Monique K. Die Verträge von Locarno Um die außenpolitische Isolation zu durchbrechen und die politische Lage Deutschlands gegenüber den europäischen Siegermächten zu normalisieren, trafen sich im Oktober 1925 die wichtigsten Staatsmänner Europas in dem Schweizer Kurort Locarno. Angeregt wurden die Verhandlungen durch einen Schriftwechsel im Sommer 1925, zwischen Deutschland, Großbritannien und Frankreich, nachdem Gustav Stresemann zuvor einen Vorschlag für eine wechselseitige Garantie, der nach dem 1. Weltkrieg festgelegten Grenzen, gemacht Sitzungssaal der Konferenz von Locarno hatte. Hinzu kam der Wunsch der Siegermächte mit Hilfe der Verhandlungen, die Beziehungen zu Deutschland zu verbessern und die Bedenken der Westmächte gegenüber dem Vertrag von Rapallo, zwischen Deutschland und der Sowjetunion, zu zerstreuen. Man war sich allgemein im Klaren darüber, dass ein starres Festhalten an den Bestimmungen des Versailler Vertrages keinen Frieden bringen konnte. Besonders für Deutschland waren deshalb die Verträge von großer Wichtigkeit, um die Revisionspolitik nicht zum Stillstand kommen zu lassen und um die Räumung des immer noch durch Frankreich besetzten Rheinlandes zu erwirken. Um seine Ziele zu erreichen, war Stresemann bereit: • • • auf Elsass-Lothringen und Eupen – Malmedy zu verzichten, das Rheinland zu Entmilitarisieren zu lassen und sich im Bedarfsfall den Entscheidungen des Völkerbundes zu unterwerfen. Der ausgehandelte Kompromiss entsprach letztlich im Wesentlichen den Vorstellungen Stresemanns: • • • Deutschland, Belgien und Frankreich verpflichteten sich, keinen Krieg gegeneinander zu führen, die durch den Versailler Vertrag festgelegten Westgrenzen anzuerkennen, etwaige Differenzen, zum Beispiel im Hinblick auf die Staatsgrenze, an den Völkerbund, bzw. an ein internationales Gericht zu verweisen. Weiterhin wurde: • • einer dauerhaften Entmilitarisierung des Rheinlandes zugestimmt (dies kam besonders dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis von Frankreich und Belgien entgegen), durch Anerkennung des Status quo an der Grenze zu Frankreich, einer erneuten Besetzung deutschen Territoriums durch französische Truppen verhindert. Eine Verletzung dieser Bestimmungen würde ein sofortiges Eingreifen der Garantiemächte Italien und England zur Folge haben. Die Frage zur deutschen Ostgrenze wurde in den Verträgen nicht näher thematisiert. Deutschland hielt sich damit die Möglichkeit einer Revision der Ostgrenzen offen, obwohl auch Verträge mit Polen und Tschechien geschlossen wurden. Streitfragen sollten vor den internationalen Gerichtshof gebracht werden, lediglich auf eine gewaltsame Änderung der Grenzen wurde verzichtet, da bei einem Angriff auf Polen oder Tschechien Frankreich eingreifen würde. Abschließend beschloss die Konferenz, Deutschland in den Völkerbund aufzunehmen. Auswirkungen: Mittelfristig führten die Verträge zu einer politischen Entspannung in Europa. Das ist vor allem dem deutschen Außenminister Gustav Stresemann und seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand zu verdanken. Für ihr Engagement erhielten beide im Jahr 1926 den Friedensnobelpreis. Es war Deutschland gelungen, seine außenpolitische Isolierung zu durchbrechen und von den europäischen Großmächten als gleichberechtigt angesehen zu werden. Von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung (vor allem aus den Reihen der extremen Parteien) wurden die Verträge zunächst abgelehnt. Die nationale Rechte sah in ihnen eine Weiterführung des „Versailler „Schandvertrages“. Ihnen lieferte Locarno neues Argumentations- und Agitationsmaterial: • • • • Für sie stellten die Verträge einen Verrat an den deutschen Interessen und eine „ehrlose Erfüllungspolitik“, weil man vorhatte, endgültig auf Elsass-Lothringen und indirekt auch auf die Ostgebiete zu verzichten. Obwohl eine Revision des Versailler Vertrages zu diesem Zeitpunkt vollkommen illusorisch war. Die links gerichteten Parteien hegten indes Bedenken, dass sich Deutschland mit den Verträgen in eine antisowjetische Einheitsfront eingereiht hatte. Obwohl Stresemann nie vorgehabt hatte, mit den Westmächten einen Bund gegen die Sowjetunion zu bilden. Trotz des Widerstandes, wurden die Verträge am 27. November vom Reichstag angenommen. Die verbliebenen Regierungsparteien wurden dabei von DDP und SPD unterstützt, nachdem sich die DNVP (anlässlich Locarno) aus der Regierung zurück gezogen hatte. Wie die Regierung bereits angekündigt hatte, trat sie am 5. Dezember nach der Vertragsunterzeichnung zurück. Luther blieb zunächst weiterhin Reichskanzler, der am 27. November gewählten bürgerlichen Koalition aus BVP, DDP, DVP und Zentrumspartei. Langfristig verhalf Locarno vor allem der SPD zu neuem und besseren Ansehen in der Bevölkerung, was sich auch in den Wahlergebnissen der nächsten Jahre widerspiegelt. Mit den Verträgen verhalf Stresemann Deutschland zu neuem Ansehen in der Welt, sie bildeten das Fundament des verbesserten westeuropäischen diplomatischen Klimas und wirtschaftlichen Beziehungen.