DIE NORDELBISCHE S E I T E 11 K U LT U R & T E R M I N E 7. 8 . 2 0 0 5 | AU S G A B E 31 „WEGE INS JENSEITS“ THEMEN - TIPPS - TERMINE Ausstellung im Kloster Cismar Gesamtschau Hermann Stenner CISMAR – Siebzig Gemälde und 40 Papierarbeiten von Hermann Stenner sind im Kloster Cismar, der Dependance des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums, zu sehen. In der idyllisch an der Ostsee bei Grömitz gelegenen Klosteranlage sind Stenners Werke bis Ende Oktober zu shen. Stenner (1891 - 1914) zählt zu den herasusragenden Talenten des frühen 20. Jahrhunderts. Er fiel im 1. Weltkrieg. Die Ausstellung zeigt die künstlerische Entwicklung Stenners, die vom späten Impressionismus über den Expressionismus mit starker Farbigkeit und betonter Formgebung bis zu einem abstrahierenden Bildaufbau der letzten Arbeiten reicht. Kloster Cismar, Bäderstr. 42, bis 23. Oktober, Di So 10 bis 17 Uhr. – Zum 50. Todestag Thomas Mann-Festwoche LÜBECK – Der 50. Todestag von Thomas Mann wird mit einer Festwoche vom 7. bis zum 13. August begangen. Dazu gehören eine Ausstellung („Caspar David Friedrich und seine Zeitgenossen“ im Museum Behnhaus/Drägerhaus), die Verleihung des Thomas Mann-Preises an Walter Kempowski und ein Internationales Kolloquium. Am Todestag gibt es Vorträge u. a. von Siegfried Lenz und Frido Mann. Der Tag endet mit einer Musikalischen Nachtlesung in der Katharinenkirche mit Monika Bleibtreu (Rezitation) und Teodoro Anzelotti (Akkordeon). Am 13. August findet in der Marienkirche ein Festakt statt, an dem Bundespräsident Horst Köhler teilnimmt (16 Uhr). Unter Denkmalschutz Hügelgräber aus der Bronzezeit HAMBURG – Die so genannten Hügelgräber im Süden von Hamburg sind unter Denkmalschutz gestellt worden. Insgesamt finden sich 15 Grabstätten aus der Bronzezeit in der Fischbeker Heide und im Wohngebiet Wetloop neu auf der Denkmalliste der Hansestadt. Sie sind kennzeichnend für die ältere Bronzezeit von 1600 bis 1100 vor Christus und zählen zu den seltenen noch sichtbaren archäologischen Funden der Stadt. Die Langhügel haben einen Durchmesser von bis zu 13 Metern und sind bis zu 1,20 Meter hoch. Die Stätten zeigen ein breites Spektrum von Grabformen und Bestattungen. Sie dokumentieren den Wandel von der Körper- zur Brandbestattung. Europäischer Musik Sommer Fest der jungen Orchester HAMBURG – In Berlin gibt es drei Wochen lang zum wiederholten Mal das „Fest der jungen Orchester“. Zum ersten Mal fällt etwas davon auch für Hamburg ab. Vom 12. bis 14. August sind im Thalia Theater vier Jugendorchester zu erleben: Die Junge Philharmonie Russland bietet ein rein russisches Programm (darunter die „Pathétique“ von Tschaikowsky). Das Jugendorchester des Konservatoriums in Shanghai spielt unter der Leitung des bekannten Dirigenten Muhai Tang Brahms, Glasunow und Hindemith, dazu eine „Eisenbahn-Toccata“ eines modernen chinesichen Komponisten. Die Junge Deutsch-Polnische Philharmonie kommt mit einem polnischen Programm (dabei die Charts-verdächtige „Sinfonie der Klagelieder“ von Gorecki). Zum Abschluss spielt das Wiener Jeunesse Orchester Mahlers Sinfonie Nr. 5. Bei jedem Konzert ist auch ein zeitgenössisches Stück dabei. Und das Beste: Alle Eintrittskarten kosten nur 9 Euro. Ticket-Hotline: 040/32 81 44 44, www.young-euro-classic.de – TIPP DER WOCHE Gottorf-Ausstellung bietet Überblick über Erwartungen und Ängste, die Menschen seit jeher an das Jenseits geknüpft haben Welche Pfade führen ins Licht? Von Susanne Borée SCHLESWIG – Was machen die Toten: feiern oder arbeiten, kämpfen oder büßen? Auf jeden Fall sind sie unterwegs – hin zu neuen Ufern, hin zum Licht. Seit Jahrtausenden haben Menschen versucht, zumindest einen kleinen Blick ins Jenseits zu erhaschen. Den Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten, die Menschen dem Jenseits gegenüber haben, spürt eine gemeinsame Ausstellung verschiedener Abteilungen der Gottorfer Museen nach. Die Art der Bestattung, Grabbeigaben oder Kunstwerke geben Hinweise auf Vorstellungen der Lebenden. Sie waren keineswegs weltabgewandt, sondern entfalteten teilweise brisante Wirkung. „Zugespitzt könnte man sagen, dass es ein Konflikt um diese Jenseitsvorstellungen war, der die Reformation ausgelöst hat“, erklärt Carsten Fleischhauer, der die Ausstellung mit konzipiert hat. Die Landkarte des Jenseits ändert sich, das Fegefeuer fällt aus. Und der Erlöser weist allein den Weg ins Jenseits, wie Lucas Cranach d. Ä. in seinem Gemälde „Das Christuskind als Überwinder von Tod und Teufel“ (oben rechts) in symbolischer Verknappung zeigt. Das Christkind hat den Tod in den Staub getreten, erleuchtet das Dunkel und weist mit der Hand, die den Apfel des Sündenfalls hält, auf die Brücke zum Jenseits. Die Überquerung eines Flusses beim Sterben ist ein altes Motiv: Schon germanische Gräberfelder fanden sich durch ein Fließgewässer von ihrem Fotos: Schloss Gottorf. Dorf getrennt. Den Toten wurden außerdem Münzen in den Mund gelegt – ähnlich wie in der griechischen Mythologie, die dort als Bezahlung für den Fährmann Charon bei der Überquerung des Flusses Styx zum Hades dienten. Doppelte Sicherungen gegen die Ungewissheit des Jenseits „Doppelt genäht, hält besser“, dachten sich offenbar die alten Wikinger in Haithabu. Das schlug sich nicht nur in Amuletten nieder, die man ebenso als Kreuz und Thorshammer benutzten kann. Gleichzeitig sicherten sich Fürsten der Region und Epoche bei ihren aufwändigen Bestattungen in alle möglichen Richtungen ab. „Prunkgräber sind immer Indizien eines Kulturwandels“, um den Druck einer überlegenen Gesellschaft etwas entgegen zu setzen, so der Gottorfer Christian Radtke über das Bootskammergrab des Kleinkönigs Harald Klak aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Bei den reichhaltigen Grabbeigaben Haralds mischen sich heidnische und christliche Symbole. Kann dies auch eine Erklärung für aufwändige Grabplastiken der frühen Neuzeit sein? Doppelte Sicherungen halfen gegen Wiedergänger aus dem Totenreich. So uneindeutig die Gründe ihres Todes bei den Moorleichen sind, eins ist sicher: Ihre Umwelt befürchtete, dass sie wieder in die Welt der Lebenden zurückkehren könnten. Nach ihrem Hinscheiden wurden ihnen deshalb weitere Verletzungen zu- gefügt oder sogar die Gliedmaße gebrochen. Denn die Toten sind mobil. Spätestens seit der der Zeit der Pharaonen und Pyramiden im Alten Ägypten reisen sie in das – oft weit entfernte – Totenreich. Dafür statteten die Hinterbliebenen sie mit Wegzehrung sowie Booten, Pferden oder Wagen aus. Bei Nahtod-Erlebnissen spielt Licht immer eine Rolle Und manche kehrten zurück: Bauer Gottschalk etwa, der vor gut 800 Jahren leblos daniederlag. Sein Begräbnis verzögerte sich: Plötzlich stand er wieder auf. Er beschrieb seine JenseitsReise sehr detailliert mitsamt Begleitern und Weggabelungen – hinein ins Licht. Dies Symbol spielt auch bei Hans Olde (Bild Ein großer Nachfolger Buxtehudes Vor 100 Jahren wurde der St. Marien-Organist Walter Kraft geboren Von Lutz Gallinat LÜBECK – Das musikalische und kompositorische Schaffen Walter Krafts (1905 - 1977) ist eng mit der Musikgeschichte Lübecks verknüpft. Kraft wurde 1929 unter 45 Bewerbern für die traditionsreiche Organistenstelle in St.Marien ausgewählt. Er gründete dort 1934 einen Knabenchor und fünf Jahre später das „Lübecker Kirchenorchester“, das bis 1949 bestand. Walter Kraft führte u.a. Werke „aus der Zeit der Gotik bis zum Barock im authentischen Klangbild“ auf. So konnte man in Lübeck schon vor dem 2. Weltkrieg Bachs Passionen mit Knabenchor, Knabensolisten und Orchester auf Originalinstrumenten hören. Barockes Deckengemälde Feierliche Übergabe Verankert in der Tradition norddeutscher Orgelmusik HAMBURG – Anlässlich der Fertigstellung des barocken Deckengemäldes „Allegorie auf Wissenschaft und Kunst“ im Museum für Hamburgische Geschichte geben die Restauratoren Einblicke in ihre Arbeit. Ergänzt wird die Gemäldebetrachtung mit Hamburger Barockmusik und einem kulturphilosophischen Vortrag von Klaus-Michael MeyerAbich. Die Museumsbesucher konnten in den eineinhalb Jahren der Restaurierung des von Johann Moritz Riesenberger d. Ä. um 1719 gemalten Bildes hautnah die Arbeit mitverfolgen. Das Gemälde kommt jetzt wieder an seinen Originalplatz im Catharinenstraßenzimmer. Museum für Hamburgische Geschichte (Holstenwall 24), Konzert: Donnerstag, 11. August, 19.30 Uhr. Auch sonst war Walter Kraft mit den Lübecker Traditionen verbunden, so schrieb er: „Lübecks Orgelwerke und Buxtehudes Tradition verpflichten, sie verpflichten den Kirchenmusiker zur Pflege norddeutscher Orgelmusik und Sorge zu tragen für Instandsetzung und Erhaltung der vorhandenen unschätzbaren Orgelwerke.“ Durch die Zerstörung der Marienkirche im Jahre 1942 wurde dieses Anliegen gewaltsam unterbrochen. Walter Kraft setzte sich dafür ein, dass 1955 die Totentanzorgel wieder erstellt wurde. Außerdem sollte die große Orgel wieder – Die Schwelle zum Jenseits wird überbrückt, die Angst vor dem Tod überwunden: Hans Olde der Ältere malt seinen Freund Klaus Groth auf dem Sterbelager, 1899 (Bild ganz links). Bei Lucas Cranach den Älteren überwindet das Christkind Sünde, Tod und Teufel im Zeichen des Kreuzes, um 1534. aufgebaut werden, wofür Kraft in der ganzen Welt Benefizkonzerte gab. Mit der Institution der „Abendmusiken“ setzte Walter Kraft die Tradition von Dietrich Buxtehude fort. Im Zusammenhang mit ihnen sind die oratorischen Werke Krafts wie der „Lübecker Totentanz“, das A-cappella-Oratorium „Christus“ und die „Gemeinschaft der Heiligen“ zu sehen. Die Uraufführung des „Christus“ wurde im übrigen 1944 von der Gestapo verboten. Als erster führte er Werke von Olivier Messiaen auf Kraft machte sich vor allem einen Namen als Organist schwieriger Werke und zyklische Aufführungen - was an St. Marien auch heute ein Markenzeichen ist. So führte er als erster in Deutschland Orgelwerke von Olivier Messiaen auf und spielte in den 5Oer Jahren die gesamten Orgelwerke Buxtehudes für die Schallplatte ein. In den 6Oern nahm er „Sämtliche Orgelwerke J. S. Bachs auf europäischen Orgeln“ auf. Seine Kompositionen sind von der Stilistik der Gregorianik sowie des evangelischen Chorals geprägt. Hinzu kommen eine an das Barock gemahnende Klangfreudigkeit und Mehrchörigkeit. Die Werke sind getragen von tiefem Glauben und zeigen Krafts kraftvollen, schöpferischen Geist, verbunden mit einer selten gewordenen Be- herrschung seines Handwerks“. Zu seiner Art des Komponierens schreibt Walter Kraft in einem Brief: „Wenn ich komponiere, so bin ich ein Maler, der durch die musikalischen Landschaften Gottes schreitet und plötzlich ein Tal vor sich sieht, welches er auf seine Leinwand bannen möchte. Ich bin dann überglücklich, solches schauen zu dürfen, und bange oft, ob ich genügend Kraft finde, es wiederzugeben. Oft kommt es dann noch schöner. Wie der gute Maler auch nicht die Landschaft ‘kopiert’, so nehme ich den Keim-Eindruck auch nicht gern als Objekt, welches sich in mir spiegelt; sondern es wandelt die Sprödigkeit der Materie sich um, indem mir Noten aus der Feder fließen, es wiederholt sich nicht das geschaute Objekt, es wird ein Kind davon, es lebt, und ich bin froh.“ Parallel zu seinem Organistenamt leitete Kraft ab 1947 die Meisterklasse für Orgel an der Musikhochschule in Freiburg/Breisgau. 195O übernahm er in Lübeck die Leitung der „Schleswig-Holsteinischen Musikakademie und Norddeutschen Orgelschule“ (in Anspielung auf die SweelinckBuxtehudesche Tradition). Er erhielt den Lübecker „Buxtehude-Preis“ und den schleswigholsteinischen Kulturpreis. In der Nacht zum 9.Mai 1977 kam er bei einem Hotelbrand in Amsterdam ums Leben. oben links) eine große Rolle – ähnlich modernen Nahtod-Erlebnissen. Ein eigener Ausstellungsteil zeigt sie in Beziehung zu kulturellen Ausbildungen. In vier thematisch ausgerichteten Querschnitten zeigt die Gottorfer Ausstellung Entwicklungsstränge der „Wege ins Jenseits“ auf. Selbst in der heutigen, beinahe multireligiösen Gesellschaft wird so der Tod als Beginn eines wahren Lebens erfahren – sobald man erst einmal die Schwelle des Sterbens hinter sich gelassen hat. „Wege ins Jenseits“ im Schleswi– ger Schloss Gottorf noch bis 30. Oktober täglich zwischen 10 und 18 Uhr. Führungen, auch für Gemeinde- oder Konfirmandengruppen unter Telefon 04621/813-222. Helferin und Mahnerin | BUCH-TIPP | Emmi Bonhoeffer-Essay-Band Von I. Stelzl-Geiger P reußen hat uns Frauengestalten gegeben, in denen das Wesentliche fortwirkt. An uns liegt es, sie zu erkennen ...“ Dies sagte der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker anlässlich einer Rede Emmi Bonhoeffers 1981 über den Widerstand gegen Hitler. Als Widerständlerin verstand sich Emmi Bonhoeffer nicht, doch befand sie sich als Ehefrau von Klaus und Schwägerin von Dietrich Bonhoeffer von Anfang an im Kreis jener Männer, die schon in den 30er Jahren ein Netzwerk spannten. In dem 2004 erschienenen Buch mit einem Essay, mit Gesprächen, Briefen und Erinnerungen Emmi Bonhoeffers wird ihre Überzeugung sichtbar, dass „die politische Fantasie der Frauen beim Suchen nach rettenden Auswegen“ eine erhebliche Rolle spielt. Nach der Nazi-Katastrophe arbeitete die Witwe mit drei Kindern trotz entbehrungsreicher Nachkriegszeit bereits in den 50er Jahren beim Evangelischen Hilfswerk in Frankfurt mit, baute unter anderem einen „Hilfsring“ für Frauen in Ostdeutschland auf und fand 1964 zu ihrer „Lebensaufgabe“. Sie bot an, Zeugen im AuschwitzProzess zu betreuen. „Wer machte sich schon Gedanken über die Befindlichkeit der Menschen, die nach 20 Jahren die erlebten Gräuel einigermaßen verdrängt glaubten und sie nun wieder im Detail ausgraben mussten?“ Dass aus dieser Tätigkeit eine wunderbare Brief-Freundschaft hervorging, war für Emmi Bonhoeffer wohl der größte Lohn. Eine Erkenntnis aus den beeindruckenden Briefen an Recha in den USA lautet: Überwältigender als Millionenzahlen ist eine Stimme eines Menschen (im Auschwitz-Prozess). Und: „Dass Auschwitz in einem Kulturvolk möglich war, das zu fünfundneunzig Prozenzt aus getauften Christen bestand, sollte uns aufrütteln und zur Umkehr bewegen“. Darin sah sie den Sinn des AuschwitzProzesses. Den beiden Herausgebern des kleinen Buches, Sigrid Grabner und Hendrik Röder, ist die Veröffentlichung zu verdanken. ssay, Ge– EspmrämcihB, Eorninhnoeefrfuenrg-.E134 Seiten, 16.90 Euro, Lukas Verlag, ISBN 3-936872-31-7 LESEN IST LEBEN - Evangelische Bücherstube am Schloss Dänische Straße 17, 24103 Kiel, Telefon: 0431 / 51 97 - 250, e-mail: [email protected] Jetzt auch für Sie im Internet: www.buecherstube-kiel.de