SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE Was Sie schon immer über Lieblingsstücke der Klassik wissen wollten … von Dvořák bis Rachmaninow (5) Von Susanne Herzog Sendung: Freitag, 04. September 2015 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Musikstundenwoche KW 36 Freitag, den 4. September 2015 Mit Susanne Herzog Was Sie schon immer über Lieblingsstücke der Klassik wissen wollten … von Dvořák bis Rachmaninow Mit Susanne Herzog und der fünften und letzten Folge zu hitverdächtigen Stücken der klassischen Musik: von Dvořák bis Rachmaninow gibt es heute Geschichten rund um die Entstehung ihrer beliebtesten Werke. Titelmelodie Die Sinfonie „Aus der neuen Welt“, das Cellokonzert, die slawischen Tänze: bei Antonin Dvořák gibt‟s so einige berühmte Werke, die die Herzen vieler Hörer erobert haben. Obwohl Dvořák auf diesen Ruhm ziemlich lange warten musste: über dreißig Jahre war der Komponist bereits, als er durch die Fürsprache von Eduard Hanslick und Johannes Brahms endlich ein Stipendium erhielt, das ihm ermöglichte mehr Zeit als bisher dem Komponieren zu widmen. Bis dahin hatte Dvořák sein Geld im Wesentlichen als Bratscher und Organist verdient. Brahms war es dann auch, der den Prager Komponisten mit seinen „Klängen aus Mähren“ an den Verleger Fritz Simrock empfahl. Der griff zu und schrieb dann gleich an Dvořák: „Ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht Lust hätten, mir eine Anzahl, sagen wir z. B. 2 Hefte böhmische und mährische Tänze für Klavier zu 4 Händen – in der Art wie die ungarischen von Brahms – zu schreiben und zwar von Verwendung Ihnen passend dünkender national Originalmelodien, durchflossen von Ihrer eigenen Erfindung und damit verknüpft?“ Dvořák hatte Lust, machte sich gleich an die Arbeit und im Mai 1878 schloss er das erste Heft mit acht Tänzen für Klavier zu vier Händen ab. Aber anders als Brahms verwendete er keine Originalmelodien, sondern schuf quasi im Stil der Volksmusik Neues: „Ich studiere bestimmte Melodien solange, bis ich vollkommen mit ihren Charakteristika erfüllt bin und mich fähig fühle, ein musikalisches Ebenbild zu machen, das mit diesen Charakteristika übereinstimmt und sie aufweist.“ 1‟46 1. Musik Antonin Dvořák Slawischer Tanz Nr. 1 <1> 4„08 Chamber Orchestra of Europe Nikolaus Harnoncourt, Ltg. Teldec Classics, 8573-81038-2, LC 6019 5081 448 Der erste Slawische Tanz op. 46 von Antonin Dvořák in der Orchesterfassung: es spielte das Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt. „Eine kleine Frühlingsweise, nimmt mein Herz mit auf die Reise in die schöne weite Welt hinein“ sang der Tenor Richard Tauber und vielleicht haben Sie die Melodie jetzt auch schon direkt im Ohr. Eigentlich im Original kein Lied, sondern ein Klavierstück: die siebte Humoreske nämlich von den acht Humoresken op. 101 von Antonin Dvořák. Geschrieben im Sommer 1894: da kam Dvořák von Übersee nach Hause und genoss einige Wochen in seiner Villa Rusalka in Vysoká: inmitten von Wäldern und kleinen Seen kümmerte sich Dvořák um den Garten, um seine Tauben und komponierte natürlich auch. Unüberhörbar hatte die Zeit in Amerika als Direktor des New Yorker Konservatoriums musikalisch Spuren bei Dvořák hinterlassen: die Musik der Indianer und der Afroamerikaner hatte den Komponisten fasziniert und sich bereits in seiner 9. Sinfonie niedergeschlagen. In der böhmischen Sommeridylle 1894 vollendete Dvořák nun seine acht Humoresken: kleine, kurzweile Stücke für Klavier, bei denen auch immer wieder pentatonische Melodien aus Übersee erklingen. Dass ausgerechnet die siebte seiner Humoresken so weltberühmt werden würde, konnte Dvořák damals in Vysoká natürlich nicht ahnen: als „Kleine Frühlingsweise“ oder auch als Bearbeitung für Violine und Klavier ging das Stück um die Welt. Hier ist das Original für Klavier. 1„35 2. Musik Antonin Dvořák Humoreske Nr. 7 aus: Humoresken op. 101 <7> 2„54 Stefan Veselka, Klavier Naxos, 8.557477 LC 05537 5118 554 Der Pianist Stefan Veselka mit der siebten Humoreske für Klavier von Antonin Dvořák, die Sie vermutlich schon häufiger mal als Zugabe in der Bearbeitung für Geige und Klavier gehört haben: da werden dann schmachtende Doppelgriffe in der Lage und Flagoletts eingebaut. Wenn sich diverse Bearbeitungen gut verkaufen, kann das für den Komponisten eine wunderbare Einnahmequelle sein. Kann, wenn er den Vertrag mit seinem Verlag entsprechend gestaltet hat. Edward Elgar hatte das bei seinem kleinen Erfolgswerk „Salut d‟amour“ leider nicht getan. Für wenig Geld hatte der englische Komponist sein Stück 1888 an den Schott Verlag verkauft und gleichzeitig alle Rechte abgetreten. In zahlreichen Bearbeitungen erwies sich das Werk dann als echter Klassenschlager. Im Oktober 1897 schrieb Elgar an seinen englischen Verleger: „[Salut d‟amour], das ich leider vor ein paar Jahren für einen nominellen Betrag abgetreten habe, verkauft sich jetzt gut – ich habe erfahren, dass allein im Januar 3.000 Stück abgesetzt wurden“ Zum Erfolg hatte möglicherweise auch der französische Titel „Salut d‟amour“ beigetragen, den man Elgars „Liebesgruß“ zur Absatzförderung verpasst hatte. Ursprünglich hatte Elgar seinen „Liebesgruß“ für seine Schülerin Caroline Alice Roberts komponiert: Sie hatte Elgar ein Gedicht geschrieben und quasi als Gegengeschenk schrieb Elgar für Alice dann seinen „Liebesgruß“ und widmete ihn „Carice“, eine Mischung ihrer Vornamen. So sollte später auch die Tochter der beiden heißen: der Liebesgruß scheint also mit vielen Liebesgefühlen komponiert worden zu sein, denn im Jahr danach heiratete Elgar seine ehemalige Schülerin. „Salut d‟amour“ von Edward Elgar jetzt weder in der bekannten Violin - Klavier Fassung und auch nicht für Klavier solo: sondern für Cello und Orchester. Es spielt Sol Gabetta begleitet vom Dänischen Nationalsinfonieorchester geleitet von Mario Venzago. 1„52 3. Musik Edward Elgar Salut d‟amour <6> 3„02 Sol Gabetta, Cello Dänisches Nationalsinfonieorchester Mario Venzago, Ltg. Sony Music, 88697630812, LC 00316 5178 792 „Salut d‟amour“ von Edward Elgar: Cello spielte Sol Gabetta, es begleitete das Dänische Nationalsinfonieorchester unter der Leitung von Mario Venzago. Das nächste Lieblingsstück hier in der SWR 2 Musikstunde stammt von Claude Debussy: seine „Promenade sentimentale“ ist eines der berühmtesten Klavierstücke des französischen Komponisten. Sie kennen es nicht? Doch, ganz sicher, aber unter anderem Titel: Debussy hat sein ursprünglich „Promenade sentimentale“ betiteltes Stück dann nämlich in „Clair de lune“ umgetauft. Und ziemlich wahrscheinlich ließ sich eben Debussy auch von Paul Verlaines Gedicht „Clair de lune“ aus dessen Fêtes galantes inspirieren, ein Gedicht, das Debussy auch als Lied vertont hat. „So seltsam scheint mir deine Seele, wie ein Park, durch den ein Zug von Masken flimmert, doch Tanz und ihrer lauten Melodie verbirgt nur Schmerz, der durch die Masken schimmert“ so lautet die deutsche Übersetzung Stefan Zweigs von der ersten Strophe aus Verlaines Gedicht. Die „Bergamasques“ aus der zweiten Zeile waren es vielleicht auch, die dem ganzen Klavierzyklus zu seinem Namen „Suite bergamasque“ verhalf: bestehend aus insgesamt vier Stücken: Prélude, Menuet, Clair de lune und Passepied. Bereits 1890 hatte Debussy seine „Suite bergamasque“ geschrieben, ein frühes Werk also, das der Komponist dann erst 1905 in den Druck gegeben hat. „Clair de lune“: das sanfte, silberne Mondlicht von Debussy entlockt der französische Pianist Jean-Efflam Bavouzet den Tasten. 1„32 4. Musik Claude Debussy Clair de lune aus: Suite bergamasque 3. <4> 4„50 Jean-Efflam Bavouzet, Klavier Chandos, CHAN 10743, LC 7038 5188 023 Claude Debussy: „Clair de lune“ aus seiner „Suite bergamasque“ für Klavier. Es spielte Jean-Efflam Bavouzet. Erinnern Sie sich an Paul Potts? Das ist der übergewichtige Handyverkäufer mit den schiefen Zähnen aus einer englischen Talentshow: ob er wohl „Clair de lune“ auf dem Klavier gespielt hätte, wenn Klavierspielen sein Traum gewesen wäre, oder doch eher „River flows in you“ von Yiruma, das weiß ich nicht. Aber Tatsache ist: Paul Potts hat „Nessun dorma“ von Puccini gesungen. Und wurde damit über Nacht berühmt, obwohl die Stimme ja eigentlich eher mittelmäßig ist… Zugegeben: auch Luciano Pavarotti war nicht zimperlich, wenn es drum ging sich mit seinen Kollegen Plácido Domingo und José Carreras als „Die drei Tenöre“ in einem gut gefüllten Fussball Stadion in Szene zu setzen: aber wenn Pavarotti „Nessun dorma“ singt, dann, ja dann will man wirklich nicht schlafen… Aber die Arie des Kalaf ist ohnehin nur ein Highlight aus Giacomo Puccinis letzter Oper „Turandot“ über die grausame, chinesische Prinzessin, deren Herz am Ende doch erweicht wird. Bei der Premiere seiner Oper „Turandot“ am 25. April 1926: da war Puccini schon seit anderthalb Jahren tot. Und so legte Arturo Toscanini nach der Szene, als sich die Sklavin Liù selbst erdolcht hat, den Taktstock weg und sagte: „Hier endet das Werk des Meisters; danach starb er“. Die letzte Szene, in der Turandot sich wandelt und ihre Liebe zu Kalaf entdeckt, diese Szene hat der Komponist Franco Alfano nach Skizzen von Puccini vollendet. Aber zurück zum Anfang: Die chinesische Prinzessin Turandot lässt verkünden, dass sie denjenigen heiraten werde, der drei Rätsel löse. Die Kandidaten, die dazu nicht im Stande seien, würden enthauptet. Trotz ihrer Grausamkeit ist Kalaf fasziniert von ihrer Schönheit. In ihrer berühmten Arie „In questa Reggia“ da versteht man endlich, woher die Härte und Kälte von Turandot kommt: denn sie erklärt, dass vor langer Zeit die Prinzessin Lou-Ling vergewaltigt und getötet wurde. Und diese Prinzessin will Turandot rächen: kein Mann soll sie selbst je besitzen! 2‟15 5. Musik Giacomo Puccini In questa Reggia aus: Turandot 2. <1> 6‟30 Joan Sutherland, Sopran - Luciano Pavarotti, Tenor London Philharmonic Orchestra Zubin Mehta, Ltg. Decca 414 274-2, LC 0171 5136 986 “In questa Reggia” aus Puccinis Turandot: stimmgewaltig gesungen von Joan Sutherland, gemeinsam mit dem John Alldis Choir und Luciano Pavarotti als Kalaf war am Ende auch schon zu hören. Zubin Mehta leitete das London Philharmonic Orchestra. Und Kalafs großer Auftritt steht jetzt gleich bevor: denn er löst die drei Rätsel von Turandot. Als diese völlig schockiert reagiert, macht Kalaf ihr einen Vorschlag: wenn sie bis zum Morgengrauen seinen Namen nennen könne, dann sei er bereit zu sterben. Turandot hat allen verboten zu schlafen und Kalaf ist sich sicher, dass er gewinnen wird: Nessun dorma! „Keiner schlafe! Auch du, o Prinzessin, in deiner kalten Kammer blickst nach den Sternen, die flimmern von Liebe und von Hoffnung!“ So beginnt die berühmte, leidenschaftliche Arie des Kalaf und am Ende wird nur sein Kuss das Schweigen beenden und er selbst wird Turandot seinen Namen sagen, da ist sich Kalaf sicher. Und so wird es sein: denn auch die Sklavin Liù, die Kalafs Namen kennt, wird ihn nicht verraten, weil sie ihn selbst liebt, lieber tötet sie sich. Hören wir Luciano Pavarotti mit „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper „Turandot“. 1‟14 6. Musik Giacomo Puccini Nessun dorma aus: Turandot 2. <6> 2„49 Joan Sutherland, Sopran Luciano Pavarotti, Tenor London Philharmonic Orchestra Zubin Mehta, Ltg. Decca 414 274-2, LC 0171 5136 986 Luciano Pavarotti mit „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper „Turandot“. Das London Philharmonic Orchestra wurde geleitet von Zubin Mehta. Wie das so oft bei Märchen ist: schließlich gibt‟s ein happy-end und Turandot und Kalaf liegen sich in den Armen. Auch der Zarensohn Gwidon bekommt am Ende die Prinzessin Schwanhilde zur Frau: und zwar in Rimsky-Korsakows Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“: uraufgeführt im Jahr 1900, das Libretto beruht auf einer Versballade von Alexander Puschkin. Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum ich Ihnen in der SWR 2 Musikstunde über „Lieblingsstücke“ etwas zu dieser Oper von Rimsky-Korsakow erzähle, die in unseren Breitengraden ja nun wahrlich eher wenig bekannt ist. Wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass der Prinz zeitweise in ein Insekt verwandelt wird, dann könnte Sie das beim Rätselraten auf die richtige Fährte locken. Und es ist auch weniger die Oper selbst, die weltberühmt wurde, als vielmehr eines der instrumentalen Zwischenspiele. Ich spanne Sie nicht länger auf die Folter: zwischen der ersten und zweiten Szene des dritten Aktes fliegt ein ziemlicher Brummer über die Bühne: eine Hummel. Die Hummel ist der verwandelte Zarensohn Gwidon, der zum Schiff seines Vaters fliegen möchte. Die Schwanenprinzessin hat ihn in das Insekt verzaubert, nachdem er sie vor den Klauen eines Raubvogels gerettet hat. 1‟20 7. Musik Nikolai Rimsky-Korsakow Hummelflug aus: Tsar Zaltan <8> 1„15 Philharmonia Orchestra Vladimir Ashkenazy, Ltg. Decca, 417 301-2, LC 0171 5000 982 Der Hummelflug in der originalen Orchesterfassung: Vladimir Ashkenazy stand am Pult des Philharmonia Orchestra. Die Hummel fliegt zwar schnell, aber muss nicht wie wahnsinnig durch die Gegend flitzen, so wie das verschiedene Geiger bei der Bearbeitung des Hummelflugs für ihr Instrument immer mal wieder versucht haben. Auch auf einer Riesentuba wurden da übrigens schon Rekorde gebrochen… Aber ob jetzt knapp unter einer Minute oder doch etwas über eine Minute: der Hummelflug bleibt ein winziges Teilchen der Oper von Rimsky-Korsakow. Wenngleich die dramaturgische Funktion des Brummers nicht ganz unwichtig ist: denn die Hummel sticht die bösen Schwestern, die dem Zaren einreden wollen, nicht die sagenumwobene Stadt Gwidons mit ihren Wundern zu besuchen. Die Hummel wird gejagt, entkommt aber und der Zar reist der wundersamen Stadt entgegen. Dort trifft er auf seinen Sohn Gwidon und seine Frau, die er einst durch die Lügen der bösen Schwestern verstoßen hatte. Reumütig schließt er sie in die Arme. Und Gwidon, der bekommt am Ende die entzauberte Schwanenprinzessin, die er vor dem Raubvogel rettete, die ihm sein Reich entstehen ließ und ihn in die Hummel verwandelte. Anna Netrebko: sie singt eine Arie der Schwanenprinzessin aus Rimsky-Korskows Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan.“ 1‟17 8. Musik Nikolai Rimsky-Korsakow Arie aus dem 4. Akt von „Das Märchen vom Zaren Saltan“ <4> 3‟27 Anna Netrebko, Sopran Orchester des Mariinsky Theater Valery Gergiev, Ltg. DG, 00289 477 6151, LC 0173 5139 459 Eine Arie aus Rimsky-Korsakows Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan.“ Gesungen von Anna Netrebko. Das Orchester des Mariinsky Theaters spielte unter der Leitung von Valery Gergiev. Den Hummelflug für Klavier bearbeitet hat ja übrigens Sergej Rachmaninow: es gibt sogar noch eine Aufnahme mit ihm selbst am Klavier. Rachmaninow war ja ein hervorragender Pianist. Und so blieb es auch nicht aus, dass er sein Erfolgsstück schlechthin, sein Prélude in cis-moll op. 3 Nr. 2, auf Bitten des Publikums immer und immer wieder im Konzert spielen musste. 1892 komponierte Rachmaninow sein berühmtes cis-moll Prélude mit den wuchtigen Akkorden am Anfang und veröffentlichte es mit vier weiteren Stücken in der Sammlung „Morceaux de Fantaisie“. In die Welt getragen hat es Rachmaninows ehemaliger Lehrer Alexander Siloti auf einer Konzerttournee im Jahr 1898: und seitdem war Rachmaninow mit seinem Prélude in aller Munde. Dieser Erfolg hat ihn so inspiriert, dass er noch eine Reihe von Préludes durch alle Tonarten schrieb. Aber es nutzte nichts: das cismoll musste es einfach immer wieder sein. Rachmaninow scheint es einigermaßen gelassen genommen zu haben. Amerikanische Freunde jedenfalls berichten von den Zugaben bei einem Konzert in Philadelphia im Jahr 1933 folgendes: „Nachdem er seine Humoreske und die ‚Gänseblümchen„ als Zugabe gespielt hatte, wollte der Applaus nicht nachlassen. Er trat wieder heraus, setzte sich ans Klavier und betrachtete nachdenklich die Tasten. Dann drehte er sich zum Publikum und machte eine ratlose Geste mit seinen Händen, als wollte er sagen: ‚Ich glaube, mir fällt nichts mehr ein.„ Diese Szene war so bezaubernd, so menschlich, so intim nach dem rauschenden Konzert zuvor, dass die Leute ganz aus dem Häuschen waren. Eine Stimme rief: ‚cis-moll!„ Rachmaninow lächelte, nickte und spielte das Prélude.“ 1‟55 9. Musik Sergej Rachmaninow Prelude op. 3 Nr. 2 <1> 5‟03 Alexis Weissenberg, Klavier GD 60568, LC 0316 5015 148 Ruhm gebracht hat es Rachmaninow und ihn gleichzeitig verfolgt: sein cis-moll Prélude op. 3 Nr. 2. Es spielte Alexis Weissenberg. Und ausgerechnet in cis-moll steht auch noch ein anderer „Klassiker“ von Rachmaninow: seine Vocalise. Ursprünglich übrigens in es-moll komponiert, aber die gefeierte russische Opernsängerin Antonina Neschdanowa, für die Rachmaninow dieses „Lied ohne Worte“ schrieb und der es auch gewidmet ist, sie ging das Werk mit dem Komponisten ganz genau durch. Und vermutlich bat sie ihn, es um einen Ganzton nach unten zu transponieren: und damit gab‟s dann noch einen cis-moll Erfolgsschlager von Rachmaninow. Im Januar 1916 sang Neschdanowa Rachmaninows Vocalise zum ersten Mal öffentlich: mit Orchester und am Pult stand Serge Koussevitzky. Der hatte bereits im Dezember des Vorjahres für eine kleine Vor-Aufführung von Rachmaninows Vocalise gesorgt und zwar in einer Fassung für Kontrabass und Orchester, bei der Koussevitzky höchst persönlich in die Kontrabasssaiten griff. Ja und Rachmaninow, der scheint gegen Bearbeitungen seines Liedes ohne Worte rein gar nichts gehabt zu haben. An den Cellisten und Dirigenten Modest Altschuler schrieb er 1918: „Am besten hat mir Deine Idee gefallen, die ‚Vocalise„ im Stile des Air von Bach zu interpretieren. Das stimmt, und ich habe auch schon daran gedacht. Man müsste die Melodie von einigen Geigern im Unisono spielen lassen. […].“ Zahlreiche Transkriptionen gibt es von Rachmaninows Vocalise. Hier ist die originale Fassung für Sopran und Klavier. 1„30 10. Musik Sergej Rachmaninow Vocalise aus: Vierzehn Lieder op. 34, 3. <14> 3‟37 Ekaterina Siurina, Sopran Iain Burnside, Klavier Delphian, DCD34127 Vocalise aus den vierzehn Lieder op. 34 von Sergej Rachmaninow. Es sang Ekaterina Siurina, am Klavier begleitete Iain Burnside. Und damit sind wir am Ende dieser SWR 2 Musikstundenwoche über Lieblingsstücke der klassischen Musik. Ich hoffe, Sie haben den ein oder anderen „klassischen Hit“ neu für sich entdecken können! Mein Name ist: Susanne Herzog. Danke für‟s Zuhören und bis zum nächsten Mal.