KuBus 76 Mehr Licht! – EU-Projekte des Goethe-Instituts Autor: Rolf Scheller 00'01" Der Himmel über Europa. 00'13" Wenn ein Ort Europa symbolisiert, dann ist es Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission und Sitz des Europarats. 00'21" Lichtkaskaden am Rond-Point Schuman, direkt vor den europäischen Gremien. Ein Stück leuchtende Kultur. 00'29" Es herrscht permanente Gipfelstimmung. Dazu gehört – wie selbstverständlich – die Demonstration, der Gegengipfel. 00'36" Zu Europa gehört aber auch Kultur. Für den Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser, bedeutet das: 00'43" O-Ton Günter Gloser, Staatsminister für Europa, Auswärtiges Amt, Deutschland „Wir wollen nicht, dass quasi Europa ein maßgeschneiderter Anzug ist, sondern wir wollen die Vielfalt bewahren. Das ist ja das Schöne an der Europäischen Union: das Entdecken der anderen, deren Geschichte, deren Kultur kennenzulernen über Filme, über Literatur. Ich glaube, es ist ein wichtiges Anliegen und einige Projekte, auch während unserer Präsidentschaft, können das gut aufzeigen.“ 01'04" Das Goethe-Institut veranstaltet eine ganze Reihe solcher Projekte. Ein Beispiel: die Lichtinstallation von Anny und Sibel Öztürk. Sie verzaubern den nüchternen Platz in ein begehbares Kunstwerk. Eine Instal lation, die mehr ist als ein ästhetisches Vergnügen. 01'18" O-Ton Günter Gloser, Staatsminister für Europa, Auswärtiges Amt, Deutschland „Ich finde so eine Idee schön an so einem Platz hier in Brüssel. Und vor allem, ich finde die Bezeichnung sehr schön: ‚Mehr Licht!’. Wir wollen ja oft mehr Licht unseren Bürgern und Bürgerinnen bringen in diese europäischen Institutionen, über diese vielfältigen Entscheidungsmechanismen. Und wenn so etwas transportiert werden kann an so einem Kreuzungspunkt – ‚Mehr Licht!’ – dann ist das eine gelungene Idee.“ 01'39" Transparenz, wo sonst viel Verschleierung und Verdunkelung herrscht. So kann Europa sinnlich erfahrbar gemacht werden. Als “Heiligenschein der EU” wird die Lichtinstallation auch bezeichnet. Ein dynamisches Kunstwerk: Je intensiver der Verkehr um den Platz tobt, desto leuchtender werden die Farben. 02'01" Das ist der Himmel über Paris, genauer: über dem Centre Pompidou, dieser gewaltigen Ausstellungshalle im Herzen der Millionenmetropole. 02'17" Hier diskutieren in einer Veranstaltung des Goethe-Instituts Koryphäen der deutschen und französischen Theaterszene über Positionen des politischen Theaters in der sogenannten „Festung Europa“. Darüber, wo das europäische Theater steht: zwischen Utopie und Wirklichkeit. 02'34" Der eine ist Frank Castorf. Geboren in Ost-Berlin, aufgewachsen im Kommunismus. 02'40" O-Ton Frank Castorf, Regisseur und Intendant, Volksbühne Berlin „Da war die Mauer. Da standen die Panzer davor, auf der einen und auf der anderen Seite. Und das ist schon etwas sehr Theatralisches.“ 02'53" Heute ist er Intendant der Volksbühne in Berlin – und noch immer systemkritisch. Theater in Europa: Neben den Sprachbarrieren gibt es vor allem das Problem, dass der Theaterbesuch schichtabhängig ist. 03'09" O-Ton Frank Castorf, Regisseur und Intendant, Volksbühne Berlin „Dass die Schwellenangst so groß ist, dass die Leute nicht in einen bürgerlichen Bildungstempel reingehen. Sie haben Angst, ausgelacht zu werden, etwas nicht zu verstehen, also letztlich Angst, das Gefühl der Deklassiertheit, was ein objektives ist, auch noch mal in dieser phänomenalen Ebene wiederzufinden. Das ist das Furchtbare. Auch die selbst gewählte Ghettoisierung von Theatern, von Kunsteinrichtungen – nicht nur in Deutschland, überall in Europa. Ich glaube, das muss man irgendwie durchbrechen, dass man den Leuten Mut machen muss, mit ihrer Art der Begrenztheit in ein solch demokratisches, ein Polis-Institut zu gehen. Das finde ich wichtig. Da gibt es verschiedene Annäherungswege. Wir haben ja so etwas versucht zu machen mit Obdachlosentheater, mit Jugendlichen, mit Behinderten. Aber es sind immer eher Kreise des Bürgertums, die dorthin kommen.“ 04'07" Nicht weit entfernt vom Eiffelturm das Théâtre de Chaillot am Trocadéro. Castorf inszeniert hier eine Adaption von Wagners “Meistersingern”. 4'36" Unter Verwendung der Vorlage formuliert Castorf einen szenischen Kommentar zu den Meistersingern und fragt in expressionistischer Thesenhaftigkeit nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv. 04'51" Im Pariser Studentenviertel, in Saint-Germain-des-Prés, arbeitet der andere Theaterleiter, Olivier Py, Regisseur und Autor aus Orléans. Er ist der neue Chef des Odéon, des „Théâtre de l’Europe“, in dem er sein Stück „Les Vainqueurs“, die Sieger, inszeniert. 05'13" Eine Trilogie. Dauer: zehn Stunden. Py beschreibt den Zustand der Gesellschaft als ein großes Scheitern – auf allen Ebenen. 05'36" O-Ton Olivier Py, Autor, Regisseur und Intendant, Théâtre de l’Odéon, Paris „Ich glaube, dass es in jedem Fall einen Ort gibt, an dem Europa keine Utopie ist, nämlich das Theater. Ich übernehme ja nun die Leitung eines Theaters, das sich ‚Theater Europas’ nennt und somit beweist, dass es ein kulturelles Europa gibt, das es schon vor der Vereinigung des wirtschaftlichen und politischen Europas gab. Und auch jetzt, da die europäische Idee geschwächt ist, behauptet sich das kulturelle Europa beharrlich. Man kann sagen, dass es für uns Theaterleute in Frankreich und speziell am Odéon selbstverständlich ist, Theater als europäisch zu begreifen.“ 06'23" Das politische Theater in Europa als Inszenierung der Wirklichkeit. Deutungsversuche und Aufbruch. 06'37" Ein paar hundert Kilometer nördlich: der Himmel über Den Haag, über dem Friedenspalast. 06'50" Hier tagt der Internationale Gerichtshof. 06'55" Und hier treffen sich auch Kulturpolitiker und Kulturfunktionäre der Europäischen Union, um sich über die Integrationsleistung von Kultur auszutauschen. 07'04'' „Die Vielfalt macht den Unterschied“, „Diversity makes the Difference“ – so das Motto. Welche Rolle kann Kultur als sogenannte „dritte Säule“ der europäischen Außenpolitik spielen? Und: Wie sehen die gemeinsamen kulturellen Werte aus? 07'25" O-Ton Elmar Brok, Europäisches Parlament „Einmal gibt es Kultur im breiteren Sinne, wenn man von Werten, vom geistigen Ursprung ausgeht, die sich in Demokratie, in Menschenrechten ausdrückt. In diesem Bereich ist die Europäische Union sehr aktiv. Sie gibt für Auslandshilfe dreimal so viel Geld aus wie die Vereinigten Staaten von Amerika, gerade für Demokratiebildung und Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft. Aber im engeren Sinne der Kultur – Musik, Theater... – reden wir noch zuviel über unsere Unterschiede und nicht genug über unsere Gemeinsamkeiten.“ 07'57" O-Ton Milan Kucan, Ex-Präsident Sloweniens „Ich glaube, man muss schrittweise vorgehen. Zunächst einmal muss es einen innereuropäischen Dialog zwischen Christen in Ost und West geben; dann brauchen wir den Dialog zwischen Christen und dem Islam, und natürlich die Auseinandersetzung mit dem Judentum. Und schließlich geht es um den Dialog mit den Migranten, also den Einwanderern von außerhalb Europas. Erst wenn das alles erfolgt ist, kann es eine wirkliche Verständigung geben.“ 08'30" Aber auch ganz praktische Fragen der kulturellen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene beschäftigten die Diskutanten, zum Beispiel, wie die Kulturbemühungen europaweit zu organisieren seien. 08'43" O-Ton David Green, British Council „Ich bin Teil von EUNIC, der Europäischen Union der nationalen Kulturinstitute. Wir versuchen, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kulturinstituten unserer Mitgliedsstaaten herzustellen und arbeiten an gemeinsamen Projekten. Einige dieser Projekte betreffen den interkulturellen Dialog, Fragen der Migration, speziell in Bezug auf die Balkanländer, und Fragen der Mehrsprachigkeit. Dies sind Bereiche, in denen wir alle davon profitieren können, wenn wir zusammenarbeiten: das Goethe-Institut, der British Council, das Dänische Kulturinstitut oder das Tschechische Zentrum – wenn alle zusammen arbeiten.“ 09'28" O-Ton Hans-Georg Knopp, Goethe-Institut „Nicht nur diejenigen, die Entscheidungen in diesem Sinne treffen, sind dabei wichtig, sondern diejenigen, die die Kultur machen, die Kulturschaffenden. Es gibt dieses wunderschöne Wort “die Kulturschaffenden”. Das sind die Künstler, das sind die Filmleute, das sind die Musiker, die Komponisten. Ich glaube, wir müssen diese Menschen viel mehr einbeziehen in unseren Prozess des Nachdenkens. Hier muss die Praxis die Theorie beeinflussen, und nicht umgekehrt.“ 10'00" Wichtig natürlich auch, dass EUNIC bei der Europäischen Kommission auf die Umsetzung der kulturpolitischen Ziele hinarbeitet. 10'14" O-Ton Emil Brix, Außenministerium Österreich „’Wir haben eine nationale Kultur, die muss verbreitet werden’ – diese nationalstaatliche Denkstruktur ist ja in anderen politischen Bereichen der Union längst überwunden und nicht mehr denkbar. Scheinbar ist es bei der Kultur schwieriger gewesen. Den Schritt müssen wir jetzt schaffen, hier auch über diese Nationalstruktur hinaus so etwas wie eine Überzeugung zu schaffen, dass man mit Kultur auch Öffentlichkeit und Bewusstsein schafft und eigentlich damit gemeinsam mehr erreichen kann.“ 11'03" Der strahlend blaue Himmel über Ostia bei Rom. Junge Hip-Hopper aus Europa treffen sich im Teatro del Lido, um Musik zu machen, zu lernen und um Barrieren abzubauen. Der Organisator: 11'16" O-Ton Martin Clausen, Organisation Ostia Hip-Hop Dayz 07 „Hip-Hop ist absolut eine Kultur, urban culture eben. Und gerade an einem Ort wie Ostia, was eine zum Teil schwierige soziale Situation hat, trägt Hip-Hop auch zur Integration und zur Völkerverständigung bei, weil HipHop verbindet, die Kulturen nicht homogenisiert, sondern das Beste von jeder Kultur nimmt und akzeptiert und seinen eigenen Regeln unterwirft. Deswegen meine ich, dass hier in der römischen Banlieue das einen großen Sinn hat.“ 12'00" Nicht nur Hip-Hop-Künstler sind geladen, sondern auch Laien, interessierte Jugendliche. Sie scratchen und mischen am Tonpult – ein internationales Publikum, jung, multikulti, multilingual, das keine Berührungsängste und Sprachbarrieren kennt. 12'19" O-Ton Meli (Melanie Wharton), Sisters Keepers „Also, Musik hat einfach – deswegen ist es auch eine göttliche Sache – die Möglichkeit, eine Botschaft zu überbringen, ohne dass man die Sprache verstehen muss. Es kommt darauf an, was man empfindet, wenn man diese Musik hört. Man muss nicht unbedingt die Sprache sprechen, um zu verstehen, worum es geht in der Musik.“ 12'40" O-Ton Kutlu Yurtseven, Microphone Mafia „In der Musik ist es egal, welche Religion, welche Nationalität, welche Herkunft man hat. Musik fragt einfach: ‚Was kannst du, was bist du für eine Person, was bist du für ein Mensch?’ und nicht nach dei ner Nationalität.“ 13'27" Ende http://www.goethe.de/kubus