INFORMATIONEN ZUM Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main DER EZB-NEUBAU Architektur und Energiekonzept 2|3 4 DER EZB-NEUBAU Architektur und Energiekonzept PLANUNG & ENTWURF PLANUNG & ENTWURF Die Standort- und Ideenfindung Die Entwurfsidee Städtebauliche Einbindung und Landschaftsgestaltung Zum Inhalt Fotos: Früher Großmarkthalle, in Zukunft Sitz der Europäischen Zentralbank: vom Entwurf für die erste Wettbewerbsphase (2003) über die Entwürfe für die zweite Wettbewerbsphase (2004), die Überarbeitungsphase (2005) sowie die Optimierungsphase (2006) und bis zur Planungsphase (2007-2009). 6 Große Visionen standen am Anfang der beiden Bauaufgaben, die nun im Frankfurter Osten zusammengeführt werden: die Großmarkthalle und der Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB). Große, weitblickende Ideen­ und Entscheidungen verlangten und verlangen nach besonderen Gebäuden. Die Großmarkthalle entstand 1926 bis 1928 als zentraler Handelsplatz für Obst und Gemüse für Frankfurt und seine Umgebung. Als Bau der Versorgung markiert sie Frankfurts Aufstieg zur Metropole in den 1920er Jahren unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann. Ein Einzugsgebiet von 200 km erforderte ein entsprechend großes Gebäude, und so schuf der damalige Stadtbaudirektor Martin Elsaesser mit der Großmarkthalle den größten freispannenden Eisenbetonbau der Welt. Als höchstes Gebäude der Stadt überragte die „Gemieskirch“­­ (Gemüsekirche) das nunmehr „Neue Frankfurt“. Für den Bau des Sitzes der EZB stand zu Beginn die Vision eines europäischen Binnen- 8 10 ARCHITEKTUR UMWELT & TECHNIK Der EZB-Neubau – ­Architektur und Gestaltung Nachhaltigkeit und Energiekonzept markts mit einer eigenen Währung. Die Entscheidung über den künftigen Standort der Europäischen Zentralbank – Frankfur t am Main – fiel bereits vor ihrer Gründung. Nach sorgfältiger Prüfung wurde das Gelände der ehemaligen Großmarkthalle für die Währungshüter gefunden. Wenn im Jahr 2014 der neue Sitz der EZB bezogen sein wird, verwaltet sie vom Frankfurter Ostend aus die Währung eines­der größten Wirtschaftsräume weltweit. Entsprechend visionär und einzigartig gestaltet sich auch der Entwurf des Wiener ­Architekturbüros COOP HIMMELB(L)AU. Der charakteristische kristalline Doppelturm, der über ein Eingangsbauwerk mit der frühe- ren Großmarkthalle verbunden ist, wird als Landmarke im Frankfurter Osten den Hochhäusern der Stadtmitte gegenüberstehen. Das neue Gebäudeensemble wird einen wichtigen architektonischen Beitrag zu Europa darstellen. Die ehemalige Großmarkthalle selbst wird integraler Bestandteil des neuen Sitzes der EZB. Sie nimmt die öffentlichsten Nutzungen der EZB auf, während ihr grundlegendes Erschei­nungsbild erhalten bleibt und ihre originale Bausubstanz sorgfältig saniert und instand gesetzt wird. Ein weiteres zentrales Anliegen der EZB ist der schonende Umgang mit Energie- und Trink­ wasserressourcen für ein nachhaltiges Gebäude. Das geplante energieeffiziente Konzept sieht eine Kombination von verschiedenen Maßnah­ men vor, durch die der EZB-Neubau 30 % weniger Energie benötigt, als es die Energieeinsparverordnung 2007 verlangt. Der nachfolgende Text erläutert die unterschiedlichen Aspekte des Entwurfs für den EZB-Neubau. In einem weiteren Informationsheft werden die Entstehung der Großmarkthalle, ihre Architektur und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen aufgeführt. Ausführliche Informationen über das ­ EZB-Neubauprojekt sowie das Informationsheft als PDF sind auf der EZB-Website unter www.ecb.europa.eu/neubau abrufbar. 4|5 PLANUNG & ENTWURF 1 2 Die Standort- und Ideenfindung Bereits im Zuge der Unterzeichnung­­ des Vertrags von Maastricht im Jahr 1992 ­wurde entschieden, dass die Stadt Frankfurt am Main Sitz der Europäischen Zentralbank werden sollte. Die EZB ist eine vergleichsweise junge ­europäische Institution. Schon 1998, im Jahr ihrer Gründung, begann sie mit der umfangreichen Suche nach einem geeigneten Grundstück für die Errichtung eines eigenen Verwaltungsgebäudes. Damit folgte sie der Empfehlung des Europäischen Rechnungshofs an alle europäischen Institutionen, dass die Nutzung eigener Gebäude auf lange Sicht wirtschaftlicher ist als die Anmietung von Räumlichkeiten. Nach sorgfältiger Prüfung von 35 Standorten in Frankfurt am Main beschloss die EZB im Jahr 2001, das innenstadtnahe Areal der ehemaligen Großmarkthalle im Frankfurter Ostend von der Stadt Frankfurt zu erwerben. einer Überarbeitungsphase – an der alle drei Im November 2002 lobte die EZB einen Preisträger des Architekturwettbewerbs teilinternationalen städte- und hochbaulichen Wettbewerb für ihr Neubauprojekt aus. Neben­ nahmen – dieser Entscheidung an und be­ auftragte COOP HIMMELB(L)AU mit der der Erfüllung zahlreicher funktionaler und technischer Anforderungen war es Aufgabe der teilnehmenden ArchiNach sorgfältiger Prüfung von 35 Standtekten, die denkmalgeschützte Groß­markthalle in ihrem grundleorten beschloss die EZB im Jahr 2001, genden Erscheinungsbild zu erhalten­ das innenstadtnahe Areal der ehemaligen und in ihren Entwurf für den EZBNeubau zu integrieren. Eine interGroßmarkthalle im Frankfurter Ostend national besetzte Jury zeichnete im von der Stadt Frankfurt zu erwerben. Februar 2004 den Entwurf des Wiener Architekturbüros COOP HIMMELB(L)AU mit dem ersten Preis aus. weiteren Planung. In der nachfolgenden Optimierungsphase wurde der Entwurf von Den zweiten Preis erhielt das Architekturbüro COOP HIMMELB(L)AU erneut überarbeitet, ASP Schweger ­Assoziier te aus Berlin und Hamburg, mit dem dritten Preis wurde der um die bestmögliche Ausnutzung der ehemaligen Großmarkthalle zu erreichen, die Kosten Entwurf von 54f architekten+ingenieure aus zu verringern und ergän­zende Vorgaben der Darmstadt mit T.R. Hamzah & Yeang aus Malaysia Stadt Frankfurt einzuarbeiten. ausgezeichnet. Der EZB-Rat schloss sich nach 3 4 Die Entwurfsidee Funktionalität und Zukunftsfähigkeit waren zentrale Aspekte bei der Wettbewerbs­ ausschreibung und Entscheidungsfindung; bei der Planung des Neubaus spielten sie weiterhin eine wichtige Rolle. Durch die bauliche Struktur und räumliche Organisation wird ein Arbeitsumfeld geschaffen,­ das den unterschiedlichen funktionalen Anforderungen gerecht wird und eine offene, kommunikative Atmosphäre bietet. Hierdurch werden Teamarbeit und Interaktion auf den verschiedenen Ebenen gewährleistet. Gleichzeitig sind die bauliche Struktur und die räum­liche­ Organisation so flexibel, dass mit geringem Aufwand auf sich wandelnde Anforderungen reagiert werden kann. Neben der Konzentration der operativen Tätigkeit­ an einem Ort erhält die EZB durch den Neubau ein eigenständiges, identitätsstiftendes Bauwerk. 5 1 & 2 Das Areal der ­ehemaligen Großmarkthalle, die von der Frankfurter Innenstadt ­aus zu Fuß innerhalb von 15 Minuten zu erreichen ist, wird umgenutzt. Hier entsteht der neue Sitz der ­Europäischen Zentralbank. In ­direkter Nachbarschaft entsteht eine Erinnerungsstätte zum ­Gedenken an die jüdischen B ­ ürger Frankfurts, die während des Zweiten Weltkriegs von der Großmarkt­ halle aus deportiert wurden. 3 & 4 Der Entwurf für den EZB-Neubau besteht aus drei Hauptelementen: der Großmarkthalle, einem neuen Doppel-­ Büroturm sowie dem sogenannten­ Eingangsbauwerk. 5 Ein turmhohes Atrium verknüpft die beiden Hochhäuser sowohl räumlich als auch statisch. Die Verbindungsplattformen ­dienen auch der informellen ­Kommunikation. PLANUNG & ENTWURF 6|7 1 LADEHOF HAUPTEINGANG 2 Mitarbeiterzufahrt 3 Städtebauliche Einbindung und Landschaftsgestaltung Der Neubau der Europäischen Zentralbank auf dem Gelände der ehemaligen Großmarkthalle erweitert mit einem Doppelturm die Frankfurter Hochhauslandschaft nach Osten und setzt ein sichtbares städtebauliches Zeichen. Die lang gestreckte Großform der Großmarkthalle bestimmt in der näheren Umgebung das Stadtbild sowie das angrenzende Mainufer. Aus dem Zusammenspiel zwischen dem liegenden Hallenbaukörper und dem Doppelscheibenhochhaus entsteht ein Gebäudekomplex mit besonderer städtebaulicher Bedeutung, der sowohl das örtliche Umfeld als auch das gesamtstädtische Bild mitgestalten wird. bilden Blickpunkte von außen und innen. Auf Stadtteilebene kann ein wichtiges Binde- Dabei­ werden die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in die Freiflächengestaltung integlied zwischen Ostend und Main entwickelt griert. Die nicht öffentlichen Freiflächen auf werden, im stadträumlichen Gesamtkontext dem Gelände der EZB verbinden sich räumwird die Wahrnehmung Frankfurts als „Stadt lich-visuell mit dem öffentlichen Mainuferpark, am Fluss“ gefördert. Die Präsenz der EZB im Frankfurter Ostend trägt zudem zur „Adressbildung“ bei und sichert Aus dem Zusammenspiel zwischen dem damit eine positive städtebauliche Entwicklung dieses Stadtteils. liegenden Hallenbaukörper und dem Die Großmarkthalle wird weiDoppelscheibenhochhaus entsteht ein terhin sowohl von der Stadt ­(Sonnemannstraße) als auch vom Gebäudekomplex mit besonderer Mainufer aus zu sehen sein. Dazu ­städtebaulicher Bedeutung. wurden rund um die Großmarkthalle bereits frühere Zweckbauten, dessen Teilstück entlang der Großmarkthalle wie die provisorischen Hütten im Norden, die in Richtung Osthafen für die innerstädtische Impor thalle im Süden sowie die direkten Naherholung aufgewertet wird, und mit dem ­Anbauten im Westen und Osten, entfernt. GrünGürtel der Stadt Frankfurt, der im Osten Die Landschaftsgestaltung über ­trägt Ele- des Grundstücks fortgeführt wird. Die Erschließung erfolgt für Besucher über mente einer Flusslandschaft, wie Auen und die Sonnemannstraße im Norden und für MitFlussbetten, auf die nicht bebauten Flächen des Grundstücks und fügt sie zu einer parkar- arbeiter über die Eyssenstraße von Osten in die Tiefgarage. Der Lieferverkehr wird an der tigen Anlage zusammen. Reihen großer Bäume nordöstlichen Grundstücksecke abgewickelt. formen die stilisier ten Flusstäler auf dem Gelän­de nach, einzelne säulenförmige Pappeln 4 1 Eine Machbarkeits­ studie – 1999 durchgeführt mit dem Frankfurter Architekturbüro Jourdan & Müller – kam zu dem Ergebnis, dass das Gelände der ehemaligen Großmarkthalle für den Neubau der EZB gut geeignet sei und die Halle selbst sinnvoll genutzt werden könne. 2&3 Das überwiegend ­versiegelte Areal rund um die Großmarkthalle wird in eine ­große, begrünte Landschaft um­ gewandelt. 4 Das grundlegende ­Erscheinungsbild der Großmarkt­ halle bleibt erhalten, die Halle wird sorg­fältig saniert. Die Umnutzung von einem Industrie- und Versorgungsbau zu einer öffentlichen ­Institution mit unterschiedlichen Funktionen erfordert auch bauliche Eingriffe, die hoher Sorgfalt bedürfen und mit der Stadt Frankfurt und den Denkmalschutzbehörden ­abgestimmt wurden: Die Lage des Eingangsbauwerks wurde bewusst so gewählt, dass nur Bausubstanz aus der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 und keine Originalsubstanz der 1920er Jahre verändert wird. 8|9 ARCHITEKTUR 1 1 Die Großmarkthalle wurde nach Plänen von Martin ­Elsaesser für den Obst- und ­Gemüsegroßhandel für Frankfurt und das gesamte Rhein-Main-­Gebiet errichtet und dementsprechend dimensio­niert: Die Verkaufshalle ­ ist 220 m lang, 50 m breit und bis zu 23,5 m hoch. Während im Ostkopfbau überwiegend Kühlräume untergebracht waren, befanden sich im Westkopfbau die Büros der Marktbetriebe und der Großhändler. 2 & 5 Aus der sichtbaren ­Verbindung von Alt und Neu, ­ von moderner und historischer ­Architektur, ergibt sich ein neues Gesamt­ensemble. 3 Der Konferenzbereich wird als „Haus im Haus“ in die Großmarkthalle eingestellt; der ­ursprüngliche Innenraum der Großmarkthalle bleibt in Teilen erlebbar. 4 Der Pressekonferenzsaal im Eingangsbauwerk; die großzügigen Fensterflächen ermöglichen den Blick nach Nordwesten Richtung Innenstadt. 2 Der EZB-Neubau – Architektur und Gestaltung Der Entwurf des Wiener Architekturbüros COOP HIMMELB(L)AU besteht aus drei baulich zusammenhängenden Elementen: der ehemaligen Großmarkthalle als ­Bestand, dem Doppel-Büroturm und ­einem neuen Eingangsbauwerk, das diese beiden Elemen­te verbindet. Ergänzt wird dieser Gebäudekomplex durch eine Tiefgarage und unter­ geordnete Gebäude für die Pforten und den Ladehof. Die Bruttogeschossfläche des Gesamtkomplexes des EZB-Neubaus wird ca. 185 000 m2 betragen. Die Großmarkthalle Die ehemalige Großmarkthalle wurde von 1926 bis 1928 nach Plänen des damaligen Frankfurter Stadtbaudirektors Martin Elsaesser errichtet. Bis zum 4. Juni 2004 wurden hier Obst und Gemüse an Großabnehmer verkauft. Die Großmarkthalle, heute ein denkmal­ geschütztes Gebäude, ist integraler Bestandteil des Entwurfs für den Neubau der Europäischen Zentralbank. Sie bleibt in ihrem grundlegenden Erscheinungsbild erhalten und wird nach einer umfassenden Sanierung die öffentlichsten Funktionen der EZB aufnehmen. Über den Haupteingang wird der Hallenraum erschlossen, in dem die Lobby sowie alle halböffentlichen Funktionen wie Ausstellungsflächen, ein Besucherzentrum, ein Mitarbeiterrestaurant, eine Cafeteria und Konferenzräume untergebracht werden. Die neuen Nutzungen werden als „Haus im Haus“ diagonal in die Halle eingestellt, wodurch der Innenraum der Großmarkthalle 4 3 5 entstehen Plätze und Straßen, städtischen Strukturen ähnlich. Verbindungs- und Umstei­­ge­ ­­ebenen unterteilen das Atrium in drei Abschnitte mit jeweils unterschiedlichen Höhen Der Doppel-Büroturm (etwa 45 bis 60 Meter), die durch sogenannte Südlich der Großmarkthalle gruppieren sich die zwei polygonalen Hochhausscheiben „Hängende Gärten“ ergänzt werden sollen. Die Das Eingangsbauwerk Das Eingangsbauwerk markiert den Haupt- des bis zu 185 Meter hohen Doppel-Büro- Verbindungsplattformen können jeweils über turms um ein ebenso hohes Glasatrium. Der Stege, Rampen und Treppen von den darüber eingang der EZB zur Sonnemannstraße und nördliche Turm zählt 45 Stockwerke, der süd- und darunter ­liegenden Etagen erreicht werstellt eine gestalterische sowie funktionale ­Verbindung zwischen dem Hochhaus und der liche 43. Mit seiner Höhe und seiner charakte- den. So entstehen kurze Wege zwischen den beiden Bürotürmen, die auch die informelle Großmarkthalle her. Mit seinem interne Kommunikation fördern. asymme­trischen Zuschnitt, den Südlich der Großmarkthalle gruppieren In den Doppel-Bürotürmen sind die überschrägen ­Fassaden und großzügisich die zwei polygonalen Hochhauswiegende Anzahl der etwa 2 300 Arbeitsplätze gen Fenster­flächen bildet es den (für rund 1 500 bis 1 800 EZB-Mitarbeiter soklar erkenn­ba­­ren Haupteingang scheiben des bis zu 185 Meter hohen wie für externe Berater, Praktikanten und Mitder Europäischen Zentralbank nach Doppel-Büroturms um ein ebenso arbeiter der nationalen Zentralbanken) und Norden hin. hohes Glasatrium. interne Besprechungsräume untergebracht. In Im Eingangsbauwerk selbst wird den oberen Stockwerken befinden sich der der Bereich für die Pressekonfegroße Sitzungssaal des EZB-Rats und die Büros ristischen Silhouette wird der Neubau die renzen der EZB untergebracht sein, die von der Mitglieder der EZB-Beschlussorgane. Frankfurter Skyline ergänzen. hier aus übertragen werden. Erschlossen wird Für alle Etagen wird eine hohe Flexibilität Das verglaste Atrium zwischen den beiden der zweigeschossige Pressekonferenzraum Bürotürmen ist als sogenannte „vertikale Stadt“ angeboten, um verschiedene Büroformen zu durch eine Lobby, über der sich temporäre ermöglichen. geplant; durch Verbindungsplattformen und -stege ­Arbeitsplätze für Journa­listen befinden. Neben in Teilen erlebbar bleibt und zudem vielfältige Räume zwischen der Halle als Außenhülle und ihren Einbauten entstehen. Eine Bibliothek wird im Westkopfbau untergebracht. dem großen Konferenzraum steht ein weiterer Vortragssaal zur Verfügung. UMWELT & TECHNIK 10 | 11 1 Nachhaltigkeit und Energiekonzept Nachhaltigkeit im Bauwesen berücksichtigt nicht nur Umweltfragen, technische Effizienz und funktionale Anforderungen, sondern auch das Thema Stadterneuerung sowie soziale Aspekte. gesamten Bewertungsverfahrens wurde der Energieeffizienz des Entwurfs und Aspekten der Nachhaltigkeit große Aufmerksamkeit beigemessen. 2 Frühling/Herbst Stadterneuerung Ein Element der Nachhaltigkeit ist die Stadterneuerung und -umwandlung. So wird das überwiegend versiegelte Areal rund um die Großmarkthalle, auf dem früher LKWs ­geparkt und entladen wurden, in eine große begrünte Landschaft umgewandelt. Diese Grünfläche wird zusammen mit den Parks in der Umgebung – dem GrünGürtel, dem entlang des Flusses verlaufenden Mainuferpark, dem neuen, nahe gelegenen Hafenpark (mit dem Konzept „Sport und Bewegung“) und dem Ostpark – zur Schaffung einer „grünen Lunge“ für die Stadt Frankfurt am Main beitragen. Im Sommer 2008 wurden vorgezogene Baumaßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt, um die Grundlage für die Hauptbau- Da sie ihren Neubau nachhaltig gestalten will, hat die Europäische Zentralbank gemeinsam mit einem unabhängigen Institut umfassende Untersuchungen in ihren derzeit angemie­ teten Büroräumen durchgeführt. Diese Untersuchungen umfassten auch eine Bewertung des Niveaus des Bürokomforts. Hierbei wurden die Temperatur und die Luftbewegung in den Räumen gemessen, und es wurde untersucht, wie viel Energie wann und wo verbraucht wird. Die so gewonnenen Ergebnisse dienten als Grundlage für die Erarbeitung eines energieeffizienten Konzepts für den EZB-Neubau. Im Rahmen des internationalen städte- und hochbaulichen Wettbewerbs für ihren Neubau hatte die EZB 2002 das Raum- und Funktionsprogramm sowie spezifische Vorgaben hinsichtlich des Energieverbrauchs festgelegt. Auch die Während des Wettbewerbs wurde der Rahmenbedingungen des Geländes Energieeffizienz des Entwurfs und und des umliegenden Areals hatte Aspekten der Nachhaltigkeit große sie damals dargelegt. Eine der zentralen Vorgaben für Aufmerksamkeit beigemessen. die an diesem Gestaltungswettbewerb teilnehmenden Architekten arbeiten zu schaffen. In einem ersten Schritt war der Wunsch nach einem integrier ten ­Gestaltungsprozess. Das bedeutet, dass der wurde Boden abgetragen. Dieser musste vor Architekt von Anfang an mit einem Statiker dem Abtransport analysiert werden, damit er sowie einem Energie- und Klimadesigner zu- so umweltfreundlich wie möglich entsorgt werden konnte. Anschließend wurden die beisammenarbeitet, um die Energieeffizienz und die Nachhaltigkeit des Gebäudes zu optimie- den Annexgebäude der Großmarkthalle (zwei viergeschossige Wohnhäuser) Stein für Stein ren. Den Kriterien Nachhaltigkeit und optimale abgetragen, damit jeder Klinker einzeln gereinigt Effizienz musste bereits bei der Erarbeitung und für die künftige Verwendung, die Reparades Entwurfkonzepts für den EZB-Neubau Rechnung getragen werden: Wirtschaftliche, tur der Schadstellen in der Fassade der Großmarkthalle, aufbewahrt werden konnte. ökologische sowie soziale Aspekte mussten Die nicht mehr genutzten Bahngleise auf gegen künftige Betriebs- und Instandhaltungsdem Großmarkthallengelände wurden sorgfälkosten sowie den Energieverbrauch abgewogen tig entfernt. Die meisten Gleise wurden an die werden. Während des Wettbewerbs und des Sonnenschutz Flur Büro 22°C 22°C Natürliche Belüftung Außen 15°C Sommer Kühldecke Sonnenschutz 100 % Flur Büro 24°C 24°C 40 % 15 % 45 % Außen 33°C Winter Flur Büro 22°C 22°C Außen -12°C 3 1&2 Die sorgfältige Ausbildung der Fassaden trägt wesentlich dazu bei, die Energieeffizienzziele der EZB zu erreichen. Mithilfe eines Mustergebäudes werden die technischen, funktionalen und architektonischen Details von Fassade und Innenausbau vorab überprüft. 3 Schematische Darstellung der Funktionsweise von Klima­ technik und Glasfassade des DoppelBüroturms bei unterschiedlichen Außentemperaturen: Im Frühjahr und im Herbst können die Büroräume ohne Einsatz von mechanischer Lüftung temperiert werden. 12 | 13 UMWELT & TECHNIK 1 & 2 Im Zuge der Sanierung wird die Isolierung der Gebäudehülle der Großmarkthalle verbessert, um den aktuellen Bauverordnungen, z. B. der Energieeinsparverordnung, zu genügen. Auch die ursprüng­ lichen Fenster werden gegen energetisch höherwertige Fenster ­ausgetauscht, die den alten vom Erscheinungsbild her ähneln. 1 Härtsfeld-Museumsbahn (eine Eisenbahngesellschaft in Baden-Württemberg) geschickt, die sie in den Sommermonaten als Fahr t­ strecke für Ausflug-Dampfeisenbahnen nutzt. 2 wickeln, die den ursprünglichen Fenstern in ihrem Erscheinungs­bild sehr ähneln, sich aber durch eine höhere Energieeffizienz auszeichnen. Somit wurde den Vorgaben der Denkmalschutzbehörden entsprochen. Nachhaltigkeit und Umnutzung Energiekonzept Die Umnutzung und Umwandlung der Schon bei den Vorbereitungen für den Wettehe­maligen Großmarkthalle, die integraler Bebewerb verfolgte die EZB das Ziel, dass ihr standteil des EZB-Neubaus sein wird, wird neues Gebäude 30 % energieeffizienter ist, als ebenfalls zur Nachhaltigkeit des gesamten ­Gebäudes beitragen. Beim Erwerb des Gelän- es die Energieeinsparverordnung 2007 verlangt. des hatte die EZB zugesicher t, dass die Halle in ihrem grundleSchon bei den Vorbereitungen für den genden Erscheinungsbild erhalten bleibt. Um ­sicherzustellen, dass Wettbewerb verfolgte die EZB das Ziel, die Großmarkthalle angemessen dass ihr neues Gebäude 30 % energie­ renoviert wird, hat die EZB eng effizienter ist, als es die Energieeinsparmit allen ­lokalen Behörden zusammengearbeitet, insbesondere verordnung 2007 verlangt. mit den Denk­malschutzbehörden der Stadt Frankfurt am Main und Um dieses Ziel zu erreichen, wurden alle des Landes Hessen sowie dem städtischen Energiereferat. Im Rahmen dieser Zusammen- Möglichkeiten ausgelotet und analysiert, insbearbeit gelang es beispielsweise, Fenster zu ent- sondere was die Fassaden und die technischen Systeme betrifft. Das so gewonnene Energiekonzept beinhaltet folgende Maßnahmen: Nutzung von Regenwasser: Die Fläche des Daches der Großmarkthalle beträgt rund 10 000 m2. Es wird ein System zum Auffangen von Regenwasser installiert, welches sowohl zur Bewässerung der Gärten in regenärmeren Zeiten als auch zur Versorgung der Toilettenspülungen in der Großmarkthalle genutzt ­werden kann. Wärmerückgewinnung: Die vom Computercenter generierte Abwärme wird in ein Deckenheizsystem zur Beheizung der Büros rückgeführt. Der EZB-Neubau wird an das höchst energieeffiziente kombinierte Wärmeund Stromversorgungssystem der Stadt Frankfurt am Main angeschlossen. Effiziente Isolierung: Die Oberfläche der Großmarkthalle, z. B. das Dach und die Fenster, wird isoliert, um eine thermische Hülle zwischen Außen- und Innenbereichen (wie dem Mitarbeiterrestaurant und den Besprechungsräumen) zu schaffen. Diese Innenbereiche werden über ihr eigenes Mikroklima verfügen, 3 4 5 3 Einige Bereiche (wie das Atrium oder die offenen ­Bereiche in der Großmarkthalle) werden nicht mit einer Klima­ anlage ausgestattet, sondern ­dienen als Klimapuffer zwischen Innen und Außen. 4 & 6 Die energieeffiziente sogenannte „Schild-Hybrid-Fassade“ der Bürotürme, die aus drei ­Fassadenschichten besteht, bietet alle energetischen Vorteile einer konventionellen Doppelfenster­ fassade und ermöglicht gleichzeitig eine ­direkte Belüftung der Räume von außen über vertikale, raum­ hohe Lüftungselemente. 5 Das Regenwasser von den Dachflächen der Großmarkthalle wird gesammelt (und unter anderem für die Bewässerung der Gärten eingesetzt). 6 14 | 15 UMWELT & TECHNIK 2 1 3 Eine weitere Möglichkeit zum Einsparen da sie als separates „Haus-im-Haus“-System in von Energie ist die Nutzung des natürlich vordie Markthalle eingestellt werden. Natürliche Belüftung der Büroräume: Zu- handenen Tageslichts. Die Büros werden mit sätzlich zum zentralen Lüftungssystem werden Tageslichtsensoren ausgestattet, sodass sich motorisierte Belüftungselemente in die Ge- das Kunstlicht bei ausreichendem Tageslicht bäudefassaden integriert, die eine ­direkte natürliche Belüftung der In die Fassaden integrierte Büroräume ermöglichen. Somit Belüftungselemente ermöglichen kann die Frisch­luftzufuhr ohne Einsatz von mechanischer Lüftung ineine direkte natürliche Belüftung dividuell regulier t werden, und der Büroräume. man hat innerhalb des Gebäudes eine bessere Vorstellung davon, wie die Außenverhältnisse sind. Ein Muster­ automatisch abschaltet. Was die Kunstbeleuchtung der Büros sowie des Atriums und der gebäude wurde errichtet, um die Machbarkeit Großmarkthalle anbelangt, so wurden umfasund Funktionalität der Fassadenkonstruktion zu testen. Die Tests ­kamen zu dem Ergebnis, sende Untersuchungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass diese Räumlichkeiten stets ausdass die Fassadenkonstruktion realisierbar und reichend und effizient beleuchtet sind. funktional ist. Nutzung von Geothermie für Heizung Effizienter Sonnenschutz und energieeffiund Kühlung: Um die Energiekosten des Geziente Beleuchtung: Um zu verhindern, dass die Gebäude zuviel Sonnenenergie aufneh- bäudes weiter zu senken, wurden geothermische Leitungsschleifen in die Pfahlgründungen men, wird ein hocheffizienter Sonnen- und eingearbeitet, die etwa 30 Meter hinabgehen, Blendschutz in die Fassaden integriert. bis sie auf Frankfurter Gestein treffen. Diese Leitungsschleifen können an den Wasserkreislauf und die Wärmepumpen im Heizzentrum angeschlossen werden, um im Winter Wärme bzw. im Sommer Kühlung aus dem Boden zu ziehen. Um die Menge an erforderlicher Technik und Energie gering zu halten, werden einige Bereiche, wie das Atrium oder die offenen Bereiche in der Markthalle, nicht mit einer Klimaanlage ausgestattet. Diese Bereiche werden vielmehr als Klimapuffer und Übergangsbereich zwischen Innen und Außen fungieren. Am 4. Januar 2003 trat die Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in Kraft. Die deutsche Bundesregierung hat am 1. Oktober 2007 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften umgesetzt, die notwendig sind, um der Richtlinie nachzukommen. Der Neubau der EZB ist das erste große Bauprojekt in Deutschland, das die dor t geforder ten Standards e­rfüllen wird. ALLGEMEINE DATEN Grundstücksfläche Bruttogeschossfläche ARCHITEKTEN UND PLANER 120 000 m² 185 000 m² Gebäude Großmarkthalle (Architekt: Martin ­Elsaesser; erbaut 1926–1928) mit ­neuem E­ ingangsbauwerk Hochhaus mit Nordturm, Südturm, Atrium 2 Eingangsgebäude (Nord, Süd), Ladehof GEBÄUDEDATEN HOCHHAUS 4 Geschossfläche je Turm 700 – 1 200 m² Gebäudehöhe max. 185 Meter GEBÄUDEDATEN GROSSMARKTHALLE Markthalle 220 m x 50 m = 11 000 m², maximale lichte Höhe ca. 23,5 Meter Kopfbauten 15 m x 65 m = 975 m², Höhe ca. 32,5 Meter Architekt COOP HIMMELB(L)AU, Wien Fachplaner ARGE IFFT-ML / Prof. Schott – Prof. Lange Arup GmbH B + G Ingenieure, Bollinger & Grohmann GmbH mit Grontmij BGS Ingenieursgesellschaft mbH Bartenbach LichtLabor GmbH ComConsult Beratung & Planung GmbH Dorsch Consult Ebert-Ingenieure GmbH & Co. KG Grandjean & Kollegen HHP Süd, Beratende Ingenieure GmbH Jappsen Ingenieure GmbH Krebs und Kiefer – Beratende Ingenieure für das Bauwesen GmbH Prof. Katzenbach & CDM Consult Scholze Ingenieurgesellschaft mbH SHI Schad-Hölzel Beratende Ingenieure Vogt Landschaftsplaner GmbH Wolfgang Sorge Ingenieurbüro für ­Bauphysik GmbH unit-design GmbH 5 der zeitliche ablauf 2002 | Erwerb des Großmarkt­hallen-Geländes in Frankfurt 2002 – 2004 | Internationaler städte- und hochbaulicher Wettbewerb 2004 – 2005 | Überarbeitungsphasen 2006 – 2009 | Planungsphasen Oktober 2007 | Einreichung Bauantrag 13. November 2007 | Inkrafttreten Bebauungsplan Nr. 830 1–3 Beim Einbringen der Gründungspfähle für den DoppelBüroturm wurden geothermische Leitungsschleifen eingebaut, die an die Klimatechnik angeschlossen werden können. Frühjahr 2008 | Beginn vorgezogener Baumaßnahmen 6. Mai 2008 | Erteilung Baugenehmigung Frühjahr 2010 | Beginn Hauptbaumaßnahmen Mai 2010 | Grundsteinlegung Ende 2013 | Fertigstellung des EZB-Neubaus 2014 | Umzug der EZB in den Neubau 16 | X KATEGORIE Die Aufgaben der Europäischen Zentralbank und des Eurosystems „Wir bei der Europäischen Zentralbank haben­ uns verpflichtet, alle uns übertragenen Zentralbankaufgaben wirkungsvoll zu erfüllen. Dabei streben wir höchste Integrität, Kompetenz, Effizienz und Transparenz an.“ (Auszug aus: Die Aufgabe der Europäischen Zentralbank) Die Europäische Zentralbank und die natio­ nalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, bilden das Eurosystem, die Währungsbehörde des Eurogebiets. Das vorrangige Ziel ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Interesse des Gemein- wohls. Das Eurosystem unterstützt die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union, um zur V erwirklichung der Ziele der Union beizutragen – soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preis­stabilität möglich ist. Die Hauptaufgabe des Eurosystems besteht darin, die Geldpolitik der EZB auszuführen; diese umfasst alle Maßnahmen, die vom EZB-Rat beschlossen worden sind – wie zum Beispiel Änderungen der EZB-Leitzinsen – und die vom Direktorium umgesetzt worden sind. Dazu ­gehört es auch, Devisengeschäfte durchzuführen sowie die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten des Euro-Währungs­gebiets­­ zu halten und zu verwalten. Darüber hinaus hat das Eurosystem die Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. Als führende Instanz im Finanzsektor trägt das Eurosystem außerdem eine besondere Verantwortung für die Stabilität des Finanz­ systems und die Förderung der Finanzmarkt­ integration in Europa. I M PRESSUM © Europäische Zentralbank, 2010 Kaiserstraße 29 D-60311 Frankfurt am Main Postanschrift: Postfach 16 03 19 D-60066 Frankfurt am Main Tel.: + 49 69 1344 7455 Fax: + 49 69 1344 7404 E-Mail: [email protected] www.ecb.europa.eu Fotos / Abbildungen: © COOP HIMMELB(L)AU: 5/4; 6/3; 11/3; 13/6 © ESKQ: 2-3/Reihe 3: 7; 6/1 © Frank Hellwig: 2-3/Reihe 1: 4-7 © ISOCHROM.com: Titelseite; Rückseite; 2-3/Reihe 3: 1-6; 5/5; 8-9/2-5; 15/4&5 © KingAir Luftfoto: 2-3/Reihe 1: 1; 4/2 © Stefan Laub, laublab.com: 4/1; 15 rechts © Robert Metsch: 2-3/Reihe 1: 2&3, Reihe 2: 3-5; 6/2; 8/1; 10-11/1&2; 12-13/1-5; 14/1-3 © Markus Pillhofer: 2-3/Reihe 2: 1&2, 6&7; 5/3 © RTT: 7/4 Druck: Imprimerie Centrale, Luxembourg ISBN: 978-92-899-0618-0 (PDF-Version)