Anhang B: Quadratische Irrationalzahlen §1 Reel-quadratische Zahlkörper Eine reelle Zahl x 6∈ Q heißt quadratische Irrationalzahl, wenn sie Lösung einer quadratischen Gleichung (1) aX 2 − bX − c = 0, a 6= 0 mit rationalen Koeffizienten a, b und c ist. Nach Multiplikation von (1) mit einer geeigneten rationalen Zahl kann man erreichen, daß (∗) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT(a, b, c) = 1 1.1 Bemerkung. Die Gleichung (1) mit den Eigenschaften (∗) ist durch die quadratische Irrationalzahl x eindeutig bestimmt. Man nennt sie die Gleichung von x. Beweis. Sei a0 x2 − b0 x − c0 = 0, wobei {a0 , b0 , c0 } ebenfalls die Bedingung (∗) erfüllt. Dann ist aa0 x2 −ab0 x−ac0 = 0 = a0 ax2 −a0 bx−ac0 und daher (a0 b−ab0 )x+(a0 c−ac0 ) = 0. Wegen x 6∈ Q folgt a0 b = ab0 und a0 c = ac0 , also a = ggT(aa0 , ab0 , ac0 ) = ggT (a0 a, a0 b, a0 c) = a0 . Somit ist a = a0 , b = b0 und c = c0 . Die Lösungen von (1) sind bekanntlich die Zahlen √ D b ± , wobei D := b2 + 4ac ∈ N 2a a kein Quadrat √ ist. Man nennt D die Diskriminante von x. Es ist also √ x = u + v D mit u, v ∈ Q; die zweite Lösung von (1) ist dann x0 = u − v D. Man nennt sie die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl. Sie hat offenbar die gleiche Diskriminante wie x. √ Sei umgekehrt y = u + √ v d mit rationalen Zahlen u, v und d ∈ Q kein Quadrat. Setze y 0 = u − v d. Dann ist yy 0 = u2 − v 2 d ∈ Q, y + y 0 = 2u ∈ Q, also ist (X − y)(X − y 0 ) = X 2 − (y + y 0 )X + yy 0 = 0 1 eine quadratische Gleichung mit rationalen Koeffizienten und den Lösungen y und y 0 . Es gilt also: √ Die quadratischen Irrationalzahlen sind die Zahlen der Form x = u + v d, wobei u, v ∈ Q, v 6∈ Q und d ∈ N √ kein Quadrat ist. Die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl ist u − v d. √ Sei nun d ∈ N kein Quadrat. Dann ist auch d 6∈ Q. Wir definieren √ √ K = Q[ d] = {u + v d | u, v ∈ Q} und √ √ R = Z[ d] = {u + v d | u, v ∈ Z} 1.2 Satz. a) K ist ein Q–Vektorraum mit Basis {1, √ d}. b) K ist ein Körper und R ist ein Ring. c) Die Konjugationsabbildung √ √ σ : K −→ K, u + v d 7−→ u − v d hat folgende Eigenschaften: σ(a) = a für alle a ∈ Q. σ(σ(x)) = x für alle x ∈ K und σ(r) ∈ R für alle r ∈ R. σ(x + y) = σ(x) + σ(y) und σ(x · y) = σ(x) · σ(y) für alle x, y ∈ K. σ(xn ) = σ(x)n für alle x ∈ K und n ∈ N. d) Für u,√ v, n ∈ N>0 ist√mit geeigneten √ũ, ṽ ∈ N>0 √ (u + v d)n = ũ + ṽ d und (u − v d)n = ũ − ṽ d Beweis. √ a) Offenbar ist K ein Q–Vektorraum, der von 1 und √ √ d erzeugt wird. = 0 mit 1 + d sind über Q linear unabhängig: Sei a · 1 + b d √ a, b ∈ Q. Aus b = 0 folgt a = 0. Wäre b 6= 0, so wäre d = − ab ∈ Q, Widerspruch. 2 b) Die Abgeschlossenheit gegenüber Addition und Negation ist für K und R klar. Abgeschlossenheit gegenüber der Multiplikation: Seien (a, b), (a0 b0 ) ∈ Q2 . Dann gilt √ √ √ (a + b d)(a0 + b0 d) = (aa0 + bb0 d) + (ab0 + a0 b) d ∈ K und die rechte Seite liegt in R, falls a, b, a, b0 ∈ Z. Also sind K und R Ringe. Für den Beweis von d) halten wir noch fest: (∗) Aus (a, b), (a0 , b0 ) ∈ N2>0 folgt aa0 + bb0 d, ab0 + a0 b ∈ N>0 . Für die Körpereigenschaft von K muß noch jedes x ∈ K\{0} invertier√ √ a) bar sein: x = a + b d 6= 0 =⇒ a 6= 0 oder b 6= 0, also auch a − b d 6= 0. √ √ Es folgt a2 − b2 d = (a + b d)(a − b d) 6= 0 und √ √ b a − d =1 (a + b d) a2 − b 2 d a2 − b 2 d √ c) Zur Basis B = {1, d} gehört der Basisisomorphismus √ a Φ : Q2 −→ K, 7−→ a + b d b 1 0 A= ist invertierbar mit A · A = E2 . Daher ist 0 −1 Φ−1 A Φ σ : K −→ Q2 −→ Q2 −→ K √ √ u u ein Isomorphismus, σ(u + v d) = Φ A =Φ =u−v d −v v √ √ √ und σ(σ(u + v d)) = σ(u − v d) = u + v d √ √ σ(u) = σ(u + 0 d) = u − 0 · d = u für alle u ∈ K. √ √ Falls r = u + v d ∈ R ist σ(r) = u + (−v) d ∈ R. Da σ ein Vektorraumisomorphismus ist, gilt σ(x + y) = σ(x) + σ(y) √ √ √ σ((u + v d)(u0 + v 0 d)) = (uu0 + vv 0 d) − (av 0 + u0 v) d √ √ √ (u − v d)(u0 − v 0 d) = (uu0 + vv 0 d) − (uv 0 + u0 v) d. Induktiv ergibt sich daraus σ(xn ) = σ(x)n . 3 d) Der erste√Teil folgt durch√Induktion aus (∗). Wegen σ((a + b d)n ) = σ(a + b d)n gilt auch der Rest. √ Die Körper der Gestalt K = Q[ d], wobei d ∈ N kein Quadrat ist, nennt man quadratische Zahlkörper. Halte d fest. Definition. Die Funktion N : K −→ Q, x 7−→ xσ(x) heißt Norm von K. √ Für x = a + b d ist also N (x) = a2 − b2 d(a, b ∈ Q). In Analogie zu Anhang A.3.2 zeigt man leicht 1.3 Eigenschaften der Norm. Für x, y ∈ K gilt: a) N (xy) = N (x)N (y); N (a) = a2 für a ∈ Q, (insbesondere ist N (−1) = N (1) = 1). b) Ist x 6= 0, so ist N (x) 6= 0 und x−1 = σ(x) . N (x) c) Ist x ∈ R, so ist N (x) ∈ Z. d) Sei R× die Einheitengruppe von R und x ∈ R. Genau dann ist x ∈ R× , wenn N (x) ∈ Z× = {±1}. e) G = {x | N (x) = 1} ist eine Untergruppe von R× mit (i) G = −G (ii) r−1 = σ(r) für alle r ∈ G Beweis. a) ergibt sich sofort aus 1.2. b) σ : K −→ K ist ein Isomorphismus von Q–Vektorräumen, also ist σ(x) 6= 0 und somit N (x) = xσ(x) 6= 0 für x = 6 0. σ(x) σ(x) Ferner ist N (x) ∈ K mit x N (x) = 1. c) ist klar nach dem Beweis von 1.2.c). 4 d) Ist x ∈ R× , so ist x−1 ∈ R× mit x−1 x = 1 und 1 = N (x−1 )N (x), wobei N (x), N (x−1 ) ∈ Z. Es folgt N (x) = ±1. Ist umgekehrt N (x) = ±1 und x ∈ R, so ist Nσ(x) = ±σ(x) ∈ R und x Nσ(x) = 1, also x ∈ R× . (x) (x) e) Nach a) ist G abgeschlossen unter der Multiplikation und Inversion und 1 ∈ G. Also ist G eine Untergruppe von R× . N (−x) = N (−1)N (x) = N (x) nach a), also ist G = −G. Ferner ist rσ(r) = N (r) = 1 für r ∈ G, d.h. r−1 = σ(r). Im Fall d = 2 gilt noch (1.4) Satz. √ a) {ε ∈ R× | ε > 1} = {(1 + 2)n | n ∈ N>0 } √ b) R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} √ c) G = {±(3 + 2 2)n | n ∈ Z} Beweis. a) Zeige zunächst, daß √ 1 + 2 = Min{ε | ε ∈ R× und ε > 1} √ √ Beweis. N (1 + 2) = −1 =⇒ 1 + 2 ∈ R× √ Sei ε ∈ R× mit ε > 1. Zeige, daß ε ≥ 1 + 2. √ Schreibe ε = y + x 2 mit x, y ∈ Z : N (ε) = 2σ(ε) = ±1 nach 1.3. (∗) Aus |N (ε)| = 1 folgt ε · √ |σ(ε)| = 1 und |σ(ε)| = ε−1 < 1. Es folgt 2y = ε + σ(ε) > √0 und 2x 2 = ε − σ(ε) > 0, also x > 0 und y > 0 aus Z =⇒ ε ≥ 1 + 2. Sei nun ε ∈ R× , ε > 1. √ √ √ Wegen (1 + 2)n ≥ 1 + n 2 ist lim (1 + 2)n = ∞. Also gibt es genau n→∞ √ √ ein n ∈ N>0 mit (1 + 2)n−1 < ε < (1 + 2)n . Es folgt η := (1+√ε2)n−1 ∈ √ R× , denn R×√ist eine Gruppe, die ε und 1 + 2 enthält. Außerdem gilt 1 < η ≤ 1 + 2 nach Wahl von n. 5 Nach (∗) gilt aber auch η ≥ 1 + √ 2 und daher ε = (1 + √ 2)n . Umgekehrt ist für jedes n ≥ 1 √ √ (1 + 2)n > 1 und (1 + 2)n ∈ R× . b) Offenbar gilt für ε ∈ R× \{±1}. 0 < ε < 1 ⇐⇒ ε−1 > 1 −1 < ε < 0 ⇐⇒ 0 < −ε < 1 ⇐⇒ −ε−1 > 1 ε < −1 ⇐⇒ −ε > 1 Ist also H := {ε ∈ R× | ε > 1}, so ist√R× = {±1} ∪ H ∪ H −1 ∪ (−H) ∪ (−H −1 ) und nach a) gilt H = {(1 + 2)n | n ∈ N>0 }. Es folgt √ R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} √ 2)n , n ∈ Z. Dann ist √ N (ε) = N (1 + 2)n = (−1)n = 1 genau dann, wenn n = 2m, m ∈ N. √ √ Ferner ist (1 + 2)2 = 3 + 2 2. Es folgt √ G = {ε ∈ R× | N (ε) = 1} = {±(3 + 2 2)m | m ∈ Z} c) Sei ε = ±(1 + 6 §2 Die Pell’sche Gleichung Sei d ∈ N>0 kein Quadrat. Dann nennt man Y 2 − dX 2 = 1 (∗) die zu d gehörige Pell’sche Gleichung. Die Lösungsmenge Hd := {(x, y) ∈ R2 | y 2 − dx2 = 1} der obigen Gleichung stellt eine Hyperbel in der Ebene R2 dar. Frage: Welche Gitterpunkte (x, y) ∈ Z2 liegen auf der Hyperbel Hd ? 2.1 Satz. Auf Hd liegen unendlich viele Gitterpunkte. Genauer gilt: Ist (x0 , y0 ) ∈ N2>0 der Gitterpunkte auf Hd mit der kleinsten positiven x–Koordinate, so ist √ √ Hd ∩ Z2 = {(x, y) ∈ Z2 | Es gibt ein n ∈ Z mit y + x d = ±(y0 + x0 d)n }. √ √ Bemerkung. Sei N die Norm von K = Q[ d], R = Z[ d] √ und G = {r ∈ R | N (r) = 1} (vgl. §1). Dann ist wegen N (y + x d) = y 2 − dx2 √ (x, y) ∈ Hd ∩ Z2 genau dann, wenn y + x d ∈ G. Es ist also zu zeigen, daß (1) √ G = {±(y0 + x0 d)n | n ∈ Z} wenn (x0 , y0 ) ∈ Hd ∩ N2>0 mit kleinster x–Koordinate ist. Im Fall d = 2 wurde dies im Satz 1.4 bereits bewiesen, wobei (x0 , y0 ) = (2, 3) war. Zum Beweis von (1) sind Zunächst werden wir √ einige Vorbereitungen nötig. 2 zeigen, daß es ein y + x d ∈ G gibt mit (x, y) ∈ N>0 . 2.2 Lemma. Die Ungleichung (2) √ 1 |Y − X d| < X hat unendlich viele Lösungen (x, y) ∈ N2>0 . 7 Für eine reelle Zahl r ≥ 0 bezeichnen wir mit brc den ganzen Anteil von r. Die ist die ganze Zahl, die bei der Dezimalbruchentwicklung von r vor dem Komma steht. √ Beweis von 2.2. Für x = 1 und y = b dc ist √ √ √ √ 1 |y − x d| = |b dc − d| < 1, d.h. |y − x d| < . x Damit hat (2) überhaupt eine Lösung in N2>0 . Behauptung. Zu jeder Lösung (x, y) ∈ N2>0 von (2) gibt es eine weitere Lösung (x0 , y 0 ) ∈ N2>0 von (2) mit √ √ |y 0 − x0 d| < |y − x d|. Damit erhält man wunschgemäß eine unendliche Folge von paarweise verschiedenen Lösungen von (2). √ √ Beweis der Behauptung. Wegen d 6∈ Q ist |y − x d| = 6 0 für alle 2 (x, y) ∈ N>0 . Also gibt es ein m ∈ N>0 mit √ 1 |y − x d| > . m (3) Konstruiere nun ein (x0 , y 0 ) ∈ N2>0 mit 1 m √ > |y 0 − x0 d|. Betrachte dazu die Menge √ √ √ M := {1, b dc, b2 d + 1c, . . . , bm dc + 1} √ von m + 1 positiven ganzen Zahlen. Für jede u = bλ dc + 1 ∈ M gilt √ 0 < u − λ d ≤ 1. Damit erhält man eine Abbildung √ √ √ ϕ : M −→ (0, 1], bλ dc + 1 7−→ bλ dc + 1 − λ d Zerlege (0, 1] in m halboffene Intervalle der Länge (0, 1] = (0, 1 . m 1 1 2 m−1 ] ∪ ( , ] ∪ ... ∪ ( , 1] m m m m 8 Weil M aus m + 1 Elementen besteht gibt es u1 < u2 in M , so daß ϕ(u1 ) und ϕ(u2 ) in das gleiche Intervall der Länge m1 fallen. Insbesondere ist dann |ϕ(u2 ) − ϕ(u1 )| < 1 m √ √ Es ist u1 = bλ1 dc + 1, u2 = bλ2 dc + 1 mit 0 ≤ λ1 < λ2 ≤ m. Es folgt √ √ √ 1 |(u2 −u1 )−(λ2 −λ1 ) d| = |(u2 −λ2 d)−(u1 −λ1 d)| = |ϕ(u2 )−ϕ(u1 )| < . m Setzt man y 0 = u2 − u1 und x0 = λ2 − λ1 , so erhält man √ 1 und 0 < x0 ≤ m |y 0 − x0 d| < m √ und (x0 , y 0 ) erfüllt die Bedingung |y 0 − x0 d| < m1 ≤ x10 . Ferner gilt nach Wahl von m wegen (3) √ √ 1 < |y − x d|, was zu beweisen war. |y 0 − x0 d| < m √ 2.3 Lemma. Es gibt ein k ∈ Z, 0 <| k| < 1 + 2 d, so daß die Gleichung (4) Y 2 − dX 2 = k in N2>0 unendlich viele Lösungen hat. √ Beweis. Nach 2.2 gibt es ein (x, y) ∈ N2>0 mit |y − x d| < x1 . Daraus ergibt sich die Beziehung √ √ √ √ |y + x d| = |y − x d + 2x d| < x1 + 2x d, also √ √ √ √ 0 < |y 2 − dx2 | = |y − x d||y + x d| < x12 + 2 d ≤ 1 + 2 d. Nach 2.2 gibt es dann sogar unendlich viele (x, y) ∈ N2>0 mit √ 0 < |y 2 − dx2 | < 1 + 2 d Bei der Abbildung ϕ : N2>0 −→ Z\{0}(x, y) 7−→ y 2 − dx2 9 √ √ werden also unendlich viele Punkte in das Intervall I = (−1 − 2 d, 1 + 2 d) abgebildet, welches aber nur endlich viele ganze Zahlen enthält. Also wird bei der Abbildung ϕ wenigstens ein Wert k ∈ I ∩ Z\{0} an unendlich vielen Stellen (x, y) ∈ N2>0 angenommen. Wir zeigen nun, daß die Gleichung Y 2 − dX 2 = 1 eine Lösung (x, y) ∈ N2>0 besitzt. Nach 2.3 gibt es ein k ∈ Z\{0}, so daß die Gleichung (4) in N2>0 unendlich viele Lösungen hat. Es gibt also insbesondere zwei Lösungen von (4) in N2>0 , so daß (x1 , y1 ) 6= (x2 , y2 ), x1 ≡ x2 mod k und y1 ≡ y2 mod k. Wir setzen y1 y2 − dx1 y2 y1 x2 − y2 x1 und x = . k k Dann gilt nach Wahl von (x1 , y1 ) und (x2 , y2 ) y= y1 y2 − dx1 x2 ≡ y12 − dx21 ≡ k ≡ 0 mod k und y1 x2 − y2 x1 ≡ y1 x1 − y1 x1 ≡ 0 mod k und somit (x, y) ∈ Z2 . Wir zeigen nun, daß x 6= 0, y 2 − dx2 = 1 und y 6= 0. Angenommen x = 0. Es folgt y1 x2 = y2 x1 , also y2 = Ferner ist x2 = k= x2 x. x1 1 y22 − x2 y. x1 1 Einsetzen in (4) ergibt dx22 = x2 x1 2 y12 − dx21 x2 = x1 2 k, d.h. x2 = x1 und damit auch y2 = y1 , Widerspruch. Aus k 2 (y 2 − dx2 ) = (y1 y2 − dx1 x2 )2 − d(y1 x2 − y2 x1 )2 = = (y12 − dx21 )(y22 − dx22 ) = k 2 folgt y 2 − dx2 = 1. Ferner ist y 2 = 1 + dx2 ≥ 1 und daher y 6= 0. Damit ist (|x|, |y|) ∈ N2>0 eine Lösung der Pell’schen Gleichung. Sei nun (x0 , y0 ) ∈ N2>0 die Lösungt der Pell’schen Gleichung mit kleinster x–Koordinate. Wie schon ausgeführt wurde, ist zu zeigen, daß √ G = Γ := {±(y0 + x0 d)n | n ∈ Z} 10 √ Wegen N (y0 + x0 d) = y02 − x20 d = 1 ist Γ ⊆ G ⊆ R× . Offenbar ist Γ wie G eine Untergruppe von R× , also Γ = Γ−1 , und es gilt Γ = −Γ und G = −G. Zeige zunächst, daß G+ := {r ∈ G | r > 1} ⊆ Γ (5) −1 Dann ist auch G = {1} ∪ G + ∪ − G+√ ∪ G−1 + ∪ −G+ ⊆ Γ. Zum Beweis von (5) zeigen wir zuerst, daß ε := y0 + x0 d = Min G+ . √ Sei dazu r = y + x d ∈ G+ , r 6= ε. Angenommen r < ε. Aus rσ(r) = 1 folgt 1 > σ(r) > 0, d.h. √ √ 1 > y − x d > 0 und 2y = r + σ(r) > 1, 2x d = r − σ(r) > 0. Es folgt y > 0 und x > 0. Nach Wahl von x0 ist daher x ≥ x0 . Aus r < ε und x ≥ x0 folgt y < y0 und daher p p y2 − 1 y02 − 1 √ √ x= < = x0 , Widerspruch. d d √ √ √ Sei nun y + x d ∈ G+ , y + x d 6= ε. Wie gesehen y + x d > ε. Wegen ε > 1 ist lim εn = ∞. Es gibt also genau ein n ∈ N>0 mit n→∞ √ εn−1 < y + d ≤ εn . √ Da G eine Gruppe ist und {ε, y + x d} ⊆ G}, ist auch η = (6) √ y+x d n−1 ε ∈ G. Aus (6) folgt 1 < η ≤ ε und η ∈ G+ . Daher ist auch η ≥ ε = Min G+ , d.h. η = ε und √ y + x d = εn . Wir wollen noch sehen, wie man rekursiv von (x0 , y0 ) ausgehend alle Gitterpunkte auf Hd berechnet. Dabei kann man sich aus Symmetriegründen auf den ersten Quadranten beschränken. Wähle yn , xn ∈ N>0 so, daß √ √ yn + xn d = (y0 + x0 d)n+1 11 (n ∈ N). Nach 2.1 ist dann Hd ∩ N2>0 = {(xn , yn ) | n ∈ N}. √ √ Wegen yn − xn d = (y0 − x0 d)n+1 ergibt sich xn = yn = √ √ (y0 +x0 d)n+1 −(y0 −x0 d)n+1 √ 2 d √ √ (y0 +x0 d)n+1 +(y0 −x0 d)n+1 2 und für alle n ∈ N 2.4 Korollar. Die positiven Gitterpunkte (xn , yn ), n ∈ N auf Hd berechen sich rekursiv aus (x0 , y0 ) mit den Formeln xn = yn−1 x0 + xn−1 y0 yn = yn−1 y0 + dxn−1 x0 für alle n ≥ 1 Beweis. yn−1 x0 + xn−1 y0 = √ √ √ √ √ √ (y0 + x0 d)n x0 d + (y0 − x0 d)n x0 d + (y0 + x0 d)n y0 − (y0 − x0 d)n y0 √ = 2 d √ √ √ √ (y0 + x0 d)n (y0 + x0 d) − (y0 − x0 d)n (y0 − x0 d) √ = = xn 2 d Der Beweis der zweiten Formel verläuft analog. Zum Schluß wollen wir noch zeigen, wie man im Fall einer Primzahl der Form d = m2 + 1, m ∈ N die kleinste positive ganze Lösung der Pell’schen Gleichung berechnet. 2.5 Satz. Ist d = m2 + 1 eine Primzahl, m ∈ N, so ist (2m, 2m2 + 1) die kleinste positve Lösung der Pell’schen Gleichung Y 2 − dX 2 = 1. Beweis. (2m, 2m2 + 1) ist offenbar eine Lösung. Sei (x, y) ∈ N2>0 eine beliebige Lösung. Dann ist x2 (m2 + 1) = y 2 − 1 = (y − 1)(y + 1). Da nun m2 + 1 eine Primzahl ist, folgt m2 + 1 | y + 1 oder m2 + 1 | y − 1. 1. Fall. Ist m2 + 1 = y + 1 oder m2 + 1 = y − 1, so ist 12 x2 = m2 − 1 oder x2 = m2 + 3. Es folgt (m − x)(m + x) = 1 oder (x − m)(x + m) = 3. Dies ist nur möglich, wenn m = 1, x = 2 und y = 3 gilt. 2. Fall. m2 + 1 k y − 1 oder m2 + 1 k y + 1. Es folgt y + 1 ≥ 2(m2 + 1) und daher x2 (m2 + 1) = (y + 1)(y − 1) ≥ ≥ 2(m2 + 1)(2(m2 + 1) − 2) = 4(m2 + 1)m2 . Kürzen ergibt x2 ≥ 4m2 und x ≥ 2m. 13 §3 Anwendungen der Pell’schen Gleichung A. Quadrat- und Dreieckszahlen. Quadratzahlen: • 1 •• •• 4 ••• ••• ••• 9 • • •• • • •• • • •• • • •• 16 ••••• ••••• ••••• ••••• ••••• 25 • •• ••• • • •• 10 • •• ••• • • •• ••••• 15 • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• • • • • •• 36 Dreieckszahlen: • 1 • •• 3 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• 21 • •• ••• 6 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• ••••••• 28 • •• ••• • • •• ••••• • • • • •• ••••••• • • • • • • •• 36 Dabei sind 1 und 36 sowohl Quadrat- als auch Dreieckszahlen. Frage: Wie kann man alle natürlichen Zahlen bestimmen, die sowohl Quadratals auch Dreieckszahlen sind? Gibt es davon unendlich viele? 14 Ist w ∈ N>0 eine Quadrat- und Dreieckszahl, so gibt es natürliche Zahlen m und n mit w = m2 = (1) n(n + 1) (= 1 + 2 + . . . + n) 2 Setze x := 2m und y = 2n + 1. Aus x und y berechnen sich n und m als n = y−1 und m = x2 . 2 Aus (1) folgt x2 4 = y−1 y+1 1 · 2 · 2, 2 d.h. x und y genügen der Pell’schen Gleichung. Y 2 − 2x2 = 1 (2) Ist also w = m2 n(n+1) mit m, n ∈ N>0 , so ist (x, y) = (2m, 2n + 1) ein 2 Gitterpunkt auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X 2 = 1 im positiven Quadranten. Sei umgekehrt (x, y) ∈ H2 ∩ N2>0 . Dann gilt 2x2 = y 2 − 1 = (y + 1)(y − 1). Insbesondere ist y ungerade und x gerade und y > 1. Setze m := x 2 und n := y−1 . 2 Dann sind m, n ∈ N>0 und m2 = x2 y2 − 1 y+1y−1 1 1 = = · = (n + 1)n · . 4 8 2 2 2 2 2 Damit ist x4 eine Quadrat- und Dreieckszahl, wobei x2 die Kantenlänge des zugehörigen Quadrats und y−1 die Kantenlänge des zugehörigen Dreiecks ist. 2 Wir fassen das bisher gesehene zusammen. 3.1 Satz. Die Quadrat- und Dreieckszahlen aus N>0 entsprechen eineindeutig den positiven Gitterpunkten auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X 2 = 1. Genauer gilt: a) Ist w = m2 = n(n+1) eine Quadrat- und Dreieckszahl, so ist 2 (2m, 2n + 1) ∈ H2 . ganz und b) Ist (x, y) ∈ H2 ∩ N2>0 , so sind die Zahlen m = x2 und n = y−1 2 n(n+1) 2 w = m = 2 ist die zugehörige Quadrat- und Dreieckszahl. 15 Wir wenden Korollar 2.4 im Fall d = 2 an und erhalten 3.2 Korollar. Die Gitterpunkte H2 ∩ N2>0 ergeben sich rekursiv aus x0 = 2, y0 = 3 mit den Formeln xn = 2yn−1 + 3xn−1 ; yn = 3yn−1 + 4xn−1 für alle n ≥ 1. Aus 3.1 und 3.2 ergeben sich schließlich Rekursionsformeln für die Quadratund Dreieckszahlen. 3.3 Korollar. Ordnet man die Quadrat- und Dreieckszahlen zn = qn2 = dn (d2n+1 ) nach ihrer Größe, so gilt für die Kantenlängen qn bzw. dn der zugehörigen Quadrate bzw. Dreiecke q0 = d0 = z0 = 1 qn = 2dn−1 + 3qn−1 + 1 ; dn = 3dn−1 + 4qn−1 + 1 für alle n ≥ 1 Man erhält also q1 = 2 + 3 + 1 = 6 ; d1 = 3 + 4 + 1 = 8, z1 = 36 q2 = 16 + 18 + 1 = 35 ; d2 = 24 + 24 + 1 = 49, z2 = 1225 q3 = 98 + 105 + 1 = 204 ; d3 = 147 + 140 + 1 = 288, z3 = 41616 usw. Beweis. Nach 3.1 sind die Zahlen zn = Dreieckszahlen und es gilt qn = dn = xn 2 yn −1 2 = = x2n ,n 4 = 0, 1, 2, . . . die Quadrat- und Kantenlänge des Quadrats und Kantenlänge des Dreiecks. Setzt man die Formeln aus 3.2 ein, so ergibt sich x2 z0 = 40 = 1, q0 = x20 = 1, d0 = y02−1 = 1 und qn = x2n = yn−1 + 32 xn−1 = 2dn−1 + 1 + 3qn−1 , dn = yn2−1 = 32 yn−1 + 2xn−1 − 12 = 32 (2dn−1 + 1) + 4qn−1 − = 3dn−1 + 4qn−1 + 1 für n ≥ 1 1 2 = B. Ein kombinatorisches Problem. Eine Urne enhalte q ≥ 2 Kugeln; davon seien r Kugeln rot und die übrigen schwarz. Frage: Wie müssen die Zahlen q und r gewählt sein, damit gilt: 16 (1) Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß zwei Kugeln, die ohne Zurücklegen gezogen werden, beide rot sind, ist 12 . 3.4 Satz. Aussage (1) gilt genau dann, wenn gilt: q(q − 1) = 2r(r − 1) (2) q Beweis. Es gibt verschiedene Stichproben der Ordnung 2. Davon beste2 r hen aus zwei roten Kugeln. Also gilt (1) genau dann, wenn 2 q r =2 , d.h. wenn q(q − 1) = 2r(r − 1). 2 2 Zusammenhang mit der Pell’schen Gleichung. Wir betrachten anstelle der gewöhnlichen Pell’schen Gleichung Y 2 − 2X 2 = +1 die Gleichung Y 2 − 2X 2 = −1 ; H̃2 : Y 2 − 2X 2 = −1 (3) 3.5 Satz. Seien q und r positive ganze Zahlen. Genau dann erfüllen q und r die Bedingung (2), wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung (3) löst. Beweis. Seien x, y ∈ N>0 mit y 2 − 2x2 = −1. Wegen y 2 = 2x2 − 1 ist y ungerade. Es folgt y 2 ≡ 1 mod 4 und daher 2x2 = y 2 + 1 ≡ 2 mod 4. Also ist auch x ungerade. Schreibe daher x und y in der Form y = 2q − 1 und x = 2r − 1 mit q, r ∈ N>0 . Aus y 2 = 2x2 − 1 folgt (2q − 1)2 = 2(2r − 1)2 − 1, d.h. q(q − 1) = 2r(r − 1). Seien umgekehrt q, r ∈ N>0 mit q(q − 1) = 2r(r − 1). Setze y = 2q − 1 und x = 2r − 1. Dann gilt y 2 − 2x2 = 4q 2 − 4q + 1 − 8r2 + 8r − 2 = −1. Damit ist gezeigt: 17 3.6 Korollar. Genau dann erfüllt das Zahlenpaar (q, r) die Bedingung (1), wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung Y 2 − 2X 2 = −1 löst. √ √ 2], R = Z[ 2] und N die Norm von K, d.h. Sei nun wieder K = Q[ √ N (y + x d) = y 2 − 2x2 , wenn (x, y) ∈ Q2 . Es gilt also: √ (x, y) ∈ N2>0 löst (3) genau dann, wenn N (y + x d) = −1. √ Insbesondere ist dann y + x d ∈ R× . √ Nach 1.4 gilt R× = {±(1 + 2)n | n ∈ Z} und √ N (1 + 2) = −1. Es folgt √ √ √ (4) {y + x d | (x, y) ∈ N2>0 , N (y + x d) = −1} = {(1 + 2)2n+1 | n ∈ N} 3.7 Korollar. Die Menge aller (q, r) ∈ N2>0 mit q ≥ 2 und q(q−1) = 2r(r−1) erhält man mit der Formel m q 3 4 1/2 1/2 = + , m ∈ N>0 . r 2 3 1/2 1/2 Beweis. Nach 3.5 gilt {(q, r) ∈ N2>0 | q(q − 1) = 2r(r − 1)} = {( x+1 y−1 , ) | x, y ∈ H̃2 ∩ N2>0 } 2 2 √ Nach (4) ist H̃2 ∩ N2>0 = {(1 + 2)2m+1 | m ∈ N}. √ √ Nun ist (1 + 2)2 = 3 + 2 2 und daher √ √ √ (1 + 2)2m+1 = (3 + 2 2)m (1 + 2) 3.8 Lemma. Für u, v, x, y ∈ R gilt: √ √ √ y 3 4 v = genau dann wenn (3 + 2 2)(v + u 2) = y + x 2 x 2 3 u Beweis. Es ist 3 4 v 3v + 4u = und 2 3 u 2v + 3u 18 √ √ √ (3 + 2 2)(v + u √2) = (3v + 4u) + (2v + 3u) 2. Aus der linearen Unabhängigkeit von 1 und 2 über Q folgt die Behauptung. Aus 3.8 ergibt sich rekursiv √ y + x 2 = (1 + √ 2m+1 2) m y 3 4 1 ⇐⇒ = x 2 3 1 Zurück zum Beweis von 3.7. Wie gesehen durchläuft (q, r) die Paare √ √ x+1 y−1 x+1 , mit y + x 2 = (1 + 2)2m+1 , m ∈ N≥0 , q = ≥2 2 2 2 q 1 m=0: = was nicht zugelassen ist. r 1 m ≥ 1 : Wie gesehen ist m q y 1/2 3 4 1 1/2 1 1 = 2 + =2 + = r x 1/2 2 3 1 1/2 m 3 4 1/2 1/2 = + ; offenbar ist dann q ≥ 2 2 3 1/2 1/2 Für kleine m ergibt sich: Probe: 3 2 Probe: Probe: 3 4 1/2 1/2 4 + = also q = 4, r = 3 2 3 1/2 1/2 3 4 3 = 6, =3 2 2 4 7/2 1/2 41/2 1/2 21 + = + = ; q = 21, r = 15 3 5/2 1/2 29/2 1/2 15 21 15 = 210, = 105 2 2 3 4 41/2 1/2 120 + = ; q = 120, r = 85 2 3 29/2 1/2 85 120 85 = 7140; = 3570 2 2 19 §4 Kettenbrüche In Kapitel III, 6.6 haben wir gesehen, daß sich jede reelle Zahl x als Grenzwert einer Folge (rn ) rationaler Zahlen schreiben läßt. Für Zahlen x > 1 gibt es eine kanonische Wahl für diese Folge, die sogenannte Kettenbruchentwicklung von x. An ihr läßt sich ablesen, ob es sich bei x um eine quadratische Irrationalzahl handelt oder nicht. Definition. Seien x1 , . . . , xn positive reelle Zahlen, n ≥ 1. Der zu (x1 , . . . , xn ) gehörige Kettenbruch < x1 , . . . , xn > ist rekursiv erklärt als < x1 >:= x1 < x1 , x2 >:= x1 + x12 < x1 , x2 , x2 >:= x1 + .. . 1 <x2 ,x3 > < x1 , . . . , xn >:= x1 + =< x1 , < x2 , x3 >> 1 <x2 ,...,xn > =< x1 , < x2 , . . . , , xn >> (n ≥ 3) Beispiel. < 1, 2, 3, 4 >=< 1, < 2, 3, 4 >>= 1 + =1+ (n = 1) (n = 2) (n = 3) 1 <2,3,4> = 1 1 1 1 43 =1+ =1+ =1+ 1 1 4 = < 2, < 3, 4 >> 30 2 + <3,4> 2 + 3+ 1 2 + 13 4 4.1 Bemerkung. Für n ≥ 3 gilt < x1 , . . . , xn >=< x1 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn >>. Beweis. n = 3 :< x1 , x2 , x3 >=< x1 , < x2 , x3 >> gilt definitionsgemäß . Schluß von n − 1 auf n. Sei n ≥ 4 und 4.1 bewiesen für n − 1: < x1 , . . . , xn > Def. = Def. = I.V. < x1 , < x2 , . . . , xn >> = < x1 , < x2 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn >>>= < x1 , x2 , . . . , xn−2 , < xn−1 , xn > . Offenbar gilt für a1 , . . . , an ∈ N>0 :< a1 >= a1 und für n ≥ 2 ist 1 < a1 , . . . , an >= a1 + <a2 ,...,a ∈ Q (Induktion nach n) und n> < a1 , . . . , an >> 1. Es gilt auch umgekehrt 4.2 Satz. Jedes x ∈ Q, x ≥ 1 besitzt eine endliche Kettenbruchentwicklung x =< a1 , . . . , an > mit ai ∈ N>0 . Eine reelle Zahl x ≥ 1 hat somit genau dann 20 eine endliche Kettenbruchentwicklung x =< a1 , . . . , an > mit a1 , . . . , an ∈ N>0 , wenn x rational ist. Beweis. 1 =< 1 >, wir können also x > 1 annehmen. Schreibe x in gekürzter Darstellung x= y0 mit ggT (y0 , y1 ) = 1 und y0 , y1 ∈ N>0 . y1 Schließe induktiv nach y1 . Für y1 = 1 ist x ∈ N und x =< x >. Sei y1 > 1 und 4.2 bewiesen für alle reellen Zahlen > 1 mit einem Nenner < y1 . Dividiere y0 durch y1 mit Rest und erhalte y0 = a1 y1 + y2 mit a1 > 0, 0 < y2 < y1 , also y2 y1 y0 x = = a1 + und >1 y1 y1 y2 Nach Induktionsvoraussetzung besitzt x2 = yy12 eine endliche Kettenbruchentwicklung x2 =< a2 , . . . , an >, i ∈ N>0 . Es folgt x = a1 + y2 1 = a1 + =< a1 , x2 >=< a1 , < a2 , . . . , an >>=< a1 , . . . , an > . y1 x2 Anmerkung zu 4.2. Der euklidische Algorithmus für das Paar (y0 , y1 ) liefert die Zahlen a1 , . . . , an mit x =< a1 , . . . , an >: y0 = a1 y1 + y2 y1 = a2 y2 + y3 .. . , 0 < y2 < y1 , 0 < y3 < y2 yn−2 = an−1 yn−1 + yn , 0 < yn < yn−1 yn−1 = an yn wobei ai ∈ N>0 , i = 1, . . . , n. Man schließt induktiv: y0 =< a1 , . . . , an > y1 Konstruktion der Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahl. Für x ∈ R, x ≥ 0 bezeichne bxc den ganzen Anteil von x. Sei nun x ∈ R\Q, x > 1. 21 1. Schritt. Setze a1 := bxc und x1 := x. Nach Voraussetzung ist 0 < x − a1 < 1, d.h. x2 := 1 x−a1 > 1 und x2 6∈ Q, und daher x = a1 + 1 =< a1 , x2 > . x2 Man kann wegen x2 > 1, x2 6∈ Q, das Verfahren mit x2 fortsetzen. 2. Schritt. Setze a2 := bx2 c und x3 := x 2 = a2 + 1 . x2 −a2 Dann ist 1 =< a2 , x3 > und x3 x =< a1 , x2 >=< a1 , < a2 , x3 >>=< a1 , a2 , x3 >, x3 > 1, x3 6∈ Q. Fahre so fort: Seien a1 , . . . , an−1 ∈ Q>0 und x1 , . . . , xn ∈ N\Q, xj > 1 schon konstruiert. Schritt von n − 1 auf n. Setze an := bxn c und xn+1 := 1 . xn −an Dann ist xn+1 > 1, xn+1 6∈ Q und (1) x n = an + 1 xn+1 =< an , xn+1 > . Damit sind ai und xi für alle i ∈ N>0 rekursiv definiert und xi > 1, x1 ∈ R\Q, ai ∈ N>0 . Ferner gilt (2) x =< a1 , . . . , an , xn+1 > für alle n ∈ N>0 . Beweis. (2) gilt nach Schritt 1 für n = 1. 4.2 Schluß von n auf n + 1 :< a1 , . . . , an , an+1 , xn+2 > = I.V. < a1 , . . . , an , < an+1 , xn+2 >>< a1 , . . . an , xn+1 > = x Definition. Die rationale Zahl rn :=< a1 , . . . , an >, n ≥ 1 heißt der n–te Näherungsbruch und xn die n–te Restzahl von x. Offenbar gilt: < ak , . . . , ak+n−1 > ist der n–te Näherungsbruch von xk und xk+n−1 ist die n–te Restzahl von xk . 4.3 Satz. Die Folge (rn ) konvergiert gegen x. 22 4.4 Lemma. Sei (a1 , . . . , an ) ∈ Qn>0 beliebig vorgegeben. Setze rn :=< a1 , . . . , an > und definiere rekursiv: p0 = 1, p1 = a1 , pi = ai pi−1 + pi−2 für 2 ≤ i ≤ n. Dann gilt q0 = 0, q1 = 1, qi = ai qi−1 + qi−2 (3) rn = pn . qn Beweis von 4.4. (Induktion nach n.) n ≤ 2: r1 =< a1 >= p1 p2 a2 p 1 + 1 1 ; = = a1 + =< a1 , a2 >= r2 q1 q2 a2 · 1 + 0 a2 Sei n ≥ 3 und 4.4 bewiesen für n − 1. Insbesondere gilt 4.4 für das (n − 1)– tupel (a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >>. Es folgt < an−1 , an > pn−2 + pn−3 = < an−1 , an > qn−2 + qn−3 an−1 pn−2 + pn−3 + a1n pn−2 = = an−1 qn−2 + qn−3 + a1n qn−2 < a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >> = (an−1 + (an−1 + 1 )pn−2 an 1 )q an n−2 + pn−3 pn−1 + 1 p an n−2 1 q an n−2 qn−1 + + qn−3 = an pn−1 + pn−2 pn = an qn−1 + qn−2 qn Ferner gilt nach 4.1 < a1 , . . . , an >=< a1 , . . . , an−2 , < an−1 , an >>. Beweis von 4.3. Seien pn und qn wie in 4.4. Behauptung. Für alle n ∈ N>0 ist (4) x= pn xn+1 + pn−1 qn xn+1 + qn−1 Beweis. (Induktion) n = 1: p1 x2 + p0 a1 x 2 + 1 1 (2) = = a1 + =< a1 , x2 > = x q1 x 2 + q0 x2 x2 Schluß von n − 1 auf n, n ≥ 2 : xn+1 = 1 xn −an , also pn + (xn − an )pn−1 an pn−1 + pn−2 + xn pn−1 − an pn−1 = = x n − an x n − an pn−1 xn + pn−2 = x n − an pn xn+1 + pn−1 = 23 Analog zeigt man: qn xn+1 + qn−1 = qn−1 xn +qn−2 . xn −an Es folgt pn−1 xn + pn−2 I.V. pn xn+1 + pn−1 = = x qn xn+1 + qn−1 qn−1 xn + qn−2 Behauptung. Für alle n ≥ 1 ist pn−1 qn − qn−1 pn = (−1)n−1 (5) Beweis. (Induktion) n = 1 : p0 q1 − q0 p1 = 1 · 1 − 0 · a1 = 1 = (−1)0 . Schluß von n − 1 auf n, n ≥ 2: pn−1 qn − qn−1 pn = pn−1 (an qn−1 + qn−2 ) − qn−1 (an pn−1 + pn−2 ) = I.V. = pn−1 qn−2 − qn−1 pn−2 = (−1)(pn−2 qn−1 − qn−2 pn−1 ) = (−1)n−1 Daraus folgt schließlich (4) (pn xn+1 + pn−1 )qn − (qn xn+1 + qn−1 )pn p n = x − = qn qn (qn xn+1 + qn−1 ) pn−1 qn − qn−1 pn (5) 1 1 qn (qn xn+1 + qn−1 ) = (qn xn+1 + qn−1 )qn < q 2 n Wegen qn −→ ∞ für n −→ ∞ ist lim rn = lim pqnn = x. n−→∞ 1 2 qn eine Nullfolge und n→∞ Schreibe für diese Tatsache auch x = lim < a1 , . . . , an > oder x =< a1 , a2 , a3 , . . . > . n−→∞ 24 §5 Periodische Kettenbrüche und quadratische Irrationalzahlen Wir werden sehen, daß die Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahl x > 1 genau dann periodisch ist, wenn x eine quadratische Irrationalzahl ist. Sei also x ∈ R\Q, x > 1 und x = lim < a1 , . . . , an > die Kettenbruchentx→∞ wicklung von x. Definition. x =< a1 , a2 , a3 , . . . > heißt periodischer Kettenbruch, wenn es ein n0 ∈ N>0 und ein k ∈ N>0 , gibt, so daß an = an+k für alle n ≥ n0 . k heißt Periode von x. Schreibe in diesem Fall x =< a1 , . . . , an0 −1 , an0 , . . . , an0 +k−1 > Spezialfall. Sei x periodisch mit n0 = 1, also x =< a1 , . . . , ak > . Dann nennt man x auch rein periodisch. Nach Definition der Restzahlen gilt für alle l ∈ N>0 . xl =< al , al+1 , . . . >, insbesondere für l = k + 1 xk+1 =< ak+1 , ak+2 , . . . >=< a1 , a2 , . . . >= x Aus §4, (4) ergibt sich also im rein periodischen Fall x= pk x + pk−1 , d.h. qk x + qk−1 qk x2 + (qk−1 − pk )x − pk−1 = 0 Fazit. Hat x eine rein periodische Kettenbruchentwicklung, so ist x eine quadratische Irrationalzahl. Sei (6) aX 2 − bX − c = 0 die normierte Gleichung von x, d.h. (7) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT (a, b, c) = 1 25 Definitionsgemäß ist D := b2 + 4ac die Diskriminante von x. √ b Die Lösungen von (6) sind dann 2a ± aD und D > 0. √ Es ist also√x = u + v D mit u, v ∈ Q, und die zweite Lösung von (6) ist x0 = u − v D, die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl. Allgemeiner Fall. Sei nun x > 1 periodisch, aber nicht rein periodisch: x =< a1 , . . . , an0 −1 , an0 , . . . , an0 +k−1 >, n0 ≥ 2 Dann ist xn0 =< an0 , . . . , an0 +k−1 > rein periodisch, also nach dem Spezialfall eine quadratische Irrationalzahl. Es gilt: (∗) x = x 1 , x 1 = a1 + 1 1 , . . . , xi−1 = ai−1 + , . . . x2 xi Behauptung. Die Zahl x ist ebenfalls eine quadratische Irrationalzahl und sie hat die gleiche Diskriminante wie xn0 . Wegen (∗) folgt dies sofort aus 5.1 Lemma. Sei y = α + 1 x mit α ∈ Z und x ∈ R\{0}. a) Genau dann ist x eine quadratische Irrationalzahl, wenn dies für y zutrifft. b) Ist x eine quadratische Irrationalzahl und x0 konjugiert zu x, so ist auch α + x10 konjugiert zu α + x1 . c) Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so haben x und y die gleiche Diskriminante. Beweis. Sei (a, b, c) wie in (7). Es gilt 1 1 az 2 − bz − c = 0 ⇐⇒ c( )2 + b( ) − a = 0 z z Damit ist a) und b) im Fall α = 0 gezeigt. Ferner ist 1 D( ) = (−b)2 + 4ca = b2 + 4ca = b2 + 4ac = D(x). x Es ist also noch zu zeigen: Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so gilt: 26 i) x + α ist eine quadratische Irrationalzahl. ii) Ist x0 konjugiert zu x, so ist x0 + α konjugiert zu x + α. iii) D(x) = D(x + α) i) und ii) wurden bereits im §1 gezeigt. Sei (6) die normierte Gleichung von x. Dann ist x + α eine Nullstelle des Polynoms. a(X − α)2 − b(X − α) − c = aX 2 − (b + 2aα)X − (c − bα − aα2 ) Es ist ggT (a, b + 2aα, c − bα − aα2 ) = ggT (a, b, c) = 1, also D(x + α) = (b + 2aα)2 + 4a(c − bα − aα2 ) = b2 + 4ac = D(x). Damit gilt auch iii). Fazit. Hat x ∈ R, x > 1 eine periodische Kettenbruchentwicklung, so ist x eine quadratische Irrationalzahl. Davon gilt auch die Umkehrung, man hat also 5.2 Satz. (Euler, Lagrange) Sei x ∈ R\Q, x > 1. Genau dann hat x eine periodische Kettenbruchentwicklung, wenn x eine quadratische Irrationalzahl ist. Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl. Wir werden zeigen, daß x ein periodischer Kettenbruch ist. Dazu sind einige Vorbereitungen nötig. Definition. x heißt reduziert, falls für die zu x konjugierte Zahl x0 gilt: 0 > x0 > −1. 5.3 Lemma. Sei D > 0 eine ganze Zahl, die kein Quadrat ist. Dann gibt es nur endlich viele reduzierte quadratische Irrationalzahlen mit Diskriminante D. Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl mit Diskriminante D und √ D b 0 + normierter Gleichung (6). Da x > 1 ist und 0 > x > −1, muß x = 2a 2a √ b und x0 = 2a − 2aD sein. Es folgt 0 < −x0 = √ −b+ D 2a < 1, also √ b = x + x0 > 1 − 1 = 0, also b > 0 und b < D wegen x0 < 0. a 27 Es folgt 0 < b < √ D. Damit kann b bei vorgegebenem D nur endlich viele verschiedene ganzzahlige Werte annehmen. Wegen −x0 < 1 < x gilt √ √ −b + D b+ D <a< 2 2 Also gibt es bei vorgegebenen b und D auch für a nur endlich viele Möglichkeiten. 2 Schließlich ist c = D−b durch die Vorgabe von a, b und D schon festgelegt. 4a Insgesamt haben wir gesehen: Ist D vorgegeben, so gibt es für a, b und c in einer normierten Gleichung (6) nur endlich viele Möglichkeiten, wenn ihre Lösung x > 1 eine reduzierte quadratische Irrationalzahl werden soll. Eigentlicher Beweis von 5.2. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl und x =< a1 , a2 , . . . > ihre Kettenbruchentwicklung. 1 Für ihre Restzahlen gilt: x = x1 und xn = an + xn+1 . Nach 3.5 ist mit x auch xn eine quadratische Irrationalzahl, und zwar mit der gleichen Diskriminante wie x. Ferner besteht zwischen den Konjugierten x0n und x0n+1 ebenfalls die Beziehung x0n = an + x0n+1 = x0n 1 x0n+1 und damit auch 1 für alle n ∈ N>0 − an Behauptung. Für alle n ≥ 2 gilt −x0n = (8) qn−2 x0 − pn−2 qn−1 x0 − pn−1 Beweis. (Induktion.) x = x1 =⇒ x0 = x01 =⇒ x02 = 1 x0 −a1 = q0 x0 −p0 p1 −q1 x0 Schluß von n auf n + 1, n ≥ 2 : x0n+1 = 1 I.V. = x0n − an 1 qn−2 x0 −pn−2 −an pn−1 +an qn−1 x0 −qn−1 x0 +pn−1 28 = = qn−1 x0 − pn−1 −qn−1 x0 + pn−1 = − qn x 0 − p n qn x 0 − p n Aus (8) ergibt sich nun − 1 x0n = (5) = qn−1 x0 − pn−1 qn−1 qn−2 x0 − pn−1 qn−2 1 = · = 0 0 qn−2 x − pn−2 qn−2 x − pn−2 qn−2 1 1 (qn−1 qn−2 x0 − qn−1 pn−2 ) − (−1)n−1 · = 0 qn−2 x − pn−2 qn−2 qn−2 pn−2 n→∞ qn−2 Nach 4.3 ist lim (−1)n−1 qn−1 − n−2 qn−2 (x0 − pqn−2 ) = x und es ist x 6= x0 wegen D 6= 0. Ferner ist qn−1 − qn−2 ≥ qn−3 ≥ 1 für n ≥ 4. Für große n gilt also 1 1 − 0 −1= xn qn−2 (−1)n−2 qn−1 − qn−2 − 0 pn−2 (x − qn−2 )qn−2 denn dann ist qn−2 > 0, qn−1 − qn−2 ≥ 1 und (−1)n−1 p (x0 − qn−2 )qn−2 n−2 ! >0 ist eine Nullfolge. Somit ist − x10 > 1 für große n, d.h. −1 < x0n < 0. n M. a. W.: Für große n ist xn eine reduzierte quadratische Irrationalzahl mit Diskriminante D. Da es davon nach 5.3 aber nur endlich viele gibt, gibt es positive ganze Zahlen i0 und l mit xi0 = xi0 +l . Es folgt < ai0 , ai0 +1 , . . . >= xi0 = xi0 +l =< ai0 +l , ai0 +l+1 , . . . > Für alle i ≥ i0 ist also ai = ai+l , d.h.: Die Zahl x =< a1 , . . . , ai0 , ai0 , . . . , ai0 +l−1 > ist ein periodischer Kettenbruch. 29 !