Lernziel 1 Merkmale und Ziele der sozialen Marktwirtschaft

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Merkmale und Ziele der sozialen Marktwirtschaft
Lernziel
Überblick über Merkmale und Ziele der freien Marktwirtschaft und der
Zentralverwaltungswirtschaft
1
Merkmale und Ziele der sozialen Marktwirtschaft
1.1
Die Elemente der Wirtschaftsordnung
1.1.1
Ausgangslage, Probleme, Ziele und Maßnahmen
Die Gesellschaft als Summe aller Individuen und Gruppen innerhalb eines bestimmten
Gebietes kann als System betrachtet werden, d. h. als Gebilde, dessen Teile in Abhängigkeit zueinander stehen und eine bestimmte Ordnung aufweisen. Das System der
Gesellschaft wird in Subsysteme gegliedert, dessen wichtigste Teile die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Subsysteme sind.
Ein politisches System ist geprägt durch die Staats- und Regierungsform und bewirkt
durch rechtliche Regelungen unter Androhung und Anwendung von legitimer Gewalt
das Zusammenleben der Menschen.
Unter kulturellem System versteht man Lebensformen, Sitten und Gebräuche. Es ermöglicht die geistige Entfaltung des Einzelnen wie der Gesellschaft und äußert sich in
Werken der Kunst, der Religion und der Wissenschaft.
Das Wesen des wirtschaftlichen Systems liegt in der Bereitstellung von Sachgütern und
Dienstleistungen, um den Bestand und die Weiterentwicklung der Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Ausgangslage des ökonomischen Subsystems besteht darin, dass alle Individuen
einer Gesellschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Wünsche und Bedürfnisse haben, die
durch Sachgüter und Dienstleistungen erfüllt werden sollen.
Zwischen den individuellen Bedürfnissen und den vorhandenen Gütern besteht jedoch
ein großes Missverhältnis. Vor allem Kultur- und Luxusbedürfnisse können durch die
Werbung immer neu geweckt und erweitert werden, während die Gütererzeugung
wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren nicht folgen kann. Das
Kennzeichen des ökonomischen Systems ist das Problem der Knappheit an Gütern.
Aus dem Problem der mangelnden Güterversorgung einer jeden Wirtschaft ergibt sich
das Ziel, die Güterproduktion so zu steigern, dass möglichst viele menschliche Bedürfnisse erfüllt werden können.
Will man die im ökonomischen Subsystem vorhandenen Probleme entsprechend den
Zielsetzungen lösen, müssen Maßnahmen ergriffen werden.
Eine grundlegende Maßnahme, um die Güterknappheit einer Volkswirtschaft zu mildern, ist die arbeitsteilige Organisation des Produktionsvorganges. Hierbei speziali-
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sieren sich die Hersteller auf die Produktion bestimmter Sachgüter und Dienstleistungen, die zum größten Teil nicht dem eigenen Verbrauch dienen. Diese Arbeitsteilung
führt jedoch – verglichen mit einer Selbstversorgungswirtschaft – zur Entstehung vieler
selbstständig produzierender Wirtschaftseinheiten. Spezialisierung und Selbstständigkeit verlangen wiederum den Tausch von Produkten zwischen den verschiedenen Wirtschaftssubjekten. Sollen die Nachteile des Naturaltausches überwunden werden, so ist
die Entwicklung eines Geldwesens nötig.
Da die arbeitsteilig produzierende Volkswirtschaft durch eine Vielzahl unabhängiger
Wirtschaftseinheiten gekennzeichnet ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die Tauschvorgänge aufeinander abzustimmen, d. h., es muss ein Koordinationsprinzip konzipiert
werden.
Grundprobleme des Wirtschaftens
1.1
Die Gesamtheit der Regeln, die für den Aufbau und den Ablauf des volkswirtschaftlichen Koordinationsprozesses gelten, bezeichnet man als Wirtschaftsordnung. Die
Wirtschaftsordnung ist Teil der Gesellschaftsordnung und bildet die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaft durch Rechts- und Verhaltensnormen sowie Institutionen.
Unter Wirtschaftsverfassung versteht man die rechtlichen Normen und Institutionen,
durch die die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Wirtschaftseinheiten begrenzt sind. Die Wirtschaftsverfassung wird wesentlich durch das politische und kulturelle System einer Gesellschaft geprägt.
Im Gegensatz zur Wirtschaftsordnung, die sich auf die konkrete Ausgestaltung des
Wirtschaftsprozesses bezieht, bezeichnet das Wirtschaftssystem eine gedankliche Ordnung der Wirtschaft anhand von Modellen (Ordnungsmodelle).
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Merkmale und Ziele der sozialen Marktwirtschaft
Die Wirtschaftsordnung als ein Schicksal
„Wirtschaftsordnung ist etwas, was jedermanns Schicksal und Wohlergehen nachhaltig
beeinflusst. Falsch konstruiert, kann sie auch ein fleißiges Volk schwer belasten und
zurückwerfen. Richtig verfasst, wird sie zum Unterpfand für den wirtschaftlichen Erfolg
aller. Es lohnt sich deshalb den beiden Fragen nachzugehen, wozu eine Wirtschaftsordnung gut ist und wie sie zum Besten aller beschaffen sein muss.
Auch die einfachste Form des Wirtschaftens bedarf der Ordnung, wenn auch oft nur
in primitiver Form, zum Beispiel als Selbstversorgung mit allem Lebensnotwendigen
in einer bäuerlichen Existenz fernab von jeder Zivilisation. Denn auch dieses Dasein
folgt bestimmten Regeln, braucht eine ,Ordnung‘ des täglichen Pflichtkreises unter den
Beteiligten. Und es hat seine Über- und Unterordnungsverhältnisse. Vom Typ her ist es
eine selbst gesetzte, private, eine familiäre Ordnung.“
1.2
1.1.2
Quelle: Fack, Fritz Ulrich, Soziale Marktwirtschaft – Eine Einführung, Freiburg – Würzburg, 1979, S. 11
Die Ordnungselemente
Das Wirtschaftssystem als grundlegendes Organisationsmodell einer Volkswirtschaft
beruht auf bestimmten Ordnungselementen.
Ein wesentliches Gestaltungselement des Subsystems Wirtschaft sind die Eigentumsverhältnisse. Ökonomisch stellt Eigentum das ausschließliche Recht einer Person an einem
Wirtschaftsgut dar, d. h. die Möglichkeit es zu verkaufen, verleihen, verschenken usw.
Prinzipiell kann ein Gut einem einzelnen Wirtschaftssubjekt gehören, dann liegt Privateigentum vor, oder es gehört allen Wirtschaftssubjekten zusammen, dann spricht
man von Gemeineigentum (Kollektiveigentum). In konkreten Wirtschaftsordnungen
gibt es verschiedene Ausprägungen des Eigentums in Form von Privat-, Staats- und
Gesellschaftseigentum, wobei das Verfügungsrecht des Besitzers oft eine größere Rolle
spielt als das Eigentumsrecht.
Das Verfügen über Eigentum oder Besitz erfordert rechtliche Regelungen in Form der
Vertragsverhältnisse. Gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, muss jedermann das
Recht haben, über seine Güter nach freiem Ermessen Verträge abschließen zu können, wobei der Staat die Durchsetzung der Ansprüche gewährleisten sollte. Prinzipiell besteht noch die Möglichkeit der totalen Einschränkung der Vertragsfreiheit, d. h.,
sowohl die Abschlussfreiheit wie die Inhaltsfreiheit von Verträgen werden den Individuen nicht gestattet.
Die verschiedenen Formen von Eigentums- und Vertragsverhältnissen erzwingen einen
unterschiedlichen Koordinationsmechanismus zwischen Produktion und Konsum. Entweder erfolgt die Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage am Markt oder durch
die Festsetzung einer Zentralbehörde in Form eines Planes.
Der Koordinationsmechanismus des Marktes ermöglicht wiederum eine Reihe von
Freiheitsrechten. Die Wettbewerbsfreiheit auf den Güter-, Arbeits- und Finanzmärkten
verlangt von allen Wirtschaftssubjekten ein Höchstmaß an Einsatz und Leistungsbereitschaft. Diese Wettbewerbssituation erfordert bei den Unternehmen die Gewerbefreiheit, d. h. das Recht, Betriebe zu gründen, aber auch das Risiko der Insolvenz. Für den
Arbeitnehmer bedeutet Konkurrenz die freie Wahl des Arbeitsplatzes, aber auch das
Risiko der Arbeitslosigkeit.
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Beim Koordinationsmechanismus des Planes muss die Zentralbehörde die Freiheitsrechte unterbinden, da die Gründung bzw. Auflösung eines Betriebes und die Verfügung über Arbeitskräfte alleiniges Recht der Zentrale sind.
Die alternativen Ordnungselemente von Markt oder Plan haben noch für weitere Bereiche der Volkswirtschaft Konsequenzen.
Bei der Preisbildung auf den Gütermärkten können sich die Preise frei nach Angebot
und Nachfrage entwickeln. Beim Koordinationsmechanismus des Planes werden sie
von der Zentralbehörde festgelegt.
Die Lohnbildung am Arbeitsmarkt ermöglicht das freie Aushandeln des Arbeitsentgeltes von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Andererseits kann die Lohnhöhe von einer Zentralbehörde festgelegt werden.
1.1.3
Die Ordnungsmodelle
Wie bereits erwähnt, bedeutet arbeitsteilige Organisation einer Volkswirtschaft selbstständige und unabhängige Produktionsstätten, wobei jede Wirtschaftseinheit für sich
Einzelpläne erstellt. Bei der Koordination von Einzelplänen sind grundsätzlich zwei
extreme Modelle möglich.
Werden die Einzelpläne über die Märkte koordiniert, spricht man von einem dezentral
gesteuerten Wirtschaftssystem, auch freie Marktwirtschaft genannt. Werden die Pläne
von einer Planbehörde aus abgestimmt, liegt ein zentral gesteuertes Wirtschaftssystem
vor, auch Zentralverwaltungswirtschaft genannt.
Der Grundsatz der freien Marktwirtschaft lautet: Alle planen das Ihre. Die Unternehmen planen selbstständig ihre Produktion und die privaten Haushalte ihren Verbrauch.
Die Information, wie viel produziert werden soll und was verbraucht werden kann,
erfolgt über den Preis am Markt. Der Markt fungiert nicht nur als Informationssystem,
sondern auch als Sanktionssystem, da über den Preismechanismus die Produktion und
der Konsum angeregt bzw. gedrosselt werden.
Dient das Wirtschaftssystem der freien Marktwirtschaft als Grundlage für eine konkrete
Wirtschaftsordnung bzw. -verfassung, so muss das politische Subsystem dem Einzelnen
viele Freiheitsrechte garantieren, also den Individualismus ermöglichen.
Der Grundsatz der Zentralverwaltungswirtschaft lautet: Einer plant alles. Der Wirtschaftsprozess wird von einer zentralen Stelle aus gelenkt und der Informationsfluss
erfolgt zwischen der Planbehörde und dem einzelnen Wirtschaftssubjekt. Hierbei sind
dauernde Anordnungen der Zentrale und Rückmeldungen von den Wirtschaftseinheiten nötig. Das Sanktionssystem besteht aus Prämiengewährung und -entzug. Da die
Zentrale die Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt (Kollektivismus), muss sie auf unbedingte Planerfüllung achten und die Freiheitsrechte des Individuums einschränken.
1.3
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freie Marktwirtschaft
Ordnungselemente
Zentralverwaltungswirtschaft
Privateigentum
Vertragsfreiheit
Markt
freie Preisbildung
freie Lohnbildung
Eigentumsverhältnisse
Vertragsverhältnisse
Koordinationsprinzip
Preisbildung
Lohnbildung
Kollektiveigentum
Vertragsunfreiheit
Plan
Preisfestsetzung
Lohnfestsetzung
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Merkmale und Ziele der sozialen Marktwirtschaft
Fragen und Aufgaben
1 Definieren Sie kurz folgende Begriffe: Gesellschaft, politisches Subsystem,
Wirtschaftsordnung, Ordnungselemente, Ordnungsmodell, Individualismus.
2 Beschreiben Sie die grundsätzlichen Zusammenhänge von Ausgangslage, Problemen, Zielen und Maßnahmen einer Volkswirtschaft.
3 Kennzeichnen Sie anhand wichtiger Merkmale die Situation, in der sich die
Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland derzeit befindet. Suchen Sie
für diese Ausgangslage die entsprechenden Probleme, entwickeln Sie Zielsetzungen und machen Sie Lösungsvorschläge.
4 Erläutern Sie die Ordnungselemente im Überblick.
5 Welche Beziehungen ergeben sich zwischen der Wirtschaftsordnung, der
Rechtsordnung und der politischen Ordnung eines Landes?
6 Beantworten Sie mithilfe des Textes in Abb.1.2 folgende Fragen:
6.1 Was versteht man unter dem Ausdruck „falsch konstruiert“?
6.2 In welchem Land liegt nach Ihrer Meinung eine falsch konstruierte Wirtschaftsordnung vor?
6.3 Nennen Sie die Bedingungen für die richtige Konstruktion einer Wirtschaftsordnung.
1.2
Die freie Marktwirtschaft
1.2.1
Der Regelmechanismus des Marktes
Das Modell der freien Marktwirtschaft baut auf der dezentralen Koordination des
Marktes auf. Der Mechanismus des Marktes kann am Beispiel des Preis-Mengen-Diagramms für den polypolistischen Einzelmarkt erläutert werden.
Am Markt treffen viele Anbieter und viele Nachfrager aufeinander, wobei beiden
Gruppen unterschiedliche Handlungsmotive zugrunde liegen. Der Anbieter will sein
Produkt möglichst teuer verkaufen, um seinen Gewinn zu maximieren, und der Nachfrager möglichst günstig einkaufen, um seinen Nutzen zu erhöhen.
Die Nachfragekurve (N) des Preis-Mengen-Diagramms verläuft von links oben nach
rechts unten, weil die nachgefragte Menge mit sinkendem Preis zunimmt.
Die Angebotskurve (A) verläuft von links unten nach rechts oben, da mit steigendem
Preis die angebotene Menge zunimmt.
Im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve liegt der Gleichgewichtspreis (P0)
und die Gleichgewichtsmenge (M0).
Der Markt bietet über den Preis den Anbietern und Nachfragern bestimmte Informationen und löst normalerweise Verhaltensreaktionen aus.
Kommt es in einer Gesellschaft z. B. zu Geschmacksänderungen, die durch Einkommenssteigerungen oder Werbung ausgelöst werden, so kann die Nachfrage nach
einem Gut zunehmen. Grafisch ergibt sich dadurch eine Verschiebung der Nachfragekurve nach N’ und der Preis des Gutes steigt auf P1. Dieser Preis bietet den Produzenten
erhöhte Gewinnchancen, sodass diese die Produktion des Gutes steigern werden.
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