Jahrbuch 2008/2009 | Fändrich, Marcus | Proteine und Amyloidfibrillen – Dr. Jekyll and Mr. Hyde Proteine und Amyloidfibrillen – Dr. Jekyll and Mr. Hyde Proteins and amyloid fibrils – Dr. Jekyll and Mr. Hyde Fändrich, Marcus Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle/Saale Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Die Bildung von Amyloidfibrillen oder strukturell ähnlicher Polypeptidaggregate ist ein Charakteristikum mehrerer schw erer Krankheiten, inklusive Morbus Alzheimer. Amyloidfibrillen sind abnormale Strukturzustände von prinzipiell normalen, körpereigenen Eiw eißen. Statt jedoch in ihre normale Form als natives Protein zu falten, aggregieren sie in die faserartige Struktur von Amyloidfibrillen. Die Arbeitsgruppe von Marcus Fändrich am MPI für Enzymologie der Proteinfaltung untersucht die molekularen Grundlagen der Bildung von Amyloidfibrillen und ihre genaue Struktur. Summary Several debilitating human disorders, including Alzheimer’s disease, involve the formation of amyloid fibrils or structurally related types of polypeptide aggregates. Amyloid fibrils represent abnormal structural forms of otherw ise normal, endogenous polypeptide chains. How ever, instead of folding into their native protein states, they aggregate into the form of fibrils. The group of Marcus Fändrich investigates the molecular basis of these structural transitions and the structural details of the architecture of amyloid fibrils. Proteine: Die Faltung bestimmt ihre Funktion Eiw eiße (oder ‚Proteine‘) sind ein Grundbaustein des Lebens, und Eiw eiße sind an nahezu allen Lebensprozessen beteiligt. Sie bilden die Grundlage für die Stabilität von Zellen, Haaren und Haut. Eiw eiße transportieren den Sauerstoff im Blut. Im Darm bauen sie die Nahrung ab und im Gew ebe die Körpersubstanz auf. Doch ähnlich einem W erkzeug kann ein Protein nur dann seine biologische Rolle übernehmen, w enn es die richtige Form hat. Schaut man sich diese Form an, so ist man im ersten Moment an ein Wollknäuel erinnert. Die natürliche Form eines Proteins besteht nämlich aus einem langen, kompliziert aufgew ickelten Faden. Die biologische Rolle eines Proteins bestimmt sich aus seiner Struktur, Dynamik und Oberflächenbeschaffenheit. Woher w eiß ein Protein aber nun, w elche Form es annehmen muss oder – im Fachjargon ausgedrückt – w ie es sich „falten“ muss? Seit den 1960er-Jahren ist bekannt, dass jedes Protein den Bauplan für seine gefaltete Struktur in sich trägt –und zw ar in Form seiner Aminosäuresequenz. Proteine sind nämlich chemisch gesehen organische Polymere, die aus vielen Aminosäuren bestehen („Polypeptidketten“). Die genaue Abfolge der verschiedenen Aminosäuren einer Polypeptidkette (das heißt ihre Sequenz) bestimmt die Struktur, in die sich © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/3 Jahrbuch 2008/2009 | Fändrich, Marcus | Proteine und Amyloidfibrillen – Dr. Jekyll and Mr. Hyde ein Protein natürlicherw eise faltet, um seine biologische Funktion ausüben zu können. Es hat sich aber gezeigt, dass Polypeptidketten nicht nur gefaltete Proteinstrukturen bilden können, sondern alternativ noch eine w eitere Zustandsform stabilisieren, die einer Amyloidfibrille. Eine Amyloidfibrille ist ein fibrilläres (faserförmiges) Polypeptidaggregat: Viele, zum Teil Hunderte von Polypeptidketten lagern sich aneinander und bilden zusammen die fadenförmige Struktur der Amyloidfibrille. Amyloidfibrillen oder die Strukturen, die bei der Bildung von Amyloidfibrillen entstehen, w erden für eine Reihe von Krankheiten verantw ortlich gemacht, unter anderem auch für die Alzheimersche Krankheit. Bei dieser Krankheit findet man Amyloidfibrillen typischerw eise im Gehirn der betroffenen Patienten. Die Fibrillen der Alzheimerschen Krankheit w erden von dem so genannten Aβ-Peptid gebildet, einem Abbauprodukt eines normalen zellulären Proteins. Darüber hinaus kommen Amyloidfibrillen als zusätzliche Komplikation in einer Reihe von w eiteren Krankheiten vor, zum Beispiel bei Herzvorhofflimmern, Arteriosklerose und dem Typ II-Diabetes mellitus. Außerdem findet man sie im Zuge der „normalen Alterung“ in jedem Menschen ab einem bestimmten Lebensjahrzehnt. Fibrilläre Struktur und Krankheiten Die Ursache für die Bildung von Amyloidfibrillen liegt darin, dass Polypeptidketten aufgrund ihrer chemischen Struktur grundsätzlich die Fähigkeit besitzen, Amyloidfibrillen zu bilden. Für die biologische Rolle einer Polypeptidkette ist diese Eigenschaft in der Regel unerw ünscht, und die Evolution hat eine Reihe von Mechanismen genutzt, um die Bildung von Amyloidfibrillen spezifisch zu unterdrücken. Dennoch können Polypeptidketten diese Strukturen bilden, und diese Eigenschaft bricht dann im Zuge der Alterung oder bei einigen Krankheiten hervor. Polypeptidketten haben somit zw ei "Gesichter" – ein w enig vergleichbar mit der bekannten literarischen Figur aus der Erzählung von Robert Louis Stevenson, die entw eder in Form des gesellschaftlich geschätzten Dr. Jekyll oder des misanthropen Mr. Hyde in Erscheinung tritt. Die Arbeitsgruppe von Marcus Fändrich beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, w ie Amyloidfibrillen strukturell aufgebaut sind. Ihre genaue Struktur ist bislang nur unzureichend verstanden. Ein Grund dafür besteht darin, dass Amyloidfibrillen mit den traditionellen Verfahren der biophysikalischen Strukturanalyse nur schw er bearbeitet w erden können. Daher w enden die W issenschaftler aus Halle in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Niko Grigorieff (Brandeis University, Waltham, USA) die Kryo-Elektronenmikrokopie als Technik an. Mit dieser Technik w urde die Struktur einer Amyloidfibrille des Alzheimerschen Aβ-Peptids untersucht [1,2]. Den Forschern um Fändrich und Grigorieff gelang es dabei, eine Auflösung von unter einem Nanometer zu erzielen (Abb. 1). Diese Auflösung zeigte die Anordnung der β-Faltblattstruktur innerhalb der Fibrille. Interessanterw eise w ich die gefundene Anordnung deutlich von früheren Vorstellungen über den strukturellen Aufbau ab. Weitere Arbeiten sind aber noch notw endig, um die atomaren Details der Fibrille auflösen zu können. Bei Erfolg könnten sich aus diesen Arbeiten neue Ansätze für die Bekämpfung der Alzheimerschen Krankheit entw ickeln. © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/3 Jahrbuch 2008/2009 | Fändrich, Marcus | Proteine und Amyloidfibrillen – Dr. Jekyll and Mr. Hyde R e k onstruk tion de r Struk tur e ine r he lik a l ge wunde ne n Alzhe im e r-Am yloidfibrille a uf de r Grundla ge von e le k trone nm ik rosk opische n Da te n. Hinte rgrund: Ge hirnge we be e ine s Alzhe im e r-P a tie nte n m it bra un e inge fä rbte n Am yloida bla ge runge n. © Ma x -P la nck -Forschungsste lle für Enzym ologie de r P rote infa ltung/Fä ndrich, Sa chse ; Bra nde is Unive rsity/Grigorie ff; Unive rsitä t Ulm /Tha l Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser (Employee mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] C. Sachse, C. Xu, K. Wieligmann, S. Diekmann, N. Grigorieff, M. Fändrich: Quaternary structure of a mature Alzheimer's Aβ-amyloid fibril. Journal of Molecular Biology 362, 347–354 (2006). [2] C. Sachse, M. Fändrich, N. Grigorieff: Paired β-sheet structure of an Aβ(1-40) amyloid fibril revealed by electron microscopy. Proceedings of the National Academy of Sciences U.S.A. 105, 7462–7466 (2008). © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/3