BERLINISCHE GALERIE

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LANDESMUSEUM FÜR MODERNE
KUNST, FOTOGRAFIE UND ARCHITEKTUR
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Berlin, 27. Mai 2015
Radikal Modern
Planen und Bauen im Berlin der 1960er-Jahre
Thematische Ausstellungsbereiche:
TECHNO-GEOMETRIEN
Charakteristisch für das Bauwesen der 1960er-Jahre ist eine neue Ästhetik der technischindustriellen Machbarkeit. Inspiriert von neuen Werkstoffen und Konstruktionsweisen
verwandelten die Planer Baufunktionen in geometrische Formen und setzten diese als
Leitmotiv ein. Die starke Zunahme des Automobilverkehrs gebot nicht nur eine
grundlegende Neuordnung der städtischen Wege-struktur. Entstehende Brücken und
Autobahnkreuze wurden räumlich in Szene gesetzt, Verkehrsknotenpunkte wurden durch
weithin sichtbare Landmarken gekennzeichnet. Die Stadt wandelte sich zum Abbild einer
modernen (auto-)mobilen Gesellschaft.
Ausgelöst durch die Autobahnplanungen des West-Berliner Senats regte sich Ende des
Jahrzehnts bürgerlicher Widerstand gegen den Abbruch innerstädtischer Wohngebiete.
Neben der Entwicklung alternativer Transportmittel, wie etwa oberhalb der Straßen verlaufende Rollbänder für Fußgänger, entstanden Ideen zur vollständigen Überbauung ganzer
Straßenzüge. Diese ähnelten bekannten inter-nationalen Entwürfen für sogenannte
Megastrukturen, die gemein-samen Raum für Wohnen, Arbeit, Freizeit und Verkehr bieten
sollten.
BAU:KUNST
Im Spannungsfeld des Kalten Krieges diente auch die Bildende Kunst der politischen
Kommunikation. Die Kunst am Bau sowie die Ausstattung der Gebäude folgten im Westen
der Abstraktion der internationalen Moderne. Im Osten waren es vor allem ornamentaler
Fassadenschmuck, Personendenkmäler und szenische Wandbilder des sozialistischen
Realismus, die die Staatsideologie in den Stadtraum hineintrugen.
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Auch die Architektur selbst wurde künstlerisch ausgeformt. In beiden Teilen der Stadt
entstanden Einzelbauten mit einer ausgeprägten gestalterischen Qualität, die nicht weniger
als Gesamtkunstwerke zu sein beanspruchten. Eine neue Raumkunst wurde geschaffen mit
architektonischen Mitteln wie bewusst eingesetzten Materialien, organisch wachsenden
Großformen und strukturalen Ordnungen. Wichtiges Stilmittel war auch und vor allem die
ästhetische Durchdringung von Innen und Außen mithilfe großzügiger Glasflächen (und
„schwebender“ Dächer), die aus dem Gros des auf Bauökonomie ausgerichteten
industriellen Bauens herausragt.
GROSSSIEDLUNG UND WIDERSTÄNDE
Die Insellage, anhaltende Wohnungsnot und der schlechte Erhaltungszustand der Altbauten
veranlassten die Planer in West-Berlin, ab 1960 Großsiedlungen zu errichten. Stark
verdichtete Wohnbaukomplexe in weitläufigen, durchgrünten Stadtlandschaften sollten für
Urbanität durch Dichte sorgen. Ziel war es, bei geringem Flächenbedarf für bis zu 40.000
Menschen Wohnraum zu schaffen. Die wichtigsten Berliner Siedlungen aus dieser Zeit sind
das Märkische Viertel und die Siedlung Britz-Buckow-Rudow (ab 1972: Gropiusstadt). Im
Unterschied zu den meisten „Trabantenstädten“ dieser Zeit, erzielte vor allem das
Märkische Viertel mit seiner differenzierten Höhenstaffelung und kontrastreichen
Farbgebung ein überzeugendes Ergebnis. Bei den umgesiedelten Bewohnern fanden der
höhere Komfort, die funktionalen Grundrisse und die moderne technische Ausstattung der
Wohnungen große Zustimmung. Ab Mitte der 1960er-Jahre kritisierte eine intellektuelle
Minderheit von Publizisten, Wissenschaftlern und Studenten unter anderem die „Glätte“,
die nachbarschaftliche „Anonymität“ und die „Unwirtlichkeit“ dieser neuen Bauweise. Ihre
Haltung prägt die Debatte um dieses Bauerbe bis heute.
SERIELLE VIELFALT
Insbesondere für die dringende Massenanfertigung von Wohnraum wurde in den 1960erJahren in beiden Teilen Berlins eine industrielle Bauweise eingesetzt. Die serielle
Vorfertigung einzelner Bauteile und die weitgehende Automatisierung von Planung und
Ausführung sollten die Fertigungskosten senken und die Bauzeit verkürzen.
In der Bundesrepublik verfolgten die Planer eine weitgehende Normierung neu entstehender
Architekturen. Diese fand vor allem im sozialen Wohnungsbau Anwendung. Die DDR ging
noch einen Schritt weiter und entwickelte standardisierte Gebäudetypen mit festem
Bausystem. Architekten und Planern war durchaus bewusst, dass die Wiederholung
gleicher Elemente einen Eindruck der Monotonie hervorrufen könnte. In beiden Teilen der
Stadt bemühten sich daher Experten, trotz enger industrieller Vorgaben,
abwechslungsreiche Gebäude-Varianten zu entwickeln. Die Mehrzahl ihrer
Alternativentwürfe blieb jedoch unrealisiert.
STADT-RÄUME / STADT-TRÄUME
Seit dem Bau der Berliner Mauer, 1961, arbeiteten die Planungs-verantwortlichen in Ostund West-Berlin weitgehend unabhängig voneinander. West-Berlin war nun eine
eingeschlossene Stadt ohne Wirtschaftskraft und Mäzene. Ihre Überlebenschancen
beruhten auf einem höchst unsicheren weltpolitischen Gleichgewicht. Im Ostteil der Stadt
lag das historische Zentrum von Berlin. Die einstige Mitte war durch die Teilung in eine
urbane Randlage geraten.
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Beflügelt von Aufbruchsstimmung und Technikeuphorie verfolgten Planer und Architekten
beider politischer Systeme das Ziel, im Sinne der zeitgenössischen internationalen Moderne
radikal neue Lebensräume zu gestalten. Nach dem Konzept der Stadtlandschaft von Hans
Scharoun entstanden im Westen zum Beispiel der Breitscheidplatz und das Kulturforum. In
Ost-Berlin markierten die Planungen für den Alexander- und Marx-Engels-Platz (heute
Schloßplatz) die Wende von einer zuvor gültigen Architekturauffassung der „Nationalen
Traditionen“ hin zu einer Moderne, die in der Sowjetunion begann und auf die Deutsche
Demokratische Republik (DDR) ausstrahlte.
AUFERSTANDEN AUS RUINEN
Nach dem Zweiten Weltkrieg wandten sich viele Architekten von der Vergangenheit und
ihren historischen Bauformen rigoros ab. Allein die Zukunft im Blick befürworteten sie nur
in Ausnahmefällen den Erhalt kriegsbeschädigter Altbausubstanz. Teilweise begleitet von
langjährigen – im Westen offen, im Osten leise geführten – Debatten, entstanden
Gebäude, die auf unterschiedliche Weise eine Verbindung moderner und historischer
Bauweisen veranschaulichen.
Beispiele hierfür sind die neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, der Umbau des Reichstags
oder das Staatsratsgebäude der ehemaligen DDR. Welche symbolischen Aussagen die
jeweiligen Architekten mit den spannungsvollen Dialogen von Alt und Neu treffen wollten,
ist nicht eindeutig überliefert. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung wurden die gebauten
Verknüpfungen verschiedener Zeitschichten auch als ein Versuch neuer Berliner
Weltöffentlichkeit diskutiert. Heute stehen diese Gebäude für die einstige Suche nach einer
architektonisch neu zu bestimmenden nationalen Identität.
EPILOG
Seit nunmehr einem halben Jahrhundert prägt die architektonische Nachkriegsmoderne das
Stadtbild Berlins. Die Ende der 1990er-Jahre einsetzende journalistische und
wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Bauauffassung wird bis heute von emotional
aufgeladenen Diskursen über den Umgang mit diesem baulichen Erbe begleitet. Fotografie
und Kunst nahmen diese Impulse auf und begannen die Zeugnisse der Vergangenheit mit
Blick auf die Gegenwart zu befragen. In Ergänzung zu den Originalmaterialien der
Architekten aus den 1960er-Jahren erweitern sie den historischen Blick und bieten
zusätzliche Möglichkeiten der Auseinandersetzung.
Die hier beispielhaft vorgestellten fotografischen Arbeiten formulieren mit einer eigenen
Bildsprache ganz persönliche Vorstellungen realer Orte oder konstruieren utopische Räume
aus scheinbar vertrauten Architekturen. Plastische Objekte spüren zum einen den
skulpturalen Qualitäten der Nachkriegsbauten auf Modellebene nach, zum anderen
verarbeiten sie architektonische Fundstücke und verweisen auf längst verschwundene
Anblicke im Stadtraum. Der formalen Übersteigerung von typisierten Fassadenelementen
steht die Frage nach der sozialen Funktionalität industriell gebauter Wohnquartiere
gegenüber.
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