VG München, Urteil v. 25.06.2013 – 5 K 11.2207 Titel: Normenketten: BeamtVG § 31 I § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO § 31 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes § 18 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO § 31 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes § 18 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern Orientierungsatz: Dienstunfall; posttraumatische Belastungsstörung; Unfall; Eingangskriterium; ICD-10 Schlagworte: Dienstunfall, Posttraumatische Belastungsstörung, Unfall, Eingangskriterium, ICD-10 Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Der am ... 1969 geborene Kläger steht seit ... 2002 in Diensten des Beklagten, zuletzt als Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) und war im Polizeivollzugsdienst eingesetzt. Am ... 2006 wurde er im Rahmen seiner Streifentätigkeit zu einem Verkehrsunfall gerufen. Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs hatte nach dem Polizeibericht aufgrund eines Krampfanfalls die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war mit seinem Fahrzeug in die Freischankfläche eines Cafes geraten und an einer Hauswand zum Stehen gekommen. Nach den Feststellungen im Polizeibericht wurden bei dem Unfall durch umherwirbelnde Stühle und Tische vier Personen leicht verletzt. Drei der Verletzten konnten nach einer ambulanten Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen, ein Verletzter wurde eine Nacht zur Überwachung stationär behandelt. Der Fahrer des Fahrzeugs sowie dessen Beifahrer wurden ebenfalls leicht verletzt; der Fahrer blieb zur Beobachtung im Krankenhaus, der Beifahrer konnte nach ambulanter Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen. Außerdem kam es zu Sachschäden an Tischen, Stühlen und abgestellten Fahrrädern. Der Kläger meldete das Ereignis erstmals am ... 2007 mündlich und legte das Formblatt „Dienstunfalluntersuchung“ dem Polizeipräsidium am ... 2008 vor. Er gab darin an, bei dem Unfall ein posttraumatisches Belastungssyndrom erlitten zu haben. In einem Arztbrief an die Hausärzte des Klägers vom ... 2007 teilte Dr. M. (Nervenarzt-Psychotherapie) mit, dass sich der Beamte erstmals am ... 2007 bei ihm mit zunehmenden depressiven Verstimmungszuständen mit Schlafstörungen, Grübelneigung, Antriebs- und Vitalstörung und Gereiztheit vorgestellt habe. Hinzu kämen körperliche Beschwerden. Den frühen Tod seines Vaters habe er nicht verarbeiten können, der in Aussicht gestellten Aufstieg in den gehobenen Dienst bei der Polizei, in dem er seine Kenntnisse als Bauingenieur einsetzen könne, sei aufgrund schlechter Beurteilungen wohl nicht mehr möglich. Durch die Nichtverwirklichung seiner Lebenspläne sei er chronisch frustriert. Es wurde eine depressive Anpassungsstörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Mit Befundbericht vom ... 2009 teilte dieser Facharzt mit, dass ihm der Kläger von brutalen Erlebnissen im Streifendienst berichtet habe, die nicht konkretisiert und auch nicht auf ein Einzelerlebnis begrenzt worden seien. Neben anderen Enttäuschungen und Kränkungen hätten sie zunehmend zu ausgeprägten depressiven Verstimmungszuständen mit Schlafstörungen, Grübel- und Rückzugsneigung und Gefühlen von Hoffnungslosigkeit geführt. Es sei eine medikamentöse wie auch psychotherapeutische Behandlung eingeleitet worden. Dieser Arzt füllte im Formblatt „Beiblatt zur Dienstunfalluntersuchung“ die Rubrik V. „Befundbericht des behandelnden Arztes“ am ... 2009 unter Punkt „4. Diagnose“ mit „posttraum. Belastungsstörung“ aus. In einem Bericht (....2007) über den Aufenthalt des Klägers in der medizinisch-psychosomatischen Klinik R. vom ... bis ... 2007 ist festgehalten, dass neben der depressiven Symptomatik und den multiplen Krankheitsängsten, der Häufung von beruflichen Belastungen und Kränkungen sowie von Intrusionen und Flash-backs bezogen auf brutale Erlebnisse im Polizeidienst die Problematik der Trennung der Ehefrau und Kinder von ihm zu bearbeiten gewesen sei. Die therapeutische Bearbeitung der posttraumatischen Belastungsstörung, die den Beamten primär zum stationären Aufenthalt veranlasst habe, habe während des Aufenthalts nicht stattfinden können. Als Diagnosen werden eine depressive Episode, schwer ausgeprägt, ohne psychotische Symptome (ICD-10: F 32.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1), eine hypochondrische Störung (F 45.2), ein LWS-Syndrom (M 54.16) und muskuläre Dysbalance (M 62.99) genannt. Diplom-Psychologe P.D. teilte zur Behandlung des Klägers mit Schreiben vom ... 2010 mit, dass der Patient von Dr. M. zunächst zur Krisenintervention und zur nachfolgenden psychotherapeutischen Behandlung überwiesen worden sei. Konkret sei es um einen Vorfall am ... 2006 gegangen, bei dem der Polizist zu einem Verkehrsunfall gerufen worden sei. Beim Eintreffen des Beamten habe Chaos geherrscht, er habe zwei auf dem Rücken liegende schwer verletzte Personen angetroffen, überall seien umgestürzte Tische, Stühle, Blumentröge und Fahrräder herumgelegen, schreiende Menschen seien durcheinander gelaufen. Der Patient habe von flash-backs, Schlafstörungen, Störungen der Emotionen, Vermeidung von Gesprächen über die Traumata, Schmerzen im Lendenwirbelbereich und Symptomen der Kraftlosigkeit und Erschöpfung berichtet, er habe neben einer Einschränkung bisheriger Aktivitäten eine erhöhte Angst bis zu Todesangst, Gefühllosigkeit, Gefühle der Hilflosigkeit und eine erhöhte Reizbarkeit entwickelt. Als Diagnosen wurde eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2), eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) und eine hypochondrische Störung (F 45.2) angegeben. Aus psychotherapeutischer Sicht sei von einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen, die im Rahmen der Polizeidiensttätigkeit (Vorfall vom ... 2006) erlitten worden sei, wobei diese durch missachtendes Verhalten des Arbeitgebers massiv verstärkt worden sei. Nach einem ärztlichen Behandlungsbericht (....2008) der Medizinisch-Psychoso-matischen Klinik B. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom ... bis ... 2008 sei der Beamte psychiatrisch labil mit den Symptomen einer schwergradigen depressiven Episode und einem hohen Beeinträchtigungserleben i. S. einer Reaktion auf schwere Belastungen aufgenommen worden. Der Zustand entspreche nach dortiger Meinung nicht dem Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung, habe sich jedoch aufgrund einer hohen lebensgeschichtlich bedingten Vulnerabilität des Beamten zu einem immer stärkeren Verzweiflungserleben und im Rahmen der depressiven Symptomatik zu einem Ausgegrenztseinerleben und Insuffizienzgefühlen hochgeschaukelt. Als Diagnosen wurden eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2), eine Reaktion auf eine schwere Belastung NNB (F 43.9), eine Persönlichkeitsaktzentuierung, kombiniert: impulsiv-anankastisch-paranoid (Z 73.1) und ein LWS-Syndrom (M 54.16) angegeben. In einem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom ... 2010, der den Kläger im Auftrag des Landesamtes für Finanzen zur Ursächlichkeit des Unfalls vom ... 2006 für Körperschäden begutachten sollte, ist mitgeteilt, dass die Begutachtung eine umfangreiche Anamnese erfordere, die einen mehrtägigen stationären Aufenthalt bedinge. Der Kläger habe zunächst geschildert, dass bei dem Unfallereignis vom ... 2006 überall schreiende Menschen gewesen seien, es sei das blanke Chaos gewesen. Er habe die Anweisung erhalten, zusammen mit einem Kollegen die Straße weiträumig abzusperren, anfangs habe er mitgeholfen, eine schwerstverletzte Person für die Erstversorgung hinzulegen. Einen solch schweren Unfall habe er noch nie erlebt gehabt, wobei ihn diese Unfälle zunehmend psychisch belastet hätten, der Unfall vom ... 2006 habe „das Fass zum Überlaufen gebracht“. Mit Bescheid vom ... 2011 (zur Post gegeben am ...2011) lehnte das Landesamt für Finanzen die Anerkennung des Schadensereignisses vom ... 2006 als Dienstunfall ab, da es sich bei dem Verkehrsunfall nicht um ein Ereignis gehandelt habe, das bei nahezu jedem tiefe Verzweiflung und psychische Beschwerden hervorrufen würde. Mit Schriftsatz vom ... 2011, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamtes für Finanzen vom ... 2011 zu verpflichten, das Schadensereignis vom ... 2006 als Dienstunfall mit der Folge „posttraumatisches Belastungssyndrom“ anzuerkennen. Bis zu dem streitgegenständlichen Unfallereignis sei der Kläger gesund gewesen. Der Unfall sei nicht so harmlos gewesen, wie ihn der Beklagte darstelle. Verschiedene fachärztliche Stellungnahmen attestierten das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das Landesamt für Finanzen hat für den Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen. Die bezüglich des Klägers diagnostizierten Beschwerden beruhten auf mehreren Ereignissen im Berufsund Privatleben des Klägers. Das streitgegenständliche Unfallereignis sei nicht von einer solchen Schwere gewesen, dass dadurch das Ausgangskriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung nach den fachlichen Leitlinien erfüllt sei. Es gäbe auch fachärztliche Stellungnahmen, die das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger ausdrücklich verneinten. Mit Beschluss vom ... 2012 wurde angeordnet, dass Beweis zu der Frage der Ursächlichkeit des Ereignisses vom ... 2006 für ein posttraumatisches Belastungssyndrom beim Kläger durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben ist. Mit der Begutachtung wurde PD Dr. P., Leitender Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses K., beauftragt. Im Gutachten vom ... 2012 kam dieser zu dem Ergebnis, dass beim Kläger keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Mit höchster Wahrscheinlichkeit sei von einer Anpassungsstörung bzw. einer depressiven Entwicklung auszugehen, die auf verschiedensten Belastungsfaktoren beruflicher wie auch außerberuflicher Natur sowie einer erheblichen prämorbid bestehenden Vulnerabilität beruhe. Die Klagepartei wandte gegen dieses Gutachten ein, dass der Eindruck der Schwere des Verkehrsunfalls außer Acht gelassen werde, außerdem hätten einige Fachärzte wie auch der behandelnde DiplomPsychologe eine posttraumatische Belastungsstörung bestätigt. Schließlich stehe das Gutachten in Widerspruch zum Gutachten von Prof. Dr. W. vom ... 2013, das im Rahmen der Prüfung der Polizeidienstfähigkeit des Klägers auch zu dem Ergebnis komme, dass der Unfall zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe, wobei die Symptomatik im Jahr 2006 als schwer ausgeprägt angesehen werden müsse. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschriften vom ... 2012 und ... 2013 verwiesen. Entscheidungsgründe Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Schadensereignisses vom ... 2006 als Dienstunfall mit der Folge posttraumatische Belastungsstörung. Der ablehnende Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom ... 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). 1. Der vom Kläger geltend gemachte Körperschaden einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund eines Dienstunfalls liegt nicht vor. Das Schadensereignis vom ... 2006 ist daher nicht als Dienstunfall mit der Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung anzuerkennen. a) Dienstunfall ist gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Die Beantwortung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Dienstunfall vorliegen, ist nach dem Recht zu beurteilen, das im Zeitpunkt des Unfalls - hier: ... 2006 - galt (BVerwG, U. v. 21.6.1982 - 6 C 90/78 - DVBl. 1982, 1191). Daher ist vorliegend § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG maßgebliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch und nicht die gleichlautende Regelung in Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes BayBeamtVG, das erst am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist (§ 18 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5.8.2010, GVBl. S. 410). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für die eingetretenen Schäden ursächlichen Bedingungen anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend am Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte (BVerwG, U. v. 28.1.1971 - II C 136.67 - BVerwGE 37, 139; U. v. 22.5.1969 - II C 105.65 BVerwGE 32, 110; U. v. 29.10.2009 - 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176 zu § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.1989 - 2 B 179/88 - juris; U. v. 2.10.1981 - 2 C 17/81 - ZBR 1982, 307 m. w. N.; BayVGH, U. v. 12.11.2009 - 3 B 05.633 - juris; weiter: Bauer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Stand: März 2013, RdNr. 1a Anm. 5 zu § 31 - hinreichende Wahrscheinlichkeit für Kausalzusammenhang ausreichend). b) Beim Kläger liegt die geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung aufgrund des Verkehrsunfalls vom ... 2006 nicht vor. Das folgt zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gutachten des sachverständigen Zeugen PD Dr. P., das er in der mündlichen Verhandlung am ... 2013 erläutert hat. Im Einzelnen hat der Gutachter plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass beim Kläger das Eingangskriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht vorliege. Er hat angegeben, dass für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nach den in Deutschland geltenden fachlichen Grundsätzen der medizinischen Fachgesellschaften ausschließlich die Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (International Classification of Mental and Behavioural Disorders - Tenth Edition - ICD-10) maßgeblich sei. Gerade für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei die Kausalität in der ICD-10 besonders hervorgehoben. Als diagnostisches Kriterium A. nach der ICD-10 ist für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung dort festgelegt, dass die betroffene Person einem kurz- oder langanhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt gewesen ist, das bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (vgl. Dilling/Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 5. Auflage 2010, S. 174). Es ist nachvollziehbar und überzeugend, wenn der Facharzt dargelegt hat, dass der Verkehrsunfall am ... 2006 nicht das schwere Ausmaß gehabt habe, um die Anforderungen des Kriteriums A. einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erfüllen. Es seien in der Unfallschilderung die Verletzungen von vier Gästen des Cafes geschildert, wovon drei nach einer ambulanten Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen hätten können, ein Gast sei zur Beobachtung eine Nacht im Krankenhaus behandelt worden. Der Unfallfahrer sei ebenfalls eine Nacht stationär behandelt worden, der Beifahrer habe nach ambulanter Behandlung eine Klinik wieder verlassen können. Die Schwere des Ereignisses oder Geschehens, die nach der ICD-10 mit einer außergewöhnlichen Bedrohung oder einem katastrophalem Ausmaß beschrieben wird, habe das streitgegenständliche Unfallgeschehen damit nicht erfüllt. Hinzu sei gekommen, dass der Kläger nicht unvorbereitet, sondern auf Anforderung per Funk bei einer Streifenfahrt mit dem Geschehen konfrontiert worden sei und auch eine konkrete Aufgabe gehabt habe. Wenn der Kläger in seiner Erinnerung von reanimierten Personen berichtet habe, die er bei seinem Eintreffen an der Unfallstelle auf dem Boden habe liegen sehen, so sei das nicht zutreffend. Für die Feststellung, ob eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostisch vorliege, komme es aber nur auf die objektive Schwere des auslösenden Ereignisses an. Es überzeugt auch, wenn der sachverständige Zeuge den abweichenden Einschätzungen nicht folgt, soweit diese beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert haben. Denn die bei dieser psychischen Störung hervorgehobene Kausalität des Ausgangsereignisses zu dem Störungsbild erfordere eine Auseinandersetzung mit der o. g. Definition des Kriteriums A. der posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD-10. Diese fehle bei den entsprechenden Stellungnahmen und Berichten. Das gelte insbesondere für den Bericht des Diplom-Psychologen P.D. vom ... 2010, in dem die symptomatische Behandlung des Klägers durch ihn geschildert werde. Von der Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung - den Kriterien B., C. und D. - erfülle der Kläger die diagnostischen Kriterien. Es fehle jedoch eine Auseinandersetzung mit dem Kriterium A. Das gelte entsprechend auch für den Arztbrief der medizinisch-psychosomatischen Klinik R. vom ... 2007. Auch bezüglich der im Formblatt „Beiblatt zur Dienstunfalluntersuchung“ am ... 2009 von Dr. M. gestellten Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung fehle es an einer Auseinandersetzung mit dem Kriterium A. und darüber hinaus sei es widersprüchlich, dass in den Berichten dieses Facharztes vom ... 2007 und vom ... 2009 diese Diagnose auch nicht ansatzweise vorkomme. Erklärbar sei die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung durch diese Ärzte bzw. den Diplom-Psychologen insoweit, als es für die Behandlung eines Patienten nicht streng auf die Diagnosestellung entsprechend dem Kausalitätserfordernis des auslösenden Ereignisses zur psychischen Störung ankomme; daher werde in der Praxis häufig aufgrund der behandelten Symptome die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt, ohne das Ausgangskriterium A. der ICD-10 hinreichend zu prüfen. Die Einschätzung des vom Gericht beauftragten Gutachters ist plausibel und überzeugend, die beim Kläger wohl vorliegende Anpassungsstörung (wobei eine Diagnosestellung rückblickend immer schwierig sei) aber sicher vorliegende schwere depressive Erkrankung beruhe auf einer lebensgeschichtlichen Vulnerabilität, dem frühen Tod des Vaters, einem Gefühl der Hilflosigkeit, den allgemeinen Belastungen im Polizeidienst aber auch auf beruflicher Frustration wegen fehlender Perspektive, die ihm jedoch bei der Einstellung in Aussicht gestellt worden sei. Das finde sich so auch im Bericht über den Aufenthalt des Klägers in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik B. vom ... 2008. Gegenüber Herrn Dr. S. (Bericht vom ... 2010) habe der Kläger angegeben, dass das streitgegenständliche Ereignis buchstäblich „das Fass zum Überlaufen gebracht habe“. Auch der Hausarzt Dr. L. habe in seinen Unterlagen keinen Eintrag betreffend eines konkreten Ereignisses im Jahr 2006 gefunden, das ihm der Kläger geschildert als belastend geschildert habe. Das runde das Bild ab. Es ist auch überzeugend, soweit sich PD Dr. P. vom Gutachten von Prof. Dr. W. vom ... 2013 abgrenzt, in dem die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund des Unfallereignisses vom ... 2006 gestellt wird. Zum einen fehle auch dort eine genaue Auseinandersetzung mit dem Kriterium A. der ICD-10 für eine posttraumatische Belastungsstörung. Soweit in dem diesem Gutachten beigefügten Psychologischen Zusatzgutachten vom ... 2013 das Vorliegen eines traumatischen Ereignisses durch den Unfall im Jahr 2006 als erfüllt angesehen werde, fehle eine Auseinandersetzung mit der Schwere, wobei dem Gutachten Selbsteinschätzungen des Klägers zugrunde gelegt würden, jedoch keinerlei Fremdbefunde. Das widerspreche der ICD-10 wie auch den wissenschaftlichen Leitlinien für die Diagnosestellung. Hinzu komme, dass der psychologischen Bewertung nur eine - ebenfalls wissenschaftlich nicht ausreichende - Fragebogendiagnostik zugrunde gelegen habe, wobei ein Testverfahren (SKID) benutzt worden sei, das für die Diagnosestellung nach der im amerikanischen Raum zur Diagnose psychischer Störungen angewandten DSM-IV verwendet werde, aber bei der insbesondere in Europa anzuwendenden ICD-10 nicht zum Einsatz kommen könne. Schließlich sei der SKID-Test aufgrund der über den Kläger berichteten erzielten Extremwerte im Rahmen einer umfangreichen Persönlichkeitsfragebogendiagnostik nicht valide und besitze keine entsprechende Aussagekraft. Dieser Persönlichkeitseindruck habe sich auch bei der psychologischen Untersuchung in der Einrichtung gezeigt, die von PD Dr. P. geleitet werde, und sei im entsprechenden psychologischen Zusatzgutachten ausdrücklich festgehalten. Hinzu komme, dass im Gutachten von Prof. Dr. W. auch ausdrücklich angegeben sei, dass die ebenfalls diagnostizierte depressive Störung nicht sicher von einer posttraumatischen Belastungsstörung abgegrenzt werden könne. Schließlich ist es auch überzeugend, wenn der sachverständige Zeuge angibt, dass er auch das Kriterium E. einer posttraumatischen Belastungsstörung als zweifelhaft ansehe. Denn die typischen Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung würden in den Berichten von Dr. M. - den Facharzt, an den sich der Kläger aufgrund seiner psychischen Beschwerden gewandt hatte - gerade nicht erwähnt. Die dort berichteten Beschwerden zeichneten vielmehr ein typisch depressives Bild. Das Gericht hält die Bewertung von PD Dr. P. auch insoweit für überzeugend, als dieser der Auffassung ist, dass das streitgegenständliche Unfallereignis nur eine ganz untergeordnete Rolle (in der Größenordnung von 15%) für die schwere depressive Erkrankung spielt. Dominierend hierfür seien andere Ursachen: lebensgeschichtliche Vulnerabilität, früher Tod des Vaters, ein Gefühl der Hilflosigkeit, allgemeine Belastungen im Polizeidienst, berufliche Frustration hinsichtlich fehlender Perspektive und gerade nicht der streitgegenständliche Verkehrsunfall. Gegen die Richtigkeit des Gutachtens können nicht offensichtliche Schreibfehler und eine Verwechslung bei der Anzahl der Geschwister angeführt werden. Diese Umstände haben ersichtlich keine Auswirkung auf das fachliche Ergebnis der Begutachtung. Der vom Gericht beauftragte Facharzt hat sich auf der Grundlage des polizeilichen Unfallberichts mit der objektiven Schwere des Verkehrsunfalls - im Gegensatz zu anderen Gutachtern - ausführlich auseinander gesetzt. Wenn der Kläger angibt, vor dem Unfall gesund gewesen zu sein, so hat der sachverständige Zeuge nachvollziehbar dargelegt, dass wesentliche Belastungsfaktoren wie etwa chronische Frustration über eine fehlende berufliche Perspektive, brutale Erlebnisse im Polizeidienst und der frühe Tod des Vaters bereits deutlich vor dem Unfallereignis gerade in den Berichten des Facharztes Dr. M. geschildert seien, so dass insoweit der Einschätzung des Klägers nicht gefolgt werden kann. 2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO.