heimat ist ein gefühl, das man empfindet

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Konzert
: Interview
„Heimat ist ein Gefühl,
das man empfindet“
Interview mit der Pianistin Olga Scheps,
Solistin beim 8. Philharmonischen Konzert
Sie ist im Gespräch offen und direkt, und
ihr Klavierspiel fasziniert durch ihren klaren
und schlanken Ton: Die junge deutsch-russische
Pianistin Olga Scheps ist mit ihren hochgelobten
Aufnahmen der Werke Chopins und Rachmaninows, aber auch mit ihrem Schubert-Album
schnell in die erste Riege der Klaviersolisten
aufgestiegen. Im 8. Philharmonischen Konzert
„Heimat, dringend gesucht“ spielt sie das Zweite
Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow und hat
mit uns vorab über den Komponisten, ihre Liebe
zur Musik und über ihre Heimat gesprochen.
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Frau Scheps, wo ist denn Ihre Heimat?
Olga Scheps: Ich bin in Russland geboren, aber in Deutschland aufgewachsen. Heute ist
meine Heimat in Köln, hier komme ich nach Hause,
hier kann ich mich erholen. Heimat ist für mich ein
Gefühl, das man empfindet, und das nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist.
Wie ist das auf einer langen Konzerttournee?
Fehlt Ihnen da das Gefühl, zu Hause zu sein?
Zurzeit gebe ich 60 bis 70 Konzerte im Jahr
und spiele in verschiedensten Konzertsälen und
Interview
wohne in unterschiedlichsten Hotels. Unterwegs
sind dann die Bühnen mein Zuhause, die Zuhörer
meine Gäste und nicht selten werden die vielen
inspirierenden und interessanten Menschen, denen ich begegne, auch zu meinen Freunden.
Im Januar war ich mit dem Amadeus Chamber Orchestra unterwegs, und wenn man mit einem Orchester auf Tournee ist, wird man mit den
Kollegen auch vertrauter, sowohl musikalisch als
auch menschlich.
Aus all dem entwickelt sich ein Heimatgefühl, das es mir erst ermöglicht, mich auf der Bühne
wie unter Vertrauten, ja sogar wie unter Freunden
zu öffnen. Ohne diese emotionale Geborgenheit
fehlt der Mut, uns der Musik hinzugeben.
Es scheint mir so, dass Musik, und speziell das
Klavier, in Russland eine viel größere Bedeutung hat
als in Deutschland. Wie empfinden Sie das?
Es gibt eine tief verwurzelte Tradition mit
vielen Wettbewerben, und die weltbesten Professoren kommen aus Russland. Demzufolge kommen auch viele der berühmten Pianisten aus der
russischen Klavierschule. Man fängt bereits mit
vier oder fünf Jahren an zu spielen, während dies
in anderen Ländern oft erst in einem späteren Alter geschieht. Mir wurde früh vermittelt, dass Fleiß
grundlegend für späteren Erfolg ist, und ich hatte
das Glück darüber zu erkennen, dass Klavierspielen
mir liegt und vor allem unheimlich Spaß macht.
Sie sind die Tochter zweier Pianisten. War
es selbstverständlich, dass auch Sie einmal Klavier
spielen?
Die Leidenschaft für Musik hat meine Eltern
zusammengeführt. Meine Mutter ist Klavierlehrerin
für kleine Kinder, mein Vater ist Professor für Klavier. Aber Solistin sein ist etwas ganz Anderes, und
meine Eltern unterstützen mich auf meinem Weg.
: Konzert
Zeit nehmen, um sich zu bedanken und Erfolg zu
wünschen, sind eine wichtige Unterstützung. Gerade nach einem Konzert, in dem ich alles gegeben
habe, schöpfe ich daraus sehr viel Kraft.
In Nürnberg werden wir Sie mit Rachmaninow
erleben. Haben Sie durch Ihre Wurzeln eine besonders enge Beziehung zu diesem Komponisten?
Ich liebe die Musik von Rachmaninow sehr,
denn er ist ein großartiger und einer der bekanntesten russischen Komponisten. Das liegt nicht an
meiner Herkunft. Zum Glück gibt es ja auch viele
Nicht-Russen, die Rachmaninow auch sehr lieben.
Wenn man wie ich in einer multikulturellen Gesellschaft aufgewachsen ist und sehr tolerant erzogen
wurde, hat Musik keine nationalen Merkmale und
man findet unabhängig davon einen eigenen Zugang. Es ist zweifelsohne wichtig, zu wissen, wie
ein Komponist gelebt hat, um seine Musik besser
verstehen zu können, aber erst mit dem Herzen
kann man die Musik als Ganzes erfassen.
Das Gespräch führte Kai Weßler
4 JULI PREMIERE, 20 UHR
BOSCH, MEYER, TESCHE, LITZINGER
STUTTGARTER CHORISTEN
STUTTGARTER PHILHARMONIKER
Dieser Weg als Solistin ist heute schwerer
denn je. Hatten Sie Unterstützer außer Ihren Eltern?
Ja, es gab diverse. Vor ein paar Jahren spielte ich mit Marcus Bosch „Oiseaux exotiques“ von
Olivier Messiaen in Aachen. Das war für mich ein
ganz wichtiges Konzert. Normalerweise wird man
als junge Künstlerin für ein Orchesterkonzert nur
eingeladen, wenn man einen Wettbewerb gewonnen hat, aber Marcus Bosch hat einfach Vertrauen
zu mir gehabt. Sie können sich sicherlich vorstellen, was das für mich bedeutet hat. Auch die zahlreichen Zuhörer, die sich nach den Konzerten die
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