ORGANISCHE CHEMIE 1 © JÜRGEN HALLER TEIL 1 1 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 „Die Organische Chemie kann einen jetzt ganz toll machen. Sie kommt mir wie ein Urwald der Tropenländer vor, voll der merkwürdigen Dinge, ein ungeheures Dickicht, ohne Ausgang und Ende, in das man sich nicht hineinwagen mag.“ FRIEDRICH WÖHLER , 1835 heute: Organische Chemie ist wichtigster Teil der ChemieNicht nur Stoffe der belebten Natur, sondern allgemein „Chemie der Kohlenstoffverbindungen“ mit C, H, O, N, S, P, Halogene, außer CO2, CO, Carbonate, Kohlensäure. Heute geschätzt über 7´000´000 bekannte organische Verbindungen (CHRISTEN) - Dickicht noch größer!!! Fachwissenschaftliche Aspekte: „Wie können wir mit dem Studium eines Gebietes solch enormer Komplexität auch nur beginnen? Ist die OC immer noch so, wie sie WÖHLER vor 150 Jahren erschien? Das Dickicht existiert noch größtenteils unerforscht – und es gibt mehr merkwürdige Dinge, als sich Wöhler träumen lies. Aber solange wir nicht zu schnell und zu weit vorgehen, können wir es, ohne uns zu verlaufen, betreten, denn wir besitzen einen Plan, die Strukturtheorie.“ MORRISON Weiter Zitat: „Mit Hilfe der Strukturtheorie gelang es, unzählige Fakten über viele 100´000 Einzelverbindungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und sie systematisch zu ordnen. Die Strukturtheorie ist die Quintessenz der Überlegungen, wie sich Atome zu Molekülen vereinigen. Sie befaßt sich mit der Anordnung der Atome in den Molekülen , sie erkundet, wie die Elektronen die Atome miteinander verbinden, sie beschäftigt sich mit der Gestalt und Größe der Moleküle und mit der Verteilung der Elektronen in den Molekülen. Um sich ein Molekül besser vorstellen zu können, fertigt man davon oft eine Zeichnung oder ein Modell an ... Die Bilder und Modelle erweisen sich als nützlich, wenn man sie richtig interpretieren kann. Dem Strukturchemiker sagen sie ein ganze Menge über die Verbindung, deren Moleküle sie Symbolisieren: Wie man die Verbindung herstellen kann, welche physikalischen Eigenschaften sie vermutlich besitzt (Siedetemperatur, ...), in welcher Art von Lösungsmittel sie sich löst, ob sie farbig oder farblos ist, welches chemische Verhalten ihr eigen ist, die Art von Reagenzien, mit denen sie langsam oder schnell reagiert. Dies alles läßt sich mit einiger Sicherheit aus den Strukturformeln und Modellen einer Verbindung, mit der man sich nie zuvor beschäftigt hat, ablesen, wenn man deren Sinn richtig erfaß.“ © JÜRGEN HALLER 2 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Dies sind die wichtigsten Prinzipien der Veranstaltung! Im Prinzip ist dies Allgemeine Chemie an organischen Beispielen. Wir wissen heute: C ist vierbindig und als Spezialität sind C-C-Bindungen in fast beliebiger Menge möglich., zusätzlich Doppel- und Dreifachbindungen. Das, was wir spielerisch mit dem CVK-Kasten zusammensetzen, kann oft auch von Chemikern als Substanz hergestellt werden. Problem: Wie diese vielen Substanzen benennen, ohne dabei den Überblick zu verlieren? Dazu (didaktische) Überlegung: Wozu ein Name? - „Sich unterhalten können über“, auch ohne greifbare Nähe: „Hol mir X...“ Ziel: Der Name soll möglichst kurz und einfach sein und natürlich treffsicher (eindeutig bzw. eineindeutig). Abhängig von Basismenge: Oft reichen triviale (Namen) aus. Z.B. Schwabe, Tänzer, der mit dem roten Pullover, ... Trotzdem Ziel der „Eineindeutigkeit“ (Vergl. Mensch durch Pass) Wie kann man Stoffnamen finden? Folgende Möglichkeiten sind denkbar: - Eigenschaften / Eigenschaftskombinationen „Steckbriefe“ – Wie so viele Substanzen erfassen? Genauer Aufbau der Moleküle: Formeln und/oder Verbalisierung (Namen) © JÜRGEN HALLER 3 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Substanz X 1. Der Weg zur Formel • Qualitative Elementaranalyse Man muß wissen, welche Atomsorten überhaupt enthalten sind Beispiel: C, H, O • Prozentuale Zusammensetzung Bzw. Verhältnis der Atomarten im Stoff Beispiel: C : H : O = 3 : 8 : 1 • Bestimmung der Molekularformel / Summenformel Durch Bestimmung der molaren Masse (ALLG. CH) Beispiel: C5H12O • Angabe der Konstitutionsformel/Strukturformel: Man gibt zusätzlich zur Molekularformel noch an, in welcher Reihenfolge die einzelnen Atome im Molekül miteinander verknüpft sind. Experimentelle Bestimmung kompliziert. Heute spektroskopische Untersuchung (IR-Spektroskopie). Beispiel: C3H8 (Molekularformel) H H H H H C C C H H H H H H C C C H O H O H Konstitutionsisomere H gleiche Summenformel aber unterschiedliche Anordnung H H H C H © JÜRGEN HALLER O H H C C H H H 4 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 2. Der Weg zum Namen Für die Namensgebung wurde 1892 erstmals international verbindliche Regeln entwickelt (IUPAC, Genfer Nomenklatur), im nationalen Bereich werden aber oft noch sog. Trivialnamen benutzt. „Essigsäure“,“Acetylen“,... Man hat versucht, die vielen Millionen Namen auf möglichst wenig Grundprinzipien aufzubauen. Die wichtigsten (auch Schulrelevanten) muß man auswendig lernen, genauso wie Namen von Schülern usw. Ein Teilergebnis der Nomenklaturregeln finden sie im Anhang. Begriffserklärungen: • • • Funktionale Gruppe Priorität der funktionalen Gruppen Bei der Namensgebung gibt es wichtige und weniger wichtige Gruppen Präfix und Suffix Die funktionelle Gruppen haben einen anderen Namen, wenn sie vorab genannt werden (Präfix = Vorsilbe), z.B. OH-Gruppe HYDROXY, und wenn sie am Namensende genannt wird (Suffix = Nachsilbe) –OL Am üblichsten ist die Substitutive Nomenklatur Beispiel: Konstitutionsformel sei gegeben Cl C C C C C C C O H Bemerkung: Gefahr des UFERLOSEN! In der Regel hat man es mit relativ einfachen Formeln zu tun. Grundsätzliches Ziel: Namen möglichst einfach (auch bzgl. der Symbolik, z.B. Bindestriche) und eindeutig interpretierbar © JÜRGEN HALLER 5 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Vorgehensweise bei der Namensgebung 1. funktionelle Gruppen erkennen einige didaktische Bemerkungen: Analogie mit Bürste, in die ein Nagel geschlagen wurde, die „funktionelle Gruppe“ ist nicht mehr die Bürste. Vergleich Alkohol/Carbonsäure Erkennen an Heteroatomen oder Mehrfachbindungen oder Alkylgruppen Hier: C=C-Doppelbindung, Cl- und OH-Gruppen 2. In der Liste Gruppen nach Priorität ordnen. Gruppen höchster Priorität bestimmen die Verbindungsklasse. Hier: OH-Gruppe Verbindungsklasse: Alkohole 3. Bezeichnungen Gruppen höchster Priorität als Suffix benennen Hier: O-H „-ol“ Mehrfachbindungen i.d.R. als (nachrangige) Suffixe Hier: C=C „-en“ Alle übrigen als Präfixe alfabetisch! Gegebenenfalls gleiche Gruppen zusammenfassen. Hier: -Cl „Chlor“ 4. Stammsystem (Kohlenwasserstoffgerüst bestimmen) Unser Vorgehen (vereinfacht!) 1. Möglichst viele der wichtigsten Gruppen müssen enthalten sein, wobei die Gruppen höchster Priorität am stärksten beachtet werden müssen 2. Zusätzlich möglichst viele Mehrfachbindungen 3. Sonst nach der längsten C-C-Kette suchen Stammsystem benennen: Hier: C=C-C-C-C © JÜRGEN HALLER „Penten“ 6 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 5. Kohlenstoffe des Stammsystems durchnummerieren Bedingung: C-Atom(e) mit Gruppe höchster Priorität mit möglichst niedriger Ordnungszahl Grundsätzlich sollten C-Atome mit Seitengruppen möglichst kleine Ordnungszahlen erhalten Cl 5 C C C C 6. Name: hier 4 3 C 2 C 1 C O H 3-Chlor-4-Ethyl-4-Penten-2-ol Jetzt: Name nach substitutiver Nomenklatur sei bekannt! Gesucht: Konstitutionsformel Beispiel: 2-Methyl-4-oxo-hexanal 1. Verbindungsklasse und Stammsystem erkennen und formelmäßig erfassen: Beachte: Gehört C der „Funktionellen Gruppe“ zum Stammsystem oder nicht Siehe Tabelle: Unterschiedliche Namen Stammsystem:Hexan C-C-C-C-C-C Verbindungsklasse: Aldehyd C-C-C-C-C-CHO 2. Das Stammsystem durchnummerieren 3. Übrige Gruppen formelmäßig erfassen und an die der Nummer entsprechenden C-Atome hängen 4. Konstitutionsformel © JÜRGEN HALLER 7 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Weitere Definitionen KONFIGURATION -heißt die räumliche Anordnung der Atome im Molekül ohne Berücksichtigung der verschiedenen Anordnungen, die durch Rotation um Einfachbindungen entstehen können. Bindungswinkel werden berücksichtigt. (Denken sie an „Figur“) Konfigurationen, die man aus elektrostatischen Gründen erwarten kann: • 4 Liganden um ein C-Atom - tetraedrische Anordnung (Bindungswinkel 109°) H H H C C H H • Kon f igur at ion Cl 3 Liganden freie Elektronenpaare als Liganden! • Winkel = 135° C Drei Liganden eben, Winkel 120° „mercedessternförmig“ C C C C Zwei Liganden -linear 2 Liganden ! VORSICHT: „freie Elektronenpaare“ zählen wie Liganden - H2O: O hat 4 Liganden O H H Konfigurationsisomere (Stereoisomere) müßten Teilchen sein, die sich bei gleicher Konstitution in ihrer Konfiguration unterscheiden. Konformation gibt schließlich die genaue Anordnung aller Atome an, also Drehung um Einfachbindungen werden auch berücksichtigt. © JÜRGEN HALLER 8 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Beispielhafte Anwendung dieser Definition als Übung: Ich gebe ihnen den Namen, sie bauen das Teilchen: 2-Butanol Es gibt zwei nicht deckungsgleiche 2-Butanole! Sie sind nur durch Trennung und Bildung von Bindungen ineinander überführbar. Also Konfigurationsisomere oder Stereoisomere! Hier: Bild und Spiegelbild = Enantiomere Hinweis: Möglichkeit der Klassifikation der Stereoisomeren nach Enantiomerern und Nichtenantiomeren = Diastereomere Denken Sie dabei auch an die Kohlenhydrate z.B. Monosaccharide! Übung: Geben Sie zwei diastereomere Monosaccharide an! CH2OH C O OH C C C C OH OH OH α-Glucose © JÜRGEN HALLER CH2OH OH O C OH C C C C OH OH β-Glucose 9 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Wir erkennen 1. Neues Problem der grafischen Darstellung und der Nomenklatur und 2. wie überhaupt erkennen, ob ein Molekül gegebener Konstitution in stereoisomeren Formen auftreten kann? Zu 2. Chiralitätszentrum: wird i.d.R. an einem assymmetrischen (chiralen) C*-Atom (C* mit 4 verschiedenen Liganden) erkannt Zu 1. Grafische Möglichkeiten a. Räumliche Darstellung b. Fischer – Projektion am Beispiel 2-Butanol Auf Betrachter gerichtet H H C H H C O H C H H C H H H Kalottenmodell am C* halten, Kohlenstoffkette vertikal anordnen, dabei müssen die beiden Liganden OH und H auf Sie als Betrachter ausgerichtet sein. Diese Position in vereinfachter Projektion auf eine Ebene abzeichnen: C-Kette vertikal, OH und H „links und rechts“ von C*, gerade so, wie sie die beiden Liganden in Ihrem konkreten Modell sehen. Sie werden 2 „Fischer-Prokektionen“ finden. Beide sind richtig, denn „Drehen um 180° in der Papierebene“ ist erlaubt! © JÜRGEN HALLER 10 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Gegeben: 2-Amino-pentansäure Bauen Sie genau das Enantiomere, das folgender Fischer-Projektion entspricht: H H C H H C H H C H H2N C H COOH Wie lautet der exakte Name für das Enantiomer? c. Nomenklatur-Regeln nach CIP-System (CAHN/INGOLD/PRELOG) Vorgehensweise: - für die vier Liganden am C* Prioritätsabfolge festlegen. Kriterium: Ordnungszahlen (im PSE) der mit dem C* verbundenen Atome - falls unklar, weitere Atome berücksichtigen, mehrfachgebundene auch mehrfach werten. Unsere Beispiel: N (7) Also: > C (6) N Höchste Priorität > H (1) H niedrigste Priorität Und (CH2)2-CH3 (I) bzw. COOH (II) noch unklar! Hier werden „weitere Atome“ berücksichtigt: I: 2 mal H und 1 mal C → 2+6 = 8 II : 1 mal O + 1 mal O (doppelt gebunden) → 8+ 2∗8 = 24 Also höhere Priorität Damit ergibt sich folgende Abfolge der Prioritäten: NH2 >COOH > (CH2)2-CH3 > H H H C H H C H H CIII I C II H2N H HIV COOH Priorität © JÜRGEN HALLER 11 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Jetzt: Modell am C*-Atom festhalten und so ausrichten, dass der Ligand niedrigster Priorität am weitesten von Ihren Augen entfernt ist. Sie sehen dann im Vordergrund die drei übrigen Liganden. Stellen Sie dabei fest, dass ihre Prioritäten im Uhrzeigersinn fallen, dann sagen wir „R-2-Aminobutansäure“ Im anderen Fall „S-2-Aminobutansäure“ Hinweis: „D-...“ und „L-...“ beziehen sich auf die Fischer Projektion Übung: Bauen Sie 2-Buten! Es gibt 2 Konfigurationsisomere (hier Diastereomere) II H H H H I C C II I H H C C H H cis - 2 - Buten = Z - 2 - Buten H II H H H I C C C I H C II H H H trans - 2 - Buten = E - 2 - Buten Nomenklatur-Regeln: CIP Trennen Sie in Gedanken das Molekül in zwei Hälften links und rechts der Doppelbindung. Sie haben dann auf beiden Seiten 2 Liganden. Bestimmen Sie links und rechts separat die Prioritäten der beiden Liganden „Z-“ falls die Liganden höherer Priorität auf der gleichen Seite der Doppelbindung liegen, sonst „E-“. In einfachen Fällen „cis/trans“. Wobei „cis“ auf der selben Seite der Doppelbindung bedeutet, „trans“ entsprechend auf verschiedenen Seiten. © JÜRGEN HALLER 12 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Beispiel: Z –3–methyl–2–butensäure H H II II C C C CI H I H Jetzt: Konformationen Beispiel: Ethan 1 O 4 H 2 3 OH Es gibt eigentlich unendlich viele verschiedene Konformationen → quantenmechanische Betrachtungsweise! Auffallend dabei sind 2 Extremstellungen Zeichnerisch sind diese am besten in der NEWMAN-Projektion darzustellen: Stellung auf “Lücke” H H H C “Deckung” H H H H H mögliche Zwischenstellungen H H C H C H H H H H H H H H H H C H H (jedoch auch Sägebock-Darstellung wäre möglich) © JÜRGEN HALLER 13 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Energetische Betrachtungen Am energiereichsten: Stellung auf Deckung Energieärmste Konformation: Stellung auf Lücke Grund: vor allem „Van der Waals-Abstoßung“ Energiediagramm H Energie H H C H H H H H H H C H H H H H H C H H H H H C H H H Definition: Konformationsisomere mit relativem Energieminimum heißen Konformere Beispiel: Konformeres des Ethan: Stellung auf Lücke H H C H H H C H H H C H Hinweis und Übung: In den meisten Büchern finden Sie oft Alkanketten in ZICK-ZACK-Form dargestellt. → Erklärung durch Diskussion der Konfigurationsisomeren Butan Konformere suchen und die energiestabilste Form in NEWMAN bzgl der inneren C-C-Bindung zeichnerisch darstellen. NEWMAN CH3 H H H H C “Seitenansicht” CH3 C H CH3 H CH3 C H H © JÜRGEN HALLER 14 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Eigenarbeit bzw. PRAKTIKUM: Zeichnen sie die Konformere des Cyclohexans! Boot-(Wannen-) Konformation TwistKonformation SesselKonformation ATOM- und Molekülmodelle (Bindungsmodelle) Thema der Allgemeinen Chemie (Grundlagen bitte selbst erarbeiten!) Hier: Vereinfachte Darstellung im Sinne der „Bereitstellung von Hilfsmitteln“ für die OC . Wir beschäftigen uns nur mit den für die OC benötigten Atommodellen von H, C, O, N, S und den Halogenen An der PH verfügbare Atommodelle: z.B. Bohr Kugelwolkenmodell Orbitalmodelle Für Laien nur Karton bzw, Styropor! Ziel: Interpretation der Modelle, d.h. Eigenschaften schildern, die wir im Modell unmittelbar sinnlich nicht wahrnehmen können. z.B. BOHR: Energieniveaus, Elektronen kreisen, Oktettregel, „Unzufriedenheit“, „Wünsche“ Hinweis: Dieses Modell ist für die OC unwichtig © JÜRGEN HALLER 15 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Es bleiben: KWM (= Kugelwolkenmodell) und 3 verschiedene Orbitalmodelle O1, O2, O3: Hinweis: Auch das „s,p,d-Grundmodell“ ist für uns bedeutungslos! Die folgenden skizzenhaften Vorstellungen reichen aus: • Für das Reaktions- bzw. Bindungsverhalten sind nur die äußeren Elektronen bzw. Elektronenräume (Kugelwolken oder Orbitale) bestimmend. Sie befinden sich auf einem bestimmten „Energieniveau“, auf der „Außenschale“, der „obersten Etage“. Das Kugelwolkenmodell KWM: „oberste Etage“: 4 Kugeln als 4 mögliche Aufenthaltsräume (Doppelzimmer) für jeweils 2 Elektronen entgegengesetzten Spins (Geschlecht). Orbitalmodelle: Im wesentlichen 3 verschiedene Kategorien von „Doppelzimmern“ - bei H und He müßte doch eigentlich auch sein.... Kugel - „S-Orbital“ bei den übrigen Atomen Hanteln „p-Orbitale“ (Ausrichtung in x, y oder z-Richtung: px, py, pz) Form: p x - Orbital © JÜRGEN HALLER p y - Orbital p z - Orbital 16 ORGANISCHE CHEMIE 1 Halbe Hanteln Form: TEIL 1 „q-Ortbitale“ = Hybridorbitale (rote Farbe) q - Orbital Hinweis: Den Atomkern müssen wir uns immer im Zentrum vorstellen. Je größer das Atom, desto größer die Orbitale bzw. desto weiter außen die 4 Kugeln im KWM. Die 3 gebräuchlichsten Orbitalmodelle in der OC O1 = sp3-Hybridorbitalmodell (Hinweis auf Namensgebung „Hybrid“) 4 gleichartige Orbitale, q-Orbitale, (Gleiche Energieniveaus) mit unterschiedlicher Ausrichtung (nach den Ecken eines Tetraeders, Winkel 109°) O2 = sp2-Hybridorbitalmodell 3 gleichartige Orbitale, q-Orbitale, etwas kleiner als die oberen, liegen in einer Ebene (z.B. x,y-Ebene), Winkel 120°; das 4. Orbital „hat an der Hybridisierung noch nicht teilgenommen“ z.B. pz, steht also senkrecht zu den übrigen © JÜRGEN HALLER 17 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 O3 = sp-Hybridorbitalmodell 2 gleichartige q-Orbitale, die auf einer geraden liegen. Im rechten Winkel dazu kreuzen sich (in einer Ebenen liegend) 2 p-Orbitale, ebenfalls im rechten Winkel. Allen Modellen müssen wir noch die folgenden Regeln bzw. „Wünsche“ zuordnen: Möglichst komplett besetzte oberste Etagen gemäß PAULI-Prinzip (in jedes Zimmer höchstens 2 Elektronen entgegengesetzten Spins) und hundscher Regel (Gleichwertige Zimmer werden grundsätzlich zuerst einfach besetzt). Feststellung H-, C-, O- und weitere Atome sind unzufrieden und wünschen sich volle Schalen z.B. O-Atom: Es fehlen 2; C- es fehlen 4 oder es sind 4 Elektronen zuviel Bildung und Bindungen → nachlesen hier speziell: kovalente Bindungen © JÜRGEN HALLER 18 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Wie können wir uns kovalente Bindungen vorstellen? Zwei einfach besetzte Orbitale überlappen, es entsteht eine Situation, in der sich dann die beiden Elektronen in der Nachbarschaft aufhalten „dürfen“ – „eine angenehmeSituation!“ – je besser die Überlappung, desto stärker die BindungAnzeichen: Energie wird frei (Bindungsenergie) Einige mögliche Überlappungsarten: sp3 überlappt mit s 1. Sp3 mit sp3 sp3 mit sp2 Einfachbindungen a. σ-Bindungen q-Orbitale überlappen z.B. von 2 sp3-Hybridorbitalen b. π-Bindung p-Orbitale von z.B.2 sp2-Hybridorbitalen „überlappen“ © JÜRGEN HALLER 19 ORGANISCHE CHEMIE 1 2. Doppelbindungen a. τ-Bindungen („Bananenbindungen“) je 2 q-Orbitale überlappen, hier am Beispiel von 2 sp3-Hybridorbitalen 2. σ- und π-Bindungen Dankbar 3 τ-Bindungen oder TEIL 1 2 τ-Bindungen + π-Bindungen oder ....? → Voraussagen der Konfiguration bzw. Bestätigung der Konfiguration 1. 4 Liganden tetraerderförmig 3 brauchbar: KWM und sp 2. 3 Liganden (einer doppeltgebunden) mecedessternförmig (d= 1,34pm) 3 2 brauchbar: KWM, sp - und sp -Modell 3. 2 Liganden (einer dreifachgebunden oder zwei doppeltgebunden) linear 2 brauchbar: KWM, sp3, sp , sp © JÜRGEN HALLER 20 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 → Sichtung und Analyse einiger Kalottenmodelle CVK und KLETT Erkennbar: Konfiguration (Atomart, Bindungsart, Winkel???) Bei beiden Modellen nicht erkennbar: Ladungsverteilung, polar ⇔ unpolar, schwach polar ... Polaritäten entstehen durch unterschiedliche Elektronegativität (EN) der an der Bindung beteiligten Atome. Bekannt EN: H C N O Cl Br S F 2,1 2,5 3,0 3,5 3,0 2,8 2,5 4,0 → Polare Bindungen: C-O oder C-CL oder O-H Hinweis: Teilchen mit polaren Bindungen müssen nicht zwingend auch polare Teilchen sein! Ladungsschwerpunkte dürfen nicht zusammenfallen! Beispiel: Partialladungen δ+ und δEthanol © JÜRGEN HALLER 21 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 Weitere Differenzierung der Ladungsverteilung ! Wichtig, weil POLE nach außen (auf andere Teilchen) besonders wirken! Polarisierung, die vom elektronegativen Atom (Schlüsselatom) ausgeht, wirkt nicht nur auf das unmittelbar mit ihm verbundene Atom, sondern je nach strukturellen und räumlichen Voraussetzungen im Teilchen, auch auf die weitere Umgebung. Wir unterscheiden: 1. Einwirkung auf σ-Bindungen Man sagt: Schlüsselatom Cl wirkt als „σ-Acceptor“. Dabei übt Cl auf die σBindungselektronen im Vergleich zu H einen –I-Effekt aus. Es wird selbst partiell negativ und die Umgebung positiv. ! –I-Effekte nehmen mit der Entfernung vom Schlüsselatom sehr stark ab. Einige wichtige –I-Substituenten: C O H O I Br Cl NO2 F zunehmender -I-Effekt Es gibt auch +I-Substituenten: Denkbar METALLE, Alkylgruppen und ??? C C C C C C C C C Li, Mg, ... C zunehmender +I-Effekt © JÜRGEN HALLER 22 ORGANISCHE CHEMIE 1 3. TEIL 1 Hypridbindungen 1 Neben Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen gibt es auch noch 1 -fach Bindungen x = Hybridbindungen Beispiel 1: 1,3 Butadien Dem Namen nach: H H H C1 C2 C3 H C4 H H Man findet aber bei C1=C2 und C3=C4 keine „ganzen“ Doppelbindungen Und bei C2-C3 mehr als eine Einfachbindung, man sagt, die Bindung hat „Doppelbindungscharakter“ → der Name ist eigentlich nicht ganz exakt Nach deutlicher beim Beispiel 2: 1,3, 5 Cyclohexatrien gibt es nicht, es gibt diesen 6-Ring mit 1 ½-fach Bindungen: Name: Benzol (BENZEN) Erklärung solcher Hybridbindungen mit Hilfe der Atommodelle: a. KWM und O1 → nur „Bananen“- oder τ-Bindungen erklärbar. Hybridbindungen können nicht veranschaulicht werden →Grenze der Brauchbarkeit dieser Modelle erreicht! Butadien oder Benzol wären nur so beschreibbar: © JÜRGEN HALLER 23 ORGANISCHE CHEMIE 1 TEIL 1 b. O2-Modell (hier als wissenschaftlich nicht ganz so sehr ernst zu nehmendes ANALOGIE-MODELL) Beispiel 1: 1, 3 – Butadien Die p-Orbitale müssen parallel stehen „Seitensprung Analogie-Modell“ Überlappungen: „normalerweise“ Bildung von Paar 1 und Paar 2 → alle C haben volles Oktett → trotz „Zufriedenheit“ besteht „Lust auf Seitensprung“ zwischen C2 und C3! → Analogie-Modell erklärt ausreichend die etwas veränderten „Bindungsordnungen“ (Bindungsgrade) im Butadien Man sagt auch: p-Elektronen sind delokalisiert (energetisch günstig, da sie an mehr als 2 Kernen „gebunden“ sind) Hinweis: Atomkerne dürfen ihre Lage nicht verändern, die Spins der Elektronen müssen gleich bleiben. © JÜRGEN HALLER 24