263 © 2007 Schattauer GmbH Bedeutung der Thrombozyten für die Entwicklung und Funktion der Plazenta B. Isermann, P. P. Nawroth Abteilung Innere Medizin I und Klinische Chemie, Universität Heidelberg Schlüsselwörter Keywords Zusammenfassung Summary Thrombozyten, Plazenta Platelets, placenta, trophoblast Die Verfügbarkeit von Mäusen mit genetischen Defekten des hämostatischen Systems (Knock-out- und transgene Mäuse) hat es ermöglicht, die Bedeutung des Gerinnungssystems für die Entwicklung des Embryos und der Plazenta zu charakterisieren. Dabei wurde die Funktion der Thrombozyten erst kürzlich experimental untersucht. Diese Studien haben neue Einblicke in die Funktion von Thrombozyten für die Reproduktion gegeben. Das Fehlen embryonaler Thrombozyten infolge einer genetischen Ablation des Transkriptionsfaktors NF-E2 führt zu einer embryonalen Wachstumsverzögerung und verminderten Vaskularisation der Plazenta. Ein maternaler Thrombozytenmangel ist mit Plazentablutungen assoziiert, die jedoch keinen Einfluss auf das Überleben des Embryos oder der Mutter haben. Thrombozyten oder thrombozytäre Mediatoren regulieren die invasiven Eigenschaften und den Phänotyp humaner extravillöser Trophoblastenzellen. Im Gegensatz hierzu sind Thrombozyten und Fibrinogen, und somit die Fähigkeit Thrombozyten-Fibrin-Aggregate zu bilden, für die embryonale Entwicklung nicht erforderlich. Diese Daten beweisen, dass Thrombozyten eine Funktion für die Plazentaentwicklung und/oder -funktion haben, wohingegen Thrombozyten nicht für die Entwicklung des Embryos selber erforderlich sind. Das bedeutet, dass die embryonale Letalität von Mäusen mit genetischen Gerinnungsdefekten nicht auf das Fehlen einer Thrombzyten-Fibrin-Interaktion zurückgeführt werden kann, und das Gerinnungssystem durch andere Mechanismen, z. B. Regulation der intrazellulären Signaltransduktion durch Protease-aktivierbare Rezeptoren (PARs), die Entwicklung des Embryos reguliert. T hrombozytäre Defekte (z. B. Glanzman-Thrombastenie, Bernhard-Soulier-Syndrom) sind trotz eines erhöhten Blutungsrisikos mit einer erfolgreichen Schwangerschaft vereinbar (1, 2). Angesichts des imminenten Aborts bei nicht substituiertem maternalen Fibrinogenmangel überrascht der relativ blande Phänotyp bei Frauen mit schweren Thrombozytendefekten. Die Assoziation von Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, HELLP- The availability of mice with defined defects within the hemostatic system enabled researchers to identify a role the coagulation system for embryonic and placental development. However, the role of platelets during development has only recently been experimentally addressed, giving some insight into potential functions of platelets during development. Thus, a quantitative embryonic platelet defect (severe thrombopenia secondary to NF-E2 deficiency) is associated with an embryonic growth retardation and reduced vascularisation of the placenta. Maternal platelet deficiency is associated with placental haemorrhage, which, however, does not impair embryonic or maternal survival. In vitro studies established that platelets or platelet conditioned medium regulate the invasive properties of human extravillous trophoblast cells and induce a phenotypical switch of trophoblast cells. These data imply that platelets are of relevance during placentation. Conversely, platelets and the formation of platelet-fibrin aggregates are dispensable for the development of the embryo proper, establishing that the lethal phenotypes observed in some embryos lacking coagulation regulators does not result from an inability to form platelet-fibrin aggregates, but likely reflects altered protease dependent signaling during vascular development. Relevance of platelets in placental development and function Hämostaseologie 2007; 27: 263–267 Syndrom (haemolysis, elevated liver enzymes, low platelets), intrauterinen Wachstumsverzögerungen oder erhöhter embryonaler Letalität mit Thrombopenie und/oder Thrombozytendysfunktion (4, 5) sprechen hingegen für eine Rolle der Thrombozyten während der Reproduktion. Detaillierte Untersuchungen, die mögliche kausale Zusammenhänge zwischen der Thrombozytenfunktion und diesen Komplikationen untersuchen, fehlten bis vor Kurzem. Ebenso blieb die Bedeutung embryonaler Thrombozyten während der intrauterinen Entwicklung lange unklar. Da eine umbilikale Gefäßdysfunktion mit einer Aktivierung embryonaler Thrombozyten assoziiert ist (3), stellt sich die Frage nach einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Thrombozyten und embryonaler Gefäßfunktion. Die Generierung und Charakterisierung von genetische modifizierten Mäusen mit definierten Gerinnungsdefekten hat es ermöglicht, eine wesentliche Funktion des Gerinnungssystems für die Reproduktion zu identifizieren. Neue Untersuchungen haben nun auch die Bedeutung der Thrombozyten systematisch experimentell untersucht. Thrombozyten und thrombozytäre Mediatoren während der Reproduktion Megakaryozyten-ähnliche Zellen lassen sich im Dottersack der Maus bereits zum Entwicklungsstadium E7.5 und somit vor Etablierung der hämochorialen Plazenta und des kardiovaskulären Systems nachweisen (6). Diese Megakaryozyten-ähnlichen Zellen können ex vivo thrombozytäre Vorläufer (Pro-Platelets) und Thrombozyten bilden (6). Neben der hämostatischen Funktion können Thrombozyten durch eine Vielzahl von Mediatoren (z. B. VEGF, PDGF-B, bFGF, HGF, IGF-1, PF4, TSP1, und TGF-α1), weitere Funktionen vermitteln. Diese bioaktiven Peptide sind in Granula gespeichert und werden nach Stimulation freigesetzt. Für einige dieser Mediatoren wurden relevante Funktionen für die Plazentaentwicklung nachgewiesen. So ist z. B. ein PDGF-B oder PDGF-R-α-Mangel mit dilatierten embryonalen Blutgefäßen inner- Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Hämostaseologie 4/2007 264 Isermann, Nawroth halb des plazentaren Labyrinths assoziiert (7). bFGF, IGF-1, oder PDGF schützen Trophoblastenzellen in vitro vor einer Zytokin (TNF-α / INF-γ) vermittelten Apoptose (8). Bioaktive Phospholipide (z. B. S1P) können von Thrombozyten freigesetzt werden. Die fehlerhaften Plazentaentwicklung infolge eines Lipidphosphatase-3(LLP-3)-Mangels (9) legt ein Funktion dieser Phospholipide nahe. Da jedoch diese Mediatoren nicht Thrombozyten-spezifisch sind und da die Stimulation von Thrombozyten zu einer a) gleichzeitigen Freisetzung einer Vielzahl von Mediatoren führt, kann durch die Untersuchung einzelner Mediatoren die Funktion der Thrombozyten als Ganzes nicht experimentell geklärt werden. Die Verfügbarkeit von Mausmodellen mit ausgeprägten quantitativen (NF-E2 knock out Mäuse) oder qualitativen (Gaq-, Par-3-, oder Par-4-Knock-out-Mäuse) thrombozytären Defekten ermöglichte eine In-vivo-Untersuchung der thrombozytären Funktionen für der Reproduktion. b) c) Abb. 1 Verminderter Vaskularisation des plazentaren Labyrinths von NF-E2-Knock-out-Embryonen a, b) typische histologische Schnitte des plazentaren Labyrinths von NF-E2-exprimierenden (a) und NF-E2-Knock-out-Embryonen (b) c) Die quantitative morphologische Analyse mittels Bildanalysesoftware bestätigt eine signifikante Reduktion der Vaskularisation innerhalb des Labyrinths von NF-E2-Knock-out(NF-E2)-Embryonen am Tag E14.5 und E18.5 im Vergleich zu NF-E2-exprimierenden (NF-E2+) Embryonen; *p <0,01, Balkengröße: 0,02 mm Hämostaseologie 4/2007 Plazentaentwicklung und -funktion Bedeutung embryonaler Thrombozyten Eine essenzielle Funktion von Fibrinogen für die Plazentaentwicklung wurde mittels Fibrinogen-defizienten Mäusen nachgewiesen (10, 11). Damit konnten klinische Erfahrungen bestätigt werden. Die Analyse von Mäusen mit Thrombozytendefekten ermöglichte neue Einblicke in die Funktion von Thrombozyten für die Plazenta. Mäusen mit einem Mangel des Transkriptionsfaktors NF-E2 fehlen Thrombozyten infolge eines Megakaryozytendefektes (12, 13). Homozygote NF-E2-defiziente Mäuse zeigen keinen intrauterinen letalen Phänotyp. Kurz nach der Geburt versterben diese Thrombozyten-defizienten Mäuse infolge schwerer Blutungen. Bei Geburt sind jedoch homozygot NF-E2-Defiziente signifikant kleiner. Detaillierte histologische Untersuchungen zeigten, dass diese intrauterine Wachstumsverzögerung mit einer verminderten Vaskularisation der Plazenta assoziiert ist (14) (Abb. 1). Dieser Defekt zeigt sich erstmals zum Entwicklungsstadium E14.5. Die verminderte Vaskularisation ist nicht mit einer verminderten Gefäßzahl assoziiert. Letzteres legt nahe, dass eine Störung der plazentaren Gefäßmaturation, nicht aber der Gefäßanlage vorliegt. Die VEGF-Expression ist in Plazenta von NF-E2-Knockout-Mäusen – nicht aber in den Embryonen – erhöht. Somit ist der Vaskularisationsdefekt nicht die Folge einer verminderten VEGF-Expression. Die erhöhte VEGF-Expression spiegelt vermutlich eine Hypoxie infolge des Vaskularisationsdefektes wieder. Zumindest in Teilaspekten ähnelt der Phänotyp der NF-E2-Knock-out-Plazenta dem von Embryonen mit nur geringer TFExpression (tissue factor; Expression von weniger als 1% im Vergleich zu WildtypMäusen) (15). Somit ist denkbar, dass eine TF-vermittelte Thrombozytenaktivierung innerhalb der embryonalen Plazenta die Vaskularisation der Plazenta reguliert. Eine verminderte Vaskularisation der Plazenta ließ sich nur in NF-E2-defizienten Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 265 Thrombozyten und Plazenta Embryonen, nicht aber bei Embryonen mit anderen thrombozytären Defekten nachweisen. In Mäusen denen die α-Einheit des heterotrimerischen G-Protein-bindenden Rezeptor (Gaq) fehlt, ist die Plazenta trotz eines ausgeprägte Thrombozytendefektes normal (14). Gaq-defiziente Mäuse zeigen eine normales postnalates Überleben und haben normale Thrombozytenzahlen, aber die Thrombozyten können in vitro nicht durch physiologisch relevante Agonisten wie Thrombin, ADP oder Kollagen, aktiviert werden (16). Ebenso fehlen Berichte über plazentare Defekte in anderen Embryonen mit ausgeprägten Thrombozytendefekten, einschließlich der Embryonen mit einem Mangel an PAR-3 oder PAR-4 Protease aktivierbarer Rezeptoren) (17, 18). Eine Funktion unabhängig von der Hämostase zeigt sich am ehesten mit Mäusen mit einem absoluten Mangel mit Thrombozyten, wie er in den NF-E2-defizienten Embryonen vorliegt, nicht aber in Mäusen mit spezifisch hämostatischen Defekten des Thrombozyten (z. B. Gaq-, PAR-3- oder PAR-4-defiziente Embryonen). Diese Daten legen nahe, dass die hämostatische Funktion derThrombozyten für die Plazentaentwicklung und/oder -funktion entbehrlich ist und Thrombozyten eine Funktion unabhängig von der Hämostase in der Plazenta haben. Offen ist noch, ob der Transkriptionsfaktor NF-E2 eine plazentare Funktion unabhängig vonThrombozyten reguliert. Hierfür spricht der Nachweis einer NF-E2-Expression in der Plazenta auf RNA-Ebene. Untersuchungen die eine spezifische Funktion des Transkriptionsfaktors NF-E2 in der Plazenta analysieren, werden zurzeit durchgeführt. Bedeutung maternaler Thrombozyten Ein zweiter, unabhängiger plazentarer Phänotyp zeigt sich in Abhängigkeit eines maternalen NF-E2-Mangels (14). Einblutungen, die z.T. sehr ausgeprägt sind, treten nur in Abhängigkeit eines maternalen NFE2-Mangels und unabhängig vom embryonalen Genotyp auf (Abb. 2). Diese ausgeprägten Blutungen sind nicht mit einer a) Abb. 2 Maternaler Thrombozytenmangel resultiert in plazentaren Blutungen. a) Plazentare Blutungen bei Fehlen der maternalen Thrombozyten können sehr ausgeprägt sein (→→), beeinträchtigen aber nicht das Überleben der Embryonen. b, c) Plazentare Blutungen in das Labyrinth treten unabhängig von embryonalen Thrombozyten auf. (HE-Färbung, Größe: 0,5 mm) b) c) embryonalen Letalität assoziiert. So ist die Wurfgröße von NF-E2-defizienten Weibchen im Vergleich zu Wildtyp-Weibchen nicht reduziert. Anders als bei Fibrinogendefizienten schwangeren Weibchen führen diese Blutungen auch nicht zu einer maternalen Letalität (10, 11). Das bedeutet, dass Fibrinogen für die Hämostase im maternalen Plazentakreislauf wichtiger als Thrombozyten ist, oder dass die Funktion des maternalen Fibrinogens zum Teil unabhängig von einer Interaktion mitThrombozyten ist. Die Analyse von schwangeren Mäusen mit einem ausgeprägtem TF-Mangel (ca. 1% der Wildtyp-Expression) zeigte ebenfalls einen plazentaren hämorrhagischen Phänotyp. Auch diese Blutungen beeinträchtigen nicht das Reproduktionsvermögen dieser Mäuse, solange der Embryo ausreichend TF exprimiert (mindestens ein Wildtyp-Allel). Plazentare Blutungen in Weibchen, denen Fibrinogen, Thrombozyten oder TF (15) fehlt, legen nahe, dass eine funktionierende maternale Hämostase wichtig für die Plazentafunktion ist. Wie bereits angedeutet, beeinflusst die embryonale TF-Expression den Phänotyp, wenn die Mutter TF-defizient ist. Sind sowohl der Embryo als auch die MutterTF-defizient (jeweils ca. 1% der Wildtyp-Expression), kommt es während der zweiten Schwangerschaftshälfte zu tödlichen intrauterinen Blutungen. Dies belegt, dass das maternale und embryonale Gerinnungssystem innerhalb der Plazenta interagieren. Auch durch das Thrombomodulin-Protein-C-System (TM-PC-System) interagieren das maternale und embryonale Gerinnungssystem während der Plazentaentwicklung (19). Das TM-PC-System reguliert die Plazentaentwicklung unabhängig von der Hämostase (im Sinne der ThrombozytenFibrin-Interaktion), indem des die TF-abhängige, PAR-vermittelte Signaltransduktion reguliert (19). Der letale Phänotyp von TM-defizienten Embryonen, der aus einer gestörten Interaktion der plazentaren Gerinnungsfaktoren (u. a. embryonaler TF und TM, maternale Gerinnungsfaktoren wie PC) resultiert, kann durch einen maternalen Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Hämostaseologie 4/2007 266 Isermann, Nawroth Abb. 3 Fehlende intravasale Gerinnung in vivo in Embryonen mit einem gleichzeitigem Fibrinogen und Thrombozytenmangel. Quantitative Analyse der In-vivo-Blutflussstudien embryonaler Dottersackgefäße nach FeCl3-Verletzung. Im Vergleich zu Wildtyp-Kontrollen (■) hat ein isolierter Fibrinogenmangel (▲) keinen Einfluss auf die Thrombusbildung. Ein isolierter Thrombozytenmangel (●) vermindert und ein kombinierter Fibrinogen- und Thrombozytenmangel (◆) verhindert die In-vivo-Thrombusbildung. Jeder Datenpunkt entspricht mindestens 25 analysierten Dottersackgefäße mit Standardfehler. Thrombozytenmangel behoben werden (20). Diese Daten zeigten erstmals, dass die Interaktion zwischen dem maternalen und embryonalen Gerinnungssystem in der Plazenta, die entscheidend für eine erfolgreiche Schwangerschaft ist, durch maternale Thrombozyten moduliert wird. Diese Daten belegen eine Funktion von maternalen Thrombozyten für die Plazenta. Eine direkte Interaktion vonThrombozyten und Trophoblasten konnte von Work und Kollegen demonstriert werden (21). Thrombozytäre Mediatoren regulieren die Migration und Differenzierung von humanen extravillösen Trophoblastenzellen (EVTs). Kokultivierung von EVTs mit Thrombozyten oder thrombozytär konditioniertem Medium stimulierte das Invasionsverhalten der Trophoblastenzellen. Mit Monozyten oder monozytär konditioniertem Medium ließ sich ein vergleichbarer Effekt nicht erzielen. Dieser thrombozytäre Effekt ist zumindest zum Teil durch den Chemokinrezeptor CCR-1 vermittelt, da der Effekt durch inhibitorische Antikörper gegen CCR-1 aufgehoben werden konnte. Somit ist nicht eine direkte Interaktion, sondern die Freisetzung thrombozytärer Mediatoren für diesen Effekt verantwortlich. Eine Kokultivierung Hämostaseologie 4/2007 von EVTs mit Thrombozyten über 48 Stunden führte zu einem verändertem Phänotyp und Integrinexpression der EVTs. So führte die Kokultivierung von EVTs mit Thrombozyten, nicht aber mit mononukleären Blutzellen, zu einer Induktion der Integrin-α1 Expression. Integrin-α1 wird in vivo vermehrt von interstitiellen und endovaskulären Trophoblastenzellen exprimiert (22). Diese Daten legen nahe, dass durch die Interaktion von maternalen Thrombozyten und embryonalen Trophoblastenzellen ein invasiver Phänotyp der Trophoblastenzellen induziert wird, der für eine erfolgreiche Schwangerschaft notwendig ist. Zukünftige In-vivo-Studien werden die Hypothese testen müssen, ob maternale Thrombozyten die endovaskuläre Invasion und Modifikation der plazentaren Spiralarterien regulieren. Thrombozyten, embryonale Gefäße und Hämostase Die genetische Inaktivierung von prokoagulanten Gerinnungsfaktoren resultiert in embryonaler Letalität während der Midgestation (23–28). Die Letalität dieser Embryonen ist mit schweren Hämorrhagien und mit ei- nem fraglichen Gefäßdefekt assoziiert. Auch in Embryonen mit einem genetischen Mangel von antikoagulanten Regulatoren, z. B. TFPI (tissue factor pathway inhibitor), Antithrombin III, oder Thrombomodulin (29–31), zeigt sich entsprechender letaler Phänotyp. Die Letalität dieser Embryonen wird auf eine Verbrauchskoagulopathie des Embryos zurückgeführt, die letztlich den Gerinnungsfaktormangel der Embryonen mit einem Mangel prokoagulanter Gerinnungsfaktoren imitiert. Durch eigene Arbeiten und Arbeiten anderer konnte jedoch nachgewiesen werden, dass ein gleichzeitiger embryonaler Mangel von Thrombozyten und Fibrinogen mit einer makro- und mikroskopisch normalen Embryonalentwicklung vereinbar ist. Identische Ergebnisse wurden durch komplementäreVersuche mit Mäusen erzielt, denen neben Fibrinogen entweder der Transkriptionsfaktor NF-E2, die Untereinheit Gaq der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren oder der Thrombinrezeptor PAR-4 fehlt (14, 32). Um nachzuweisen, dass ein kombinierter Thrombozyten- und Fibrinogenmangel (kombinierter genetischer Mangel von Fibrinogen und NF-E2) die Blutgerinnselbildung in vivo effektiv verhindert, wurden Dottersackgefäße mit FeCl3 verletzt (14) (Abb. 3). Während ein isolierte Fibrinogenmangel in diesem Model keinen Einfluss auf die intravasale Hämostase hatte, war der isolierte Thrombozytenmangel mit einer signifikant gestörten In-vivo-Blutgerinnselbildung assoziiert (14). Bei einem kombinierten Fibrinogen- und Thrombozytenmangel zeigte sich keine intravasale Gerinnung. Damit konnte nachgewiesen werden, dass trotz einer fehlenden intravasalen Gerinnung eine normale Entwicklung in Embryonen mit einem kombinierten Thrombozyten- und Fibrinogenmangel möglich ist. Dies bedeutet, dass die embryonale Letalität in Mäusen mit genetischen Gerinnungsdefekten nicht die Folge einer fehlenden Hämostase ist, sondern durch andere Effekte der Gerinnungssystems (z. B. die Dysregulation der PAR-Aktivierung) vermittelt wird. Letzteres wird durch die partielle embryonale Letalität von Embryonen mit einem PAR-1-Mangel und die Korrektur dieser Letalität durch eine endothelzellspezifische Expression von PAR-1 gestützt (33). Downloaded from www.haemostaseologie-online.com on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 267 Thrombozyten und Plazenta Somit sind Thrombozyten anders als in der Plazenta für die Entwicklung des Embryos entbehrlich, wohingegen das Gerinnungssystem durch andere Funktionen (z. B. Regulation der zellulären Aktivität durch PARs) die Entwicklung und das Überleben des Embryos reguliert. Acknowledgement, competing interests This work was supported by a grant of the Deutsche Forschungsgemeinschaft (IS 67/2–1; IS 67/4–1) to B.I,. a grant of the Novartis Stiftung to B.I., and a grant of the Hopp Stiftung and the juvenile Diabetes Foundation to P.P.N. The authors declare that they have no competing financial interests Literatur 1. Sherer DM, LernerR. Glanzmann's thrombasthenia in pregnancy: a case and review of the literature. Am J Perinatol 1999; 16: 297–301. 2. Khalil A, Seoud M, Tannous R et al. Bernard-Soulier syndrome in pregnancy: case report and review of the literature. Clin Lab Haematol 1998; 20: 125–128. 3. Trudinger B, Song JZ, Wu ZH et al. 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