13_Aidshilfe:08_Aids 16.07.2009 14:21 Uhr Seite 7 DIAGNOSE. HIV verändert das Leben eines jeden beträchtlich. F Foto: Bernd-Boscolo/pixelio.de rau H. ist 38 Jahre. Seit 5 Jahren weiß sie von ihrer HIV-Infektion. Ihr Immunsystem ist relativ stabil. Die Anzahl ihrer Helferzellen befindet sich im Normbereich. Und doch ist sie seit einigen Tagen unruhig und schläft schlecht. Übermorgen ist ihr Kontrolltermin. Wird auch dieses Mal wieder alles im „grünen" Bereich sein? Sie will sich nicht vorstellen, dass dies so ihr ganzes Leben weitergehen wird. Jede körperliche Veränderung, mag sie sich auch im Nachhinein als harmlos, als nur vorübergehende oder einfach altersbedingte Veränderung herausstellen, sorgt zumindest für Ungewissheit, wenn nicht für Angst. Sind dies die ersten Anzeichen für die Zerstörung ihres Immunsystems, für den Ausbruch von AIDS-Erkrankungen? Fortschritt. Die medizinische Behandlung von HIV hat in den letzten 15 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Es bestehen berechtigte Hoffnungen, dass durch verbesserte medikamentöse Behandlung die weltweite Epidemie eingedämmt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine HIV-positive Mutter die Infektion während der Schwangerschaft oder Geburt auf das Kind überträgt, sinkt von rund 30% auf zirka 1 %, wenn HIV positive Frauen während der Schwangerschaft antivirale Medikamente nehmen und sie nach der Entbindung (bevorzugt: Kaiserschnitt) auf das Stillen verzichten. Sexuell aktive HIV-positive Personen unter guter Therapie sind weniger infektiös. Vorausgesetzt, sie nehmen die Medikamente exakt ein und gehen regelmäßig zur Kontrolle. Allerdings. Wir wissen noch lange nicht alles über HIV und seine Wirkung im Körper und verfügen noch über keine Erkenntnisse, was die Langzeitnebenwirkungen der HIVMedikamente betrifft. Viele Daten deuten darauf hin, dass „Alters-erkrankungen“ wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Knochen- und Organprobleme, Alzheimer, Krebs durch eine HIV-Infektion noch einmal verstärkt werden. Der medizinische Blick auf die Krankheit ist eine Betrachtungsweise, der Blick auf den einzelnen Menschen eine andere. In den meisten Fällen erfolgt eine HIV-Infektion über ungeschützten Sex. Das hat viel mehr Verwicklungen und soziale Auswirkungen zur Folge, als jede Krebs- und jede Zuckererkrankung. Die Mitteilung: „Sie sind HIVpositiv, Sie haben in ihrem Körper dieses Aids HIV-positiv – keine „normale“ Erkrankung Eine Erkrankung mit vielschichtigen sozialen Auswirkungen verursachende Virus“ löst im Beziehungsgefüge, in dem sich der Einzelne bewegt, eine Dynamik aus, die mit kaum einer anderen Erkrankung vergleichbar ist. Es spielt eine Rolle, in welchem Lebensabschnitt, in welchem Alter sich jemand infiziert. Gibt es ein stabiles Beziehungsnetz, wird die HIV-Infektion möglicherweise eine eher untergeordnete Rolle spielen. Mit Tabletten nehmen allein, ist das Problem jedoch in keinem Fall gelöst. Partnerschaft. Für Frau H. ist das Thema Beziehung – zumindest im Moment - auf Eis gelegt. Der letzte Mann hat sich, kurz nachdem sie ihm von ihrer Infektion erzählt hat, verabschiedet. Er käme mit seinen Ängsten nicht klar. Frau H. konnte dies durchaus verstehen. Die Zurückweisung war trotzdem sehr schmerzhaft. Sie macht sie auch nicht gerade mutiger für die Zukunft. Frau H. kann zu niemandem von ihrer Infektion sprechen. Im Job. Noch immer gibt es wenig gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit einer HIV-Infektion oder AIDS-Erkrankung. In der Studie „Die Österreicher/innen. Wertewandel 1990 – 2008“ gaben 27% der Befragten an, dass sie nicht neben einem AIDS-Kranken wohnen möchten. HIV-Betroffenen wird, wie man sieht, nach wie vor nicht vorurteilsfrei begegnet. Damit in ihrem Arbeitsumfeld mög- lichst keine Fragen bezüglich ihres Gesundheitszustandes auftauchen, nimmt sich Frau H. für ihre vierteljährlichen Kontrollen im Krankenhaus immer Urlaub. Manchmal beschäftigt sie die Frage, wie sie es bewerkstelligen wird, dass niemand mitbekommt, wenn sie später einmal regelmäßig HIV-Medikamente einnehmen muss. Erfährt der Arbeitgeber von der HIV-Infektion eines Mitarbeiters/ einer Mitarbeiterin – so die Erfahrungen der AIDS-Hilfen – folgt mit großer Wahrscheinlichkeit die Kündigung, auch wenn als Grund etwas anderes angegeben wird. Das Gefühl, die HIV-Diagnose verschweigen zu müssen, bestimmt nach wie vor die psychische Befindlichkeit vieler Menschen mit HIV maßgeblich. Alltag. Wir alle sind dazu aufgerufen, HIV-positive Menschen in ihrer Situation und Problematik wahrzunehmen. Zu sehen, was der Veränderung bedarf und Unterstützung anzubieten, wo diese vonnöten ist, das ist den AIDS-Hilfen ein Anliegen in ihrer täglichen Arbeit mit Betroffenen. Es scheint noch ein langer Weg zu sein, bis der Wandel, den die HIV-Infektion seit ihrem erstmaligen Auftreten bis heute vollzogen hat, HIV Betroffenen in Form von gesellschaftlicher Toleranz zugute kommt. I AIDSHILFE OBERÖSTERREICH, Blütenstraße 15/2, 4040 Linz, Tel.: 0732/2170, www.aidshilfe-ooe.at. Anonyme und kostenlose Beratung und Testung von HIV (Aids) und Hepatitis B sowie Hepatitis C und Syphilis: Mo 14 – 18 Uhr, Mi 16 – 20 Uhr, Fr 10 – 14 Uhr 13