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S II
B Moralphilosophie · Beitrag 3
Aristoteles
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Grundlagen der philosophischen Ethik: Aristoteles
Dr. Frank Martin Brunn, Mannheim
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Bild: Aristoteles, dpa picture-alliance.
Klasse: 12
Dauer: 14 Stunden
Arbeitsbereich: Moralphilosophie / Ansätze philosophischer Ethik
Wie führt man ein glückliches Leben?
Die „Nikomachische Ethik“ des Aristoteles lässt sich lesen als Antwort auf diese Frage. Es
geht Aristoteles um das Tun des Menschen im Blick auf ein gelungenes Leben. Dabei steht
der Begriff der Tugend im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Wer aus Überzeugung tugendhaft lebt, der weiß zum einen um Tugenden, zum anderen übt er sie beständig ein. Dies Einüben führt zur Entwicklung von normativen Handlungsdispositionen und prägt den Charakter eines Menschen, sodass ein tugendhaftes und glückliches Leben schließlich aus einer
inneren Haltung heraus gelebt wird.
Gleichwohl muss Aristoteles zugestehen, dass nicht jedermann gänzlich seines Glückes
Schmied sein kann. Es gibt äußere Lebensumstände, in die wir hineingeboren werden, die
das Glück beeinflussen. Was ein glückliches Leben ist, bleibt letztlich jedoch subjektiv und
individuell verschieden.
Dieser Unterrichtsentwurf versucht, das aristotelische Konzept einer Tugendlehre in der heutigen Zeit anschaulich werden zu lassen. Die hierfür notwendige Transferleistung baut auf
einer Arbeit mit Texten aus der „Nikomachischen Ethik“ auf.
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4 RAAbits Ethik/Philosophie September 2005
S II
M1
B Moralphilosophie · Beitrag 3
Aristoteles
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Platon und Aristoteles
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Bilder: Raffael: „Die Schule von Athen“ (1508–1511), dpa picture-alliance.
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B Moralphilosophie · Beitrag 3
Aristoteles
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Gruppe 2: Wer war Aristoteles?
Aristoteles wird im Jahre 384 oder 383 v. Chr. geboren, und zwar in Stageira. [...] Bedeutsam
ist, dass Stageira fern in der Provinz liegt, irgendwo in Thrakien, und dass Aristoteles, anders
als sein großer Lehrer Platon, kein Bürger Athens, der geistigen Hauptstadt Griechenlands, ist,
sondern ein Provinzler.
5 Er unterscheidet sich auch darin von Platon, dass er keinem aristokratischen Geschlecht ange-
hört. Aber er ist [...] ein Mann aus gutbürgerlichem Hause, Sohn eines Arztes, der den Titel eines
Leibarztes des Königs von Makedonien trägt. Nichts liegt näher, als dass Aristoteles die Praxis
seines Vaters übernommen hätte. [...] Aristoteles aber will lieber nach Athen gehen. Die Familie lässt ihn denn auch ziehen, nicht ohne vorher das Orakel befragt zu haben, was er nun dort
10 tun solle, und die göttliche Antwort erhalten zu haben, er solle Philosophie studieren. [...] Philosophie ist zur Zeit des Aristoteles eine umfassende Angelegenheit; zu ihr gehört im Grunde
alles Wissen und alle Wissenschaft. Ob einer Staatsmann oder Feldherr oder Erzieher werden
will: Er tut gut daran, sich erst einmal mit Philosophie zu beschäftigen.
Die große Chance, die sich dafür im damaligen Athen bietet, heißt Platon. Dieser hat in seiner
15 Akademie [...] eine Schar von Schülern um sich versammelt, mit denen er gemeinsam philoso-
phiert. In diese Gesellschaft nun tritt der siebzehnjährige Aristoteles ein und bleibt zwanzig
Jahre dort, lernend, diskutierend, vor allem aber mit auffälligem Fleiß den Büchern hingegeben. [...]
Freilich kann es nicht ausbleiben, dass ein so begabter Kopf wie Aristoteles auf die Dauer zu
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20 eigenen philosophischen Gedanken kommt und sich nicht mit allem einverstanden erklären
kann, was der alternde Platon lehrt. [...] Zum offenen Konflikt kommt es allerdings erst nach
dem Tode Platons. Nicht Aristoteles, sondern ein anderer, Unbedeutenderer, wird zum neuen
Haupt der Akademie ernannt. Aristoteles ist verstimmt, wandert aus. [...]
Nachdem er in Athen mit dem größten Philosophen zusammengetroffen ist, stößt er in Make25 donien auf das größte militärische und politische Genie seiner Zeit: auf Alexander den Großen.
Dieser ist freilich damals noch nicht der Große, sondern ein Knabe von dreizehn Jahren, und
Aristoteles wird nicht sein politischer Ratgeber, sondern sein Erzieher. [...]
[Einige Jahre später kehrt Aristoteles nach Athen zurück.] Hier nun sammelt er eine Reihe von
Schülern um sich. [...] Mit dem Tode Alexanders ändern sich auch in Athen die politischen Ver30 hältnisse; die Stadt entzieht sich dem makedonischen Einfluss, und wer es je mit den Makedoniern gehalten hat, wird nun der Kollaboration verdächtigt. Den Aristoteles wegen politischer
Vergehen offen zu beschuldigen, reicht freilich das Belastungsmaterial nicht aus. So sucht man
einen anderen Grund, um ihm etwas am Zeuge zu flicken: Man bezichtigt ihn der Gotteslästerung. Aristoteles jedoch entzieht sich der Anklage durch die Flucht. [...] Er geht ins Exil und stirbt
35 dort kurze Zeit darauf, mit 63 Jahren. [...]
Er ist gerade als Gelehrter ein Mann von Welt. Sein ganzes Interesse ist der Wirklichkeit in der
Vielfalt ihrer Erscheinungen zugewandt. Er untersucht die Tiere in ihren Gestalten und Verhaltungen, die Gestirne, die Staatsverfassungen, die Dichtkunst, die Rhetorik. Vor allem aber fragt
er nach dem Menschen: Wie dieser denkt und handelt und wie er denken und handeln soll.
Aus: Weischedel, Wilhelm: Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen in Alltag und Denken, dtv,
München 2000, S. 50–54.
Aufgaben (M 3)
1. Gliedern Sie den Text und geben Sie den einzelnen Abschnitten Überschriften.
2. Was erfahren Sie über das Leben und die Philosophie des Aristoteles?
3. Welche Grundüberzeugungen der Philosophie Aristoteles', die Wilhelm Weischedel benennt,
erkennen Sie in Raffaels Darstellung von Aristoteles wieder?
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4 RAAbits Ethik/Philosophie September 2005
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B Moralphilosophie · Beitrag 3
Aristoteles
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Den Schülerinnen und Schülern etwas fremd wird der Begriff „Glückseligkeit“ sein. Es ist
zudem fraglich, ob er das griechische eudaimonia treffend wiedergibt. Glückseligkeit mag zu
voll oder zu transzendental klingen. Das viel gebräuchlichere Wort „Glück“ ist allerdings lange
nicht so klangvoll wie der griechische Ausdruck und mag zu wenig oder zu unbestimmt sein.
Da Aristoteles an dieser Stelle selbst problematisiert, wie unbestimmt die Vorstellungen von
eudaimonia sind, lässt sich die Frage, ob der Mensch mit den Worten der Übersetzung nach
Glückseligkeit strebt oder ob es nicht vielleicht doch bloß das Glück ist, was er sucht, leicht didaktisch aufnehmen und im Unterrichtsgespräch thematisieren. Dass zum Glückselig- oder
auch nur Glücklichsein „gut leben“ (eu zen) und „es gut machen“ oder altertümlich: „sich gut
gehaben“ (eu prattein) gehört, ist evident. Doch wie im Altgriechischen, so schwingen auch im
Deutschen hier unterschiedliche Bedeutungen mit: „Gut leben“ heißt sowohl tugendhaft, also
sittlich gut zu leben als auch vergnüglich zu sein. „Es gut machen“ bedeutet sowohl gut handeln als auch sich wohl befinden. So kann derselbe Ausdruck situationsabhängig Unterschiedliches bezeichnen.
Aristoteles weist entsprechend auf unterschiedliche Lebenssituationen. – Die Offenheit, was
Glückseligkeit individuell je sein kann, sollte das Unterrichtsgespräch anregen können.
Schaubild zu M 4: Die Architektur der Handlungsziele
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Zeichnung: Oliver Wetterauer.
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4 RAAbits Ethik/Philosophie September 2005
Lebensweisen
vernünftiger
Teil
4 RAAbits Ethik/Philosophie September 2005



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(Prinzip der Ernährung
und des Wachstums)
vegetatives
Vermögen
(leistet der Vernunft
gegebenenfalls Folge)
sinnlich begehrendes/
strebendes Vermögen
ethische/sittliche
Tugenden:
Mut, Freigebigkeit, Sanftmut, Mäßigkeit
dianoetische Tugenden/
Verstandestugenden:
Kunstfertigkeit, Klugheit,
Wissenschaft, Weisheit
Tugenden
der Seelenteile
Aristoteles
unvernünftiger
Teil
a) Genussleben
b) politisches Leben
Vernunft
Seele
Die Seelen- und Tugendlehre des Aristoteles
c) Leben der
philosophischen
Betrachtung
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Wille
Aus: dtv-Atlas Philosophie (1993), S. 50, Tafel B.
(Phronesis)
Klugheit
Vernunft
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gut
(Hexis)
en
b
re
St
Übung
Ethos
im
Staat
(Eudämonie)
Glückseligkeit
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schlecht
Habitus/
guter
Charakter
ethische
Tugend
M 17 Die Tugendlehre des Aristoteles
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Aristoteles
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4 RAAbits Ethik/Philosophie September 2005
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