.hotelbau.de Anne-Christin Amlinger n März/April 2014 I N N E N A N S I C H T E N Maria Pütz-Willems ist Chefredakteurin der Internetplattform www.hospitality Inside.com. Ohne Familiennamen ... Die Ketten fordern den Mittelstand heraus, aber umgekehrt fordert der Mittelstand auch die Ketten heraus. Sichtbar wird das im HotelWunderland Deutschland, in dem neue Hotels aus dem Boden schießen wie Champignons. Gesprochen wird überwiegend über die Neueröffnungen der Ketten. Sie alle bewegen sich aber nur sicher im Business-Segment. Die deutsche Ferienhotellerie ist noch fest in privater Hand, und: In vielen guten City-Lagen blockieren angestammte Familienbetriebe TopLocations für die Ketten. Das hat in den letzten Jahren so manchen Ketten-Strategen geärgert, und deshalb ziehen sie in so manches Privathotel durch die Hintertür ein – und an der Klingel steht nicht der „Familienname". Top-aktuelles Beispiel: Marriotts erstes deutsches „Autograph Collection“ Hotel Am Steinplatz in Berlin. Über dem Hoteleingang steht der altbekannte Berliner Name „Hotel Am Steinplatz“, die Plakette mit dem neuen Zusatz „Autograph Collection“ misst allenfalls 10 x 20 cm und ist völlig diskret neben der Hoteltür angebracht. Der Familienname Marriott taucht nirgends auf – auch nicht auf den Broschüren im Zimmer oder anderen Utensilien. Das Hotel atmet Eleganz und imponiert mit seiner individuellen Ansprache, allenfalls die Erdnussbutter auf dem Frühstücksbüffet ist ein Indiz für die US-Kette. Doch das merkt nur der, der es weiß. Accor hat den gleichen Weg eingeschlagen; deren Individual-Hotels unter der Dachmarke bündelt man unter dem Namen „MGallery“… Der Poker um die Privaten ist also inzwischen in vollem Gange. Dabei machen die Ketten aber nicht nur den einzelnen Privathotels Konkurrenz, sondern auch den Kooperationen wie The Leading Hotels of the World oder Worldhotels, Relais & Châteaux, Romantik Hotels oder Ringhotels. Maria Pütz-Willems 49