Kapitel 22

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§22 Der Poissonprozess
ô
Eines der am meisten verwendeten Modelle der Stochastik ist der sogenannte Poissonprozess. Wir werden einen
Poissonprozess dabei als "infinitesimalen" Bernoulliprozess definieren und damit ein tiefes Verständnis für
Poissonprozesse erzeugen. Viele interessante Eigenschaften von Poissonprozessen lassen sich damit nämlich auf
oft sehr einfache Weise herleiten.
Mit einem Poissonprozess sind wieder eine Reihe von Verteilungen eng verbunden. Es handelt sich dabei um die
Poissonverteilung, die Gammaverteilung und (als Spezialfälle der Gammaverteilung) die Erlangverteilung und
die Exponentialverteilung. Wir werden ausführlich darauf eingehen, bei welchen Fragestellungen diese
Verteilungen auftreten und welche Eigenschaften diese Verteilungen besitzen. Außerdem werden wir wieder an
Hand von zahlreichen Beispielen zeigen, wie mit diesen Verteilungen gearbeitet wird.
22.1 Der Poissonprozess
Sei X Œ n ein vorgegebener Bereich, den wir in lauter "infinitesimale" Teilbereiche „ X mit gleicher Länge bzw
gleichem Flächeninhalt bzw gleichem Volumen †„ X§ zerlegen. Wichtige Beispiele dafür sind die Bereiche X = und X = @0, ¶@, die wir in lauter "infinitesimale" Intervalle der Form @t, t + „ tD zerlegen sowie Bereiche X Œ 2 ,
die wir in lauter "infinitesimale" Rechtecke der Form @s, s + „ sD µ @t, t + „ tD zerlegen.
Mit dieser Vorbereitung sind wir nun in der Lage, den Begriff des Poissonprozesses inhaltlich zu definieren:
22.1.1 Definition: Wir betrachten ein Zufallsexperiment, bei dem ein gewisses Ereignis A mit der infinitesimalen Wahrscheinlichkeit l †„ X§ eintreten kann (tritt das Ereignis A ein, so spricht man von einem Erfolg).
Wird dieses Zufallsexperiment laufend in jedem "infinitesimalen" Bereich „ X unabhängig wiederholt, so sagt
man, auf dem Bereich X liegt ein Poissonprozess mit Intensität l vor. Wie wir sehen werden, entspricht die
Intensität l der mittleren Anzahl der Erfolge im Einheitsbereich.
Einfache Beispiele für Poissonprozesse sind
ä die Zeitpunkte, in denen eine radioaktive Substanz a-Teilchen emittiert;
ä die Zeitpunkte, in denen bei einer Telefonzentrale Anrufe eintreffen;
ä die Zeitpunkte, in denen bei einer Bedienungsanlage (Server) Forderungen (Nachrichten) eintreffen;
ä die Zeitpunkte, in denen (bei schwachem Verkehr) Fahrzeuge eine bestimmte Zählstelle kreuzen;
ä die Orte, in denen ein Garn Noppen aufweist;
ä die Orte, in denen ein Stück Stahlblech Fremdkörpereinschlüsse aufweist;
ä die Orte eines lichten Waldes, in denen Bäume wachsen;
ä die Orte, in denen sich zu einem gewissen Zeitpunkt die Moleküle eines idealen Gases befinden;
ä die Positionen der Sonnen eines Kugelsternhaufens.
Mit dem Befehl PoissonProzess@S, lD lässt sich eine zufällige Realisierung w eines eindimensionalen Poissonprozesses erzeugen. Die Liste S = 8s1 , s2 < beschreibt das Intervall @s1 , s2 D, in dem wir diese zufällige Realisierung
w beobachten, der Parameter l entspricht der mittleren Anzahl der Erfolge im Einheitsintervall @0, 1D. Die roten
Punkte kennzeichnen jene Zeitpunkte, in denen das Ereignis A eintritt, also ein Erfolg zu verzeichnen ist:
22_Der_Poissonprozess.nb
119
PoissonProzess@80, 10<, 3D
2
4
6
8
10
Mit dem Befehl PoissonProzess2D@S, T, lD lässt sich eine zufällige Realisierung w eines zweidimensionalen
Poissonprozesses erzeugen. Die Listen S = 8s1 , s2 < und T = 8t1 , t2 < beschreiben das Rechteck @s1 , s2 D µ @t1 , t2 D, in
dem wir diese zufällige Realisierung w beobachten, der Parameter l entspricht der mittleren Anzahl der Erfolge im
Einheitsquadrat @0, 1D µ@0, 1D. Die roten Punkte kennzeichnen jene Punkte, in denen das Ereignis A eintritt, also ein
Erfolg zu verzeichnen ist.
PoissonProzess2D@820, 60<, 810, 20<, 0.5D
20
18
16
14
12
10
20
30
40
50
UniformProzess2D@S_List, T_ListD := Module@8n, liste, posliste, punkte<,
n = RandomInteger@UniformDistribution@SP2T - SP1T, TP2T - TP1TDD;
liste = Table@8RandomReal@SD, RandomReal@TD<, 8n<D;
punkte = Table@Graphics@[email protected], Red, Point@listePiTD<D, 8i, 1, n<D;
Show@8punkte<, Axes Æ True, AxesOrigin Æ 8SP1T, TP1T<, PlotRange Æ 8S, T<, AspectRatio Æ AutomaticDD
tp = Table@8RandomReal@UniformDistribution@20, 60DD, RandomReal@UniformDistribution@10, 20DD<, 8200<D;
ListPlot@tp, PlotStyle -> [email protected], AspectRatio Æ AutomaticD
20
18
16
14
12
30
40
50
Mit einem Poissonprozess mit Parameter l sind wieder eine Reihe von Zufallsvariablen bzw Verteilungen eng
verbunden. Wir werden nun diese Zufallsvariablen zusammen mit ihren Eigenschaften und Verteilungen angeben
und diese Verteilungen in den folgenden Abschnitten im Detail besprechen.
22.1.2 Definition: Für jede Teilmenge B Œ X mit endlichem Inhalt †B§ bezeichne die Zufallsvariable ZB die
Anzahl der Erfolge in der Menge B. Die diskrete Zufallvariable ZB ist wegen der Formel von Bernoulli mit den
Parametern n = †B§ ꆄ B§ und p = l †„ B§ binomialverteilt und damit wegen des Gesetzes der seltenen Ereignisse
@l †B§D-verteilt.
Wenn von einem Poissonprozess mit Intensität l auf dem Bereich X Œ n die Rede ist, so versteht man in der
22_Der_Poissonprozess.nb
120
Wenn von einem Poissonprozess mit Intensität auf dem Bereich
die Rede ist, so versteht man in der
Stochastik darunter stets diese Familie = 8ZB ˝ B m X< von Zufallsvariablen. (Mit B m X bezeichnen wir dabei
jeweils eine Teilmenge B von X mit endlichem Inhalt †B§.)
Sei = 8ZB ˝ B m X< ein Poissonprozess mit Intensität l auf dem Bereich X. Da wir Poissonprozesse als infinitesimale Bernoulliprozesse definiert haben, folgt unmittelbar aus Bemerkung 21.1.6
22.1.3 Bemerkung: Für paarweise disjunkte Teilmengen B1 , B2 , … Œ X mit endlichem Inhalt sind die
Zufallsvariablen ZB , ZB , … vollständig unabhängig.
1
2
Diese Eigenschaft zusammen mit der Eigenschaft, dass die Zufallsvariablen ZB mit dem Parameter l †B§ poissonverteilt sind, ist charakteristisch für einen Poissonprozess:
22.1.4 Bemerkung: Besitzt die Familie = 8ZB ˝ B m X< von Zufallsvariablen die beiden Eigenschaften
a) für alle B m X ist die Zufallsvariable ZB mit dem Parameter l †B§ poissonverteilt;
b) für paarweise disjunkte B1 , B2 , … m X sind die Zufallsvariablen ZB , ZB , … vollständig unabhängig,
1
2
so handelt es sich bei dieser Familie = 8ZB ˝ B m X< um einen Poissonprozess mit Intensität l.
Die folgende Eigenschaft eines Poissonprozesses = 8ZB ˝ B m X< ist oft von zentraler Bedeutung:
22_Der_Poissonprozess.nb
121
22.1.5 Satz: Für beliebige Teilmengen B m X und alle n œ sind unter der Voraussetzung 8ZB = n< die Positionen X1 , X2 , …, Xn dieser n Erfolge in der Menge B vollständig unabhängig und auf B gleichverteilt.
ô
Beweis: Seien B m X und n œ beliebig aber fest gewählt. Für die paarweise disjunkten "infinitesimalen" Bereiche
„ X1 , „ X2 , … „ Xn Œ B gilt wegen Bemerkung 21.1.3 und der Tatsache dass sich n Dinge bekanntlich auf n !
verschiedene Arten anordnen lassen
@8X1 œ „ X1 < › … › 8Xn œ „ Xn < 8ZB = n<D =
=
@8Z„X = 1< › … › 8Z„Xn = 1< › 8ZB-H„X ‹…‹„X L = 0<D
n
1
1
n ! @8ZB = n<D
=
=1
=‰-l †B§
=1
ò
„ X1 „ X2 … „ Xn
‰-l †„X1 § l †„ X1 § … ‰-l †„Xn § l †„ Xn § ‰-lH†B§-†„X1 §-…-†„Xn §L
=
=
†B§n
‰-l †B§ Hl †B§Ln
ò
Basierend auf diesem Satz lässt sich ein Poissonprozess mit Intensität l auf einem beliebigen Bereich X m d leicht
simulieren: Man erzeugt dazu zuerst eine mit dem Parameter l †X§ poissonverteilte Zufallszahl n und wählt
anschließend n auf der Menge X gleichverteilte Punkte aus.
22.1.6 Beispiel: Man entwickle eine Prozedur, mit der sich eine Realisierung w eines zweidimensionalen
Poissonprozesses mit Parameter l auf dem Rechteck @S1 , S2 D µ @T1 , T2 D Œ 2 simulieren und graphisch
darstellen lässt.
ô
Wir wollen nun eindimensionale Poissonprozesse = 8ZB ˝ B m < mit Intensität l näher untersuchen. Aus der
Tatsache, dass wir einen Poissonprozess als "infinitesimalen" Bernoulliprozess definiert haben, erhält man unmittelbar die beiden Eigenschaften:
22.1.7 Regenerationseigenschaft: Ein eindimensionaler Poissonprozess = 8ZB ˝ B m < mit Intensität l
verhält sich von einem beliebigen Zeitpunkt t œ an genau so, wie ein zu diesem Zeitpunkt t neu gestarteter,
`
vom bisherigen Verhalten des Prozesses unabhängiger Poissonprozess = 8Z̀ B ˝ B m @0, ¶@< mit Intensität l.
22.1.8 Zeitreversibilität: Invertiert man bei einem eindimensionalen Poissonprozess = 8ZB ˝ B m < mit
Intensität l die Richtung der Zeit (das bedeutet, dass man alle Realisierungen w dieses Prozesses am Ursprung
è
è
spiegelt), so erhält man wieder einen eindimensionalen Poissonprozess = 8Z B ˝ B m < mit Intensität l.
Sowohl die Regenerationseigenschaft als auch die Zeitreversibilität eines eindimensionalen Poissonprozesses lässt
sich am Ticken eines Geigerzählers (es handelt sich dabei um jene Zeitpunkte, in denen ein a-Teilchen einer
radioaktiven Substanz, von der wir annehmen wollen, dass sie eine sehr lange Halbwertszeit besitzt, den Geigerzähler trifft) gut veranschaulichen:
Die Regenerationseigenschaft entspricht der Tatsache, dass für einen beliebigen Zeitpunkt t der bisherige Verlauf
des Tickens keinen Einfluss auf den Verlauf des Tickens ab diesem Zeitpunkt t hat und sich das Ticken dieses
Geigerzählers ab diesem Zeitpunkt t nicht vom Ticken eines zum Zeitpunkt t neu gestarteten Geigerzählers unterscheidet.
Die Zeitreversibilität beschreibt die Tatsache, dass es unmöglich ist, von einem auf Tonband aufgenommenen
Ticken zu entscheiden, ob das Tonband vorwärts oder rückwärts abläuft.
22.1.9 Definition: Ist = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l, so nennt man für
jedes n œ die Zufallsvariable
22_Der_Poissonprozess.nb
122
jedes n
die Zufallsvariable
Yn = Min 8s ˝ s > 0 und ZD 0, sD = n<
die Wartezeit bis zum n-ten Erfolg.
22.1.10 Satz: Ist = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l, so ist die Wartezeit Yn
bis zum n-ten Erfolg amma@n, 1 êlD-verteilt. Wegen Bemerkung 14.2.17 ist die Wartezeit Y1 bis zum ersten
Erfolg somit @lD-verteilt.
ô
Beweis: Für alle n œ 81, 2, …< und alle y > 0 gilt
Yn @yD = @8Yn § y<D = 1 - @8Yn > y<D = 1 - @8ZD 0, yD § n - 1<D
Die Behauptung folgt damit unmittelbar aus der Tatsache, dass bei einem eindimensionalen Poissonprozess mit
Intensität l die Anzahl der Erfolge ZD 0, yD im Intervall D 0, yD bekanntlich @l yD-verteilt ist, zusammen mit der
Identität
FullSimplify@1 - CDF@PoissonDistribution@l yD, n - 1D ä CDF@GammaDistribution@n, 1 ê lD, yD, n Œ IntegersD
True
22_Der_Poissonprozess.nb
123
Die oben erwähnte Regenerationseigenschaft lässt sich wesentlich verschärfen. Wir benötigen dazu den zentralen
Begriff der Stoppzeit:
22.1.11 Definition: Sei = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l. Die Zufallsvariable T nennt man eine -Stoppzeit, wenn für alle t œ das Ereignis 8T § t< nur vom Verhalten des Prozesses
bis zum Zeitpunkt t und eventuell weiteren, vom Prozess unabhängigen Zufallsvariablen abhängt und
damit vom Verhalten des Prozesses nach dem Zeitpunkt t unabhängig ist.
Ein typisches Beispiel für eine -Stoppzeit ist die Wartezeit Yn bis zum n-ten Erfolg: Für alle t œ hängt das
Ereignis 8Yn § t< offenbar nur vom Verhalten des Prozesses bis zum Zeitpunkt t ab.
22.1.12 Verallgemeinerte Regenerationseigenschaft: Ein eindimensionaler Poissonprozess = 8ZB ˝ B m <
mit Intensität l verhält sich von einer beliebigen -Stoppzeit T an genau so, wie ein zu diesem Zeitpunkt T
`
neu gestarteter, vom bisherigen Verhalten des Prozesses unabhängiger Poissonprozess = 8Z̀ B ˝ B m @0, ¶@<
mit Intensität l.
ô
Beweis: Für alle t œ lässt sich das Ereignis 8T = t< allein durch das Verhalten des Prozesses bis zum Zeitpunkt
t, also durch die Zufallsvariablen ZB mit B mD - ¶, tD und eventuell weiteren, vom Prozess unabhängigen
Zufallsvariablen beschreiben und ist daher vom Verhalten des Prozesses nach dem Zeitpunkt t unabhängig.
Unter der Voraussetzung 8T = t< verhält sich der Prozess damit vom Zeitpunkt t an wegen der Regenerationseigenschaft ebenso, wie ein zu diesem Zeitpunkt t neu gestarteter, vom bisherigen Verhalten des ursprünglichen
`
Prozesses und damit auch vom Ereignis 8T = t< unabhängiger Poissonprozess = 8Z̀ B ˝ B m @0, ¶@< mit Intensität l.
Die verallgemeinerte Regenerationseigenschaft entspricht der Tatsache, dass für eine beliebige Stoppzeit T (etwa
jener Zeitpunkt, zu dem der Geigerzähler das n-te mal tickt), der bisherige Verlauf des Tickens keinen Einfluss auf
den Verlauf des Tickens nach dieser Stoppzeit T hat und sich das Ticken dieses Geigerzählers ab dieser Stoppzeit T
nicht vom Ticken eines zum Zeitpunkt 0 neu gestarteten Geigerzählers unterschiedet.
22.1.13 Satz: Ist = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l, so sind die Pausen
Y1 , Y2 - Y1 , Y3 - Y2 , … zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Erfolgen vollständig unabhängig und identisch @lD-verteilt.
ô
Beweis: Wegen Satz 22.1.10 ist die Wartezeit Y1 @lD-verteilt. Aufgrund der verallgemeinerten Regenerationseigenschaft verhält sich der Prozess von der Wartezeit Yn an genau so, wie ein zu diesem Zeitpunkt Yn neu
gestarteter, vom bisherigen Verhalten des ursprünglichen Prozesses = 8ZB ˝ B m < unabhängiger Poissonprozess
`
= 8Z̀ B ˝ B m @0, ¶@< mit Intensität l. Die Pause Yn+1 - Yn ist damit vom bisherigen Verhalten des Prozesses `
`
und damit von den Pausen Y1 , Y2 - Y1 , …, Yn - Yn-1 unabhängig und, da sie der Wartezeit Y 1 des Prozesses entspricht, wegen Satz 22.1.10 ebenfalls amma@1, 1 êlD-verteilt.
Basierend auf diesem Satz lässt sich ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l auf dem Bereich D 0, ¶@
leicht simulieren: Man muss dazu nur @lD-verteilte Zufallszahlen erzeugen und diese als die Pausen des gesuchten
Prozesses interpretieren (man vergleiche diese Methode zur Simulation eines eindimensionalen Poissonprozesses
mit der unmittelbar vor Beispiel 22.1.6 angeführten Methode, welche auf einem ganz anderen Prinzip beruht).
22.1.14 Beispiel: Man entwickle eine Prozedur, mit der sich eine Realisierung w eines eindimensionalen
Poissonprozesses mit Parameter l auf dem Bereich @0, ¶@ erzeugen und graphisch darstellen lässt.
ô
Lösung: Mit Hilfe von RandomReal erzeugt man dazu eine Liste von n @lD-verteilten Zufallszahlen (es handelt
sich dabei um die Pausen zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Erfolgen) und addiert die Zahlen dieser Liste mit
22_Der_Poissonprozess.nb
124
sich dabei um die Pausen zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Erfolgen) und addiert die Zahlen dieser Liste mit
Hilfe von FoldList sukzessive auf, wobei man das unerwünschte erste Element dieser Liste (nämlich die Zahl 0) mit
Hilfe von Rest beseitigt (auf diese Weise erhält man jene Zeitpunkte, in denen die einzelnen Erfolge stattfinden).
Die graphische Darstellung der auf diese Weise erzeugten Realisierung w erfolgt dann in der üblichen Weise.
l = 2; n = 20;
liste = RandomReal@ExponentialDistribution@lD, 8n<D;
poisson = Rest@FoldList@Plus, 0, listeDD
punkte = Table@Graphics@[email protected], Red, Point@8poissonPiT, 0<D<D, 8i, 1, n<D;
Show@8punkte<, Axes Æ 8True, False<, PlotRange Æ 880, Automatic<, 8-0.1, 0.1<<,
AxesOrigin Æ 80, 0<, AspectRatio Æ 0.04D
Clear@l, n, liste, poisson, punkteD
80.62761, 0.755577, 0.771132, 1.3795, 1.99922, 2.1279,
2.15307, 2.59569, 3.70479, 4.11355, 4.87042, 5.02233, 6.05124,
6.64422, 7.1173, 8.97904, 9.2056, 9.28664, 9.74228, 10.0462<
0
2
4
6
8
10
Für tiefer liegende Untersuchungen über eindimensionale Poissonprozesse = 8ZB B m < mit Intensität l ist die
folgende Begriffsbildung von Interesse:
22.1.15 Definition: Ist = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l, so nennt man
für jedes t œ die Zufallsvariable
Vt = Min 8s > 0 ˝ ZD t,t+sD = 1<
die Vorwärtsrekurrenzzeit zum Zeitpunkt t und die Zufallsvariable
Rt = Min 8s > 0 ˝ Z@t-s,t@ = 1<
die Rückwärtsrekurrenzzeit zum Zeitpunkt t.
22_Der_Poissonprozess.nb
125
22.1.16 Satz: Ist = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l, so sind die Vorwärtsrekurrenzzeit Vt und die Rückwärtsrekurrenzzeit Rt stets unabhängig und @lD-verteilt.
ô
Beweis: Die Vorwärtsrekurrenzzeit Vt hängt nur von den Zufallsvariablen ZB mit B mD t, ¶@ ab, die Rückwärtsrekurrenzzeit hängt nur von den Zufallsvariablen ZB mit B mD - ¶, t@ ab. Aus Bemerkung 22.1.3 und der Familieneigenschaft folgt daraus die Unabhängigkeit der Vorwärtsrekurrenzzeit Vt von der Rückwärtsrekurrenzzeit Rt .
Wegen der Regenerationseigenschaft verhält sich der Prozess = 8ZB ˝ B m < vom Zeitpunkt t œ an ebenso, wie
ein zu diesem Zeitpunkt t neu gestarteter, vom bisherigen Verhalten des ursprünglichen Prozesses unabhängiger
`
Poissonprozess = 8Z̀ B ˝ B m @0, ¶@< mit Intensität l. Die Vorwärtsrekurrenzzeit Vt des Prozesses entspricht
`
`
dabei der Wartezeit Y 1 des Prozesses und ist damit wegen Satz 22.1.10 @lD-verteilt.
Wegen der Zeitreversibilität entsteht durch Inversion der Zeit aus dem Prozess = 8ZB ˝ B m < wieder ein eindiè
è
mensionaler Poissonprozess = 8Z B ˝ B m < mit Intensität l. Die Rückwärtsrekurrenzzeit Rt des Prozesses `
è
entspricht dabei der Vorwärtsrekurrenzeit V -t des Prozesses und ist somit ebenfalls @lD-verteilt.
22.1.17 Beispiel: Eine Telefonistin beschwert sich bei ihrem Chef darüber, dass sie pro Minute
durchschnittlich eine Vermittlung durchführen muss, was für sie zu anstrengend ist. Der penible Chef
überprüft diese Behauptung seiner Telefonistin auf folgende Weise: Er betritt zu einigen zufällig gewählten
Zeitpunkten die Telefonzentrale, befragt die Telefonistin, wie lange der letzte Anruf zurück liegt und
beobachtet, wann der nächste Anruf eintrifft. Dabei stellt er fest, dass die Zeitspanne zwischen den beiden von
ihm beobachteten Anrufen im Durchschnitt zwei Minuten beträgt. Hat die Telefonistin gelogen?
ô
Lösung: Die Zeitpunkte, in denen Anrufe bei dieser Telefonzentrale eintreffen, bilden einen Poissonprozess mit
Intensität l. Die Telefonistin beobachtet die gemäß Satz 22.1.13 @lD-verteilten Pausen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Anrufen. Der Chef beobachtet die wegen Satz 22.1.16 und der Faltungsformel für Gammaverteilungen
amma@2, 1 êlD-verteilte Summe Rt + Vt von Rückwärtsrekurrenzzeit und Vorwärtsrekurrenzzeit zum Zeitpunkt t.
Wegen
8Mean@GammaDistribution@1, 1 ê lDD, Mean@GammaDistribution@2, 1 ê lDD<
1 2
: , >
λ λ
ist die vom Chef beobachtete Zeitspanne (man spricht dabei von der beobachteten Pause) im Mittel doppelt so lang,
wie die von der Telefonistin beobachtete Zeitspanne. Die Telefonistin hat somit nicht gelogen. Inhaltlich wird
dieses (auf den ersten Blick überraschende Ergebnis) klar, wenn man berücksichtigt, dass einige wenige lange
Pausen zwischen zwei Anrufen bereits einen erheblichen Teil der Arbeitszeit der Telefonistin ausmachen. Das hat
zur Folge, dass der Chef eher während einer langen Pause die Telefonzentrale betritt und damit die Länge der von
ihm "beobachteten" Pause im Mittel größer ist als die mittlere Länge einer "normalen" Pause.
Dieses Beispiel (es handelt sich um das sogenannte Paradoxon der Erneuerungstheorie) sollte zur Vorsicht mahnen!
Soll beispielsweise eine Realisierung w eines eindimensionalen Poissonprozesses mit Intensität l auf dem Bereich
simuliert werden, so wäre es falsch, mit Hilfe der in Beispiel 22.1.14 angeführten Methode zwei Realisierungen
w1 und w2 eines eindimensionalen Poissonprozesses mit Intensität l auf dem Bereich D 0, ¶@ zu simulieren und
einfach die Zeitpunkte der Realisierung w1 mit den Zeitpunkten der am Ursprung gespiegelten Realisierung w2 zu
vereinigen. Die Länge der Pause zwischen jenen zwei Erfolgen, welche den Ursprung enthält, wäre dann nämlich
nicht @lD-verteilt, sondern @lD *@lD = amma@2, 1 êlD-verteilt, also im Mittel doppelt so lang, wie die
Zeitspanne zwischen den anderen Erfolgen.
Mit dem Befehl PoissonProzessFalsch@n, lD lässt sich eine derartige zufällige Realisierung erzeugen. Der Parameter n beschreibt dabei, wieviele Punkte rechts und links vom Ursprung erzeugt werden sollen, der Parameter l
22_Der_Poissonprozess.nb
126
ter n beschreibt dabei, wieviele Punkte rechts und links vom Ursprung erzeugt werden sollen, der Parameter
entspricht wieder der Intensität. Man erkennt zwar auf den ersten Blick nicht, dass es sich bei dieser Realisierung
nicht um eine Realisierung eines Poissonprozesses mit Intensität l handelt. Erzeugt man aber viele derartige
Realisierungen, so erkennt man, dass die Länge jener Pause, welche den Ursprung enthält, meistens deutlich größer
ist, als die mittlere Länge der anderen Pausen.
PoissonProzessFalsch@20, 3D
Pausenlänge im Ursprung: 0.646084
-6
-4
-2
mittlere Pausenlänge: 0.333333
0
2
4
Bei eindimensionalen Poissonprozessen lassen sich die Punkte in natürlicher Weise anordnen. Zusammen mit der in
Satz 22.1.13 behandelten Eigenschaft, wonach die Pausen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Punkten vollständig
unabhängig und exponentialverteilt sind, konnten wir damit eindimensionale Poissonprozesse leicht simulieren. Bei
zweidimensionalen Poissonprozessen lassen sich die Punkte gemäß ihrem Abstand vom Ursprung anordnen. Die
Rolle der Pausen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Punkten wird dann von den Flächen der Kreisringe zwischen
zwei aufeinderfolgenden Punkten übernommen. In Analogie zu Satz 22.1.13 gilt:
22.1.18 Satz: Ist = 8ZB ˝ B m 2 < ein zweidimensionaler Poissonprozess mit Intensität l und ordnet man die
Punkte nach ihrem Abstand vom Ursprung, so sind die Flächen der Kreisringe F1 , F2 - F1 , F3 - F2 , …
zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Punkten vollständig unabhängig und identisch @lD-verteilt. Die
Winkel, welche die Radiusvektoren zu diesen Punkten mit der x-Achse einschließen, sind sowohl von den
Flächen dieser Kreisringe als auch untereinander vollständig unabhängig und @80, 2 p<D-verteilt.
Basierend auf diesem Satz lässt sich ein zweidimensionaler Poissonprozess mit Intensität l leicht simulieren: Man
muss dazu @lD-verteilte Zufallszahlen erzeugen und diese als Flächen der Kreisringe zwischen zwei aufeinanderfolgenden Punkten interpretieren und @80, 2 p<D-verteilte Zufallszahlen erzeugen und diese als Winkel, welche die
Radiusvektoren zu diesen Punkten mit der x-Achse einschließen, interpretieren (man vergleiche diese Methode mit
der in Beispiel 22.1.6 angeführten Methode).
22.1.19 Beispiel: Man entwickle eine Prozedur, mit der sich die n dem Ursprung nächstgelegenen Punkte
einer Realisierung w eines zweidimensionalen Poissonprozesses mit Parameter l erzeugen und graphisch
darstellen lässt.
ô
Lösung: Mit Hilfe von RandomReal erzeugt man dazu eine Liste von n @lD-verteilten Zufallszahlen (es handelt
sich dabei um die Flächen der Kreisringe zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Punkten), addiert die Zahlen
dieser Liste mit Hilfe von FoldList sukzessive auf, wobei man das unerwünschte erste Element dieser Liste mit Rest
beseitigt, dividiert die Zahlen dieser Liste durch p und berechnet anschließend von diesen Zahlen die Wurzel (die
dabei entstehende Liste radien gibt die Abstände dieser n Punkte vom Ursprung an). Mit Hilfe von RandomReal
erzeugt man anschließend die Liste winkel von @80, 2 p<D-verteilte Zufallszahlen (bei dieser Liste handelt es sich
um die Winkeln, welche die Radiusvektoren zu diesen n Punkten mit der x-Achse einschließen). Die graphische
Darstellung der auf diese Weise erzeugten Realisierung w erfolgt in der üblichen Weise, indem man zuerst eine
Liste der Koordinaten der zu zeichnenden Punkte erzeugt und diese Punkte in der üblichen Weise plottet.
22_Der_Poissonprozess.nb
127
l = 2; n = 40;
liste = RandomReal@ExponentialDistribution@lD, 8n<D;
radien = Sqrt@Rest@FoldList@Plus, 0, listeDD ê pD;
winkel = RandomReal@UniformDistribution@80, 2 p<D, 8n<D;
punkte = Table@Graphics@[email protected], Red, Point@8radienPiT Cos@winkelPiTD, radienPiT Sin@winkelPiTD<D<D, 8i, 1, n
Show@8punkte<, Axes Æ True, AxesOrigin Æ 80, 0<, AspectRatio Æ AutomaticD
Clear@l, n, liste, radien, winkel, punkteD
1
-1
1
2
-1
-2
Poissonprozesse sind der Ausgangspunkt für eine Reihe von weiteren Modellen, mit denen sich zufällige Vorgänge
in Naturwissenschaft und Technik beschreiben lassen. Eines dieser Modelle ist der sogenannte Poisson-Geradenprozess, welche vor allem bei Problemen im Bereich der Textilindustrie und der Mineralogie auftreten.
22.1.20 Definition: Unter einem Poisson-Geradenprozess mit Intensität l versteht man einen zweidimensionalen Poissonprozess = 8ZB ˝ B m X< mit Intensität l auf dem Bereich X = @0, ¶@ µ@0, 2 p@, bei dem man jeden
Punkt 8d, j< œ X als Gerade g@d, jD interpretiert, welche vom Ursprung den Normalabstand d besitzt und
deren Normalvektor mit der x-Achse den Winkel j einschließt.
Der Zusammenhang zwischen einem zufälligen Punkt 8d, j< des Poissonprozesses und der dazu gehörigen Geraden
g@d, jD des Poisson-Geradenprozesses wird in der folgenden Zeichnung erläutert:
8d, j<
d
g@d,j<D
j
Mit dem Befehl PoissonGeradenProzess@T, lD lässt sich eine zufällige Realisierung w eines Poisson-Geradenprozesses erzeugen. Der Parameter T beschreibt das Quadrat @-T, TD µ@-T, TD, in dem wir die zufälligen Geraden
einzeichnen, der Parameter l entspricht der Intensität des diesem Prozess zugrunde liegenden Poissonprozesses.
22_Der_Poissonprozess.nb
128
PoissonGeradenProzess@2, 3D
2
1
-2
-1
1
2
-1
-2
Abschließend befassen wir uns noch mit der Überlagerung bzw Verdünnung von Poissonprozessen:
22.1.21 Beispiel: Man zeige: Sind = 8XB ˝ B m X< bzw = 8YB ˝ B m X< zwei unabhängige Poissonprozesse
mit den Intensitäten l bzw m, so ist ihre Überlagerung = 8ZB ˝ B m X< mit ZB = XB + YB ein Poissonprozess
mit Intensität l + m.
ô
Beweis: Für alle Teilmengen B m X sind die beiden Zufallsvariablen XB bzw YB unabhängig und @l †B§D- bzw
@l †B§D-verteilt, also ist die Zufallsvariable ZB = XB + YB wegen der Faltungsformel für Poissonverteilungen
@Hl + mL †B§D-verteilt. Außerdem sind die Zufallsvariablen ZB , ZB , …, ZBn für paarweise disjunkte Teilmengen
1
2
B1 , B2 , …, Bn m X offenbar vollständig unabhängig. Beim Prozess = 8ZB ˝ B m X< handelt es sich somit wegen
Bemerkung 22.1.4 um einen Poissonprozess mit Intensität l + m.
22_Der_Poissonprozess.nb
129
22.1.22 Beispiel: Man zeige: Ist = 8ZB ˝ B m X< ein Poissonprozess mit Intensität l und werden die
einzelnen Punkte unabhängig voneinander und unabhängig vom Prozess mit der Wahrscheinlichkeit p
* ˝ B m X< der markierten Punkte ein Poissonprozess mit Intensität p l.
markiert, so ist der Prozess * = 8ZB
ô
Beweis: Für alle Teilmengen B m X und alle k œ 80, 1, 2 …< gilt aufgrund des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit (die Summe werten wir unter Verwendung der Abkürzung a = l †B§ mit Hilfe von Mathematica aus)
¶
* = k<D = ⁄ @8Z * = k< 8Z = n<D @8Z = n<D =
@8ZB
B
B
B
n=k
¶ n
Hl †B§Ln
H p l †B§Lk
= ⁄ K O pk H1 - pLn-k ‰-l †B§
= ‰- p l †B§
k
n!
k!
n=k
FullSimplify@Sum@Binomial@n, kD pk H1 - pLn-k Exp@-aD an ê n !, 8n, k, •<D, p < 1D
−p α pk αk
Gamma@1 + kD
* einer @ p l †B§D-Verteilung genügt. Außerdem sind die
Damit haben wir gezeigt, dass die Zufallsvariable ZB
*
*
*
Zufallsvariablen ZB , ZB , …, ZB für paarweise disjunkte Teilmengen B1 , B2 , …, Bn m X offenbar vollständig
1
2
n
* ˝ B m X< handelt es sich somit wegen Bemerkung 22.1.4 um einen Poissonunabhängig. Beim Prozess * = 8ZB
prozess mit Intensität p l.
22.2 Die Poissonverteilung @lD
Wir fassen die bereits bekannten Eigenschaften der Poissonverteilung [l] zusammen:
22.2.1 Bemerkung: Die Poissonverteilung @lD besitzt den Träger
= 80, 1, 2, …<
die Verteilungsdichte
-l l z ê z!
@zD = ; ‰
0
für z œ 80, 1, 2, …<
sonst
und die Verteilungsfunktion
0
dzt
@zD =
⁄ ‰-l lk êk ! = Gr @1 + dzt, lD
für z < 0
für z ¥ 0
k=0
Eine @lD-verteilte Zufallsvariable Z besitzt den Erwartungswert
@ZD = l
und die Varianz
@ZD = l
Für Poissonverteilungen gilt die Faltungsformel
@lD * @mD = @l + mD
Es folgen wieder eine Reihe von Beispielen, mit denen gezeigt wird, wie sich die Poissonverteilung bei der Behandlung von konkreten Problemen einsetzen lässt:
22_Der_Poissonprozess.nb
130
22.2.2 Beispiel: Nach den Beobachtungen der beiden Physiker RUTHERFORD und GEIGER gibt eine gewisse
radioaktive Substanz im Verlauf von 7.5 Sekunden durchschnittlich 3.87 a-Teilchen ab. Gesucht ist die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Substanz während einer Sekunde mindestens ein a-Teilchen emittiert.
ô
Lösung: Nach unseren bisherigen Ausführungen darf man annehmen, dass die Zeitpunkte, in denen diese radioaktive Substanz ein a-Teilchen emittiert, einen eindimensionalen Poissonprozess mit Intensität l bilden (als Zeiteinheit verwenden wir dabei eine Sekunde). Damit ist die Anzahl Z@0,tD der im Intervall @0, tD emittierten Teilchen
@l tD-verteilt. Wegen @Z@0,7.5D D = 3.87 ergibt sich für die Intensität l der Wert l = 3.87 ê7.5. Für die von uns
gesuchte Wahrscheinlichkeit @8Z@0,1D ¥ 1<D = 1 - @8Z@0,1D = 0<D gilt damit
1 - PDF@[email protected] ê 7.5D, 0D
0.403097
22.2.3 Beispiel: An einem Sommerabend wird durchschnittlich alle 10 Minuten eine Sternschnuppe
beobachtet. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass während einer Viertelstunde genau zwei
Sternschnuppen beobachtet werden?
ô
Lösung: Wir dürfen wieder annehmen, dass die Zeitpunkte, in denen Sternschnuppen auftreten, einen eindimensionalen Poissonprozess mit Intensität l bilden (als Zeiteinheit verwenden wir dabei eine Minute). Damit ist die Anzahl
Z@0,tD der im Intervall @0, tD auftretenden Sternschnuppen @l tD-verteilt. Wegen @Z@0,10D D = 1 ergibt sich für die
Intensität l der Wert l = 1 ê10. Für die von uns gesuchte Wahrscheinlichkeit @8Z@0,15D = 2<D gilt damit
PDF@[email protected], 2D
0.251021
22.2.4 Beispiel: In einem lichten Wald stehen pro 100 m2 durchschnittlich 3 Bäume. Der Einfachheit halber
nehmen wir an, dass alle Bäume einen kreisförmigen Querschnitt mit einem Radius von r = 20 cm besitzen.
Jemand steht in diesem Wald und feuert zufällig in eine Richtung, in welcher der Waldrand d = 100 m entfernt
ist. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Gewehrkugel einen Baumstamm trifft?
ô
Lösung: Die Mittelpunkte der Bäume in einem lichten Wald bilden in erster Näherung einen zweidimensionalen
Poissonprozess mit Intensität l (als Flächeneinheit verwenden wir dabei einen Quadratmeter). Damit ist die Anzahl
ZB der Bäume, deren Mittelpunkte sich im Bereich B befinden, @l †B§D-verteilt. Bezeichnet A einen Bereich von
100 m2 , so ergibt sich wegen @Z A D = 3 für die Intensität l der Wert l = 3 ê100.
Die Gewehrkugel trifft einen Baumstamm genau dann, wenn sich im Schusskanal K - es handelt sich dabei um
einen Bereich, welcher d = 100 m lang und 2 r = 0.4 m breit ist (der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die
Kugel punktförmig ist) - der Mittelpunkt von mindestens einem Baum befindet. Für die von uns gesuchte
Wahrscheinlichkeit @8ZK ¥ 1<D = 1 - @8ZK = 0<D gilt damit
d = 100; r = 0.2; l = 0.03;
1 - PDF@PoissonDistribution@d 2 r lD, 0D
Clear@e, r, lD
0.698806
22_Der_Poissonprozess.nb
131
22.2.5 Beispiel (Die mittlere freie Weglänge): Wir betrachten ein ideales Gas, bei dem sich in einem
Kubikzentimeter durchschnittlich l Moleküle befinden, welche wir uns als Kugeln vom Radius r vorstellen.
Man bestimme die mittlere freie Weglänge eines Moleküls dieses Gases.
ô
Lösung: Unter einem idealen Gas verstehen die Physiker ein Gas, bei dem die einzelnen Moleküle so weit voneinander entfernt sind, dass sie miteinander nicht in Wechselwirkung treten. Die Orte, in denen sich die einzelnen
Gasmoleküle zu einem festen Zeitpunkt befinden, bilden dann näherungsweise einen dreidimensionalen Poissonprozess mit Intensität l (als Volumeneinheit verwenden wir dabei einen Kubikzentimeter).
Wir wählen nun ein Gasmolekül aus und beobachten dessen freie Weglänge X, also die Länge jenes Weges, den
dieses Molekül zurücklegt, bis es erstmals mit einem anderen Molekül zusammenstößt. Für die Berechnung der
Verteilung der freien Weglänge X unseres Moleküls dürfen wir (auf Grund von tiefliegenden Erkenntnissen über
die Dynamik von Poissonprozessen) annehmen, dass sich alle anderen Moleküle in Ruhe befinden. Für alle x > 0
gilt damit (mit Kx bezeichnen wir einen Zylinder mit Radius 2 r und Höhe x)
2
X @xD = @8X § x<D = 1 - @8X > x<D = 1 - @8ZK x = 0<D = 1 - ‰-4 r p l x
also ergibt sich für die von uns gesuchte mittlere freie Weglänge (das Integral werten wir mit Mathematica aus)
@X D = Ÿ
2
1
¶
¶
x X @xD „ x = Ÿ x I4 r2 p lM ‰-4 r p l x „ x =
2
0
0
4r pl
Integrate@x 4 r2 p l Exp@-4 r2 p l xD, 8x, 0, •<, Assumptions Æ 8r > 0, l > 0<D
1
4 π r2 λ
22.2.6 Beispiel: In einem Kleiderstoff kommen auf je 100 m Stoff durchschnittlich fünf Fehler. Ein Ballen
von 100 m wird in n = 25 Stücke zu je 4 m zerschnitten. Wie viele fehlerfreie Stücke sind zu erwarten?
ô
Lösung: Die Fehler im Kleiderstoff bilden einen Poissonprozess mit Intensität l. Damit ist die Anzahl ZB der
Fehler in einem Bereich B offenbar @l †B§D-verteilt. Wählt man als Längeneinheit einen Meter, so ergibt sich für
die Intensität l wegen @Z@0,100D D = 5 der Wert l = 5 ê100. Das laufende Prüfen, ob die einzelnen Stücke, in die der
Stoffballen zerschnitten wird, fehlerfrei sind, bildet einen Bernoulliprozess mit Parameter
p = @8Z@0,4D = 0<D = ‰-4 l
Die Anzahl X der fehlerfreien Stücke ist damit @n, pD-verteilt. Es sind also @X D = n p = 20.4683 fehlerfreie
Stücke zu erwarten.
n = 25; l = 5 ê 100; p = Exp@-4 lD;
n p êê N
Clear@n, l, pD
20.4683
22.2.7 Beispiel: Die Positionen der Sonnen in einem Kugelsternhaufen bilden in erster Näherung einen
Poissonprozess mit Intensität l. Man berechne die mittlere Entfernung zweier benachbarter Sonnen.
ô
22_Der_Poissonprozess.nb
132
Lösung: Die Anzahl ZB der Sonnen in einem Bereich B dieses Kugelsternhaufens ist bekanntlich @l †B§D-verteilt.
Für den Abstand X zweier benachbarter Sonnen dieses Kugelsternhaufens gilt damit (K x bezeichne dabei eine
Kugel mit Radius x ohne ihren Mittelpunkt)
3
X @xD = 1 - @8X > x<D = 1 - @8ZK x = 0<D = 1 - ‰-4 x p lê3
also (das Integral werten wir mit Hilfe von Mathematica aus)
@X D = Ÿ
G@1 ê3D
3
¶
¶
x X @xD „ x = Ÿ x H4 x2 p lL ‰-4 x p lê3 „ x =
0
0
H36 p lL1ê3
3
Integrate@x H4 x2 p lL „-4 x p lê3 , 8x, 0, •<, Assumptions Æ 8l > 0<D
1
GammaB F
3
62ê3 π1ê3 λ1ê3
22.2.8 Beispiel (Der Schroteffekt): Wir betrachten einen elektronischen Verstärker. Auch wenn am Eingang
des Geräts kein Signal anliegt, treffen dort bekanntlich dennoch Elektronen gemäß einem Poissonprozess mit
Intensität l ein. Wir nehmen an, dass ein einzelnes Elektron, welches zum Zeitpunkt t beim Eingang des
Verstärkers eintrifft, beim Ausgang die Systemantwort
1 - Ht - tL êT
für t < t < t + T
s@t, tD = :
0
sonst
bewirkt. Der Verstärker sei linear, das heißt, dass sich die Systemantworten der einzelnen Elektronen
überlagern. Man bestimme den Erwartungswert @At D des Signals At am Ausgang des Verstärkers zum
Zeitpunkt t.
ô
Lösung: Die zum Zeitpunkt t am Ausgang des Verstärkers anliegende Spannung hängt offenbar nur davon ab,
wann im Zeitintervall @t - T, tD Elektronen beim Eingang des Verstärkers eintreffen. Unter der Voraussetzung, dass
in diesem Intervall n Elektronen beim Eingang des Verstärkers eintreffen, sind die Zeitpunkte X1 , X2 , …, Xn ihres
Eintreffens wegen Satz 22.1.5 vollständig unabhängig und im Intervall @t - T, tD gleichverteilt. Wegen des Satzes
von der totalen Wahrscheinlichkeit gilt damit für alle t œ (man beachte, dass @Xi D = t - T ê2 ist)
¶
¶
n
n=1
n=1
i=1
@At D = ⁄ @At 8Z@t-T,tD = n<D @8Z@t-T,tD = n<D = ⁄ @ ⁄ s@t, Xi DD @8Z@t-T,tD = n<D =
¶ n
¶
n=1 i=1
n=1
= ⁄ ⁄ @1 - Ht - Xi L êT D @8Z@t-T,tD = n<D = ⁄ n
1
1
lT
@8Z@t-T,tD = n<D = @Z@t-T,tD D =
2
2
2
22.2.9 Beispiel: Die Emission der Elektronen von der Kathode einer Elektronenröhre erfolgt gemäß einem
Poissonprozess mit Intensität l. Wir wollen annehmen, dass die Aufenthaltsdauern der Elektronen in der
Elektronenröhre voneinander und von den Zeitpunkten ihrer Emission unabhängige, im Intervall @0, tD
gleichverteilte Zufallsvariablen A1 , A2 , … sind. Die Röhre wird zum Zeitpunkt 0 eingeschaltet. Man
berechne die Verteilung der Anzahl Nt der Elektronen, die sich zum Zeitpunkt t > t in der Röhre befinden.
ô
Lösung: Unter der Voraussetzung, dass im Zeitintervall @0, tD von der Elektronenröhre genau n Elektronen emittiert werden, sind die Zeitpunkte X1 , X2 , …, Xn ihrer Emission wegen Satz 22.1.5 vollständig unabhängig und im
Intervall @0, tD gleichverteilt. Für die Wahrscheinlichkeit p, dass sich das i-te dieser n Elektronen zum Zeitpunkt t
noch in der Röhre befindet, gilt damit unter Verwendung des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit in differentieller Form (unter der Bedingung 8Z@0,tD = n< sind die Zufallsvariablen Xi und Ai unabhängig; außerdem ist die
Zufallsvariable Ai und das Ereignis 8Z@0,tD = n< unabhängig)
22_Der_Poissonprozess.nb
133
8 @ D
<
p = @8Xi + Ai > t< 8Z@0,tD = n<D =
= Ÿ @8Xi + Ai > t< 8Xi œ @xi , xi + „ xi D< › 8Z@0,tD = n<D @8Xi œ @xi , xi + „ xi D< 8Z@0,tD = n<D =
0
t
=Ÿ
t
t
t - t + xi 1
t
@8Ai > t - xi <D @8Xi œ @xi , xi + „ xi D< 8Z@0,tD = n<D = Ÿ
„ xi =
t-t
t
t
2t
0
Für alle k œ 80, 1, 2, …< gilt damit unter Verwendung der Formel von Bernoulli (bei jedem einzelnen der n im
Intervall @0, tD von der Kathode emittierten Elektronen wird mit der Wahrscheinlichkeit p ausgewürfelt, ob sich
dieses Elektron zum Zeitpunkt t noch in der Röhre befindet; die Summe werten wir mit Mathematica aus)
¶
¶ n
Hl tLn
=
@8Nt = k<D = ⁄ @8Nt = k< 8Z@0,tD = n<D @8Z@0,tD = n<D = ⁄ K O pk H1 - pLn-k ‰-l t
k
n!
n=k
n=k
= ‰-l tê2
Hl t ê2Lk
k!
FullSimplify@Sum@Binomial@n, kD pk H1 - pLn-k Exp@-l tD Hl tLn ê n !, 8n, k, •<D, 1 > p > 0D ê. p Æ t ê H2 tL
λτ
−
2−k 2 Hλ τLk
Gamma@1 + kD
Damit haben wir gezeigt, dass die Anzahl Nt der zum Zeitpunkt t in der Elektronenröhre befindlichen Elektronen
mit dem Parameter l t ê2 poissonverteilt ist.
22.2.10 Beispiel: Sei = 8ZB ˝ B m < ein eindimensionaler Poissonprozess mit Intensität l. Für alle t ¥ 0 sei
die Zufallsvariable St gleich +1, wenn Z@0,tD gerade ist und -1 wenn Z@0,tD ungerade ist. Für 0 § s < t ist die
Wahrscheinlichkeit @8St = Ss D< gesucht.
ô
Lösung: Für alle 0 § s < t gilt (die Zufallsvariable ZD t, sD ist bekanntlich @l Hs - tLD-verteilt; für die Berechnung
der Summe verwenden wir Mathematica)
@8St = Ss <D = @8ZD s, tD ist gerade<D =
¶
⁄
k=0
k gerade
@8ZD s, tD = k<D =
1
H1 + ‰-2 l Ht-sL L
2
FullSimplify@Sum@PDF@PoissonDistribution@l Ht - sLD, kD, 8k, 0, •, 2<DD
1
2
I1 + 2 Hs−tL λ M
22.2.11 Beispiel: Man bestimme die Verteilung der Anzahl N der Geraden eines Poisson-Geradenprozesses
mit Intensität l, welche den Einheitskreis schneiden sowie den Erwartungswert @SD der Summe S der Längen
der in diesem Kreis liegenden Sehnen.
ô
Lösung: Eine Gerade g@d, jD (man vergleiche dazu Definition 22.1.20) schneidet den Einheitskreis genau dann,
wenn d < 1 ist. Die Anzahl N der Geraden, welche den Einheitskreis schneiden ist somit @2 p lD-verteilt.
Berücksichtigt man nun die aus der Elementargeometrie bekannte Tatsache, dass zwischen der Länge S einer den
Einheitskreis schneidenden Sehne und dem im Intervall @0, 1D gleichverteilten Normalabstand D dieser Sehne vom
22_Der_Poissonprozess.nb
134
Einheitskreis schneidenden Sehne und dem im Intervall @0, 1D gleichverteilten Normalabstand D dieser Sehne vom
Ursprung die Beziehung S 2 = 4 H1 + DL H1 - DL = 4 I1 - D2 M besteht, so gilt für den Erwartungswert @SD der Länge
dieser Sehne
@SD = @2
1 - D2 D = Ÿ 1 2
0
1 - d 2 „ d = p ê2
Da die Anzahl N der den Einheitskreis schneidenden Geraden und die Längen S1 , S2 , …, S N der im Einheitskreis
liegenden Sehnen offenbar unabhängig sind, folgt aus der Formel von Wald
@SD = @S1 + S2 + … + S N D = @SD @ND = l p2
22_Der_Poissonprozess.nb
135
22.3 Die Gammaverteilung amma@a, lD
Wir fassen die bereits bekannten Eigenschaften der Gammaverteilung amma@a, lD zusammen:
22.3.1 Bemerkung: Die Gammaverteilung amma@a, lD besitzt den Träger
= @0, ¶@
die Verteilungsdichte
l-a z a-1 ‰-zêl
für z ¥ 0
G@aD
sonst
0
und die Verteilungsfunktion
0
@zD =
1
z -a a-1 -têl
l t
‰
„ t = Gr @a, 0, z êlD
G@aD Ÿ 0
@zD =
für z < 0
für z ¥ 0
Eine amma@a, lD-verteilte Zufallsvariable Y besitzt den Erwartungswert
@Y D = a l
und die Varianz
@Y D = a l2
Für Gammaverteilungen mit dem gleichen! Parameter l gilt die Faltungsformel
amma@a, lD * amma@ b, lD = amma@a + b, lD
Bei der Untersuchung von Poissonprozessen treten ausschließlich Gammaverteilungen der Form amma@n, 1 êlD
mit n œ auf. Nach dem deutschen Nachrichtentechniker ERLANG nennt man eine derartige Gammaverteilung
auch Erlangverteilung mit den Parametern n œ und l > 0 und bezeichnet diese Verteilung mit @n, lD (dabei
beachte man, dass offenbar @1, lD = @lD gilt). Für die Verteilungsdichte und die Verteilungsfunktion der
Erlangverteilung ergeben sich etwas einfachere und vor allem besser handhabbare Formeln als für die allgemeine
Gammaverteilung:
22.3.2 Bemerkung: Die Erlangverteilung @n, lD mit n œ und l > 0 besitzt den Träger
= @0, ¶@
die Verteilungsdichte
@zD =
l ‰-l z
Hl zL n-1
Hn - 1L !
0
und die Verteilungsfunktion
0
@zD =
n-1
1 - ⁄ ‰-l z
k=0
für z ¥ 0
sonst
Hl zL k
k!
für z < 0
für z ¥ 0
Eine @n, lD-verteilte Zufallsvariable Y besitzt den Erwartungswert
@Y D = n êl
und die Varianz
@Y D = a ë l2
Für Erlangverteilungen mit dem gleichen! Parameter l gilt die Faltungsformel
@m, lD * @n, lD = @m + n, lD
ô
22_Der_Poissonprozess.nb
136
Mit einigen Beispielen zeigen wir wieder, wie sich die Gammaverteilung (es handelt sich dabei eigentlich um die
Erlangverteilung) bei der Behandlung von konkreten Problemen einsetzen lässt:
22.3.3 Beispiel: Die Partikel der kosmischen Höhenstrahlung treffen gemäß einem Poissonprozess mit
Intensität l eine Zählvorrichtung und geben dort eine gewisse Energie ab. Wir nehmen an, dass diese von den
einzelnen Teilchen an der Zählvorrichtung abgegebenen Energien Zufallsvariable sind, welche sowohl vom
Poissonprozess als auch untereinander vollständig unabhängig und identisch @1, mD-verteilt sind. Die
Zählvorrichtung sendet ihrerseits genau dann einen Impuls aus, wenn die Summe der an der Zählvorrichtung
abgegebenen Energien erstmals einen gewissen Schwellwert S überschreitet. Gesucht ist der Erwartungswert
der Zeitspanne Y zwischen zwei derartigen Impulsen.
ô
Lösung: Wir beginnen mit unserer Beobachtung zu einem Zeitpunkt, in dem die Zählvorrichtung gerade einen
Impuls aussendet und bezeichnen mit Yn jenen Zeitpunkt, zu dem das n-te Partikelchen die Zählvorrichtung trifft,
mit An die vom n-ten Partikelchen an der Zählvorrichtung abgegebene Energie und mit N die Anzahl der an der
Zählvorrichtung eintreffenden Teilchen, bis die Summe der von ihnen dort abgegebenen Energien erstmals den
Schwellwert S überschreitet. Die folgende Zeichnung veranschaulicht eine typische Realisierung dieses Vorgangs:
S
A6
A5
3
A4
A3
2
A2
1
Zeit
A1
Y1
Y2
Y3
Y4
Y5
Y=Y6
Aufgrund der Faltungsformel für Erlangverteilungen ist die Summe A1 + A2 + … + An der von den ersten n
Partikelchen an der Zählvorrichtung abgegebenen Energien @n, mD-verteilt. Also gilt für alle n œ @8N = n<D = @8N > n - 1<D - @8N > n<D =
= @8A1 + A2 + … + An-1 § S<D - @8A1 + A2 + … + An § S<D =
n-2
n-1
Hm SL n-1
Hm SL k
Hm SL k
= H1 - ⁄ ‰-m S
L - H1 - ⁄ ‰-m S
L = ‰-m S
Hn - 1L !
k!
k!
k=0
k=0
Da die Wartezeit Yn auf das n-te Partikelchen wegen Satz 22.1.10 amma@n, 1 êlD-verteilt ist, gilt damit unter
Verwendung des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit und der Tatsache, dass das offenbar nur von den
Energien A1 , A2 , … abhängige Ereignis 8N = n< und die Zufallsvariable Yn unabhängig sind (die Summe werten
wir mit Mathematica aus)
¶
¶
n=1
n=1
@Y D = ⁄ @Y 8N = n<D @8N = n<D = ⁄ @Yn D @8N = n<D =
1+mS
l
Sum@Mean@GammaDistribution@n, 1 ê lDD Exp@-m SD Hm SLn-1 ê Hn - 1L !, 8n, 1, •<D
1+Sµ
λ
22.3.4 Beispiel (Zählgerät erster Art): Die Zeitpunkte, in denen die von einer radioaktiven Substanz
emittierten a-Teilchen einen Geigerzähler treffen, bilden bekanntlich einen Poissonprozess mit Intensität l.
Aus physikalischen Gründen registriert ein Geigerzähler aber nicht alle a-Teilchen, die das Gerät treffen.
Unter einem Zählgerät erster Art versteht man ein Gerät, das nach jedem Zählvorgang für eine (zufällige)
22_Der_Poissonprozess.nb
137
Unter einem Zählgerät erster Art versteht man ein Gerät, das nach jedem Zählvorgang für eine (zufällige)
Zeitspanne blockiert ist und während dieser Zeitspanne alle das Gerät treffenden Teilchen völlig ignoriert.
Unter der Voraussetzung, dass diese "Totzeiten" T1 , T2 , … sowohl vom Prozess der das Gerät treffenden
Teilchen als auch untereinander vollständig unabhängig und identisch @mD-verteilt sind, bestimme man die
* - Y * zwischen dem n-ten und n + 1-ten registrierten
Verteilungsdichte Y * -Y * der Zeitspanne Yn+1
n
n+1
n
Teilchen.
ô
Lösung: In der folgenden Skizze haben wir jene Zeitpunkte, zu denen Teilchen das Gerät treffen und registriert
werden durch rote und jene Zeitpunkte, zu denen Teilchen das Gerät treffen und nicht registriert werden durch
blaue Punkte markiert. Die grünen Balken entsprechen den Totzeiten. Die senkrechten schwarzen Linien markieren
die Zeitpunkte Y1* + T1 , Y2* + T2 , …, zu denen das Gerät wieder aufnahmefähig ist. Bei diesen Zeitpunkten handelt
es sich offenbar um Stoppzeiten des Poissonprozesses der das Gerät treffenden Teilchen.
T1
Y1*
T2
Y1* +T1
Y2*
T3
Y2* +T2
Y3*
T4
Y3* +T3
Y4*
Y4* +T4
Wegen der verallgemeinerten Regenerationseigenschaft zusammen mit Satz 22.1.6 ist die Länge der Zeitspanne
* - HY * + T L zwischen dem Zeitpunkt, zu dem das Gerät wieder aufnahmefähig ist und jenem Zeitpunkt, zu
Yn+1
n
n
dem das nächste Teilchen das Gerät trifft (und damit registriert wird), @lD-verteilt und natürlich von der Totzeit Tn
unabhängig. Die Verteilung der Zeitspanne
* - Y * = T + HY * - HY * + T LL
Yn+1
n
n
n
n
n+1
zwischen dem n-ten und dem n + 1-ten registrierten Teilchen ist damit gleich der Faltung @mD * @lD. Für die
gesuchte Verteilungsdichte Y * -Y * ergibt sich unter Verwendung von Mathematica im Fall l ∫ m
n+1 n
* @yD =
n+1 -Yn
Y *
lm
H‰-l y - ‰-m y L
m-l
0
für y ¥ 0
sonst
Integrate@PDF@ExponentialDistribution@mD, y - xD PDF@ExponentialDistribution@lD, xD, 8x, 0, y<D
−
I−y λ − −y µ M λ µ
λ−µ
Aus der verallgemeinerten Regenerationseigenschaft folgt außerdem, dass die Längen dieser Zeitspannen - es
handelt sich dabei um die Längen der Intervalle zwischen zwei roten Punkten - vollständig unabhängig sind. Da die
Längen dieser Zeitspannen offenbar nicht @gD-verteilt sind, handelt es sich beim Prozess der registrierten Teilchen
nicht! um einen Poissonprozess.
22.3.5 Beispiel (Zählgerät zweiter Art): Im Unterschied zu Zählgeräten erster Art handelt es sich bei
Zählgeräten zweiter Art um Geräte, die nach jedem das Gerät treffenden Teilchen für eine (zufällige)
Zeitspanne blockiert sind. Jedes Teilchen, das während dieser Zeitspanne das Gerät trifft, wird zwar nicht
registriert, erneuert aber die Totzeit des Geräts. Unter der Voraussetzung, dass diese "Totzeiten" T1 , T2 , …
sowohl vom Prozess der das Gerät treffenden Teilchen als auch untereinander wieder vollständig unabhängig
und identisch @mD-verteilt sind, bestimme man für ein derartiges Zählgerät die Verteilung der Anzahl N der
Teilchen, welche zwischen zwei vom Gerät registrierten Teilchen das Gerät treffen und nicht registriert
werden.
ô
Lösung: Das n + 1-te Teilchen wird registriert, wenn die vom n-ten Teilchen ausgelöste, @mD-verteilte Totzeit Tn
kleiner ist als die davon unabhängige und wegen Satz 22.1.13 @lD-verteilte Pause Yn+1 - Yn zwischen dem n-ten
und dem n + 1-ten das Gerät treffenden Teilchen. Für die Wahrscheinlichkeit p dafür, dass das n + 1-te Teilchen
22_Der_Poissonprozess.nb
138
und dem n 1-ten das Gerät treffenden Teilchen. Für die Wahrscheinlichkeit p dafür, dass das n 1-te Teilchen
registriert wird, gilt daher wegen des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit und der Regel über das Einsetzen
einer Bedingung (das Integral werten wir mit Mathematica aus)
p = @8Tn < Yn+1 - Yn <D = 1 - @8Yn+1 - Yn § Tn <D =
=1-Ÿ
m
¶
¶
@8Yn+1 - Yn § Tn < 8Tn = t<D „ Tn @tD = 1 - Ÿ Y
@tD „ Tn @tD =
n+1 -Yn
0
0
l+m
1 - Integrate@CDF@ExponentialDistribution@lD, tD PDF@ExponentialDistribution@mD, tD, 8t, 0, •<,
Assumptions -> 8l > 0, m > 0<D
λ
1−
λ+µ
Interpretiert man das Registrieren eines Teilchens als "Erfolg", so ist die Anzahl N der Teilchen, welche zwischen
zwei vom Gerät registrierten Teilchen das Gerät treffen und nicht registriert werden, aufgrund von Bemerkung
21.1.7 damit @1, mêHl + mLD-verteilt.
22.3.6 Beispiel: Gegeben sei ein Poisson-Geradenprozess = 8ZB ˝ B m X< mit Intensität l. Wir betrachten die
Schnittpunkte der zufälligen Geraden dieses Prozesses mit der positiven x-Achse und fragen nach der
Verteilung der Abstände Y1 , Y2 - Y1 , Y3 - Y2 , … zweier benachbarter Schnittpunkte.
ô
Lösung: Für alle B mD 0, ¶@ bezeichne G@BD die Menge
G@BD = 88d, j< œ X ˝
d
œ B<
Cos@jD
Eine einfache geometrische Überlegung zeigt, dass das Ereignis "die Menge B der positiven x-Achse wird von
genau k zufälligen Geraden des Poisson-Geradenprozesses getroffen" dem Ereignis 8ZG@BD = k< entspricht.
Da für paarweise disjunkte Mengen B1 , B2 , … mD 0, ¶@ die Mengen G@B1 D, G@B2 D, … paarweise disjunkt sind und
damit die Zufallsvariablen ZG@B D , ZG@B D , … vollständig unabhängig sind, und da für alle B mD 0, ¶@ die
1
2
Zufallsvariable ZG@BD wegen †G@BD§ = 2 l †B§ mit dem Parameter 2 l †B§ poissonverteilt ist, handelt es sich beim
Prozess der Schnittpunkte dieser zufälligen Geraden des Poisson-Geradenprozesses mit der positiven x-Achse
wegen Bemerkung 22.1.4 um einen eindimensionalen Poissonprozess mit Intensität 2 l. Wegen Satz 22.1.13 sind
damit die Abstände Y1 , Y2 - Y1 , Y3 - Y2 , … zwischen zwei benachbarten Schnittpunkten vollständig unabhängig
und @2 lD-verteilt.
Diese Tatsache lässt sich mit Hilfe des bereits oben besprochenen Befehls PoissonGeradenProzess@T, lD, mit dem
sich typische Realisierungen eines Poisson-Geradenprozesses erzeugen lassen, gut veranschaulichen:
22_Der_Poissonprozess.nb
139
PoissonGeradenProzess@1, 10D
1.0
0.5
-1.0
-0.5
0.5
1.0
-0.5
-1.0
Wir haben bereits gesehen, dass die Erlangverteilung und damit auch die Exponentialverteilung Spezialfälle der
Gammaverteilung sind. Nun wollen wir noch kurz auf die Beziehungen zwischen der Gammaverteilung und der
Betaverteilung bzw der Gammaverteilung und der Chi-Quadratverteilung eingehen:
22.3.7 Satz: Sind die Zufallsvariablen X und Y unabhängig, ist X amma@a, lD-verteilt und Y amma@ b, lDverteilt, so ist die Zufallsvariable Z = X êHX + Y L eta@a, bD-verteilt.
ô
Beweis: Aus dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit in differenzieller Form folgt zusammen mit der Eigenschaft über das Einsetzen einer Bedingung für alle 0 < z < 1 (wir entwickeln 1 ê Hz + „ zL in eine Taylorreihe)
Z @zD =
1
X
1 ¶
X
@8
œ @z, z + „ zD<D =
œ @z, z + „ zD 8X = x<<D X @xD „ x =
Ÿ 0 @8
„z
X +Y
„z
X +Y
=
x
1 ¶
œ @z, z + „ zD<D X @xD „ x =
Ÿ @8
„z 0
x+Y
=
1 ¶
¶
2
2
Ÿ @8Y œ @xê z - x - xê z „ z, xê z - xD<D X @xD „ x = Ÿ 0 Y @x ê z - xD x ê z X @xD „ x
„z 0
Wir werten dieses Integral mit Hilfe von Mathematica aus und vergleichen das Ergebnis mit der Verteilungsdichte
der eta@a, bD-Verteilung:
FullSimplifyBIntegrateBPDF@GammaDistribution@ b, lD, x ê z - xD x ê z2 PDF@GammaDistribution@a, lD, xD, 8x, 0, •<F ä
PDF@BetaDistribution@a, bD, zD, 8a > 0, b > 0, l > 0, 0 < z < 1<F
True
22.3.8 Satz: Für alle n œ stimmt die Gammaverteilung mit den Parametern a = n ê 2 und l = 2 mit der ChiQuadrat Verteilung mit dem Parameter n überein. Speziell gilt hi@2D = amma@1, 2D.
ô
Beweis: Wir beweisen diese Aussage mit Hilfe von Mathematica
22_Der_Poissonprozess.nb
140
GammaDistribution@n ê 2, 2D ä ChiSquareDistribution@nD
True
22.4 Die Exponentialverteilung @lD
Wir wissen bereits, dass die Exponentialverteilung @lD dem Spezialfall amma@1, 1 ê lD der Gammaverteilung und
damit dem Spezialfall @1, lD der Erlangverteilung entspricht.
Wir fassen die bereits bekannten Eigenschaften der Exponentialverteilung @lD zusammen:
22.4.1 Bemerkung: Die Exponentialverteilung @lD besitzt den Träger
= @0, ¶@
die Verteilungsdichte
-l z
@zD = ; l ‰
0
für z ¥ 0
sonst
und die Verteilungsfunktion
0
@zD = : z -l t
„ t = 1 - ‰-l z
Ÿ l‰
0
für z < 0
für z ¥ 0
Eine @lD-verteilte Zufallsvariable Y besitzt den Erwartungswert
@Y D = 1 êl
und die Varianz
@Y D = 1 ë l2
Für die Faltung von Exponentialverteilungen mit gleichem! Parameter l gilt (man vergleiche die Faltungsformel der Erlangverteilung)
@lD * @lD *… *@lD = @1, lD *@1, lD * …*@1, lD = @n, lD
n mal
n mal
Abgesehen von ihrem Auftreten im Zusammenhang mit Poissonprozessen verwendet man die Exponentialverteilung vor allem als Lebensdauerverteilung von nicht-alternden Geräten:
22.4.2 Definition: Die stetige Zufallsvariable T mit @8T > 0<D = 1 besitzt die Nichtalterungseigenschaft, wenn
für alle s, t > 0 die Beziehung
@8T > s + t< 8T > s<D = @8T > t<D
gilt. Die Lebensdauer T eines Geräts besitzt somit genau dann die Nichtalterungseigenschaft, wenn sich die
restliche Lebensdauer eines zwar gebrauchten aber noch intakten Geräts genau so verhält, wie die Lebensdauer
eines neuen gleichartigen Geräts - wenn also das Gerät nicht altert. Typische Beispiele für solche Geräte sich
einfache elektronische Bauteile ohne mechanische Abnutzung.
Zentral für die Anwendungen ist der folgende
22.4.3 Satz: Eine stetige Zufallsvariable T mit @8T > 0<D = 1 besitzt genau dann die Nichtalterungseigenschaft, wenn sie @lD-verteilt ist.
ô
22_Der_Poissonprozess.nb
141
Beweis: Ist die Zufallsvariable T mit dem Parameter l exponentialverteilt, so gilt für alle s, t > 0
@8T > s + t< 8T > s<D =
-l Hs+tL
@8T > s + t<D
= ‰ -l s = ‰-l t = @8T > t<D
@8T > s<D
‰
womit gezeigt ist, dass eine [l]-verteilte Zufallsvariable T die Nichtalterungseigenschaft besitzt. Besitzt nun
umgekehrt die Zufallsvariable T die Nichtalterungseigenschaft, so gilt für alle s, t > 0
@8T > s + t<D = @8T > s<D @8T > t<D
und damit wegen der Stetigkeit von T
@8T > s + h<D - @8T > s<D
@8T > h<D - 1
„
= @8T > s<D limhØ0
=
@8T > s<D = limhØ0
h
h
„s
= -@8T > s<D limhØ0
@8T § h<D
= -@8T > s<D T @0D
h
Diese separable Differentialgleichung für die Funktion s Ø @8T > s<D mit der Anfangsbedingung @8T > 0<D = 1
besitzt bekanntlich die Lösung
@8T > s<D = ‰-l s
was T = @lD zur Folge hat.
22_Der_Poissonprozess.nb
142
22.4.4 Beispiel: Ein nicht-alterndes elektronisches Gerät besitzt eine mittlere Lebensdauer von l = 12 Jahren.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Gerät innerhalb der Garantiezeit von g = 2 Jahren
ausfällt. Auf welchen Wert m müsste die mittlere Lebensdauer dieses Geräts erhöht werden, damit der
Prozentsatz der Garantiefälle auf 5 % fällt?
ô
Lösung: Wegen Satz 22.4.3 ist die Lebensdauer T dieses elektronischen Geräts @1 êlD-verteilt. Für die von uns
gesuchte Wahrscheinlichkeit @8T § g<D, dass dieses Gerät innerhalb der Garantiezeit von g = 2 Jahren ausfällt,
ergibt sich damit
l = 12; g = 2;
CDF@ExponentialDistribution@1 ê lD, gD êê N
0.153518
Auf welchen Wert m man die mittlere Lebensdauer dieses Geräts erhöhen müsste, um den Prozentsatz der
Garantiefälle auf 5 % zu senken, lässt sich mit dem Befehl FindRoot und dem Startwert m = l leicht ermitteln:
FindRoot@CDF@ExponentialDistribution@1 ê mD, gD ä 0.05, 8m, l<D êê N
Clear@l, gD
8µ → 38.9915<
22.4.5 Beispiel: In einem Betrieb werden nicht-alternde Geräte mit einer mittleren Lebensdauer von l Stunden
verwendet. Fällt ein Gerät aus, so wird es sofort durch ein neues Gerät ersetzt. Man bestimme die Verteilung
der Anzahl N der Geräte, welche während eines Arbeitstages von a Stunden zum Einsatz gelangen.
ô
Lösung: Wegen Satz 22.4.3 sind die Lebensdauern T1 , T2 , … der an diesem Tag zum Einsatz gelangenden Geräte
@1 êlD-verteilt. Außerdem darf man annehmen, dass diese Lebensdauern vollständig unabhängig sind. Für n = 1
gilt daher
@8N = 1<D = @8T1 > a<D = ‰-aêl
Für n œ 82, 3, …< folgt aus dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit in differenzieller Form
@8N = n<D = @8T1 + … + Tn-1 § a < T1 + … + Tn <D =
¶
@8T1 + … + Tn-1 § a < T1 + … + Tn < 8T1 + … + Tn-1 = t<D T +…+T
@tD „ t =
1
n-1
0
a
= Ÿ @8Tn > a - t<D T +…+T
@tD „ t
1
n-1
0
=Ÿ
Wegen der Faltungsformel ist die Summe T1 + … + Tn-1 aber @n - 1, 1 êlD = amma@n - 1, lD verteilt, also gilt
(wir werten das Integral mit Hilfe von Mathematica aus)
@8N = n<D = ‰-aêl
Ha êlLn-1
Hn - 1L !
22_Der_Poissonprozess.nb
143
Integrate@H1 - CDF@ExponentialDistribution@1 ê lD, a - tDL PDF@GammaDistribution@n - 1, lD, tD, 8t, 0, a<,
Assumptions Æ 8n ≥ 2, a > 0<D
a
−
a−1+n λ λ1−n
Gamma@nD
Wir haben damit insgesamt bewiesen, dass die Zufallsvariable N - 1 mit dem Parameter a ê l poissonverteilt ist.
Dieses Ergebnis hätte man ohne Rechnung auch folgendermaßen erhalten: Die Zeitpunkte, in denen die Geräte
ausfallen und durch neue Geräte ersetzt werden, bilden einen Poissonprozess mit Parameter 1 êl. Die Zufallsvariable N - 1 entspricht dabei der Anzahl der Erfolge im Intervall @0, aD und ist damit @a êlD-verteilt.
22.4.6 Beispiel: Der Zerfall einer radioaktiven Substanz lässt sich (mikroskopisch gesehen) folgendermaßen
beschreiben: Die Lebensdauer jedes einzelnen Atoms ist @lD-verteilt (die Atome altern nicht), wobei der
Parameter l der Zerfallskonstanten der Substanz entspricht. Die einzelnen Atome zerfallen unabhängig
voneinander. Unter der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt 0 von dieser Substanz n Atome vorhanden sind,
ermittle man die Verteilung der Anzahl N der bis zum Zeitpunkt t zerfallenden Atome.
ô
Lösung: Die Lebensdauern T1 , T2 , …, Tn der n zum Zeitpunkt 0 vorhandenen Atome sind vollständig unabhängig
und @lD-verteilt. Also gilt für alle k œ 80, 1, 2, …, n< unter Verwendung der Formel von Bernoulli
@8N = k<D = @:
k der Zufallsvariablen T1 , T2 , …, Tn sind
n
>D = K O H1 - ‰-l t Lk H‰-l t Ln-k
kleiner als t, die restlichen n - k sind größer als t
k
Damit haben wir gezeigt, dass die Zufallsvariable N offenbar @n, 1 - ‰-l t D-verteilt ist. Ist n groß und 1 - ‰-l t
klein, so ist N wegen des Gesetzes der seltenen Ereignisse annähernd @n H1 -‰-l t LD-verteilt.
.
22.4.7 Beispiel: In einer Anlage wird ein störanfälliges Gerät mit @lD-verteilter Lebensdauer verwendet. Fällt
dieses Gerät aus, so wird sofort seine Reparatur versucht, die mit der Wahrscheinlichkeit 1 - p gelingt. Das
reparierte Gerät ist dann in jeder Hinsicht gleichwertig einem neuen Gerät. Kann das Gerät nicht mehr
repariert werden, so wird es durch ein neues, gleichartiges Gerät ersetzt. Man ermittle die Verteilung der
Zufallsvariablen T, welche angibt, wie lange man mit n derartigen Geräten auskommt (die Reparaturzeiten
werden dabei nicht eingerechnet).
ô
Lösung: Beim Prozess, mit dem beschrieben wird, ob eine Reparatur misslingt (Erfolg) bzw gelingt (Misserfolg),
handelt es sich um einen Bernoulliprozess mit Parameter p. Für die Anzahl N der Einsätze, welche mit n Geräten
insgesamt durchgeführt werden können, gilt damit N = Yn+1 + n, wobei Yn+1 die Anzahl der Misserfolge vor dem
n + 1-ten Erfolg dieses Bernoulliprozesses bezeichnet. Für alle t > 0 folgt damit aus dem Satz von der totalen
Wahrscheinlichkeit (die vollständig unabhängigen, @lD-verteilten Dauern der einzelnen Einsätze bezeichnen wir
dabei mit T1 , T2 , …)
¶
T @tD = T +T +…+T @tD = ⁄ T +T +…+T @tD @8Yn+1 = k - n<D =
1 2
N
1 2
k
k=n
= p.@ p l ‰- p l t
H p l tLn-1
H p l tLn
D + H1 - pL@ p l ‰- p l t
D
Hn - 1L !
n!
Dabei haben wir berücksichtigt, dass die Summe T1 + T2 + … + Tk auf Grund der Faltungsformel @k, lD-verteilt
ist und die Zufallsvariable Yn+1 bekanntlich @n + 1, pD-verteilt ist. Die Summe wurde mit Hilfe von Mathematica ermittelt und etwas umgeformt:
22_Der_Poissonprozess.nb
144
FullSimplify@Sum@PDF@GammaDistribution@k, 1 ê lD, tD PDF@NegativeBinomialDistribution@n + 1, pD, k - nD, 8k, n, •
−p t λ p Hp t λLn Hn − H−1 + pL t λL
t Gamma@1 + nD
Wir haben damit gezeigt, dass es sich bei der Verteilung T der Zufallsvariablen T offenbar um die Mischung
p @n, p lD + H1 - pL @n + 1, p lD
der beiden Erlangverteilungen @n, p lD und @n + 1, p lD mit den Gewichten p und 1 - p handelt.
22.4.8 Beispiel: Gegeben seien zwei voneinander unabhängige Poissonprozesse H1L und H2L auf mit den
Intensitäten l und m. Gesucht ist die Verteilung der Anzahl N der zufälligen Punkte des Prozesses H1L
zwischen zwei aufeinanderfolgenden zufälligen Punkten des Prozesses H2L .
ô
H2L
H2L
Lösung: Wir betrachten die i + 1-te Pause des Prozesses H2L , deren Länge T = Yi+1 - Yi wegen Satz 22.1.13
@mD-verteilt ist. Für alle n œ folgt dann aus dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit zusammen mit der
Tatsache, dass die Anzahl der zufälligen Punkte des Prozesses H1L in einem Intervall der Länge t bekanntlich
@l tD-verteilt ist (das Integral werten wir wieder mit Mathematica aus)
@8N = n<D = Ÿ
m
Hl tLn
ln
¶
¶
@8N = n< 8T = t<D T @tD „ t = Ÿ ‰-l t
m ‰-m t „ t =
0
0
n!
l + m Hl + mLn
Integrate@PDF@PoissonDistribution@l tD, nD PDF@ExponentialDistribution@mD, tD, 8t, 0, •<,
Assumptions -> 8l > 0, m > 0, n Œ Integers, n ≥ 0<D
λn µ Hλ + µL−1−n
Wir haben damit gezeigt, dass die Anzahl N der zufälligen Punkte des Prozesses H1L zwischen zwei aufeinanderfolgenden zufälligen Punkten des Prozesses H2L einer @1, mêHl + mLD-Verteilung genügt.
22.4.9 Beispiel: Eine Versicherung nimmt an, dass die Anzahl N der Unfälle pro Jahr, welche ein
durchschnittlicher Autofahrer verursacht, @1, pD-verteilt ist. Außerdem nimmt die Versicherung an, dass
die einzelnen Schadenshöhen X1 , X2 , … voneinander und von der Anzahl der Unfälle unabhängig und @lDverteilt sind. Man ermittle die Verteilung des von einem Autofahrer während eines Jahres verursachten
Gesamtschadens Z.
ô
Lösung: Offenbar gilt
@8Z = 0<D = @8N = 0<D = p
Aus dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit zusammen mit der Eigenschaft über das Einsetzen einer Bedingung ergibt sich außerdem für alle z > 0 (wir berücksichtigen dabei, dass die Summe X1 + X2 + … + Xn von n
unabhängigen, @lD-verteilten Zufallsvariablen @n, lD-verteilt ist und werten die Summe mit Hilfe von Mathematica aus)
Z @zD =
=
1
1 ¶
@8Z œ @z, z + „ zD<D =
⁄ @8Z œ @z, z + „ zD< 8N = n<D @8N = n<D =
„z
„ z n=1
¶
1 ¶
⁄ @8X1 + X2 + … + Xn œ @z, z + „ zD<D @8N = n<D = ⁄ X1 +X2 +…+Xn @zD N @nD =
„ z n=1
n=1
22_Der_Poissonprozess.nb
145
= H1 - pL p l ‰- p l z
FullSimplify@Sum@PDF@GammaDistribution@n, 1 ê lD, zD PDF@NegativeBinomialDistribution@1, pD, nD, 8n, 1, •<D, 8l >
−−p z λ H−1 + pL p λ
Bei der Verteilung Z des Gesamtschadens Z handelt es sich also um die Mischung
Z = p d80< + H1 - pL @ p lD
des auf der Menge 80< konzentrierten Dirac-Maßes d80< mit einer Exponentialverteilung mit Parameter p l. Der
besseren Veranschaulichung halber plotten wir die Verteilungsfunktion Z dieser gemischten Verteilung:
Manipulate@Plot@p UnitStep@zD + H1 - pL CDF@ExponentialDistribution@p lD, zD, 8z, -10, 50<,
PlotStyle Æ [email protected], AspectRatio Æ 0.4, AxesOrigin Æ 8-5, 0<, PlotRange Æ All,
AxesLabel Æ 8z, @zD<, ImageSize Æ 8200, 100<D,
8p, 0.5, 0.9, Appearance Æ "Labeled"<, 8l, 0.1, 0.5, Appearance Æ "Labeled"<D
p
0.5
l
0.1
HzL
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
-10
0
10
20
30
40
50
z
Abschließend befassen wir uns noch mit dem Zusammenhang zwischen der Exponentialverteilung und der Gleichverteilung auf dem Intervall @0, 1D, der Laplaceverteilung sowie der Rayleighverteilung:
22.4.10 Satz: Ist die Zufallsvariable Z im Intervall @0, 1D gleichverteilt und ist l > 0, so ist die Zufallsvariable
Y = -Log@ZD êl mit dem Parameter l exponentialverteilt. (Diese Transformationsformel ist vor allem für die
Erzeugung von exponentialverteilten Zufallszahlen von Bedeutung.)
ô
Beweis: Für alle y > 0 gilt
@8Y § y<D = @8-Log@ZD ê l § y<D = @8Z ¥ ‰-l y <D = 1 - ‰-l y
22_Der_Poissonprozess.nb
146
22.4.11 Satz: Sind die beiden Zufallsvariablen X und Y unabhängig und @lD-verteilt, so genügt ihre Differenz
Z = X - Y einer @0, 1 ê lD-Verteilung.
ô
Beweis: Aufgrund des Satzes von der totalen Wahrscheinlichkeit und der Regel über das Einsetzen einer Bedingung gilt für alle z œ (man achte dabei genau auf die Integrationsgrenzen!)
@8Z œ @z, z + „ zD<D =
1 ¶
@8X - Y œ @z, z + „ zD< 8Y = y<D Y @yD „ y =
„ z Ÿ0
=Ÿ
¶
@z + yD Y @yD „ y
Max@-z,0D X
Wir werten dieses Integral mit Hilfe von Mathematica aus und vergleichen das Ergebnis sowohl für z < 0 als auch
für z ¥ 0 mit der Verteilungsdichte der @0, 1 ê lD-Verteilung:
FullSimplify@
Integrate@PDF@ExponentialDistribution@lD, z + yD PDF@ExponentialDistribution@lD, yD, 8y, Max@-z, 0D, •<D ä
PDF@LaplaceDistribution@0, 1 ê lD, zD, 8l > 0, z < 0<D
FullSimplify@
Integrate@PDF@ExponentialDistribution@lD, z + yD PDF@ExponentialDistribution@lD, yD, 8y, Max@-z, 0D, •<D ä
PDF@LaplaceDistribution@0, 1 ê lD, zD, 8l > 0, z ≥ 0<D
True
True
22.4.12 Satz: Ist die Zufallsvariable Z mit dem Parameter l exponentialverteilt, so genügt ihre Wurzel
Y = Z einer Rayleighverteilung mit dem Parameter 1 ê H2 lL .
ô
Beweis: Für alle y > 0 gilt
2
@8Y § y<D = @8 Z § y<D = @8Z § y2 <D = 1 - ‰-l y
Dieser Satz ist der Grund dafür, warum in der Technik oft angenommen wird, dass die Amplitude einer zufälligen
Schwingungen einer Rayleighverteilung genügt: Von der Leistung einer zufälligen Schwingung wird nämlich oft
angenommen, dass sie exponentialverteilt ist. Nun ist aber die Leistung einer Schwingung bekanntlich proportional
dem Quadrat der Amplitude dieser Schwingung. Da das Vielfache einer rayleighverteilten Zufallsvariable offenbar
wieder rayleighverteilt ist, genügt die Amplitude einer zufälligen Schwingung somit einer Rayleighverteilung.
22.4.13 Beispiel: Von der Schlingeramplitude S eines Schiffes kennt man den Erwartungswert @SD = 3.2.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Schlingeramplitude den Wert s = 5.5 überschreitet?
ô
Lösung: Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass man annehmen darf, dass die Schlingeramplitude S dieses
Schiffes einer Rayleighverteilung genügt, wobei der Parameter s dieser Rayleighverteilung so bestimmt werden
muss, dass @SD = 3.2 ist. Für die von uns gesuchte Wahrscheinlichkeit @8S > s<D = 1 - S @sD gilt damit
22_Der_Poissonprozess.nb
erw = 3.2; s = 5.5;
s = s ê. FindRoot@Mean@RayleighDistribution@sDD ä 3.2, 8s, 1<D;
1 - CDF@RayleighDistribution@sD, 5.5D
Clear@erw, s, sD
0.0982592
147
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