Physikalisch Chemisches Fortgeschrittenenpraktikum Versuch 1: Bestimmung des Dipolmoments polarer Moleküle über Molpolarisation und Molrefraktion aktualisiert 11.05.2015, Dr. Ludwig Kibler INHALTSVERZEICHNIS 1. Versuchsvorbereitung 1.1. Aufgabenstellung 1.2. Versuchsvorbereitung 1.1.1. Bestimmung der Dichte 1.1.2. Berechnung der Volumenanteile 1.3. Literatur und benötigte Kenntnisse 2. Theoretische Grundlagen 2.1. Permanentes Dipolmoment 2.2. Induziertes Dipolmoment und Polarisierbarkeit 2.3. Molekülsymmetrie und Charaktertafel 2.4. Polarisation 2.4.1. Verschiebungspolarisation 2.4.2. Orientierungspolarisation 2.5. Materie im elektrischen Feld 2.5.1. Kondensator ohne Dielektrikum 2.5.2. Kondensator mit Dielektrikum 2.6. Molpolarisation Pmol und Molrefraktion Rmol 2.7. Frequenzabhängigkeit der Polarisation 2.8. Bestimmung des Dipolmoments von Gasen 2.9. Bestimmung des Dipolmoments von Molekülen in Lösung 2.10. Dipolmeter 2.11. Abbé-Refraktometer 3. Versuchsdurchführung 3.1. Messungen 2 4. Auswertung 4.1. Allgemeine Berechnungen 4.2. Molpolarisation PG und Molrefraktion RG des gelösten Stoffes 4.3. Bestimmung von µperm 4.3.1. 1. Methode zur Bestimmung von µperm 4.3.2. 2. Methode zur Bestimmung von µperm 4.3.3. 3. Methode zur Bestimmung von µperm 4.4. Aufgabenstellung der Auswertung 4.5. Zusätzliche Fragen 5. Fehlerrechnung 5.1. Fehler der Dichte 5.2. Fehler des Molenbruchs 5.3. Fehler der Molaren Masse 5.4. Fehler der Permittivitätszahl 5.5. Fehler der Dichte bei der Messtemperatur 5.6. Fehler der Molpolarisation und –refraktion 5.7. Fehler des Dipolmoments 5.8. Fehler von A und E Literaturverzeichnis Messprotokoll - Dipolmoment Ergebnisblatt - Dipolmoment 3 1. VERSUCHSVORBEREITUNG 1.1. Aufgabenstellung Das permanente Dipolmoment µperm eines polaren Moleküls, z.B. Cyclohexanon, wird bestimmt. Hierzu werden die Permittivitätszahlen (relative Dielektrizitätskonstante, Dielektrizitätszahl) r sowie die Brechungsindizes n von Cyclohexan und mindestens 6 Lösungen von Cyclohexanon in Cyclohexan mit den Molenbrüchen 0.005, 0.01, 0.015, 0.025, 0.05 und 0.1 bei den Temperaturen 15, 20, 25, 30 und 35°C bestimmt. Die Berechnung des permanenten Dipolmoments erfolgt über die Molpolarisation und Molrefraktion. 1.2. Versuchsvorbereitung Vor Versuchsantritt (zu Hause) sind die benötigten Volumina an Cyclohexanon bei Raumtemperatur anhand der aus der Gleichung (1.2) herzuleitende Gleichung (1.3) zu berechnen. Die Herleitung der Bestimmungsgleichung für das Volumen des gelösten Stoffes ist im Protokoll explizit aufzuführen. Zuvor müssen jedoch die Dichten der verwendeten Lösungen mithilfe von Literaturwerten für die Dichten der Reinstoffe berechnet werden, welche auf die verschiedenen Messtemperaturen umgerechnet werden (vgl. Gl. (1.1)). Im zweiten Schritt (erst für die Auswertung benötigt) wird die Dichte der Lösung L in Abhängigkeit von der Messtemperatur und vom jeweiligen Molenbruch berechnet. Hierbei stehen die Indizes L, G und LM für die Lösung, die gelöste Substanz (Cyclohexanon) und für das Lösungsmittel (Cyclohexan). 1.2.1. Bestimmung der Dichte Für die Dichte einer Flüssigkeit gilt empirisch (http://www.ddbst.com/ddb.html): A (T ) (1.1) D T 1 1 C B Hierbei sind: (T) die Dichte der Flüssigkeit in g cm-3 bei der Temperatur T in K, A,B,C,D stoffspezifische Konstanten Cyclohexan Cyclohexanon A 0.0307326 0.04398 B 0.174422 0.19184 C 580.003 927.83793 D 0.229418 0.40224 T min / K 281 274 T max / K 473 333 So lassen sich Dichten von Flüssigkeiten bei verschiedenen Temperaturen berechnen. Alternativ lässt sich die Dichte von Flüssigkeiten mithilfe eines Pyknometers experimentell bestimmen. 4 1.2.2. Berechnung der Volumenanteile Die für die Berechnung benötigten Konstanten (G, LM, G und LM) sollen aus der gängigen Literatur entnommen werden. Der Hinweis auf die jeweilige Literaturstelle ist obligatorisch. Für die Molenbrüche gilt: xG nG , nG nLM (1.2) wobei mit den Beziehungen m nM und m V folgende Bestimmungsgleichung für das Volumen an Cyclohexanon VG erhalten wird: VG GMLM xGMG LM 100 mL xGMG LM xGMLM G (1.3) Dabei soll das Gesamtvolumen der Lösung (Vgesamt) 100 mL betragen. Die aus Gleichung (1.3) erhaltenen Volumenanteile an Cyclohexanon werden mittels einer Pipette in die jeweiligen Messkolben eingebracht und mit Cyclohexan auf 100 mL Gesamtvolumen aufgefüllt. Eine mögliche Volumenänderung durch die Mischung wird dabei vernachlässigt. 1.3. Literatur und benötigte Kenntnisse Als Voraussetzung für das Bestehen des Kolloquiums sowie für die Versuchsdurchführung müssen die Inhalte des Versuchsskriptes verstanden sein. Darüber hinaus sind die Literaturquellen [1-3] bzgl. dieses Themas zu studieren. Für die Vortragsteams kommen darüber hinaus die Literaturquellen [4-6] hinzu. Zur Beantwortung der Fragen im Protokoll sind weitere Literaturquellen zu konsultieren (vgl. Abschnitt 4.5). Die benötigten Volumina an gelöstem Cyclohexanon sind vor Versuchsantritt zu Hause zu berechnen und dem zuständigen Versuchsbetreuer vorzulegen! Dadurch dass mit Chemikalien gearbeitet wird, ist es notwendig, sich mit den entsprechenden Datenblättern der verwendeten Substanzen auseinander zu setzen, sowie Schutzkleidung und Schutzbrille zu tragen. Folgende Themen tauchen im Versuchsskript auf und sollten beherrscht werden: Dipolmoment (induziert und permanent), Symmetriebetrachtungen an kleinen Molekülen, Tensoren, Materie im elektrischen Feld, Verschiebungspolarisation bei Gasen und Flüssigkeiten (Gleichung von Clausius und Mossotti, Debye-Gleichung, Lorenz-LorentzGleichung), Orientierungspolarisation, Frequenzabhängigkeit der Polarisation, Molpolarisation und –refraktion, Dipolmoment in Lösungen, Messung der Permittivitätszahl mit dem Dipolmeter, Abbé-Refraktometer. 5 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.1. Permanentes Dipolmoment und Molekülsymmetrie Definition: Zwei gleichgroße Ladungen q entgegengesetzten Vorzeichens im Abstand r bilden einen Dipol: qr (2.1) dabei sind r der Abstandsvektor, der von der negativen zur positiven Ladung zeigt und das Dipolmoment. Das Dipolmoment wird in Cm oder auch Debye (1D = 3,33564.10-30 Cm) angegeben. Für den Fall von N Ladungen muss über die einzelnen Ladungen mit ihren Ortsvektoren summiert werden (vgl. Abb. 2.1 links): N qi ri (2.2) i 1 dabei ist qi die Ladung des Teilchens i, welches sich am Ort ri befindet. Dies gilt allerdings N nur für insgesamt neutrale Systeme, d.h. q i 1 i 0. Abb. 2.1: Zur Bestimmung des Dipolmoments einer diskreten (links) und kontinuierlichen (rechts) Ladungsverteilung. Exakt wird das Dipolmoment mehrerer Ladungen durch eine Integration der einzelnen Raumladungsdichten über die Volumenelemente des betrachteten Raumes beschrieben (vgl. Abb. 2.1 rechts): r (r ) dr 3 (2.3) Auch in diesem Fall muss die resultierende Gesamtladung Null betragen: (r ) dr 3 0. Wenn es sich bei dem betrachteten System um ein Molekül handelt, bezeichnet man das hier definierte Dipolmoment als permanentes Dipolmoment, welches anschaulich meist durch Elektronegativitätsdifferenzen im Molekül hervorgerufen wird. Entscheidend ist aber auch die Molekülsymmetrie. Im Ozon-Molekül beispielsweise besitzen alle Atome natürlich dieselbe Elektronegativität, aber das Ozon-Molekül ist polar. 6 2.2. Induziertes Dipolmoment und Polarisierbarkeit Unter der Wirkung eines elektrischen Feldes (verursacht z.B. durch einen Plattenkondensator oder eben durch ein Molekül mit einem permanenten Dipolmoment) kommt es zu einer Verschiebung der positiven und negativen Ladungen innerhalb eines Moleküls und damit auch zu einer räumlichen Trennung der Schwerpunkte beider Ladungen. Es wird also in dem Molekül ein Dipolmoment induziert: ind Eloc (e a )Eloc (2.4) Dabei sind: ind das induzierte Dipolmoment, e der Verschiebungsanteil der Polarisierbarkeit, der elektronische Anteil der Polarisierbarkeit, a der atomare (ionische) Anteil der Polarisierbarkeit und Eloc die Feldstärke, die lokal tatsächlich auf die Ladungen einwirkt (sie kann vom angelegten Feld verschieden sein). Die Polarisierbarkeit fungiert als Proportionalitätskonstante, welche i.a. vom Molekül und der Orientierung des Moleküls im elektrischen Feld abhängt. Außerdem unterscheiden sich der Feldvektor und der Dipolmomentsvektor im Betrag und meist auch in der Richtung. Da aber beide Größen voneinander direkt abhängen, wird ihre gegenseitige Beeinflussung durch einen Tensor beschrieben. Dieser Tensor 2. Stufe stellt im Fall eines dreidimensionalen Koordinatensystems eine 3x3-Matrix dar: x xx y yx z zx xy xz E x yy yz E y zy zz E z (2.5) Jede physikalische Größe T, die aus 3n Elementen besteht und bestimmte Transformationseigenschaften aufweist, kann als Tensor bezeichnet werden. Hierbei gibt n die Tensorstufe angibt. Ein Tensor 0. Stufe besteht folglich aus nur einem Element und entspricht einem Skalar. Mit n = 1 werden 3 Elemente erhalten und ergeben einen Vektor. Den Polarisierbarkeitstensor kann man wie jede (n x n)- Matrix in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Anteil zerlegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Elemente dieser Anteile von denen der ursprünglichen (3x3)-Matrix unterscheiden. Die symmetrischen Elemente ij berechnen sich daraus nach 1 2 ij ( ij ji ) i , j 1...3 , 1 ( ij ji ) i , j 1...3 . Der antisymmetrische Teil stellt 2 nach Born die optische Drehung des Lichts dar. Da optisch aktive Moleküle an dieser Stelle nicht betrachtet werden, wird der antisymmetrisch Summand des Polarisierbarkeitstensor weggelassen. Somit bleibt nur der symmetrische Summand übrig: die antisymmetrischen nach ij 7 x xx y yx z zx xy xz E x yy yz Ey zy zz Ez (2.6) Den symmetrischen Tensor kann man durch eine Hauptachsentransformation (sozusagen eine Drehung des Koordinatensystems in Richtung des Moleküls) auf Diagonalform bringen. Sind x, y und z die Achsen eines beliebigen kartesischen Koordinatensystems, so stellen x', y' und z' die Achsen des neuen (gedrehten) Koordinatensystems dar. Dieses wird durch die Molekülgeometrie festgelegt: 0 0 E x ' x ' x ' x ' y ' y ' 0 Ey ' y ' 0 ' 0 0 z ' z ' z Ez ' (2.7) Für ein isotropes Molekül (welches wir ab sofort annehmen wollen) gilt x ' x ' y ' y ' z ' z ' , da das Dipolmoment und das E-Feld in der Richtung übereinstimmen (Spezialfall). Dadurch wird der Polarisierbarkeitstensor auf einen Skalar (Tensor 0. Stufe) reduziert: x ' Ex ' y ' Ey ' ' E ' z z (2.8) Im Fall des Cyclohexanons als anisotropes Molekül ergibt sich das gleiche Ergebnis (Gl. (2.8)) dadurch, dass eine statistische Verteilung der Orientierung des nicht angeregten Moleküls im Raum vorliegt. Nach dem Anlegen des E-Feldes wird eine gemittelte, resultierende Polarisation in E-Feldrichtung beobachtet. 2.3. Molekülsymmetrie und Charaktertafel Ob nun ein einfaches Molekül (wie z.B. O3 oder SO2) ein permanentes Dipolmoment besitzt, kann aus der Charaktertafel der entsprechenden Punktgruppe, dem das betrachtete Molekül angehört, abgelesen werden. Daneben sind weitere vorhandene physikalische Eigenschaften direkt ablesbar, wie u.a. das Quadrupolmoment (= Polarisierbarkeitsmatrix), das Oktupolmoment, das magnetische Moment sowie die optische Aktivität des Moleküls. Des Weiteren kann aus der Charaktertafel das Energieniveauschema z.B. von Ammoniak ermittelt und mit Hilfe von sog. Abzählregeln die Anzahl an existierenden Schwingungen berechnet werden. Dabei lassen sich sofort Angaben darüber machen, erstens welche Schwingungen über welche Symmetrieeigenschaft verfügt und zweitens ob die betrachtete Schwingung IR- und/ oder Raman-aktiv ist (Alternativverbot). In Abb. 2.2 ist als Demonstrationsbeispiel die Charaktertafel der Punktgruppe C 2v dargestellt. 8 C 2v E C2 σ v (xz ) σ v '(yz ) A1 1 1 1 1 z x 2, y 2, z 2 A2 1 1 -1 -1 Rz xy B1 1 -1 1 -1 x, Ry xz B2 1 -1 -1 1 y, Rx yz Abb. 2.2: Charaktertafel der Punktgruppe C2v Die Buchstaben- und Zahlenkombination in der ersten Spalte stellen die betrachtete Punktgruppe (erste Zeile) sowie die sog. Symmetriedarstellungen dar. Letztere fassen jeweils einen Satz an sog. Symmetrieoperationen (wie Cn (Drehung um n-zählige Achse), v (vertikale Spiegelebene) und E (Einheitsoperation)) zusammen. Die Darstellung A1 wird als totalsymmetrisch bezeichnet, da bei allen Symmetrieoperationen die gleiche Abbildung resultiert. Dadurch dass sich die physikalischen Eigenschaften eines Moleküls bei der Anwendung einer Symmetrieoperation nicht ändern dürfen, sind alle physikalischen Eigenschaften in dieser Darstellung zusammengefasst. In der zweiten Spalte sind die möglichen Symmetrieoperationen, die zur betrachteten Punktgruppe gehören, aufgelistet (erste Zeile). Darunter befinden sich die sog. Charaktere, welche angeben ob bei der Anwendung einer Symmetrieoperation die gleiche Abbildung entsteht (+1) oder nicht (-1). Der Charakter ergibt sich aus der Summe der Diagonalelemente der jeweiligen Transformationsmatrix. In Spalte 3 beschreibt der Buchstabe z (in anderen Charaktertafeln auch als Tz bezeichnet) das Dipolmoment in z-Richtung und Rx,y,z das magnetische Moment (welches hier nicht vorhanden ist!). Die z-Richtung ist mit der höchstzähligen Achse des Moleküls identisch. In Spalte 4 steht das Quadrupolmoment bzw. die Polarisierbarkeitsmatrix und in Spalte 5 (nicht dargestellt) das u.U. vorhandene Oktupolmoment. Als Literatur empfiehlt sich [7,8]. Für polare Moleküle muss der Vektor des permanenten Dipolmoments bei allen Symmetrieoperationen des Moleküls auf sich selbst abgebildet werden. Somit besitzen Moleküle der Punktgruppen CS, Cn und Cnv ein permanentes Dipolmoment, da hier der Vektor in z-Richtung bei allen erlaubten Operationen erhalten bleibt. Ein mögliches Dipolmoment kann somit aus der Charaktertafel herausgelesen werden, da die totalsymmetrische Darstellung den Translationsvektor Tz enthalten muss. Moleküle mit Inversionszentrum besitzen kein permanentes Dipolmoment. Ein Dipol kann nicht senkrecht zu einer Spiegelebene stehen. Ein Dipol kann nicht senkrecht zu einer Drehachse sein. Unpolare Moleküle gehören deshalb (i) zu Punktgruppen mit Symmetriezentrum (ii) zu Dn, Dnh, Dnd (iii) Td, Oh, Ih 9 2.4. Polarisation Unter Polarisation wird das mittlere resultierende Dipolmoment pro Volumeneinheit (z.B. cm³) verstanden. Es wird zwischen der Orientierungspolarisation P0 bei Molekülen mit permanentem Dipolmoment µ und der Verschiebungspolarisation PV bei Molekülen mit induziertem Dipolmoment µind unterschieden. 2.4.1. Verschiebungspolarisation Die Verschiebungspolarisation ist definiert als das mittlere induzierte Dipolmoment pro cm³. PV ind Eloc (e a )Eloc PE PI (2.9) Dabei sind: : die Teilchendichte N/V, PV : die Verschiebungspolarisation, PE : die Elektronenpolarisation und PI : die Ionenpolarisation bzw. die atomare Polarisation. Bei der Elektronenpolarisation entsteht das induzierte Dipolmoment durch eine Verschiebung der leichten Elektronen relativ zu den viel schwereren positiven Kernen. Bei der Ionenpolarisation entsteht das induzierte Dipolmoment durch eine Verschiebung der schweren negativen Ionen relativ zu den schweren positiven Ionen (siehe Abb. 2.3). 2.4.2. Orientierungspolarisation Die Orientierungspolarisation setzt sich analog zur Verschiebungspolarisation (Gl. (2.9)) aus dem lokalen E-Feld, der Teilchenzahldichte und aus dem Orientierungsanteil der Polarisierbarkeit µ zusammen (vgl. Gl (2.10)), wobei sich µ proportional zum permanenten Dipolmoment verhält. P0 Eloc 0 (2.10) Die Kraft, die ein elektrisches Feld auf eine Ladung ausübt, ist durch das Produkt aus Ladung und Feldstärke gegeben. Entsprechend ist die potentielle Energie V eines Dipols µ , auf den das Feld Eloc wirkt, durch das Skalarprodukt dieser beiden Vektoren gegeben. Beträgt der Winkel zwischen den beiden Vektoren , so gilt: V Eloc Eloc cos() (2.11) 10 Abb. 2.3: Zum Zustandekommen der Verschiebungspolarisation (a) ElektronenVerschiebungspolarisation (b) Ionen- Verschiebungspolarisation Das negative Vorzeichen in Gleichung (2.11) ergibt sich, weil das elektrische Feld von + nach - und der Dipol von - nach + zeigt. Somit ist es energetisch am günstigsten wenn 0 ist, d.h. wenn Dipolmoment und elektrisches Feld parallel zueinander stehen. Einer solchen Parallelstellung wird aber die Wärmebewegung (Braun'sche Bewegung) entgegenwirken, welche die in Abwesenheit des Feldes herrschende zufällige Verteilung aufrecht zu erhalten versucht. Infolgedessen wird es zu einer von der Temperatur abhängigen Verteilung der Winkeleinstellung kommen. Moleküle, deren Dipolmoment einen unterschiedlichen Winkel zum Feld einnehmen, besitzen nach (2.11) eine unterschiedliche potentielle Energie. Für die relative Anzahl Teilchen dA , deren Orientierung sich innerhalb des Raumwinkels d gilt nach Boltzmann: dA Ae V kBT d (2.12) Dabei übernimmt A die Funktion der Normierungskonstante. Das resultierende Dipolmoment erhält man, wenn man über den relativen Beitrag der Dipole in Richtung des elektrischen Feldes ( µ cos ) mit der jeweiligen Besetzungswahrscheinlichkeit multipliziert und über alle Möglichkeiten des Raumwinkels integriert: A A e V kBT cos d (2.13) 11 Das mittlere Dipolmoment in Richtung des elektrischen Feldes pro Molekül erhält man, indem man durch die Gesamtzahl der Moleküle (Wahrscheinlichkeit jeder Möglichkeit über alle Möglichkeiten integriert) teilt: 0 A e V kBT A e cos d V kBT e V kBT e d cos d V kBT (2.14) d Setzt man für den Raumwinkel d 2 sin d und (2.11) in (2.14), so erhält man: 0 e 0 E cos kT e cos sin d E cos kT (2.15) sin d 0 Da bei normalen Laborbedingungen Eloc kBT gilt, kann man den Exponenten in eine Taylorreihe entwickeln und nach dem zweiten Glied abbrechen: E cos e kT 1 E cos (2.16) kBT Die Integrale sind dann leicht lösbar und man erhält: 0 2Eloc (2.17) 3kBT Um die von allen Teilchen erzeugte Orientierungspolarisation zu erhalten muss man (2.17) wieder mit der Gesamtzahl der Teilchenzahldichte multiplizieren (vgl. Gl. (2.10)): P0 0 2Eloc (2.18) 3kBT Oder vektoriell in Richtung des elektrischen Feldes: P0 2 3kBT Eloc (2.19) Die Summe aus Orientierungspolarisation und Verschiebungspolarisation ist die Gesamtpolarisation, die auf ein Teilchen mit permanentem Dipolmoment im E-Feld wirkt: 2 P P0 PV 3kBT 2 E P P P loc a 0 E I e 3kBT Eloc (2.20) 12 Für Gase bei niedrigem Druck gilt E Eloc . Bei Gasen mit höherem Druck und bei Lösungen ist das Feld am Ort des Dipols vom äußeren Feld durch die Wechselwirkung mit benachbarten Molekülen verschieden. Lorentz fand für das Feld am Molekülort folgenden Zusammenhang: Eloc E 1 P 3 0 (2.21) Dabei ist 0 die Dielektrizitätskonstante. Diese Gleichung kann man nun in (2.20) einsetzen: 2 1 P P E 3kBT 3 0 (2.22) 2.5. Materie im elektrischen Feld Der fehlende Zusammenhang zwischen dem E-Feldvektor und dem Polarisationsvektor wird in den folgenden Abschnitten hergeleitet, um eine weitere Vereinfachung von Gleichung (2.22) zu erhalten. Hierbei hilft eine Betrachtung von Materie im elektrischen Feld. 2.5.1. Kondensator ohne Dielektrikum Zwischen den Platten eines Plattenkondensators befinde sich ein Vakuum. Die charakteristische Größe eines Kondensators ist dessen Kapazität C. Sie ist definiert über: C Q U (2.23) Andererseits hängt C von der Plattenfläche A und dem Plattenabstand d ab: C A d (2.24) wobei die benötigte Proportionalitätskonstante die elektrische Feldkonstante darstellt. Ist die Fläche A der Platten hinreichend groß gegenüber ihrem Abstand d, so herrscht zwischen ihnen ein homogenes elektrisches Feld E mit der Stärke: 13 E U d (2.25) Dabei ist U die Spannung, die an den Platten angelegt ist. Die Flächenladungsdichte V entspricht der Gesamtladung Q pro Fläche A. Andererseits muss sie der angelegten Feldstärke proportional sein. Also: V Q 0E A (2.26) 2.5.2. Kondensator mit Dielektrikum Zwischen den Platten des Kondensators befinde sich nun ein Dielektrikum. Bringt man zwischen die Platten des Kondensators einen den Strom nicht leitenden Stoff, ein sogenanntes Dielektrikum, so beobachtet man, dass im Falle konstanter Spannung während des Einbringens ein Strom zum Kondensator fließt. Diese zusätzlichen Ladungen erhöhen die Flächenladungsdichte um einen Faktor r mit r 1: D r V (2.27) Da die Spannung zwischen den Kondensatorplatten konstant gehalten wird, erzeugt der Kondensator auch nach dem Einbringen des Dielektrikums nach (2.25) dieselbe Feldstärke E und es gilt (2.26). Da sich die Flächenladungsdichte von V nach (2.27) auf D erhöht hat, kann man die Differenz P der Flächenladungen wie folgt schreiben: P D V V ( r 1) 0 ( r 1)E Analog zu (2.26) erzeugt Flächenladungsdichte P : P Q A eine zusätzliche (2.28) Ladungsmenge Q die zusätzliche (2.29) 14 Oder differentiell: P dQ dA (2.30) Betrachtet man nun ein Volumenelement dV mit der Stirnfläche dA und der Dicke d , so ist diesem Volumenelement ein elektrisches Dipolmoment d zuzuordnen, das sich aus der Ladung dQ und dem Abstand d der positiven und negativen Ladungen voneinander ergibt: d dQd (2.31) Einsetzen von (2.30) und dV dA d liefert: d dQd P dAd P dV (2.32) Den Quotienten aus Dipolmoment und Volumen nennt man die elektrische Polarisation: P d P dV (2.33) Durch Einsetzen von (2.33) in (2.28) erhält man: P 0 ( r 1)E (2.34) Oder vektoriell: P 0 ( r 1)E (2.35) 2.6. Molpolarisation Pmol und Molrefraktion Rmol Gleichung (2.35) kann man nun in 2.22 einsetzen: r 1 2 E ( r 1) 0E E 3kBT 3 (2.36) Kürzen von E und Umformen liefert mit NA / Vmol : r 1 NA r 2 3 0Vmol 2 3kBT Multipliziert man diese Gleichung mit Vmol (2.37) M erhält man die Debye-Gleichung: 15 r 1 M NA 2 E A r 2 3 0 3kBT (2.38) Dabei sind Vmol das molare Volumen, M die Molmasse und die Dichte des Stoffes. Nach Clausius-Mosotti wird die linke Seite dieser Gleichung als Molpolarisation Pmol bezeichnet: Pmol r 1 M r 2 (2.39) Arbeitet man nun mit Frequenzen im sichtbaren Bereich, so gilt die Maxwell-Beziehung r n 2 . Es sei hier daran erinnert, dass n und damit auch r frequenzabhängig ist. Im sichtbaren Bereich kommt hauptsächlich der elektronische Anteil zum Tragen und man erhält die Gleichung von Lorenz und Lorentz: Rmol n 2 1 M NA E n 2 2 3 0 (2.40) Man bezeichnet Rmol analog zu (2.39) als Molrefraktion. Molpolarisation und Molrefraktion hängen somit von der molaren Masse der untersuchten Substanz ab. Zur Information: r und n sind normalerweise komplexe Größen (!) wobei der Imaginärteil hier weggelassen wird. 2.7. Frequenzabhängigkeit der Polarisation Die Polarisierbarkeit eines Stoffes ist nicht über den gesamten Frequenzbereich konstant. Diese Frequenzabhängigkeit der Polarisation (und damit auch der Polarisierbarkeit) ist in der Abbildung dargestellt. Im Radio- und Mikrowellenbereich können die Elektronen und Ionen wegen der geringen Energie des Feldes zwar nicht in einen angeregten Zustand versetzt werden, dem 16 angelegten elektrischen Feld aber trotzdem folgen und durch diese Verschiebung zur Gesamtpolarisation beitragen. Außerdem können permanente Dipole orientiert werden und diese tragen maßgeblich zur Gesamtpolarisation bei. Erhöht man die Frequenz über den Bereich der Mikrowellen hinaus, so können die Dipole dem schnellen Wechselfeld nicht mehr folgen und somit nicht mehr zur Gesamtpolarisation beitragen. Erhöht man die Frequenz bis in den sichtbaren Bereich und darüber hinaus können auch die schweren Atomkerne dem Feld nicht mehr folgen und auch deren Beitrag verschwindet. Der Betrag der jeweiligen Anteile zur Gesamtpolarisationen ist allerdings nicht über den gesamten Frequenzbereich konstant, wie das im obigen Bild durch die waagrechten Punktlinien angedeutet ist. Außerdem kommt insbesondere im infraroten Bereich noch ein weiterer Effekt zum Tragen, der im nebenstehenden Bild schematisch dargestellt ist. Jede Infrarot-aktive Schwingung trägt separat zur Polarisierbarkeit bei. Das Bild zeigt nun den Fall eines dreiatomigen, linearen Moleküls, wie z.B. HCN (hier gibt es vier solcher Schwingungen, bei denen allerdings 2 entartet sind) oder den Fall eines nichtlinearen dreiatomigen Moleküls, wie z.B. H2O oder SO2, welches 3 Schwingungen aufweist. Die Frequenzen kann man aus einem Infrarot-Absorptionsspektrum erhalten. Wenn das angelegte Feld nun eine dieser Schwingungen anregt, wird die Polarisierbarkeit sehr groß und man erhält eine anomale Dispersion. Diese gibt es allerdings nur im Bereich der Eigenschwingungen des Moleküls. 17 2.8. Bestimmung des Dipolmoments von Gasen Nach (2.39) kann man durch Messungen von r die Molpolarisation bestimmen. Für den Fall permanenter Dipole gilt: Gas Pmol r 1 M NA 2 r 2 3 0 3kBT (2.41) Hat man PM für verschiedene Temperaturen bestimmt, kann man durch Auftragung von PM gegen 1/T das permanente Dipolmoment bestimmen, da temperaturunabhängig ist. 2.9. Bestimmung des Dipolmoments von Molekülen in Lösung Da sich die Dipole eines flüssigen Reinstoffs gegenseitig zu stark beeinflussen, muss man mit einem möglichst unpolaren Lösungsmittel arbeiten. Nach Clausius-Mosotti kann PL aus der Dielektrizitätskonstanten der Lösung berechnet werden: PL r ,L 1 ML r ,L 2 L (2.42) Das Molekulargewicht einer Lösung ML setzt sich dabei aus der Summe der jeweiligen Produkte von Molenbruch (xG, xLM) und Molekulargewicht (MG, MLM) des gelösten Stoffes G und des Lösungsmittels LM zusammen: PL r ,L 1 xGMG xLM MLM r ,L 2 L (2.43) Die Molpolarisation PL einer Lösung ist gleich der Summe der jeweiligen Produkte von Molpolarisation (PG, PLM) und Molenbruch (xG, xLM) der einzelnen Stoffe: PL xGPG xLM PLM (2.44) Für die Molrefraktion RL der Lösung gilt analog: nL2 1 xGMG xLM MLM RL 2 nL 2 L (2.45) sowie der Zusammenhang zwischen RL, RG und RLM: RL xGRG xLM RLM (2.46) Für das weitere Vorgehen eignen sich die Methoden von Hedestrand, Guggenheim und Smith [18]. 18 2.10. Dipolmeter Ein Dipolmeter besteht im Wesentlichen aus einem Messkondesator, in dem sich das Medium, dessen Dielektrizitätskonstante bestimmt werden soll, befindet. Zur Messung der Dielektrizitätskonstanten wird ein Schwingkreis, der aus einer Spule, dem Messkondensator und einem Drehkondenstor besteht, mit einem Sinusgenerator konstanter Frequenz angeregt. Die Eigenfrequenz des Schwingkreises kann durch Variation des Drehkondensators so eingestellt werden, dass sie mit der Frequenz des Sinusgenerators übereinstimmt. Die so eingestellte Kapazität des Drehkondensators hängt von der Kapazität des Messkondensators und damit auch von der Dielektrizitätskonstante des Mediums ab. Ob der Sinusgenerator und der Schwingkreis dieselbe Frequenz haben sieht man durch Darstellung von Lissajous-Figuren auf einem Oszillographen. Dort wird eine Frequenz an der x-Achse angelegt und die andere an der y-Achse. Eine Übereinstimmung der Frequenz erkennt man daran, dass die Lissajous-Figur eine gerade Linie wird. Normalerweise werden zwei Schwingkreise zur Realisierung einer Lissajours-Figur benötigt. Dadurch dass der Schwingkreis vom Erreger durch einen hinreichend großen Widerstand R getrennt ist, ist es möglich die Schwingungen beider Systeme gegenseitig aufzutragen. 19 2.11. Abbé-Refraktometer Die Abbildung zeigt ein AbbéRefraktometer, mit dem der Brechungsindex von Flüssigkeiten im Messbereich n = 1,3 bis 1,7 mit einer Genauigkeit von 0,0005 bestimmt werden kann. Bei diesem wird die Brechung des eintreffenden Lichtes an der Probeflüssigkeit zwischen den beiden Prismen gemessen. Da das eine optische Medium stets das gleiche Glas von bekanntem Brechungsindex ist, braucht man bei den verschiedenen Flüssigkeiten nur den jeweiligen Grenzwinkel genau zu messen, auf den man das Prisma P1 drehen muss, um die Strahlen durch das Okular zu lenken. Aus diesem Winkel kann man dann aus Tabellen oder durch Ablesung von am Instrument angebrachten Skalen die Werte für n ermitteln. Beobachtet wird immer eine ausgeprägte Hell/Dunkel-Grenze, auf die mit Hilfe eines Fadenkreuzes scharf eingestellt wird. 20 3. VERSUCHSDURCHFÜHRUNG Eine Fehlerquelle ist das Vorhandensein von Wasser in der Lösung. Daher müssen sowohl das Lösungsmittel als auch die polare Substanz vollkommen trocken sein. Eine gute Beschreibung der Messmethode findet sich in H. Bradford Thompson ''The Determination of Dipole Moments in Solution'', J. Chem. Edu. 43 (1966) 66-73. 3.1. Messungen Der Messkondensator des Dipolmeters wird mit jeder dieser Lösungen bis über den gelochten Deckel befüllt, wobei darauf zu achten ist, dass keine Luftbläschen entstehen. Zur Messung der Permittivitätszahl der Lösung wird der Drehkondensator so lange gedreht, bis man auf dem Oszilloskop am Gerät eine waagrechte Linie entstanden ist. Anschließend stellt man den Bereichsschalter auf Korrektur, gleicht mit dem KorrekturDrehknopf die Lissajours- Figur nochmals auf eine Gerade ab, stellt den Bereichsschalter wieder zurück und dreht ein letztes Mal am Drehkondensator, bis eine Linie entsteht. Die am Dipolmeter abgelesenen Skalenteile können mit der Formel r 0,00177Skt 1,50266 (3.1) in die Dielektrizitätskonstanten umgerechnet werden. Außerdem müssen sie mit dem Abbé-Refraktometer bei denselben Temperaturen den Brechungsindex der Lösungen bestimmen. Hinweis: Eine Kalibrierung im Mai 2015 ergibt r 0,001854Skt 1,470765 (3.1a) 21 4. AUSWERTUNG 4.1. Allgemeine Berechnungen Achtung: Die Auftragungen bei dieser Auswertung sind sehr empfindlich gegen 'Ausreißer', d.h. man lässt besser einen Wert weg, als dass man ein vollkommen falsches Ergebnis erhält. Außerdem ist auf Einheiten aufzupassen, da hier z.B. cm und m in den Formeln zusammen auftreten. Zuerst müssen für die 6 Lösungen bei allen Temperaturen mit Gl. (1.1) bzw. experimentell (Pyknometer) die Dichten von Lösungsmittel und Gelöstem, mit Gl. (3.1) die Dielektrizitätskonstante und mit folgender Formel die Molmasse bestimmt werden: ML xGMG xLM MLM (4.1) Unter der Annahme, dass beim Ansetzen der Lösungen keine Volumendifferenz (VG+VM=100 mL) eintritt, kann man die (temperaturabhängige) Dichte der Lösung wie folgt bestimmen: L (T ) mG mLM mG mLM mL mG mLM VL (T ) VG (T ) VLM (T ) G (T ) LM (T ) (4.2) Anschließend können mit den Gleichungen (2.39) und (2.40) die Molpolarisationen und die Molrefraktionen der Lösungen bestimmt werden. 4.2. Molpolarisation PG und Molrefraktion RG des gelösten Stoffes Umschreiben von Gl. (2.44) liefert hier mit xLM 1 xG : PL (PG PLM )xG PLM (4.3) Da PL und damit auch PG und PLM temperaturabhängig sind, gilt diese Gleichung jeweils nur für T = const. Trägt man nun für jede der gemessenen Temperaturen PL gegen xG auf, so erhält man für die Steigung StgPL xG PG PLM (4.4) und für den Achsenabschnitt AchsPL xG PLM (4.5) Die Molpolarisation PG des gelösten Stoffes ergibt sich also aus der Summe aus Steigung und Achsenabschnitt der Auftragung PL gegen xG: 22 Pg (T ) StgPL xG (T ) AchsPL xG (T ) (4.6) Die obige Darstellung soll nochmals die Temperaturabhängigkeit verdeutlichen. Analog dazu kann man nach Gleichung (2.46) mit xLM 1 xG die Molrefraktion des gelösten Stoffes bestimmen: RL (RG RLM )xG RLM (4.7) Aus der Auftragung RL gegen xG folgt wie oben, dass für jede der gemessenen Temperaturen die Molrefraktion RG des gelösten Stoffes die Summe aus der Steigung StgRL xG und dem Achsenabschnitt AchsRL xG RLM (4.8) RG (T ) StgRL xG (T ) AchsRL xG (T ) (4.9) ist: 4.3. Bestimmung von µperm Aus der Auftragung PL bzw. RL gegen xG kennen wir nach Gl. (4.6) bzw. (4.9) für jede Temperatur T = 15°C...... 35°C die Molpolarisation PG und Molrefraktion RG des gelösten Stoffes. Da bei der Ableitung der Debye- Gleichung (2.38) und der Gleichung nach Lorenz und Lorentz (2.40) keine Einschränkungen bezüglich deren Gültigkeit gemacht wurden, können diese auch für den gelösten Stoff in der Lösung angewendet werden. Bildet man die Differenz aus Gleichung (2.38) und (2.40), so erhält man: PG RG NA 2 E A 3 0 Pol 3kBT NA ERe f 3 0 (4.10) Geht man davon aus, dass die elektronische Polarisierbarkeit E frequenzunabhängig ist, d.h. E ERe f gilt, so ergibt sich: PG RG NA 2 A 3 0 3kBT (4.11) 4.3.1. Methode 1 zur Bestimmung von µperm Die erste Möglichkeit, um µperm zu berechnen, geht davon aus, dass A sehr klein ist, insbesondere viel kleiner als das auf gleiche Einheiten umgeschriebene permanente Dipolmoment, d.h. A 2 3kBT . In diesem Fall vereinfacht sich (4.11) zu: 23 PG RG NA 2 9 0 kBT (4.12) Daraus kann man für jede Temperatur Ti das Dipolmoment berechnen: T i 9 0 (PG RG )kBTi NA (4.13) Da das Dipolmoment temperaturunabhängig ist, müsste sich für jedes µTi derselbe Wert ergeben. Da dies aufgrund der Messfehler sicher nicht der Fall sein wird, berechnet sich das endgültige permanente Dipolmoment µperm nach dieser 1. Methode aus dem Mittelwert der Einzelwerte µTi. Bemerkung: Die gleiche Auswerteformel (4.13) erhält man, wenn im sichtbaren Frequenzbereich der Anteil der atomaren Polarisierbarkeit A noch (zumindest teilweise) vorhanden wäre. Dann stünde nämlich in der Gleichung nach Lorenz und Lorentz (2.40) nicht E, sondern A+E und (4.10) bzw. (4.11) würde sich sofort zu (4.12) vereinfachen. 4.3.2. Methode 2 zur Bestimmung von µperm Eine andere Möglichkeit, µperm zu bestimmen, ohne A zu vernachlässigen, besteht darin, den Zusammenhang zwischen PG, RG und T aus Gl. (4.11) graphisch auszuwerten. Trägt man nämlich (PG- RG) gegen 1/T auf, so erhält man eine Gerade mit Steigung Stg( PG RG )1/T NA 2 9 0 kB (4.14) aus der man das permanente Dipolmoment leicht berechnen kann. Ferner kann man aus dem Ordinatenabschnitt Achs( PG RG )1/T NA A 3 0 (4.15) A berechnen und damit entscheiden, ob die Annahme aus der 1. Methode zur Berechnung von µperm gerechtfertigt ist. 4.3.3. Methode 3 zur Bestimmung von µperm Die dritte Methode zur Bestimmung von µperm verzichtet vollständig auf RG. Betrachtet man nämlich die Molpolarisation PG des gelösten Stoffes (Gl. (2.38)), so kann man analog (4.14) µperm direkt aus der Steigung der Auftragung von PG gegen 1/T erhalten: StgPG 1/T NA 2 9 0 kB (4.16) 24 Nach dieser Methode ergibt sich der Ordinatenabschnitt zu NA ( E A ) (4.17) 3 0 Hieraus kann man dann (E+A) bestimmen und mit Hilfe des bekannten A aus Gl. (4.15) E berechnen. Nun ist man in der Lage, die jeweiligen Beiträge zur Molpolarisation und zur Molrefraktion einzeln zu vergleichen. Dies ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn das permanente Dipolmoment zuvor mittels µ²/3kBT auf gleiche Einheiten wie A und E gebracht wurde. Als Temperatur wählt man dabei die beiden Grenzwerte T = 15 und 35°C. Ferner ist es absolut notwendig, die drei zu vergleichenden Größen mit ihren Fehlern anzugeben. Eine sinnvolle graphische Darstellung dieses Vergleichs ist in der Auswertung ebenfalls anzugeben. Was kann man aus den Werten von A(G), E(G) und µ²/3kBT schließen? War die Vernachlässigung von A(G) bzgl. µ²/3kBT in der 1. Methode zur Berechnung von µperm gerechtfertigt? Falls nein, wie kann man die relativ gute Übereinstimmung der Ergebnisse nach dieser Methode mit dem Literaturwert erklären? Interessant ist auch ein Vergleich (inkl. Fehler) mit E(LM) bzw. A(LM), welches sich aus RLM bzw. PLM-RLM nach Gl. (4.8) bzw. (4.5) und der Debye-Gleichung nach Lorenz und Lorentz (2.40) berechnen lässt. AchsPG 1/T 4.4. Aufgabenstellung der Auswertung 1. Nach den Gleichungen von Clausius-Mosotti (vgl. (2.39)) bzw. von Lorenz- Lorentz (vgl. (2.40)) wird zuerst PL bzw. RL berechnet. Hierzu werden die molaren Massen und die Dichte der Lösung sowie die Permittivitätszahl r bzw. der Brechungsindex n benötigt. 2. Anschließend werden für die verschiedenen Temperaturen über die Auftragung PLxG (Gl. (4.3)) bzw. RLxG (Gl. (4.7)) die Werte für PG bzw. RG aus der Steigung berechnet. 3. Berechnung der permanenten Dipolmomente nach den drei Methoden: (a) unter Vernachlässigung von A (Gl. (4.12)) (b) unter Berücksichtigung von A (Gl. (4.11) sowie Abschnitt 4.3.2.) (c) unter Vernachlässigung von RG (Gl. (2.38) sowie Abschnitt 4.3.3.) 4. Bestimmung von A über die Gleichungen (4.11) und (4.17) und Vergleich der beiden Werte 5. Bestimmung von A über Gl. (2.40) 6. Ausführliche Diskussion der drei Bestimmungsmethoden des permanenten Dipolmoments, d.h. (a) Darf A vernachlässigt werden (ja / nein)? (b) Warum ist der µ-Wert aus der ersten Methode näher am Literaturwert? 7. Ausführliche Diskussion der A –Werte und Vergleich mit dem E –Wert sowie mit µ2/3kBT 8. Vergleich mit Literaturwerten, d.h. Dipolmomente für Cyclohexanon in Cyclohexan in der einschlägigen Literatur suchen!! 9. Fehlerrechnung: Größtfehlerabschätzung nach Gauß, d.h. nach jeder fehlerbehafteten Größe ableiten (siehe Abschnitt 5) 25 4.5. Zusätzliche Fragen Die im Folgenden zusätzlichen Fragen sind im Protokoll ausführlichst zu bearbeiten! Die Vortragsteams sollen alle Fragen beantworten. Andere Teams sollen die Fragen 1, 2, 4, 5, 8 und 9 beantworten. Prinzipiell dienen alle Aufgaben als Lernzielkontrolle sowie zur Vertiefung des Lernstoffes. 1. Es sind die permanenten Dipolmomente für Chlorethan, Chlorbenzol und Cyclohexanon (unter Angabe des Lösungsmittels) anzugeben sowie die Unterschiede nach dem Prinzip der Additivität (I / M-Effekt) eindeutig und klar zu erklären. 2. Bei welchen Punktgruppen ist immer mir einem permanenten Dipolmoment zu rechnen? 3. Diskutieren Sie ausführlich die Unterschiede der Prozeduren von „Halverstadt und Kumler“ und von Guggenheim [2, 6, 9-11]. Vergleichen Sie anschließend explizit die Vor- und Nachteile dieser beiden Methoden. 4. Erläutern Sie ob und in wie weit die Verschiebungspolarisation die Orientierungspolarisation beeinflusst und/oder umgekehrt. 5. Wie wird eine Lissajours- Figur erzeugt? (u.U. mit mathematischen Formeln) 6. Erklären Sie kurz den Begriff des „Hohlraumfeldes“ nach der Debye’schen Theorie. 7. Beschreiben Sie die Korrekturen, die Onsager bzw. Kirkwood bzgl. des elektrostatischen Feldansatzes (Reaktionsfeld) und Higasi, Ross und Sack bzgl. der Molekülform eingeführt haben [6, 12-14]. [absolut notwendig für Vortragsgruppe!] 8. Geben Sie für die Substanzen Luft, SO2, flüssige Luft, Benzol, Chloroform, Nitrobenzol und Wasser die r - Werte an (inkl. Literaturstellen). 9. In Abbildung 2.7 sind 3 „Haken“ zwischen den Frequenzbereichen IR und UV zu sehen. Wodurch kommt dieses Verhalten zustande? 5. FEHLERRECHNUNG Der Literaturwert für das Dipolmoment von Cyclohexanon beträgt laut dem 'Handbook of Chemistry and Physics' 2.8D in Benzol. Prof. Dakkouri erhielt für das Dipolmoment in der Gasphase mit ab initio-Rechnungen Werte zwischen 3.4 und 3.8D. Die Fehlerrechnung muss hier nur für das Dipolmoment vorgenommen werden. Es müssen folgende Fehler in einer Größtfehlerrechnung verrechnet werden: Ablesefehler Dipolmeter, Ablesefehler Refraktometer, Fehler der Pipette, Fehler der Kolben sowie der Temperaturfehler. Grundsätzlich ist nach jeder fehlerbehafteten Größe abzuleiten! Die einzelnen Schritte der Ableitungen sind explizit im Protokoll aufzuführen. 5.1. Fehler der Dichte Für die Dichte von Lösungsmittel und Gelöstem gilt Formel (1.1). Der Fehler hierfür errechnet sich nach der bekannten Formel für die fehlerbehafteten Größen. Die Temperatur entspricht hier der Umgebungstemperatur, z.B. 21°C. 26 5.2. Fehler des Molenbruchs Umschreiben von Gl. (1.2) liefert: xG GVG LM (Vges VG ) V MG G G MG MLM (5.1) Hierbei wird für die Fehler der Dichten G bzw. LM angenommen. VG ist der Fehler der Bürette und Vges wird als Fehler des Messkolbens verwendet. Nach dem partiellen Ableiten der Gleichung (5.1) nach den einzelnen fehlerbehafteten Größen, wird xG in die Gleichungen (5.3) und (5.5) eingesetzt. 5.3. Fehler der Molaren Masse Umschreiben von Gl. 4.1 liefert: ML xG (MG MLM ) MLM (5.2) Für den Fehler gilt dann: ML ML xG xG (5.3) Wird bei der in der Auswertung durchgeführten Berechnung kein ML sondern die Größen MLM und MG direkt eingesetzt, entfällt dieser Teilabschnitt. 5.4. Fehler der Permittivitätszahl In diesen Fehler gehen natürlich auch die Fehler aus den Molenbrüchen der Lösungen ein. Diese wollen wir allerdings nur so weit berücksichtigen, indem wir den Fehler über die Messgenauigkeit des Dipolmeters abschätzen und verdoppeln: Für die Umrechnung von Skalenteilen auf die dielektrische Konstante gilt Gl. 3.1. Für den Fehler gilt dann: r r Skt Skt (5.4) 2 0,00177 Skt 5.5. Fehler der Dichte bei der Messtemperatur Für die Dichte der Lösung gilt die folgende Formel: 27 pL xG G xLM LM xG ( G LM ) LM (5.5) Die Dichten von Lösungsmittel und gelöstem Stoff sind temperaturabhängig (1.1)! Der Fehler der Temperatur beim Abfüllen steckt bereits in xG : deshalb gilt für den Fehler: L xG L T xG T L (5.6) Die Temperatur entspricht hier der Messtemperatur mit T 0,5 °C. 5.6. Fehler der Molpolarisation und Molrefraktion Der Fehler der Molpolarisation errechnet sich nach der bekannten Formel für die fehlerbehafteten Größen aus Gl. (2.39): Pmol P P r mol ML mol L r ML L PL (5.7) Der Fehler der Molrefraktion wird analog dieser Gleichung durchgeführt. 5.7. Fehler des Dipolmoments Wenn in einem Diagramm eine Reihe von N y-Werten gegen eine Reihe von N x-Werten aufgetragen wird, gilt für die Steigung der Ausgleichsgerade y=m x+c : m N xy x y (5.8) N x ² x ² und für den Fehler der Steigung: N m N x ² x ² y (5.9) Dabei gilt: N x xi x1 x2 ... xN (5.10) i 1 2 N x ² xi x1 x2 ... xN ² i 1 (5.11) N x ² xi ² x1 ² x2 ² ... xN ² (5.12) i 1 Das heißt, i.A. gilt: 28 x ² x ² (5.13) Im vorliegenden Fall wird in y-Richtung (siehe Formel 4.3) PL und in x-Richtung xG aufgetragen. Dadurch erhält man mit obiger Formel für die Steigungen StgPL xG die Fehler StgPL xG . Analoge Betrachtungen gelten auch für StgRL xG (Gl.(4.7)), sowie für die abschließende Bestimmung von perm über die Auftragung PG bzw. PG-RG gegen 1/T (Gl.(4.14)). Alternativ zu obiger analytischer Vorgehensweise kann man die Fehler auch aus dem Standardfehler der Steigung und des Achsenabschnittes erhalten (z.B. RGP-Funktion). Kennt man nach einer der beiden oben angesprochenen Methoden Stg( PG RG )1/T , so berechnet sich perm wie üblich nach (vgl. Gl. (4.14)) perm Stg( PG RG )1/T Stg( PG RG )1/T 9k 0 1 Stg( PG RG )1/T 2 N AStg( PG RG )1/T (5.14) Der hier berechnete Fehler enthält allerdings nicht alle möglichen Fehlerquellen, insbesondere das Vorhandensein von Spuren von Wasser in der Lösung, und sollte zur Sicherheit mit einem Faktor von 2 multipliziert werden. 5.8. Fehler von A und E Die Fehler für A und E werden graphisch aus den Diagrammen ermittelt. Falls die Möglichkeit besteht, kann auch eine rechnerische Abschätzung erfolgen! Minimum ist jedoch die graphische Abschätzung. 29 LITERATURVERZEICHNIS [1] G. Wedler. Lehrbuch der Physikalischen Chemie. Verlag Chemie, Weinheim [2] The Determination of Dipole Moments in Solution H. Bradford Thompson, J. Chem. Edu. 43 (2) (1966) 66-73. [3] G.M. Barrow. Physikalische Chemie Teil 1 [4] R.J.W. Le Févre. Dipol Moments. Methuen Co. Ltd., London, 1964 [5] H.D. Försterling, H. Kuhn. Physikalische Chemie in Experimenten. Weinheim Verlag Chemie, 1971. K06, QD 457, 1971 F. [6] C.P. Smyth. Dielectic Behaviour and Structure. McGRAW-HILL BOOK COMPANY, New York, Toronto, London, 1955. [7] S.F.A. Kettle. Symmetrie und Struktur. Teubner Studienbücher Chemie, Stuttgart, 1994. [8] I.-P- Lorenz. Gruppentheorie und Molekülsymmetrie – Anwendung auf Schwingungs- und Elektronenzustände. Attempto Verlag, Tübingen, 1992. [9] I.F. Halverstadt and W.D. Kumler, J. Am. Chem. Soc. 64 (1942) 2988. [10] E.A. Guggenheim, Trans. Faraday. Soc. 45 (1949) 714. [11] E.A. Guggenheim, Trans. Faraday. Soc. 47 (1951) 573. [12] L. Onsager, J. Am. Chem. Soc. 58 (1936) 1486. [13] K. Higasi, Sci. Papers Inst. Phys. Chem. Res., 28 (1936) 284. [14] I.G. Ross and R.A. Sack, Proc. Phys. Soc. B 63 (1950) 893. [15] Kohlrausch, Praktische Physik 3. BG Teubner, Stuttgart. [16] A. Weissberger. Physical Methoda of Organic Chemistry Part III, volume 1 of Technique of Organic Chemistry, Interscience publishers, New York, 3rd ed. 1960. [17] John Eggert. Lehrbuch der Physikalischen Chemie. [18] C.W. Garland, J.W. Nibler, D.P. Shoemaker, Experiments in Physical Chemistry, McGraw-Hill, 8th ed. 2009, Exp. 29/30. 30 MESSPROTOKOLL PC FP VERSUCH 1 – DIPOLMOMENT Datum: Namen: ____________________ ____________________ gelöster Stoff: Molenbruch x = 0,005 x = 0,01 x = 0,015 x = 0,025 x = 0,05 x = 0,1 Team: Betreuer: Lösemittel: Temperatur 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C Skalenteile Brechungsindex n 31 ERGEBNISBLATT PC FP VERSUCH 1 – DIPOLMOMENT Datum: Namen: ____________________ ____________________ gelöster Stoff: Team: Betreuer: Lösemittel: Ergebnisse: (Fehlerangaben sind obligatorisch!) 1. Dipolmoment nach Methode 1: Temperatur 15°C 20°C 25°C 30°C 35°C Dipolmoment / D Mittelwert für das berechnete Dipolmoment und die atomare Polarisierbarkeit (inkl. Fehlerangabe): 2. Dipolmoment und atomare Polarisierbarkeit nach Methode 2: 3. Dipolmoment, atomare und elektrische Polarisierbarkeit (Methode 3): 4. elektronische Polarisierbarkeit mittels RG: Literaturwerte: (für Dipolmoment und Polarisierbarkeiten!) Anlagen: 1.) PL- und RL- Diagramme inkl. Fehlerbalken 2.) Diagramm PG - RG gegen 1/T 3.) Diagramm PG gegen 1/T 4.) Diagramm RG gegen T. 32