GELERNT IST GELERNT Wechselstromtechnik (4) GRUNDLAGEN Im letzten Heft wurde das Verhalten von Widerstand, Kondensator und Spule an Wechselspannung untersucht. Für diese Ausgabe rücken die zusammengesetzten Reihenschaltungen der Bauteile in den Vordergrund und werden mit Beispielrechnungen vertieft. A us den Verlaufsbetrachtungen der Spannungs- Strom- und Leistungskurven (s. Bild 21, Heft 5) wird deutlich, dass die Leistungskurve eines Widerstands keine negativen Werte hat und dass die Kurvenform ebenfalls sinusförmig ist. Weiterhin fällt auf, dass die Frequenz der Leistungskurve doppelt so groß ist, wie die des Stroms und der Spannung. Auf die übliche Netzfrequenz übertragen heißt das, dass bei Spannungen mit 50 Hz an einem ohmschen Widerstand 100 Leistungsimpulse pro Sekunde entstehen. p̂ Quelle: M. Diehl, Redaktion »de« p̂ 2 P= p̂ 2 Die Augenblickswerte von Strom und Spannung multipliziert, ergeben die Augenblickswerte der Leistung. Bei dem hier abgebildeten Verlauf (Bild 22) ausschließlich positive Werte. Dies bedeutet, dass die gesamte gelieferte Energie in Wärme umgewandelt wird und damit eine reine Wirkleistung ist. P P= Eine Frequenz von 100 Hz kann z. B. das menschliche Auge nicht auflösen. Das erklärt, warum eine Glühlampe an 50 Hz betrieben, den Eindruck erweckt, sie würde einen konstanten Lichtstrom aussenden. Wenn man die Leistungskurve mittelt, ergibt sich der Durchschnittswert (arithmetischer Mittelwert) in der Höhe von: Kapazitiver und induktiver Widerstand i(t) 0 t Beide Bauteile werden als verlustfrei betrachtet, so dass der Strom beim Kondensator um 90 ° vorauseilend ist, während er bei der Spule um 90 ° nacheilt (Bild 23 und 24). Die Leistungskurven gemittelt ergeben hier den Durchschnittswert von: P =0 Bild 22: Strom-,Spannungs- und Leistungskurve an einem ohmschen Verbraucher Zunächst ist es, schwer zu akzeptieren, dass, obwohl Strom fließt und eine Spannung anliegt, keine Leistung entstehen soll. Die Interpretation, der schraffierten Flächen erklärt den Zusammenhang: Wenn man z. B. die positiven Flächen als Energieaufnah- Ergänzende Lerninhalte online Übung zur Berechnung des Leistungsfaktors: Eine elektrische Anlage entnimmt dem Niederspannungsnetz 2 000 W Leistung. Sie ist über Kabel angeschlossen, deren gesamter ohmscher Leitungswiderstand RL = 1 Ω beträgt. Für eine Betriebsspannung von U = 230 V werden die Leitungsverluste PV = I2 · RL für verschiedene Leistungsfaktoren cos φ der Anlage gesucht. u(t) AUFGABE 3 Die gedruckten Inhalte dieser Grundlagenserie werden durch online-basierte Lerninhalte ergänzt. Um diesen Service nutzen zu können, gehen Sie bitte auf unserer Homepage zur Online-Version dieses Beitrags unter www.elektro.net/12341/wechselstromtechnik-4. Dort finden Sie dann den Link zur Online-Lernsoftware. P cos ϕ I= S U ERGEBNISSE VERSCHIEDENER LEISTUNGSFAKTOREN cos φ 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 S in VA I in A PV in W 3 333 2 857 2 500 2 222 14,5 12,4 10,9 9,7 210 154 119 94 (Lösung siehe nächste Folge) 74 de 6.2013 Quelle: BFE Als »de«-Abonnent haben Sie exklusiv die Möglichkeit, sich parallel zum Durcharbeiten des Artikels im Heft auf einer Lernplattform einzuloggen. Hier können Sie sich die im Text behandelten Inhalte durch eine Lernsoftware näher erklären lassen. Online stehen Ihnen zusätzlich animierte Inhalte und kurze Aufgaben zur Überprüfung des Lernfortschritts zur Verfügung. S= GELERNT IST GELERNT • R = 100 Ω • C = 10 μF • f = 50 Hz • U = 230 V In jeder gemischten Schaltung tritt ein Phasenverschiebungswinkel auf, der nicht dem des idealen Bauteils gleicht (Bild 23). P u(t) i(t) + p̂ 0 Quelle: M. Diehl, Redaktion »de« me des Verbrauchers annimmt, dann sind die flächengleichen negativen Halbwellen die Rücklieferung der Energie. Damit wird der Begriff »Blindleistung« auch gut nachvollziehbar, weil eben keine Leistung am Verbraucher umgesetzt wird. Interessant wird es jetzt, wenn man sich z. B. den Leistungsverlauf einer verlustbehafteten Spule ansieht (Bild 25a). Hier heben sich die schraffierten Flächen im zeitlichen Mittel auf – also ein Abbild des Blindleistungsanteil QL. Der Rest ist wieder der arithmetische Mittelwert des Wirkleistungsanteils P. Für die weiteren Betrachtungen ist dann allerdings weniger der zeitliche Verlauf wichtig, stattdessen steht der sichere Umgang mit dem Leistungsdreieck (Bild 25b) im Vordergrund. Damit sind der Satz des Pythagoras und die Winkelfunktionen von großer Bedeutung: t p(t) – p̂ Übungsbeispiel zum Leistungsfaktor cos φ φ = 90 °kap. Bild 23: Strom-,Spannungs- und Leistungskurve an einem rein kapazitiven Widerstand P u(t) i(t) + p̂ 0 t p(t) – p̂ Beispielrechnung zur Stromaufnahme einer Leuchtstoffröhre In den folgenden Abschnitten gibt es zu jeder Grundschaltung eine vertiefende Beispielrechnung. Hier zunächst die Stromaufnahme einer Leuchtstofflampenschaltung mit den Daten: • Verlustleistung der Drossel: PV = 10 W • Nennleistung der Lampe: PN = 55 W • Netzspannung: 230 V • Wirkleistungsfaktor cos φ: 0,5 Quelle: M. Diehl, Redaktion »de« In elektrischen Anlagen ist der Leistungsfaktor eine wichtige Kenngröße. Der Werteumfang reicht von 0 bis 1. Ein cosφ = 0 steht für einen Verbraucher, der zu 100% Blindleistung aufnimmt. Ein cosφ = 1 entspricht einem reinen Wirkleistungsverbraucher. Beide Grenzwerte sind in der Praxis kaum zu erreichen (Vereinbarung für Wechselstromverbraucher in niederfrequenten Wechselstromnetzen). Als Übung sind in der Tabelle (Aufgabe 3) die fehlenden Werte zu ergänzen. Tatsache ist, dass ein Großteil der Verbraucher ohmsch-induktiv ist und ihr Leistungsfaktor in der Größenordnung zwischen 0,5 und 0,8 liegt. Dadurch entsteht permanent ein relativ großer Blindleistungsanteil, der die Zuleitungen und damit auch das Versorgungsnetz belastet. Die VNBs verlangen daher speziell von ihren größeren gewerblichen Kunden, dass sie ihre Anlagen kompensieren. Damit bleibt der Blindleistungsanteil beim Kunden und das Versorgungsnetz wird entlastet. φ = 90 °ind. Bild 24: Strom-,Spannungs- und Leistungskurve an einem rein induktiven Widerstand φ = ind. P QL b) S QL φ Sp Spule P P = PV + PN = 65 W I= i(t) t S 130 VA = = 0,565 A U 230 V Reihenschaltung von Kondensator und Widerstand Es liegen ein Heizwiderstand und ein Kondensator in Reihe an Netzspannung (Bild 26): www.elektro.net P 65 W P = = 130 VA 0,5 cos ϕ a) u(t) Quelle: M. Diehl, Redaktion »de« S= Bild 25: Strom-,Spannungs- und Leistungskurve einer realen Spule 75 GELERNT IST GELERNT Reihenschaltung aus Spule und Widerstand Wie groß sind die Stromaufnahme I, die Scheinleistung S, die Wirkleistung P und die Blindleistung QC des Kondensators, sowie der Leistungsfaktor cos φ der Schaltung? Zunächst wird mit Hilfe der Kreisfrequenz der Blindwiderstand des Kondensators berechnet: Eine Spule liegt an Netzspannung (Bild 27). Gegeben sind folgend Daten: • R = 10 Ω (Drahtwiderstand) • cos φ = 0,65 • U = 230 V • f = 50 Hz Wie groß sind die Stromaufnahme I, die Scheinleistung S, die Wirkleistung P und die Blindleistung QL? Aus dem Drahtwiderstand und dem Leistungsfaktor lässt sich zunächst der Gesamtscheinwiderstand Z errechnen: 1 1 1 = = = 318,3Ω ω 2 ⋅ π ⋅f ⋅C 2 ⋅ π ⋅ 50 1 ⋅10−6 As V s XC = tan ϕ = X C 318,3Ω = = 3,183 R 100Ω ϕ = 72,56°kap. cos ϕ = 0,3kap. cos ϕ = Mit diesem ersten Schritt lassen sich nun der Gesamtscheinwiderstand Z und die erforderlichen Einzelleistungen herausfinden:: Z= I= Z= R 100Ω = = 333,3Ω 0,3 cos ϕ R = 0,65ind. Z 10Ω R = = 15,38Ω cos ϕ 0,65 Mit Hilfe von Z ergeben sich Stromaufnahme und Leistungen: 230 V U = = 0,69A Z 333,3Ω S = U ⋅I = 230 V ⋅ 0,69A = 158,7 VA P = S ⋅ cos ϕ = 47,61W QC = S ⋅ sin ϕ = 158,7 VA ⋅ sin72,56° = 153,7var Z, φ XC Quelle: BFE U X R I UR U UL Quelle: BFE R I Reihenschaltung aus Spule, Kondensator und Widerstand Z, φ U U Bild 27: Reihenschaltung von Widerstand und Spule Bild 26: Reihenschaltung von Widerstand und Kondensator Z, φ I XL R UC XC USP U Quelle: BFE UR UL UC USP UL UB UR Bild 28a: Reihenschaltung von Widerstand, Spule und Kondensator ! ! ! U Sp = UR + UL Die Daten der Schaltung sind: • R = 20 Ω • U = 230 V • f = 50 Hz • I = 8,5 A • cos φ der Spule = 0,5 Gesucht sind USp, S, P, Q und C. Über den Scheinwiderstand Z gelangt man zum Gesamtleistungsfaktor: S = U ⋅I = 230 V ⋅ 8,5 A = 1955 VA φ φSp U Die Reihenschaltung (Bild 28a) liegt an Netzspannung mit einem induktiven Phasenverschiebungswinkel. Die Teilspannungen der Komponenten (Bild 28b).müssen grafisch addiert werden: ! ! ! ! U = UR + UL + U C Bild 28b: Spannungsdreieck der Reihenschaltung aus Widerstand, Spule und Kondensator Z= U 230 V = = 27,06Ω 8,5 A I cos ϕ = R 20Ω = = 0,739 Z 27,06Ω ⇒ ϕ = 42,35°ind 76 de 6.2013 GELERNT IST GELERNT Durch die Vorgabe des cos φ der Spule und des ersten Ergebnisses können die Einzelwiderstände der Spule berechnet werden: Besonders auffallend ist, dass die Spannung über der Spule größer ist, als die angelegte Gesamtspannung. cos ϕ Sp = 0,5 ⇒ ϕ Sp = 60°ind. XL ⇒ X L = R ⋅ tanϕ Sp = 20Ω ⋅ tan60° = 34,64Ω R tanϕ Sp = tanϕ = UL = X L ⋅I = 34,64Ω ⋅ 8,5 A = 294,4 V Der Blindwiderstand des Kondensators lässt sich nun arithmetisch ermitteln. Durch Umstellen der Formel für den kapazitivenBlindwiderstand, lässt sich der Kondensatorwert herausfinden: X C = X − X L = 34,64Ω −18,23Ω = 16,41Ω C= UR = R ⋅I = 20Ω ⋅ 8,5 A = 170 V X ⇒ X = R ⋅ tanϕ = 20Ω ⋅ tan42,35° = 18,23Ω R 1 1 = = 194µF ω ⋅ X C 2 ⋅ π ⋅ 50 1 ⋅16,41Ω s P = S ⋅ cos ϕ = 1955 VA ⋅ 0,739 = 1445 W Q = S ⋅ sin ϕ = 1955 VA ⋅ sin42,35° = 1317var (ind.) U Sp = UR2 +UL2 = (170 V)2 + (294,4 V)2 = 340 V Dadurch besteht die Gefahr, dass bei einer Reihenschaltung von induktiven und kapazitiven Bauteilen an Wechselspannung, einzelne Bauteile an einer zu hohen Spannung liegen. Infolgedessen nimmt das Bauteil auch einen zu großen Strom auf. und es besteht die Gefahr der thermischen Zerstörung. (Fortsetzung folgt) AUTOR Karl-Heinz Bleiß, Fachautor, Hatten Fehlgriffe: Brandgefahr durch Staubablagerungen ELEKTROINSTALLATION Gefahr erkannt-Gefahr gebannt. Dieser fast schon lapidare Satz, der in Kreisen von Sicherheitsfachleuten einem Mantra gleicht, könnte auch Ausgangspunkt unseres heutigen Beitrags sein, denn Brandgefahr beginnt nicht erst an einer Tankstelle. E www.elektro.net zu einer Explosion führen. Genau genommen sind dafür drei Dinge Voraussetzung: ein organischer brennbarer Staub, Sauerstoff und eine Zündquelle. Für eine Mühle bestünde schon bei einer Mehlschicht von wenigen Millimeter Dicke eine Explosionsgefahr. Es hat wenig Sinn an dieser Stelle auf all die Normen hinzuweisen, die nicht beachtet wurden. Jede verantwortungsbewusste Elektrofachkraft lässt diesen Zustand einer Steuerung nicht lange auf sich beruhen und schafft Abhilfe. Quelle: Dierk Horst s darf davon ausgegangen werden, dass der Hersteller der Steuerung, das Ganze so nicht ausgeliefert hat (Bild 1). Vielmehr rüstete wohl ein „Hauselektriker“ immer wieder Funktionen nach oder führte Reparaturen auf seine Art durch. Hierbei scheint es nicht mehr um die notwendige Normenkonformität gegangen zu sein, sondern darum, dass die Presse möglichst schnell wieder läuft. Fakt aber ist: wer das auch immer ausgeführt hat, war sich offensichtlich nicht bewusst, welches Risiko er für sich und das Bedienpersonal in Kauf genommen hat. Insbesondere weil es bei einer Presse ja nicht nur um die elektrische Sicherheit geht, sondern auch um die mechanischen Gefahren für die Mitarbeiter. Stäube sind nicht nur brandgefährlich, sondern können im Extremfall auch Bild 1: Völlig verstaubte Steuerung einer Presse AUTOR Werner Hörmann, Autor der Rubrik »Praxisprobleme« 77