INFORMATIONEN ZUM Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main Die GroSSmarkthalle Architektur, Entstehung und Sanierung 2|3 DIE GROSSMARKTHALLE Architektur, Entstehung und Sanierung 4 6 ARCHITEKTUR KONSTRUKTION Die Großmarkthalle – Architektur und Entstehung Tragwerk und Materialwahl Zum Inhalt Die 1926 bis 1928 nach den Plänen des damaligen Stadtbaudirektors Martin Elsaesser errichtete Frankfurter Großmarkthalle gilt als Meisterwerk der Architektur der klassischen Moderne. Und so einfach es ist, ihren bau­ künstlerischen Wer t festzustellen, so groß stellt sich die Herausforderung dar, sie als Denkmal zu erhalten. Anfang der 1990er Jahre hatte sich die Stadt Frankfurt aus verschiede­ nen Gründen gegen eine Sanierung der in die Jahre gekommenen Großmarkthalle und für den Umzug des Marktes entschieden. Doch wie sollte diese gewaltige Halle, die über eine Grundfläche von 50 x 220 m verfügt und mit einer Höhe von fast 24 m auf eine konstante Kühlung ausgelegt ist, weitergenutzt werden, wenn nicht als Markt? Als 2001 die Wahl der Europäischen Zentral­ bank (EZB) auf die Großmarkthalle als Standort für ihren neuen Sitz fiel, war damit die Erhal­ tung des Gebäudes gesicher t: Gleich zu Beginn­ verpflichtete sich die EZB, das grund­ legende Erscheinungsbild der Großmarkthalle zu erhalten. Im Jahr 2002 wurde daher ein ­internationaler Architekturwettbewerb ausge­ lobt, der 2005 mit der Entscheidung für den Entwurf des Wiener Architekturbüros COOP HIMMELB(L)AU abgeschlossen wurde. Zur Aufgabenstellung gehör te, dass die Groß­ markthalle als integraler Bestandteil des neuen Sitzes der EZB gestalterisch eingeplant werden sollte. Der Siegerentwurf sieht den Bau eines kristallinen Hochhauses in Form eines Doppel- 10 14 SANIERUNG GESCHICHTE Instandsetzung und Restaurierung Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und neue Nutzung der Großmarkthalle Büroturms vor, der über ein Eingangsbauwerk mit der Großmarkthalle verbunden wird, das gleichzeitig den Haupteingang zur EZB nach Norden markiert. Das Volumen der Groß­ markthalle wird mit dem Einstellen von neuen Baukörpern nach dem „Haus-im-Haus“-Prinzip nutzbar gemacht und nimmt die öffentlichsten Funktionen der EZB auf. Die Umnutzung von einem Industrie- und Versorgungsbau zu einer öffentlichen Institu­ tion mit unterschiedlichen Funktionen erfordert auch bauliche Eingriffe, die höchster Sorgfalt bedürfen. Alle Festsetzungen und Entwurfsent­ wicklungen wurden vom Konzept bis ins Detail während der gesamten Zeit eng mit der Stadt Frankfurt und den Denkmalschutzbehörden abgestimmt, wobei stets die Ergebnisse der ­intensiven Untersuchungen des Bestandes einflossen. Nach der Veröffentlichung der Wettbe­ werbsergebnisse und während der Planungs­ phase und dem Rückbau umliegender Gebäude durch die Stadt Frankfurt entstand eine inten­ sive Debatte darüber, wie sehr die Halle nun verändert werden durfte, konnte und musste, um sie als Denkmal in ihrem grundlegenden Erscheinungsbild zu erhalten. So wurden der Rückbau der Annexbauten, die Erhaltung der Betonrasterfassade und die Durchdringung der Halle durch das Eingangsbauwerk kontro­ vers diskutiert. Der vorliegende Entwurf für den EZBNeubau wird die ehemalige Großmarkthalle in ihrem grundlegenden Erscheinungsbild erhal­ ten. Die vorhandene Bausubstanz wird dabei sorgfältig instand gesetzt und mit aller denkmal­ pflegerischen Sorgfalt im Sinne ihrer ursprüng­ lichen Gestaltung in den originalen Bereichen wiederhergestellt. Zugleich wird den Anforde­ rungen der neuen Nutzung entsprochen und der Haupteingang zur EZB klar lesbar ausge­ bildet. Die sichtbare Verbindung von Alt und Neu, von moderner und historischer Architek­ tur, führt zu einem neuen Gesamtensemble, das einen wichtigen architektonischen Beitrag zu Europa darstellt. Der nachfolgende Text erläutert die Ent­ stehung der Großmarkthalle, ihre Architektur sowie die durchgeführten Untersuchungen und notwendigen Sanierungsmaßnahmen. In einem weiteren Informationsheft werden die unterschiedlichen Aspekte des Entwurfs für den EZB-Neubau aufgeführt. Ausführliche Informationen über das EZBNeubauprojekt sowie das Informationsheft­ als PDF sind auf der EZB-Website unter www.ecb.europa.eu/neubau abrufbar. 4|5 ARCHITEKTUR 1 2 Die Großmarkthalle – Architektur und Entstehung 1 Ein Blick in die Verkaufs­halle vermittelt einen ­Eindruck der Dimension der ­ Halle, ­in der ­Großhändler fast 80 Jahre lang Obst und Gemüse verkauften. 2&4 Erstmals in ihrer ­Geschichte steht die Großmarkthalle frei von umliegenden Neben­ gebäuden, sodass ihr charakteristi­ sches Erscheinungsbild im Stadt­ bild deutlich hervortritt und die handwerkliche Ausführung, die ihr bei aller Monumentalität eine menschliche Maßstäblichkeit ­verleiht, ablesbar wird. Die Großmarkthalle wurde von 1926 bis 1928 nach Plänen von Martin Elsaesser (Stadtbaudirektor der Stadt Frankfurt am Main in den Jahren 1925 bis 1932) erbaut. Sie wurde für den Obst- und Gemüsegroß­ handel für Frankfurt und das gesamte Rhein-Main-Gebiet errichtet und dem­ entsprechend dimensioniert: Die Verkaufshalle ist 220 m lang, 50 m breit und bis zu 23,5 m hoch. Von 1928 bis 2004 wurde das Gebäude von den Städtischen Marktbetrieben als Groß­ markt genutzt. Im Jahr 2004 zog der Großmarkt in das neue Frischezentrum im Nordwesten Frankfurts. Seit 1972 ist die Großmarkthalle ausge­ wiesenes Kulturdenkmal, da sie als richtungs­ weisender Zweckbau der klassischen Moderne gilt und außerdem über eine zu ihrer Bauzeit neuartige Tragwerkskonstruktion verfügt. Zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung war sie die größte stützenfrei überspannte Eisenbetonhalle der Welt. 1991 beschloss die Stadt Frankfurt am Main den Verkauf der Großmarkthalle, um auf die geänderten Großmarkthandelsbedingungen zu reagieren und die dauerhafte Erhaltung des Gebäudes zu ermöglichen. Im Jahr 2001 entschied sich die Europäische Zentralbank – nach einer Machbarkeitsstudie zur Umnutzung der Halle und des ­Areals – das Gelände zu kaufen, um darauf ihren Neubau zu 3 Blick auf die Gesamt­ anlage der Großmarkthalle zu ­Zeiten des Marktbetriebs. Das Gelände liegt im Osten Frankfurts und ist von der Innenstadt aus zu Fuß in rund 15 Minuten zu errei­ chen. Auf dem Bild sieht man das von Bahngleisen, dem Main und der Sonnemannstraße umgebene Grund­­stück. In direkter Nachbar­ schaft entsteht eine Erinnerungs­ stätte zum Gedenken an die ­jüdischen Bürger Frankfurts, die während des Zweiten Weltkriegs von der Großmarkthalle aus ­deportiert wurden. 3 errichten. Die Großmarkthalle sollte dabei in ihrem grundlegenden Erscheinungsbild erhalten und in den Bau integriert werden. 2002 unterschrieben Vertreter der Stadt Frankfurt am Main und der EZB den Kauf­ vertrag. Seit Anfang 2005 befindet sich das Gelände im Besitz der EZB. Zur Sanierung­­ der Großmarkthalle bedurfte es zunächst ­einer Analyse ihrer aktuellen Substanz. Danach konnten die notwendigen Instandsetzungsmaß­ nahmen auf Grundlage der Bestandsanalyse entwickelt werden. Die Gesamtanlage der Großmarkthalle setzte sich ursprünglich aus folgenden Elemen­ ten zusammen: Die Großmarkthalle selbst bestand aus einer­ von zwei achtgeschossigen Kopfbauten eingerahmten Verkaufshalle. Im Kopfbau West waren die Büroräume der Marktbetriebe und die Marktkasse untergebracht, im Kopfbau Ost befanden sich im ersten Obergeschoss weitere Verkaufsstände und darüber Kühlräume. An die Kopfbauten gliederten sich die zwei viergeschossigen Annexgebäude an, in denen Gaststätten, Wohnungen und die Zollabferti­ gung untergebracht waren. Der Halle waren im Süden umfangreiche Gleisanlagen vorgelagert, da zur Bauzeit und während der Nutzung der Halle der Großteil der Transporte − besonders der Südfrüchte − über die Schiene abgewickelt wurde. 4 lich von den US-amerikanischen Streitkräften genutzt wurden. Der Wiederaufbau der Groß­ markthalle konnte 1954 abgeschlossen werden. In Abstimmung mit den Denkmalschutz­ behörden wird die Großmarkthalle – ein­ schließlich der beiden Kopfbauten – nach der Instand­setzung in ihrem grundlegenden Erschei­ nungsbild erhalten bleiben: Die Verkaufshalle Zwischen Mainufer und Groß­ In Abstimmung mit den Denkmalschutz­ markthalle wurden zeitgleich mit behörden wird die Großmarkthalle in dem Bau der Großmarkt­halle noch zwei weitere Gebäude errichtet: ­ihrem grundlegenden Erscheinungsbild die sogenannte Importhalle, die erhalten bleiben. vor allem für die Einfuhr von Süd­ früchten genutzt wurde, und ein und die zwei Kopfbauten der Großmarkthalle Gebäude für die Küchenbetriebe der Stadt werden sorgfältig restauriert; dies schließt den Frankfurt. Später entstanden noch weitere Hallen auf dem Gelände – so z. B . die soge­ Rückbau von vormaligen Umbauten mit ein. nannten Hallenhütten im Norden des Grund­ Im Zuge der Sanierung werden außerdem ver­ lorene bauzeitliche Qualitäten wiederhergestellt, stücks, in denen der Verkauf nach Ende des d. h. Oberflächen und Farben werden wieder Zweiten Weltkriegs fortgesetzt wurde, als die so angelegt wie ursprünglich 1928 ausgeführt; die Großmarkthalle selbst zu einem Drittel zerstört war und ihre unbeschädigten Teile hauptsäch­ Materialen werden entsprechend ausgewählt. KONSTRUKTION 6|7 1 Tragwerk Das Tragwerk machte die Großmarkthalle zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung zur größten stützenfreien Eisenbetonhalle der Welt. Eisenbeton, heute als Stahlbeton bekannt, ist eine Verbundkonstruktion. Sie besteht einerseits aus Stahlstäben, die den Zug aufnehmen, und andererseits aus Beton, der diese Stahlstäbe umschließt, vor Rost schützt und den Druck aufnimmt. Die Tonnenschalen waren in ihrem jeweiligen Scheitel lediglich rund 7,5 cm dünn. Diese schlanken Querschnitte wurden durch das Zeiss-Dywidag-System möglich, das von Walter Bauersfeld mit den Ingenieuren Mergler, ­Dischinger und Finsterwalder erstmals für die sphärische Kuppel eines Planetariums in Jena entwickelt worden war : Die dünnen Quer­ schnitte, die zu einer sehr leichten Konstruk­ tion führten, ermöglichten es 1924, die Kuppel in Jena auf einem bereits vorhandenen Dach zu errichten. Durch die Anwendung des Zeiss-DywidagSystems für die Dachkonstruktion der Groß­ markthalle gelang es, die Hallenfläche mit ver­ gleichsweise geringem Materialaufwand durch eine leichte und elegant wirkende Eisenbeton­ konstruktion stützenlos zu überspannen. Zum Zeitpunkt der Planung war der Einsatz von Stahlbeton für eine räumliche Lastab­ tragung eine neuartige Bauweise. Stahlbeton ermöglicht im Allgemeinen ökonomische Trag­ werke mit geringen Querschnitten. Die Stahl­ betonkonstruktion muss nicht durch zusätzliche­ Maßnahmen gegen Feuer geschützt werden, wie dies bei Holz und Stahl erforderlich ist. Darüber hinaus haben Eisenbe­ tonkonstruktionen einen geringe­ Stahlbeton ermöglicht im Allgemeinen ren Wartungsbedarf als Konstruk­ tionen aus Holz und Stahl. ökonomische Tragwerke mit geringen Im Zuge der Planung für die Querschnitten. Großmarkthalle hatte die Stadt Frankfur t am Main einen Wett­ Für die Realisierung des Tragwerks der bewerb zur Fertigung der Halle als Eisenbeton-, Stahl- oder Holzkonstruktion ausgeschrieben. Großmarkthalle waren drei Entwicklungen im Eisenbetonbau wichtig: Ziel war es, die Halle möglichst kostengünstig Erstens die Weiterentwicklung der Scha­ und effizient zu bauen. Wett­­bewerbssieger war das Bauunternehmen ­Dyckerhoff & Wid­ lungstechnik sowie die Erforschung von Beton mann, das eine Eisenbetonkonstruktion vor­ als Verbundbaustoff. Durch die neue Scha­ schlug: die Verkaufshalle sollte als Flächentrag­ lungstechnik (Zeiss-Dywidag-System) konnte garantiert werden, dass das zu errichtende werk mit 15 Tonnenschalen­dächern stützenfrei in der Systembauweise „Zeiss-Dywidag“ über­ Tragwerk genau den zuvor gezeichneten Plänen entsprach. Die Schalung musste das Verbiegen dacht werden. des Betontragwerks vor dem Erhärten sowie Die Tonnenschalen wirkten als räumliches beim Ausschalen und somit das Einwirken Tragwerk nicht nur in eine, sondern – im unvor­hergesehener Kräfte auf das Tragwerk ­Gegensatz zu einer Holzbalkendecke – in zwei verhindern. Richtungen lastabtragend. Die Spannweite der Zweitens hatte sich auch die Fertigungs­ Tonnenschalendächer betrug in der Längs­ technik, das sogenannte Torkret-Verfahren, richtung rund 43 m und in der Querrichtung weiterentwickelt. Dadurch konnte man den etwa 15 m pro Tonnenschale. 2 3 4 1 Im Westkopfbau (­ links im Bild) waren die Marktkasse ­sowie die Büros der Markt­be­triebe und der Großhändler unter­gebracht. Die westlichen ­Tonnenschalen des Hallendachs, die im Zweiten Welt­ krieg zerstört worden waren, ­erhielten beim Wiederaufbau Oberlichter. 2– 4 Wie bei vielen Industriebauten der Moderne ist auch bei der Großmarkthalle die Tragkonstruktion klar ablesbar: ­ die sich leicht über den Fassaden­ abschluss der Halle erhebenden ­Tonnenschalen, die ausgefachten Schrägstützen und die Beton­ rasterfassade. KONSTRUKTION 8|9 Betontonnenschale Endscheibe Fassade Hallenstütze Vorbau 1 sehr flüssigen Beton, der mit der Zeit erhärte­ te, mittels Druckluft auf die Schalung aufbringen. Drittens waren die Theorieverfahren so weit entwickelt, dass man Berechnungen darüber anstellen konnte, welche Kräfte das Tragwerk beanspruchen und welche Bedingungen sich daraus für die Dimensionierung des Tragwerks ergeben. Aufgrund der Tatsache, dass man beim Bau der Großmarkthalle in vielen bau­ technischen Bereichen Neuland betrat, wurden die Berechnungen und Planungen zusätzlich an einem Modell überprüft. Dies geschah an einem Nachbau eines Hallenabschnitts im Maßstab 1:3, der den realen Belastungen aus­ gesetzt wurde. Die Versuche zeigten, dass die Tonnen standhielten. Die Tonnenschalen wurden in der Längs­ richtung durch Hohlkastenträger verstärkt, die wie Randträger wirkten. An den Enden dieser Träger wurden die Lasten auch mittels der Binder­scheiben im Norden und Süden in die schräg stehenden Stützen geleitet. Die Stützen wurden im Keller in Einzelfundamente einge­ spannt. Die Kopfbauten und die Fassaden der Großmarkthalle nahmen die auftretenden ­Horizontalkräfte, wie z. B. Windkräfte, auf. 2 Materialwahl Martin Elsaesser verwendete beim Bau der Großmarkthalle wenige ausgesuchte Materialien und achtete auf deren Farbigkeit. Die äußeren Betonoberflächen wurden somit als grauer Sichtbeton belassen, die gebrannten Klinker erschienen in ihrem natürlichem Rotbraun und die Stahlrahmen der Hallenfenster waren in einem warmen Schwarz gehalten. Die Betonoberflächen und die Ausfachun­ gen der Stützen im Halleninneren wurden mit einem eierschalenfarbenen Kalkanstrich verse­ hen, der farblich die rotbraunen Klinker der ­Innenfassaden der Kopfbauten ergänzte. Martin Elsaesser betonte die Horizontalität der Großmarkthalle, indem er bei seiner Pla­ nung und deren Realisierung auch die Fugen­ gestaltung zwischen den Klinkern berücksich­ tigte: So sind die horizontalen Fugen im Schnitt 2,8 cm breit und mit hellem Mörtel verfugt. Die vertikalen Fugen zwischen den Klinkern sind nur rund 1 cm stark und rot, sodass sie sich kaum von den rotbraunen Klinkern abheben. Die Höhe der Halle beträgt bis zu 23,5 m (im Scheitel der Tonnenschalen). Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen sollten mit dieser Höhe ausgewogene Proportionen (in Bezug auf die Gesamtlänge der Halle) erzielt werden, zum anderen wollte man damit auch die Be­ deutung des Großmarkts im Stadtbild unter­ streichen. „Obst und Gemüse für alle“ − dies sollte auch in der Architektur des Industrie­ bauwerks repräsentativ zum Ausdruck ge­ bracht werden. Zudem diente die Hallenhöhe der natürlichen Klimatisierung, da warme Luft nach oben stieg und dadurch die kühlere Nacht- und Main-Luft durch geöffnete Türen und Tore nachziehen konnte. Somit blieb das Obst und Gemüse in der Halle frisch. 3 5 4 7 1 Systemskizze des Hallen­ tragwerks der Großmarkthalle 2 & 3 Die Betonoberflächen im Inneren der Halle werden ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechend restauriert und ­er­halten wieder einen eierschalen­ farbenen Anstrich; dieser wurde anhand von Musterflächen bestimmt. 4 Die restauratorischen Untersuchungen legten die Origi­ nalgestaltung der Oberflächen im Inneren der Kopfbauten frei, die – soweit vorhanden – bei der ­Sanierung wiederhergestellt wird. 6 5 & 6 In Ergänzung zu den hellen Beton- und Putzoberflächen sowie den rotbraunen Backsteinen waren die Fensterrahmen in einem warmen Anthrazit-Schwarz ­gehalten. Martin Elsaesser hatte die ­Materialien in diesen Farben ganz bewusst ausgewählt. 7 Unter den Putzflächen im Foyer des Westkopfbaus wurde die ursprüng­liche, expressive Klinker­ ausgestaltung des Eingangsbereichs freigelegt. Diese wird im Zuge der Sanierung wiederhergestellt. 10 | 11 SANIERUNG 1 2 Instandsetzung und Restaurierung 1 & 2 Für die konstruktive Instandsetzung zahlreicher Stützen und weiterer Trag­ werkselemente ist eine Beton­ sanierung notwendig. Dafür muss der bestehende Beton abgeschlagen, der darunter ­liegende Stahl behandelt und abschließend mit einer neuen Betonüberdeckung versehen werden. Für den Erhalt der Standsicherheit der Großmarkthalle ist eine grundhafte Instandsetzung und Restaurierung der derzei­ tigen Bausubstanz zwingend erforderlich. So kann der jahrzehntelange Instand­ haltungs­rückstau aufgeholt werden. Um ein Konzept für die Instandsetzung auf­ stellen zu können, haben Restauratoren und Tragwerksplaner (Ingenieure) die Großmarkt­ halle von 2005 bis 2007 intensiv untersucht und beprobt. Während der Ingenieur prüfte, inwiefern das Tragwerk saniert werden muss, und dabei einen möglichst behutsamen Umgang­ mit dem Bestand anstrebte, suchte der Restau­ rator nach originalen Oberflächen und unter­ suchte deren Beschaffenheit. Dabei wurden verschiedene Schadensbilder festgestellt, die unterschiedliche Maßnahmen erfordern. Zudem studier te das Planungsteam zu ­Beginn der Untersuchungen die noch vorhan­ denen Bestandspläne. Ebenfalls einbezogen wurden die im Rahmen von Umbaumaß­nah­ men der Marktbetriebe in den nachfolgenden Jahrzehnten erstellten Pläne. Bei den Instandsetzungsmaßnahmen wird grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen 4 3 & 4 Im Sommer 2008 ­erfolgte der Rückbau der ­Annexbauten. Dabei wurden die Klinker der Außenfassaden der Bauten sorgfältig von Hand abge­ tragen und gereinigt. Somit können sie für die Sanierung der Halle verwendet werden; neue Back­ steine würden sich aufgrund der unterschiedlichen Herstellungs­ techniken und Materialien farblich erheblich von den alten Steinen unterscheiden. 3 Bei der geringsten Eingriffstiefe ist es z. B . Kategorien unterschieden: der grundhaften, also konstruktiven, Instandsetzung – diese be­ ausreichend, die Klinker zu säubern, sodass sie inhaltet die Sanierung des Betons, der Träger, ihre ursprüngliche Farbigkeit zurückerhalten. Die mittlere Eingriffstiefe beinhaltet bereits der Tonnenschalen und des Klinkermauer­ werks − und der restauratorischen Instandset­ Ausbesserungen des Materials, d. h. das Auffüllen zung – diese befasst sich mit den Bereichen, die wieder in den Während der Ingenieur prüfte, i­nwiefern Original­zustand von 1928 versetzt das Tragwerk saniert w ­ erden muss, werden sollen. Dabei baut die restau­r atorische Instandsetzung ­suchte der Restau­rator nach originalen auf der konstruktiven auf; zusam­ Oberflächen und ­untersuchte deren mengenommen ergibt sich eine ­Beschaffenheit. Gesamtmaßnahme. Bei der konstruktiven Instand­ setzung unterscheidet man wiederum zwi­ etwaiger Löcher bzw. Fehlstellen in den Klinkern schen drei unterschiedlichen Schadensbildern, und im Beton. Der Stahl im Beton muss nicht ausgebessert werden. Es ist auch nicht erfor­ die nach der Tiefe des notwendigen Eingriffs klassifiziert wurden: Sehr geringe Schadens­ derlich, ganze Wandflächen neu zu verfüllen. Bei der dritten Schadenstiefe weist z. B. der bilder, die lediglich eine oberfläch­liche Ausbes­ Beton Schäden auf, die bis zum Stahl reichen, serung und Reinigung erfordern, mittlere Schadensbilder, die durch punktuelle Ausbes­ sodass der Stahl freigelegt, gereinigt und mittels serungen am Bestand behoben werden können, eines Anstrichs neu gegen Korrosion geschützt und große Schadensbilder mit Beschädigun­ werden muss. Dafür wird der Beton abgeschla­ gen, der Stahl behandelt und abschließend mit gen der Substanz, die einen Material­austausch einer neuen Betonüberdeckung versehen. notwendig machen. Ebenso ist es teilweise notwendig, einzelne Klinker bzw. auch ganze Wände abzutragen und zu ersetzen. Zu diesem Zweck wurden beim Rückbau der Annexbauten die Klinker sorgfältig von Hand abgetragen, gereinigt und aufbewahrt. Die Sanierung der Halle kann so mit originalen Baustoffen erfolgen. Bei der anschließenden restaurativen In­ standsetzung ist man bestrebt, die noch vor­ handenen Flächen soweit wie möglich in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Sanierung heißt immer auch, dass man die zum Zeitpunkt der Sanierung geltenden Bau­ regeln, wie z. B . die deutsche Energieeinspar­ verordnung (EnEV), befolgt. Das hat unter ande­rem auch Konsequenzen für die Fenster der Großmarkthalle; diese bestanden bisher aus einfachen Stahlrahmen mit Einfachvergla­ sung. Im Zuge der Sanierung werden sie durch energetisch höherwertige Fenster mit Mehr­ fachverglasung und isolierten Rahmen ausge­ tauscht. Diese aufwändigen Konstruktionen werden vom Profil und vom Erscheinungsbild her den derzeitigen originalen Fenstern ähneln; 12 | 13 SANIERUNG 1 Das Foyer mit seiner Klinkergestaltung und der Pater­ noster im Norden des Westkopf­ baus werden sorgfältig saniert und wiederhergestellt. 2 & 3 Im Zuge der Sanierung wird die Isolierung der Gebäude­ hülle der Großmarkthalle verbessert, um den aktuellen Bauverordnungen, z. B. der Energieeinsparverordnung, zu genügen. Zudem werden die ursprünglichen Fenster gegen energetisch höherwertige Fenster ausgetauscht, die den alten vom Erscheinungsbild her ähneln. 4 & 5 Durch den Gebrauch beschädigte oder überdeckte ­Flächen im Westkopfbau, die während der Sanierung – soweit möglich – wiederhergestellt werden. 1 2 4 3 5 6 Nachtaufnahme der Paternoster-Glasfassade im Norden des Westkopfbaus. 7 Eine Mustersanierungs­ fläche an einem der Zugangstore im Norden der Großmarkthalle: 6 Links die sanierte Fläche, rechts sind die Gebrauchsspuren der letzten 80 Jahre noch sichtbar. Sämtliche Oberflächen werden gründlich gereinigt, sorgfältig aus­ gebessert und instand gesetzt. 7 Paternoster dies wurde bereits mit den Denkmalschutz­ behörden anhand von verschiedenen Muster­ fenstern abgestimmt. Im Inneren der Kopfbauten sind nur noch wenige Oberflächen im Originalzustand erhal­ ten. So sind die Treppenhäuser und der Be­ reich der Marktkasse teilweise noch im Original vorhanden; auch Im Foyer des Westkopfbaus im Foyer des Westkopfbaus exis­ tiert unter der Putzschicht noch die existiert unter der Putzschicht orginale ornamentale Wandausge­ noch die ­orginale ornamentale staltung in Klinker. Diese Flächen Wandaus­­ge­staltung in Klinker. werden freigelegt und restauriert. Soweit die Flächen ergänzt wer­ den müssen, werden hierfür neutrale, zurück­ haltende Materialien verwendet, die nicht mit der Originalsubstanz konkurrieren. Der im Westkopfbau der Großmarkthalle befindliche Paternoster ist einer der wenigen noch erhaltenen Personen-Umlaufaufzüge in Frankfurt am Main. Zudem sind seine Kabinen sowie der Aufzugschacht an der Nordseite des Westkopfes der Halle mit Glasfenstern versehen. Aufgrund technischer Mängel musste der Betrieb dieses Personenaufzugs bereits zur Zeit, in der die Großmarkthalle noch zum Ver­ kauf von Obst und Gemüse genutzt wurde, eingestellt werden. Im Zuge der Renovierung der Halle wird auch der Paternoster sorgfältig restauriert und instand gesetzt werden, sodass er nach Abschluss der Arbeiten wieder funk­ tionsfähig sein wird. 14 | 15 GESCHICHTE Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und neue Nutzung der Großmarkthalle Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Großmarkthalle zum Teil zerstört. Vor allem das westliche Drittel der Halle – die westlichen fünf Tonnenschalendächer – und der westliche Kopfbau waren (bis zu 69 %) betroffen. Diese Bereiche wurden bis zum Jahr 1954 teilweise leicht verändert und in mehreren Etappen wiederaufgebaut. 1 1–3 Die östlichen zwei Drittel der Großmarkthalle sind noch Originalsubstanz und werden für eine dauerhafte Stand­sicherheit sorgfältig kon­ struktiv und restauratorisch ­saniert. Die Ausfachungen der Schrägstützen werden wieder entfernt. Die öffentlichsten Funktionen der EZB werden als „Haus im Haus“ in die Großmarkthalle eingestellt; in Teilbereichen wird das Innere der Halle in seinem grund­ legenden Erscheinungsbild ­erlebbar bleiben. ­ ffentlichsten Funktionen der EZB aufnehmen, ö unter anderem ein Besucherzentrum, die Lobby, eine Cafeteria, einen Konferenzbereich, das Mitarbeiterrestaurant und eine Bibliothek. Die neuen Nutzungen werden als „Haus im Haus“ in Form von eigenständigen Baukörpern in die Großmarkthalle eingestellt. Im Eingangsbauwerk selbst, das die Groß­ Im Zuge der Sanierung und der Umnut­ markthalle durchdringt und diese gestalterisch und funktional mit den Bürotürmen verbindet, zung der Großmarkthalle als Bestandteil des wird der Pressekonferenzbereich der EZB un­ Sitzes der EZB wird der ursprüngliche Zustand des westlichen Kopfbaus weitgehend wieder­ tergebracht. Gleichzeitig bildet das Eingangs­ hergestellt. Die Tonnen­dächer und die Betonrasterfassade der Ver­ Die Lage des Eingangsbauwerks ­ kaufshalle werden mit Ausnahme wurde so gewählt, dass k­ eine des Bereiches, der von dem Ein­ gangsbauwerk durchdrungen wird, Originalsubstanz aus den ebenfalls erhalten, behutsam in­ 1920er Jahren verändert wird. stand gesetzt und restauriert. Die Lage des Eingangsbauwerks wurde bewusst so gewählt, dass nur Bausubs­ bauwerk den klar erkennbaren Haupteingang der Europäischen Zentralbank nach Norden tanz aus der Zeit des Wiederaufbaus nach hin. Die Büroflächen werden in den südlich 1945 und keine Originalsubstanz aus den vor der Großmarkthalle geplanten Türmen zu 1920er Jahren verändert wird. finden sein. Die Großmarkthalle wird in Zukunft die 2 3 4 & 6 Der Entwurf für den EZB-Neubau besteht aus drei Hauptelementen: der Großmarkt­ halle, einem neuen Doppel-­ Büroturm sowie dem ­sogenannten ­Eingangsbauwerk. 5 Der Pressekonferenz­ saal im Eingangsbauwerk; die groß­ zügigen Fensterflächen ermöglichen den Blick nach Nordwesten in Richtung Innenstadt. 4 5 6 16 | X KATEGORIE Die Aufgaben der Europäischen Zentralbank und des Eurosystems „Wir bei der Europäischen Zentralbank haben­ uns verpflichtet, alle uns übertragenen Zentralbankaufgaben wirkungsvoll zu erfüllen. Dabei streben wir höchste Integrität, Kompe­ tenz, Effizienz und Transparenz an.“ (Auszug aus: Die Aufgabe der Europäischen Zentralbank) Die Europäische Zentralbank und die natio­ nalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, de­ ren Währung der Euro ist, bilden das Eurosys­ tem, die Währungsbehörde des Eurogebiets. Das vorrangige Ziel ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Interesse des Gemein­ wohls. Das Eurosystem unterstützt die allge­ meine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union, um zur V erwirklichung der Ziele der Union beizutragen – soweit dies ohne Beeinträchti­ gung des Ziels der Preis­stabilität möglich ist. Die Hauptaufgabe des Eurosystems besteht darin, die Geldpolitik der EZB auszuführen; diese umfasst alle Maßnahmen, die vom EZB-Rat beschlossen worden sind – wie zum Beispiel Änderungen der EZB-Leitzinsen – und die vom Direktorium umgesetzt worden sind. Dazu ­gehört es auch, Devisengeschäfte durchzuführen sowie die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten des Euro-Währungs­gebiets­­ zu halten und zu verwalten. Darüber hinaus hat das Eurosystem die Aufgabe, das reibungs­ lose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. Als führende Instanz im Finanzsektor trägt das Eurosystem außerdem eine besondere Verantwortung für die Stabilität des Finanz­ systems und die Förderung der Finanzmarkt­ integration in Europa. I M PRESSUM © Europäische Zentralbank, 2010 Kaiserstraße 29 D-60311 Frankfurt am Main Postanschrift: Postfach 16 03 19 D-60066 Frankfurt am Main Tel.: + 49 69 1344 7455 Fax: + 49 69 1344 7404 E-Mail: [email protected] www.ecb.europa.eu Fotos / Abbildungen: © Robert Metsch: Alle Fotos, außer den folgenden: © Bollinger + Grohmann Ingenieure: 8/1 © ISOCHROM.com: 14/3; 15/5&6 © KingAir Luftfoto: 5/3 © Martin-Elsaesser-Stiftung: 7/3, 12/1; 13/6 © RTT: 15/4 Druck: Imprimerie Centrale, Luxembourg ISBN: 978-92-899-0614-2 (PDF-Version)