Fragwürdige Versprechen – Die schöne Welt der Kosmetik

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Manuskript
Beitrag: Fragwürdige Versprechen – Die schöne
Welt der Kosmetik
Sendung vom 30. Juli 2013
von Jörg Göbel, Julian Prahl, Ute Koboldt und Stella Peters
Anmoderation:
Gestraffte Haut in nur anderthalb Minuten. Doppelt so lange
Wimpern: Wenn Sie an Wunder glauben, dann kaufen Sie auch
Kosmetik, die so beworben wird. Oder? Die EU aber hat jetzt
genug vom Hokuspokus der Händler und Hersteller. Und will sie
zwingen, bei der Wahrheit zu bleiben – mit einer neuen KosmetikVerordnung. Deutsche Hersteller kann die ziemlich kalt lassen.
Denn wer kontrolliert hier schon groß, was dran ist an den steilen
Werbe-Thesen von Falten und Frische? Jörg Göbel und Julian
Prahl.
Text:
Kosmetika machen schön und halten jung. Die Werbung
verspricht straffende Anti-Falten Pflege, sofort perfektionierte
Haut oder einfach mehr jugendliche Ausstrahlung. Und Deos
sollen immer länger wirken. Nicht 24, auch nicht 48 oder 72, nein
gleich 96 Stunden. Schöne verheißungsvolle Kosmetikwelt. Doch
Ärzte zweifeln.
O-Ton Prof. Volker Steinkraus, Hautarzt Dermatologikum
Hamburg:
Ich glaube, dass in allen Bereichen, wo Produkte verkauft
werden, Effekte auch aufgeblasen werden.
O-Ton Dr. Markus Krause, Dermatologisches Zentrum Berlin:
Es wird immer so dargestellt, als ob’s fantastisch verträglich
ist und eine überragende Wirkung hat. Wenn es so wäre,
bräuchten wir keine Medikamente mehr als Hautärzte und
dann hätten wir auch gar keine Patienten mehr.
Beispiel Anti-Cellulite-Cremes. Die sollen die ungeliebte
Orangenhaut verschwinden lassen. Die Zeitschrift Ökotest und
die Stiftung Warentest haben das geprüft. Und kommen zum
immer gleichen Ergebnis: Anti-Cellulite-Mittel wirken nicht.
O-Ton Dr. Markus Krause, Dermatologisches Zentrum Berlin:
Der Bereich, in der Cellulite entsteht, der liegt ja mehrere
Millimeter tief in der Haut. Bis dahin dringen Wirkstoffe durch
die Oberhaupt und die Haut an sich nicht ein. Die Haut ist ja
eine Barriere gegenüber unserer Umwelt, die lässt ja
überhaupt nicht zu, dass Wirkstoffe so ohne weiteres
eindringen können.
Und auch bei den Deos mit Langzeitwirkung kommt Ökotest zu
einem ernüchternden Urteil:
„Einen deutlich wahrnehmbaren Effekt über die ausgelobte
Wirkdauer der Deos konnte uns kein Anbieter nachweisen.“
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat Kosmetikwerbung in
Frauenzeitschriften ausgewertet. Das Ergebnis: viele
Behauptungen, wenig wissenschaftliche Beweise.
O-Ton Silke Schwartau, Verbraucherzentrale Hamburg:
Wir haben da viele Werbeangaben gefunden, die aus unserer
Sicht nicht richtig nachvollziehbar sind und auch nicht
wissenschaftlich belegt. Da wird dann nur drauf
hingewiesen, dass vielleicht 24 Frauen, die den Newsletter
der Firma abonniert haben oder die diese Creme angeblich
genutzt haben, dann auf einmal merken, dass sie weniger
Falten haben. Und das ist doch keine Wissenschaftlichkeit.
Etwa zwölf Milliarden Euro schwer ist der Markt für Kosmetik und
Körperpflegeprodukte in Deutschland bei. Hunderte Millionen
geben die Hersteller für Werbung aus. Und gaukeln dabei häufig
Wissenschaft vor, kritisieren Ärzte.
O-Ton Prof. Volker Steinkraus, Hautarzt, Dermatologikum
Hamburg:
Wenn da steht dermatologisch getestet, dann hat ein
Dermatologe drei Probanden sich angeguckt und macht
dann eine Aussage dazu. Dann kann man ja auch sagen, das
ist dermatologisch gesehen getestet, untersucht, ist eine
Anwendungsbeobachtung gemacht. Das sind alles sehr
weiche Begriffe, dermatologisch getestet. Müssen nicht
schlecht sein, aber sind sehr weich und dehnbar und mit
diesen Begriffen kann sicherlich auch viel Missbrauch
getrieben werden.
Auch die Europäische Kommission hat Verfehlungen bei
Kosmetikwerbung festgestellt. Daher gelten seit Mitte Juli neue
Verordnungen.
O-Ton Neven Mimica, EU-Kommissar für Verbraucherpolitik:
Jetzt liegt es an den nationalen Behörden in jedem
Mitgliedsstaat die Vorschriften der Kommission bestmöglich
anzuwenden, damit die Belegbarkeit von Kosmetikwerbung
so schnell und effizient wie möglich kontrolliert werden kann.
Doch dem Europäischen Verbraucherschutzverband geht das
nicht weit genug. Denn bei den Beratungen der neuen
Vorschriften hätten sich häufig die Hersteller durchgesetzt.
O-Ton Sylvia Maurer, Europäischer Verbraucherverband
BEUC:
Solange man eben beispielsweise nicht festlegt, gemeinsam,
was heißt denn beispielsweise auf einem Produkt klinisch
getestet, was heißt denn, dermatologisch geprüft, solange
man da kein gemeinsames Verständnis entwickelt hat, wird
sich da für die Verbraucher nicht besonders viel ändern und
das kann auch letztendlich der Verordnungstext nicht leisten,
weil man viele wichtige Themen überhaupt nicht angegangen
hat, sondern die wurden ausgeklammert und sogar auf einen
späteren Zeitpunkt verschoben.
So sehen Kosmetikhersteller und Werbewirtschaft die neuen EUVerordnungen gelassen. In Deutschland sei eh alles in Ordnung.
O-Ton Volker Nickel, Zentralverband der deutschen
Werbewirtschaft:
Tatsache ist, Werbung darf nicht lügen, weil die Gesetze,
zahlreiche Gesetze, viele und sehr genaue Gesetze und sehr
kleinliche Gesetze das untersagen.
Und auch die Hersteller beschwichtigen. Auf Nachfrage antworten
sie, wie Marktführer L’Oréal, alles sei wissenschaftlicher belegt.
Und Zitat:
„Darüber hinaus legen wir besonderes Augenmerk darauf,
dass unsere Werbeaussagen die Konsumenten bezüglich der
Leistung unserer Produkte nicht in die Irre führen.“
Der sieht britische Werberat ASA ganz anders. Er hat im
vergangenen Jahr Werbung von L’Oréal verboten - nicht zum
ersten Mal. Es ging um eine Hautcreme-Werbung mit der damals
41-jährigen Schauspielerin Rachel Weisz. Der Werberat hatte den
Verdacht, dass die Aufnahme per Photoshop sehr stark
bearbeitet wurde.
O-Ton Robert Griggs, Britischer Werberat ASA:
Für uns war klar, dass das Werbefoto stark abwich vom
Originalfoto, also mit Photoshop retuschiert wurde. Und
deshalb waren wir nicht davon überzeugt, dass das Produkt
das einhält, was die Werbung verspricht. Und daher war die
Werbung irreführend. Das ist der Kern: Man kann nicht mit
Photoshop retuschieren um vorzugaukeln, dass das Produkt
mehr kann als es tatsächlich leistet.
Auch eine Mascara-Werbung von Dior hat der britische Werberat
verboten. Begründung: So große Augenwimpern wie bei der
Schauspielerin Natalie Portman könne das Kosmetikprodukt nicht
bewirken.
O-Ton Robert Griggs, Britischer Werberat ASA:
Sie konnten uns nicht beweisen, dass das Produkt an sich
imstande war, den Effekt ohne Retuschieren mit Photoshop
zu erzeugen. Und daher haben wir entschieden, dass die
Werbung irreführend ist, und wir haben sie verboten.
In Deutschland untersteht die Kontrolle der Kosmetikwerbung den
Lebensmittelkontrolleuren der Länder - und die sind chronisch
überlastet. Man macht es den Herstellern leicht.
O-Ton Sylvia Maurer, Europäischer Verbraucherverband
BEUC:
Es gibt beispielsweise ganz anders als im
Lebensmittelbereich keine Verpflichtung die Dossiers vorher
einzusenden und alle prüfen zu lassen. Und solange das nur
ad hoc gemacht wird, ist es auch recht wahrscheinlich, dass
man nicht gleich entdeckt wird, wenn man noch irreführende
Werbung auf Kosmetik weiterhin verwendet.
Irreführende Werbung kann auch zum Gesundheitsrisiko für
Verbraucher werden, sagt Hautarzt Markus Krause. Denn es geht
bei Hautproblemen nicht nur um die Optik. Hautveränderungen,
wie etwa Akne, sollten ärztlich untersucht werden.
O-Ton Dr. Markus Krause, Dermatologisches Zentrum Berlin:
Überzogene Werbeaussagen können sicher dazu beitragen,
dass Verbraucher zu spät zum Arzt gehen, dass Krankheiten
zu spät erkannt werden, dass bestimmte Komplikationen
schon eingetreten sind, die man dann nicht mehr behandeln
kann, und dass natürlich auch ein längerer Leidensweg
vorliegt. Denn wenn ich etwas als Hautarzt innerhalb von
zwei, drei Wochen rechtzeitig erkannt und diagnostiziert
effektiv behandeln kann, dann muss ja der Patient nicht
monatelang mit fraglich wirksamen Kosmetika sich
versuchen quasi über Wasser zu halten.
Doch die Kosmetikwerber haben in Deutschland wenig zu
befürchten, solange zu wenige Kontrolleure zu wenig prüfen.
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