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Luzern, 16. Juni 2010
Hochschule Luzern
Soziale Arbeit
Dr. Walter Schmid
Rektor
1
Ausnahmsweise überträgt die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit das Urheberrecht an Studierende zurück. In diesem Fall ist
der/die Studierende Rechtsinhaber/in.
Depressive Klientel in
der Sozialhilfe
(Quelle: http://www.beobachter.ch/leben-gesundheit/psychologie/artikel/winterdepression_keine-lust-auf-gar-nichts/)
Bachelorarbeit der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
August 2015
Stefanie Hodel und Theresa Thullen
Bachelor-Arbeit
Sozialarbeit
VZ 2012-2015
Hodel Stefanie und Thullen Theresa
Depressive Klientel in der Sozialhilfe
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Vorwort der Schulleitung
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Abstract
Die vorliegende Bachelorarbeit widmet sich dem Thema „Depressive Klientel in der Sozialhilfe“. Stefanie Hodel und Theresa Thullen zeigen in dieser Bachelorarbeit auf, inwiefern
depressive Klientel schwierige Voraussetzungen in der Sozialhilfe hat. Anschliessend
legen sie ausgewählte Methoden dar, welche die schwierigen Voraussetzungen einbeziehen und einen förderlichen Umgang mit depressiver Klientel ermöglichen können.
Die Autorinnen beschreiben die Depression und die Sozialhilfe in der Schweiz. Sie zeigen
anhand der Bedürfnistheorie von Werner Obrecht und dem Begriff „Soziale Probleme“
nach Silvia Staub-Bernasconi auf, welche Bedürfnisspannungen und soziale Probleme bei
depressiver Klientel besonders bestehen. Wenn diese Bedürfnisspannungen und sozialen
Probleme von Sozialarbeitenden in der Sozialhilfe nicht erkannt und genügend beachtet
werden, hat die depressive Klientel Schwierigkeiten, die Auflagen und Weisungen der
Sozialhilfe zu erfüllen. Um diese Schwierigkeiten aufzufangen, präsentieren die Autorinnen den personenzentrierten Ansatz, die biopsychosoziale Diagnostik, die Zielformulierung und die motivorientierte Beziehungsgestaltung als Handlungsmöglichkeiten für die
Sozialarbeitenden. Mit diesen Methoden soll ein förderlicher Umgang mit depressiver
Klientel in der Sozialhilfe ermöglicht werden.
Die vorliegende Bachelorarbeit soll Sozialarbeitende zum Thema depressive Klientel sensibilisieren und einen fachlichen Diskurs zur Weiterbildung und Sensibilisierung anregen.
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ..................................................................................................................... 1
1.1
Ausgangslage ....................................................................................................... 1
1.2
Motivation & Zielsetzung ..................................................................................... 2
1.3
Fragestellungen .................................................................................................... 3
1.4
Berufsrelevanz ...................................................................................................... 3
1.5
Thematische Abgrenzung.................................................................................... 3
1.5.1 Wirtschaftliche Sozialhilfe................................................................................. 4
1.5.2 Depression ....................................................................................................... 4
1.5.3 Psychotherapie................................................................................................. 4
2
1.6
Adressatenschaft ................................................................................................. 4
1.7
Aufbau der Bachelorarbeit .................................................................................. 5
Depression ................................................................................................................... 6
2.1
Definition ............................................................................................................... 6
2.1.1 Allgemein.......................................................................................................... 6
2.1.2 ICD-10 .............................................................................................................. 6
2.2
Formen und Verläufe............................................................................................ 7
2.2.1 Verläufe ............................................................................................................ 7
2.2.2 Krankheitsbild................................................................................................... 9
2.2.3 Schwere ......................................................................................................... 10
2.2.4 Suizid.............................................................................................................. 12
3
2.3
Behandlung von Depression ............................................................................. 13
2.4
Auswirkungen von Depression ......................................................................... 14
2.5
Zusammenfassung ............................................................................................. 15
2.6
Ausblick............................................................................................................... 16
Sozialhilfe in der Schweiz......................................................................................... 17
3.1
Definition ............................................................................................................. 17
3.1.1 Subsidiarität.................................................................................................... 17
3.1.2 Rechtliche Grundlage..................................................................................... 19
3.1.3 Ziele................................................................................................................ 19
3.1.4 Grundprinzipien .............................................................................................. 20
3.2
SKOS ................................................................................................................... 22
3.3
Voraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe ................................................. 22
3.3.1 Eintrittsschwelle.............................................................................................. 22
3.3.2 Berechnung der Sozialhilfeleistungen ............................................................ 23
3.4
Pflichten .............................................................................................................. 25
4
3.5
Integrationsmassnahmen .................................................................................. 27
3.6
Anreizsystem ...................................................................................................... 27
3.7
Zusammenfassung ............................................................................................. 29
3.8
Ausblick............................................................................................................... 30
Schwierige Voraussetzungen in der Sozialhilfe ..................................................... 31
4.1
Bedürfnistheorie nach Obrecht......................................................................... 31
4.1.1 Beschreibung der Bedürfnistheorie ................................................................ 31
4.1.2 Bezug auf Depression .................................................................................... 33
4.2
Soziale Probleme ................................................................................................ 35
4.2.1 Beschreibung der sozialen Probleme............................................................. 35
4.2.2 Bezug auf Depression .................................................................................... 38
4.3
Rahmenbedingungen in der Sozialhilfe ........................................................... 43
4.3.1 Beratungssetting ............................................................................................ 43
4.3.2 Pflichten in der Sozialhilfe .............................................................................. 45
4.3.3 Integrationsmassnahmen ............................................................................... 50
4.3.4 Anreizsystem.................................................................................................. 52
5
6
7
4.4
Fazit ..................................................................................................................... 54
4.5
Ausblick............................................................................................................... 54
Methoden in der Sozialhilfe bei depressiver Klientel............................................. 55
5.1
Personenzentrierter Ansatz ............................................................................... 55
5.2
Biopsychosoziale Diagnostik ............................................................................ 57
5.3
Zielformulierung ................................................................................................. 68
5.4
Motivorientierte Beziehungsgestaltung ........................................................... 71
5.5
Fazit ..................................................................................................................... 75
Schlusswort ............................................................................................................... 76
6.1
Beantwortung der Fragestellungen .................................................................. 76
6.2
Praxisbezug ........................................................................................................ 78
6.3
Ausblick............................................................................................................... 79
Literatur- und Quellenverzeichnis ........................................................................... 80
Anhang ............................................................................................................................ I
Hinweis: Die Bachelorarbeit wurde von Stefanie Hodel und Theresa Thullen gemeinsam
verfasst.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Modelle der Handhabung der Ein- und Ausgrenzung....................................... 23 Tabelle 2: Beschreibung sozialer Probleme: Folgen nicht befriedigter Bedürfnisse ......... 36 Tabelle 3: Umfassende Dispositionen: Die Big Five.......................................................... 48 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Depressive Episode........................................................................................ 7 Abbildung 2: Rezidivierende Depression............................................................................. 8 Abbildung 3: Dysthymie....................................................................................................... 8 Abbildung 4: Phasen der bipolaren Störung........................................................................ 9 Abbildung 5: Phasen der Suizidalität................................................................................. 13 Abbildung 6: Modell des Systems der Sozialen Sicherheit ............................................... 18 Abbildung 7: Existenzminima mit bedarfs- und leistungsbezogener Unterstützung.......... 24 Abbildung 8: Berechnung der Sozialhilfeleistung basierend auf den SKOS-Richtlinien.... 25 Abbildung 9: Leistungsbezogene Unterstützung ............................................................... 28 Abbildung 10: Erwerbstätige genesen besser, unabhängig von ihrem Schweregrad ....... 39 Abbildung 11: Integrierendes Modell zu grundlegenden Aspekten des psych. Systems .. 46 Abbildung 12: Biopsychosoziale Diagnostik. Ein Rahmen-Modell .................................... 59 Abbildung 13: Koordinaten psycho-sozialer Diagnostik und Intervention.......................... 60 Abbildung 14: Diagnostische Dimensionen ....................................................................... 61 Abbildung 15: Crossings Familie B. - "offizielle" Variante ................................................. 63 Abbildung 16: Muster Netzwerkkarte................................................................................. 64 Abbildung 17: Ausfüllbeispiel Leopold S. .......................................................................... 65 Abbildung 18: Biografischer Zeitbalken ............................................................................. 66 Abbildung 19: Inklusions-Chart.......................................................................................... 67 Abbildung 20: Theoretischer Hintergrund: Bedürfnis-/Konsistenztheorie.......................... 72 Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Erklärung
BV
Bundesverfassung
DIMDI
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
EFB
Einkommensfreibetrag
ICD-10-GM
International Classification of Diseases Version 10 German Modification
IV
Invalidenversicherung
IZU
Integrationszulage
MIZ
Minimale Integrationszulage
SKOS
Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe
WHO
World Health Organization
ZUG
Zuständigkeitsgesetz
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
1 Einleitung
Im Kapitel 1 zeigen die Autorinnen die Ausgangslage für diese Bachelorarbeit auf, legen
die Motivation und die Zielsetzung dar, erläutern die Fragestellungen und Berufsrelevanz,
machen eine thematische Abgrenzung, erwähnen die Adressatenschaft und beschreiben
den Aufbau der Bachelorarbeit.
1.1 Ausgangslage
In der Schweiz bezogen laut Bundesamt für Statistik (BFS) (2014) im Jahr 2013 rund
257‘192 Personen Sozialhilfe. Das sind 3.2% der Gesamtbevölkerung der Schweiz (S.1).
Die Sozialhilfe steht in der Schweiz unter einem starken gesellschaftlichen und politischen
Druck. Die Politik fordert mehr Eigenverantwortung der Klientel im Sinne des aktivierenden Sozialstaates. Die Medien und die Politik behandeln das Thema Sozialhilfe oftmals
kritisch. Die Sozialarbeitenden sind dadurch von einem Umfeld beeinflusst, in dem das
Bedürfnis nach mehr Kontrolle der Klientel und Sparmassnahmen in der Sozialhilfe im
Vordergrund stehen. Die eigentlichen Ziele der Sozialhilfe (die Existenzsicherung, gesellschaftliche Integration und das Recht auf ein würdevolles Leben) geraten dabei in den
Hintergrund. Durch den kritischen Blick der Politik und der Medien ist die Klientel einem
generellen Missbrauchsverdacht und pauschalisierten Stigmatisierungen ausgesetzt. Die
Herausforderung der Sozialarbeitenden ist es, den Anspruch auf Sozialhilfe unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen und institutionellen Vorgaben, der Grundrechte und des
eigenen Professionsverständnisses abzuklären (AvenirSocial, 2014). Bei der Ausgestaltung der Sozialhilfe sind in der Praxis die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für
Sozialhilfe (SKOS) von grosser Bedeutung. Inzwischen wurden sie in einigen kantonalen
Gesetzgebungen verankert (Claudia Hänzi, 2008, S.115).
Laut BFS (2015b) waren im Jahr 2012 18% der Schweizer Bevölkerung durch psychische
Belastungen beeinträchtigt. Zudem litten rund 6% der Schweizer Bevölkerung an einer
Depression. Gemäss Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) (2013a) kann
sich bereits eine leichte Form der Depression auf das Leben der Betroffenen auswirken
und darf nicht unterschätzt werden. Die Betroffenen sind vermehrt arbeitsunfähig, weisen
Leistungseinbussen auf und leiden unter körperlichen Beschwerden (S.1). Gemäss BFS
(2015b) ist die Behandlungsrate bei betroffenen Personen gering. Nur jede vierte Person
mit Depression hat in den letzten 12 Monaten eine Behandlung in Anspruch genommen.
Daraus ist für die Autorinnen ersichtlich, dass viele Personen in der Schweiz an einer Depression leiden, dass diese sich auf verschiedene Bereiche des Lebens auswirkt und
dass nicht alle betroffenen Personen eine Behandlung in Anspruch nehmen. Depressive
August 2015
1
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Personen können unter anderem auf Sozialhilfe angewiesen sein, falls sie aufgrund der
Auswirkungen einer Depression nicht mehr arbeitsfähig sind oder ihre Arbeitsstelle verlieren.
Die Autorinnen fanden bei ihrer Recherche keine Literatur, welche das Thema depressive
Klientel in der Sozialhilfe behandelt. Das Thema zu psychisch beeinträchtigten Personen
in der Schweiz wurde hingegen thematisiert. Die Stiftung Pro Mente Sana widmete im
September 2012 eine Fachzeitschrift zum Thema „Psychisch beeinträchtigte Personen in
der Sozialhilfe“. Auf einige Artikel dieser Fachzeitschrift wird im Verlauf dieser Bachelorarbeit eingegangen. Neben der Stiftung Pro Mente Sana beschäftigte sich auch die
Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) mit dem Thema psychisch beeinträchtigter Personen in der Sozialhilfe. Im Mai 2011 fand in Baden eine Mitgliederversammlung
zum Thema „Die Kunst des Lebens – psychisch kranke Menschen in der Sozialhilfe“ statt.
Psychisch kranke Menschen sind besonders von wirtschaftlicher und sozialer Ausgrenzung betroffen. Viele haben bei der heutigen Praxis der Invalidenversicherung (IV) keinen
Anspruch mehr auf eine Rente und sind daher auf die Sozialhilfe angewiesen (SKOS,
ohne Datum).
Die Fachzeitschrift der Stiftung Pro Mente Sana und die Referate an der SKOS Mitgliederversammlung zeigen auf, dass die Situation psychisch beeinträchtigter Personen in
der Sozialhilfe bekannt ist. Um das Thema einzugrenzen, beziehen sich die Autorinnen in
dieser Bachelorarbeit ausschliesslich auf die Depression.
1.2 Motivation & Zielsetzung
Die Autorinnen interessieren sich aufgrund ihrer Berufserfahrungen für das Thema Sozialhilfe. Beide absolvierten das Ausbildungspraktikum in der Sozialhilfe und werden nach
dem Studium in diesem Bereich weiter arbeiten. Während ihres Praktikums machten die
Autorinnen die Erfahrung, dass es depressive Klientel in der Sozialhilfe gibt. Durch die
depressiven Symptome haben diese Personen schwierige Voraussetzungen bezüglich
gewisser Rahmenbedingungen der Sozialhilfe wie das Anreizsystem oder das Prinzip der
Leistung/Gegenleistung.
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist, die Situation depressiver Klientel in der Sozialhilfe aufzuzeigen und Handlungsmöglichkeiten für Sozialarbeitende im Spannungsfeld von Gesetz, Institution, Grundrechte und Profession darzulegen.
Diese Bachelorarbeit hat die folgenden drei Zielsetzungen:
1. Die Depression in ihren Grundzügen differenziert darstellen.
2. Die Situation von depressiver Klientel in der Sozialhilfe aufzeigen.
August 2015
2
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
3. Sozialarbeitende in der Sozialhilfe in Form von Handlungsmöglichkeiten unterstützen.
1.3 Fragestellungen
Die einzelnen Kapitel sind entlang der untenstehenden Fragestellungen aufgebaut. Die
Kapitel 2 und 3 beantworten die Fragen des Beschreibungswissens, das Kapitel 4 die
Frage des Erklärungswissens und das Kapitel 5 schliesst mit der Beantwortung der Frage
des Handlungswissens.
Beschreibungswissen
Was ist eine Depression?
Wie wird die Sozialhilfe in der Schweiz definiert?
Erklärungswissen
Inwiefern hat depressive Klientel in der Sozialhilfe schwierige Voraussetzungen?
Handlungswissen
Welche Methoden sind für die Sozialhilfe in Bezug auf den Umgang mit depressiver Klientel einzusetzen?
1.4 Berufsrelevanz
Das Thema depressive Klientel in der Sozialhilfe ist aktuell. Das zeigen Beiträge in Fachzeitschriften zum Thema psychisch beeinträchtigte Personen in der Sozialhilfe sowie frühere Bachelorarbeiten, welche sich mit einer ähnlichen Thematik auseinandergesetzt haben.
AvenirSocial (2010) definiert ein Ziel der Sozialen Arbeit so: „Soziale Arbeit hat Menschen
zu begleiten, zu betreuen oder zu schützen und ihre Entwicklung zu fördern, zu sichern
oder zu stabilisieren“ (S.6). Dieses Ziel kann bezüglich depressiver Klientel erreicht werden, wenn die Sozialarbeitenden die Symptome einer Depression erkennen und wissen,
welche Herausforderungen sich daraus in der Sozialhilfe stellen. Weiter ist für die Autorinnen wichtig, dass den Sozialarbeitenden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden,
wodurch depressive Klientel begleitet und betreut, aber auch gefördert und stabilisiert
werden kann.
1.5 Thematische Abgrenzung
Von den folgenden Themen grenzen sich die Autorinnen ab:
August 2015
3
Bachelorarbeit
1.5.1
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Wirtschaftliche Sozialhilfe
Die Autorinnen verwenden in der Bachelorarbeit den Begriff Sozialhilfe für wirtschaftliche
Sozialhilfe. Mit der wirtschaftlichen Sozialhilfe ist die Sozialhilfe im engeren Sinne gemeint, welche die Existenz der bedürftigen Personen sichert, ihre persönliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit fördert und die soziale und berufliche Integration gewährleistet (SOCIALinfo, ohne Datum).
In der Bachelorarbeit erarbeiten die Autorinnen keine Vorschläge und Änderungen für die
Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe.
Sie beziehen sich ausschliesslich auf die Klientel im Alter zwischen 18 bis 65 Jahre.
1.5.2
Depression
Die Entstehung und die Gründe für eine Depression werden in der Bachelorarbeit nicht
behandelt. Weiter werden Behandlungsmöglichkeiten der Depression nicht detailliert beschrieben. Wegen der oben erwähnten Alterseinschränkung bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe wird Depression bei Personen unter 18 Jahren nicht thematisiert. Die Autorinnen
grenzen sich im Erklärungs- und Handlungswissen von der schweren Depression ab.
Personen mit einer schweren Depression müssen nach Manfred Wolfersdorf (2011) oft in
einer Klinik behandelt werden und eine direkte Beratung ist in dieser Phase kaum möglich
(S.67).
1.5.3
Psychotherapie
Die Autorinnen wissen, dass ein Unterscheid zwischen Psychotherapie und Sozialarbeit
besteht. In der Psychotherapie steht die persönliche Not im Vordergrund und in der Sozialarbeit neben der persönlichen Not ebenso das soziale Problem, was sich aus der persönlichen Not ergibt. In der Psychotherapie geht es um die Heilung und Linderung psychischer Erkrankungen und in der Sozialarbeit um die Beseitigung und Linderung von psychischen Belastungen (Elke Brusa, 2015, S.7). In dieser Bachelorarbeit verwenden die
Autorinnen Literatur aus der Psychotherapie/Psychologie. Es ist ihnen jedoch bewusst,
dass Sozialarbeitende keinen therapeutischen Auftrag haben. Die Autorinnen verwenden
aus diesem Grund nur Literatur aus der Psychotherapie/Psychologie, wenn diese nachgewiesen auch für die Sozialarbeit angewendet werden kann.
1.6 Adressatenschaft
Die Autorinnen richten sich mit dieser Bachelorarbeit an Sozialarbeitende in der Sozialhilfe. Ebenso können Sozialarbeitende in einem anderen Arbeitsfeld von dieser Bachelorarbeit profitieren. Diese Bachelorarbeit setzt deshalb voraus, dass die Adressatenschaft
August 2015
4
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Kenntnisse über die SKOS-Richtlinien und Grundkenntnisse von Theorien der Sozialen
Arbeit hat.
1.7 Aufbau der Bachelorarbeit
Die Bachelorarbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. Nachfolgend werden die einzelnen Kapitel kurz erläutert:
Nachdem das erste Kapitel das Thema eingeleitet und die Fragestellungen erörtert hat,
widmet sich das zweite Kapitel der Depression. Die Depression wird einleitend mit der
Definition beschrieben (Kapitel 2.1) und anschliessend werden verschiedene Formen und
Verläufe (2.2) aufgezeigt. Nach einer kurzen Übersicht über Behandlungen von Depression (2.3) legen die Autorinnen die Auswirkungen von Depression bei Betroffenen und Angehörigen (2.4) dar. Dieses Kapitel endet mit einer Zusammenfassung (2.5) des ganzen
Kapitels und dem Ausblick (2.6) aufs nächste Kapitel.
Im dritten Kapitel wird die Sozialhilfe in der Schweiz beschrieben. Es folgt eine Definition
der Sozialhilfe (3.1), die Bedeutung der SKOS (3.2) für die Sozialhilfe und welche Voraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe (3.3) entscheidend sind. Anschliessend werden
Pflichten in der Sozialhilfe (3.4), Integrationsmassnahmen (3.5) und das Anreizsystem
(3.6) erläutert. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung (3.7) und dem Ausblick
(3.8) aufs Kapitel 4.
Im vierten Kapitel zeigen die Autorinnen schwierige Voraussetzungen in der Sozialhilfe
von depressiver Klientel auf. Als Basis dienen die Bedürfnistheorie nach Obrecht (4.1)
und der Begriff der sozialen Probleme nach Staub-Bernasconi (4.2). Diese werden mit
ausgewählten Rahmenbedingungen (4.3) in der Sozialhilfe in Verbindung gebracht, um
aufzuzeigen, ob und inwiefern schwierige Voraussetzungen bestehen. Das Kapitel
schliesst mit einem Fazit (4.4) und dem Ausblick (4.5) auf das nächste Kapitel.
Im fünften Kapitel werden Methoden in der Sozialhilfe bei depressiver Klientel aufgezeigt.
Dabei werden der personenzentrierte Ansatz (5.1), die biopsychosoziale Diagnostik (5.2),
die Zielformulierung (5.3) und die motivorientierte Beziehungsgestaltung (5.4) als Unterstützungsmöglichkeiten für die Sozialarbeitenden erläutert. Am Ende des Kapitels wird ein
Fazit (5.5) gezogen.
Schliesslich folgt das Kapitel 6 mit dem Schlusswort, welches die Beantwortung der Fragestellungen (6.1), den Praxisbezug (6.2) und den Ausblick (6.3) beinhaltet.
Die Arbeit endet mit dem Literatur- und Quellenverzeichnis und einem Anhang im Kapitel
7.
August 2015
5
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
2 Depression
Im Kapitel 2 beschreiben die Autorinnen die Depression. Sie zeigen auf, was eine Depression ist, welche Formen und Verläufe es gibt, welche Behandlungsmöglichkeiten bei
einer Depression bestehen und welche Auswirkungen eine Depression bei Betroffenen
und Angehörige haben kann.
2.1 Definition
Gemäss Helga Kessler und Daniel Hell (2011) ist die umgangssprachliche Depression
oftmals keine tatsächliche Depression. Stimmungstiefs oder Traurigkeiten sind eine natürliche und normale Reaktion auf gewisse Situationen. Jedoch gibt es eine genaue medizinische Definition dieser Krankheit (S.74). In diesem Kapitel wird Depression anhand der
wörtlichen Bedeutung und der medizinischen Definition International Classification of Diseases (ICD-10) definiert.
2.1.1
Allgemein
Der Begriff „Depression“ stammt vom lateinischen Wort „depressus“ und bedeutet „niedergedrückt“. Darunter wird ein schwer beschreibbarer, quälender Verlust an Lebensfreude, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden verstanden. Die Depression wirkt sich auf alle
psychischen und körperlichen Funktionen, Fähigkeiten und Leistungen einer Person aus
(Theo R. Payk, 2010, S.9). Die Depression wird individuell erlebt. Es können verschiedene Beschwerden im Vordergrund stehen (Payk, 2010, S.27).
2.1.2
ICD-10
ICD-10 ist die internationale Klassifikation der Krankheiten wie auch verwandter Gesundheitsprobleme. Diese wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellt (BFS
2015a). Die Autorinnen beziehen sich in dieser Bachelorarbeit auf die ICD-10-GM Version
2014, welche die deutsche Version von ICD-10 ist (Deutsches Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI), 2014a).
Depression wird der Kategorie F3 „Affektive Störungen“ der ICD-10-GM zugeordnet. Das
Hauptsymptom ist die Veränderung der Stimmung. Darunter gehört die depressive wie
auch die übersteigert gehobene Stimmung (Manie). Weiter kann eine depressive Stimmung auch bei den Anpassungsstörungen vorkommen, welche zur Kategorie F4 „Neurotische, Belastungs- und Somatoforme Störungen“ gehören. Eine Anpassungsstörung kann
nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder eines belastenden Lebensereignisses auftreten. Es handelt sich dabei um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emoAugust 2015
6
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
tionaler Beeinträchtigung. Sie behindern soziale Funktionen und Leistungen. Die Folgen
sind Angst, Sorge und depressive Stimmung (DIMDI, 2014b).
2.2 Formen und Verläufe
Im diesem Kapitel zeigen die Autorinnen verschiedene Verläufe einer Depression auf,
erläutern das Krankheitsbild, legen die Schweregrade einer Depression dar und beschreiben die Gefahr des Suizids einer depressiven Person.
2.2.1
Verläufe
Depressive Störungen können verschiedene Verläufe nehmen. Es gibt einmalige, wiederkehrende (rezidivierende), chronische Verläufe sowie die bipolare Störung.
Depressive Episode
Eine depressive Episode dauert mindestens zwei Wochen an. Die Episode kann als
leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet werden, je nach Anzahl und Schwere der
Symptome (Horst Dilling & Harald J. Freyberger, 2014, S.132-133). Die Abbildung 1 zeigt
den Verlauf einer depressiven Episode. Die gerade Linie stellt das Leben ohne depressive
Symptome dar. Die depressive Episode ist somit eine Abweichung vom beschwerdefreien
Leben.
Abbildung 1: Depressive Episode
(Quelle: European Alliance against Depression, 2015)
Rezidivierende depressive Störung
Gemäss Psychosoziale Gesundheit (ohne Datum) ist die rezidivierende depressive Störung eine Wiederholung von depressiven Episoden. Es sind mindestens zwei depressive
August 2015
7
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Episoden, wobei eine Episode zwei Wochen oder mehr andauert. Zwischen den Episoden
liegt eine beschwerdefreie Zeit von mindestens zwei Monaten.
Die Abbildung 2 zeigt zwei depressive Episoden als Abweichung vom beschwerdefreien
Leben.
Abbildung 2: Rezidivierende Depression
(Quelle: European Alliance against Depression, 2015)
Dysthymie
Die Dysthymie ist eine chronische, mindestens mehrere Jahre dauernde Depression. Sie
unterscheidet sich aufgrund des geringen Schweregrades von der depressiven Episode
und der rezidivierenden depressiven Störung. Personen mit einer Dysthymie können trotz
der Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Unzulänglichkeit und der hohen Anstrengung bei der Bewältigung des Lebens den Alltag gut meistern (Psychosoziale Gesundheit, ohne Datum).
In der Abbildung 3 wird diese chronische Form der Depression gezeigt.
Abbildung 3: Dysthymie
(Quelle: European Alliance against Depression, 2015)
Bipolare Störung
Eine bipolare Störung ist gemäss DIMDI (2014b) eine Störung, welche durch mindestens
zwei unterschiedliche Episoden charakterisiert ist. In diesen Episoden sind die Stimmung
und das Aktivitätsniveau der betroffenen Person deutlich gestört. Die Störung besteht in
der einen Episode aus vermehrtem Antrieb, Aktivität und gehobener Stimmung (Manie
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
oder Hypomanie) und in der anderen aus einem vermindertem Antrieb, verminderter Aktivität und einer Senkung der Stimmung (Depression).
Es gibt zwei Typen von bipolarer Störung. Die bipolare Störung Typ I ist gemäss Thomas
Ihde-Scholl (2013) die Erkrankung mit manischen und depressiven Phasen. Typ II ist charakterisiert durch wiederholt depressive und zwischendurch kurze hypomanische Phasen,
aber ohne Manien. In hypomanen Phasen ist die Person voller Tatendrang und Enthusiasmus. Sie sprüht vor Humor und Kreativität. Die manische Phase ist stärker und intensiver als die hypomane Phase. Zum Teil schläft die betroffene Person nicht mehr, das
Denken geht sehr schnell und Ideen werden ohne grosse Überlegungen umgesetzt
(S.188-190).
Die Abbildung 4 zeigt mögliche Phasen einer bipolaren Störung.
Abbildung 4: Phasen der bipolaren Störung
(Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, ohne Datum)
Die Autorinnen beziehen sich in dieser Bachelorarbeit ausschliesslich auf die depressive
und rezidivierende depressive Störung. Deshalb wird nur auf dieses Krankheitsbild eingegangen.
2.2.2
Krankheitsbild
Das Krankheitsbild der Depression lässt sich gemäss Kessler und Hell (2011) nicht klar
beschreiben. Es gibt jedoch gewisse Anzeichen und Symptome, welche eine Depression
begleiten können. Das Gefühlsleben ist am meisten betroffen (S.75). Zudem sind nach
Dilling und Freyberger (2014) das Selbstwertgefühl und –vertrauen durch die Depression
fast immer beeinträchtigt. Die gedrückte Stimmung einer depressiven Person reagiert
nicht auf Lebensumstände, verändert sich kaum von Tag zu Tag und kann von somatischen Symptomen begleitet sein (S.132-133).
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Die Diagnose der Depression ist oftmals schwierig. Gemäss Payk (2010) soll jede depressive Störung psychiatrisch bzw. psychologisch abgeklärt werden. Damit werden eine
genaue Identifizierung, die Abgrenzung zu anderen psychischen Erkrankungen und die
vermutlichen Entstehungsbedingungen erfasst. Weiter soll bei jedem depressiven Krankheitsbild eine allgemeine körperliche und neurologische Untersuchung gemacht werden,
um zu prüfen, ob sich dahinter womöglich ein organisches Leiden verbirgt. Viele Körperkrankheiten können Symptome hervorrufen, welche denen einer Depression gleichen
(S.38-39.). „Belastende, lebensverändernde und -verkürzende körperliche Erkrankungen
(z.B. unterschiedliche Stadien von Krebserkrankungen), chronische Erkrankungen (chronische Polyarthritis) mit Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, überhaupt chronische
körperliche Erkrankungen, die zu Lebensbeeinträchtigungen führen, aber auch andere
psychische Erkrankungen (z.B. chronischer Alkoholismus, Schizophrenie) können zu depressiven Symptomen führen“ (Wolfersdorf, 2011, S.18). Behandelt wird die Grunderkrankung unter Einbezug der depressiven Verstimmung und nicht ausschliesslich die Depression (ebd.).
2.2.3
Schwere
Eine festgestellte Depression wird nach bestimmten Merkmalen in leichte, mittelgradige
und schwere depressive Episode eingeteilt. Diese Einteilung in Schweregrade wird anhand berichteter und beobachteter Beschwerden und Einschränkungen vorgenommen.
Damit können sich die Therapeutinnen und Therapeuten ein ungefähres Bild der Krankheit machen (Payk, 2010, S.45).
Es gibt nach Dilling und Freyberger (2014) typische Symptome, welche die Einteilung in
die Schweregrade ermöglichen:
•
Depressive Stimmung, in einem für die Betroffenen deutlich ungewöhnlichen Ausmass, die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, im Wesentlichen unbeeinflusst von
den Umständen und mindestens zwei Wochen anhaltend
•
Interessen- und Freudeverlust an Aktivitäten, die normalerweise angenehm waren
•
Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit (S.135-136).
Je nach Schweregrad treten gemäss Dilling und Freyberger (2014) zusätzliche Symptome
auf:
•
Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
•
Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
•
Wiederkehrende Gedanken an den Tod, an Suizid, oder suizidales Verhalten
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Bachelorarbeit
•
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Klagen über oder Nachweis eines verminderten Denk- oder Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit
•
Psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung (subjektiv oder objektiv)
•
Schlafstörungen jeder Art
•
Appetitverlust oder gesteigerter Appetit mit entsprechender Gewichtsveränderung
(S.135-136).
Leichte depressive Episode
Bei einer leichten depressiven Episode ist gemäss Dilling und Freyberger (2014) die betroffene Person im gesamten Leben beeinträchtigt. Sie ist jedoch oft in der Lage, die meisten Aktivitäten zu bewältigen. Damit von einer leichten depressiven Episode gesprochen
wird, müssen insgesamt mindestens vier bis fünf Symptome vorkommen. Mindestens
zwei der typischen Symptome und zwei oder mehr zusätzliche Symptome kommen vor
(S.135).
Eine leichte Depression ist von aussen oft nicht zu erkennen. Die betroffene Person ist
alltagsfähig und kann die Erwartungen von anderen erfüllen. Die leichte Depression zeigt
sich vor allem, wenn die Person alleine ist und Freizeit hat. Sie zieht sich zurück, fühlt sich
erschöpft, ohne viel gemacht zu haben und versucht sich krampfhaft zu erholen (IhdeScholl, 2013, S.101).
Mittelgradige depressive Episode
Bei einer mittelgradigen depressiven Episode sind insgesamt sechs bis sieben Symptome
vorhanden. Es braucht mindestens zwei der drei typischen Symptome und dann noch
zusätzliche Symptome, damit insgesamt sechs oder auch sieben Symptome vorhanden
sind. Die betroffene Person hat meistens grosse Schwierigkeiten, die alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen (Dilling & Freyberger, 2014, S.136).
Die Person kann die Erwartungen des Umfeldes bei einer mittelgradigen depressiven Episode oftmals nicht mehr erfüllen. Es kommt beispielsweise zu krankheitsbedingten Abwesenheiten bei der Arbeit oder der Haushalt wird nicht erledigt (Ihde-Scholl, 2013, S.101).
Schwere depressive Episode
Es gibt schwere depressive Episoden mit und ohne psychotische Symptome. Gemeinsam
ist, dass die Person an mindestens acht Symptomen leidet. Alle drei typischen Symptome
kommen vor und mindestens fünf zusätzliche Symptome. Suizidgedanken und –
handlungen sind häufig. Wenn psychotische Symptome wie Halluzinationen, psychomotorische Hemmung oder Wahnideen dazu kommen, sind alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich und es besteht Suizidgefahr (Dilling & Freyberger, 2014, S.137-139).
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In einer schweren depressiven Episode sind alle Bereiche des Lebens beeinträchtigt. Alltägliche Verrichtungen werden schwierig, die Person bleibt stundenlang im Bett und hat
Mühe aufzustehen (Ihde-Scholl, 2013, S.101).
In dieser Bachelorarbeit beziehen sich die Autorinnen ausschliesslich auf die leichte und
mittelgradige depressive Episode. Personen in einer schweren depressiven Episode sind
gewöhnlich nicht mehr fähig, an einem Beratungsgespräch teilzunehmen und müssen
stationär behandelt werden (Wolfersdorf, 2011, S.67).
2.2.4
Suizid
Fast jede depressive Person kennt den Gedanken an Suizid (Kessler & Hell, 2011,
S.124). Eine Depression kann sich verändern und ist daher nicht voraussehbar. Die Autorinnen gehen deshalb auf das Thema Suizid ein, da auch bei einer leichten oder mittelgradigen depressiven Episode Suizidgefahr bestehen kann.
Menschen mit psychischen Krankheiten, vor allem Depression, Schizophrenie, Abhängigkeits- und Persönlichkeitsstörung gehören gemäss Michael Eink und Horst Haltenhof
(2006) zur Risikogruppe für suizidales Erleben und Verhalten. Das Erleben und Verhalten
von suizidalen Menschen überschneidet sich in hohem Masse mit dem Erleben und Verhalten von depressiven Personen (S.48-51).
Suizidale Krisen verlaufen in drei Phasen (siehe Abbildung 5). Es gibt die Phase der Erwägung, in der Suizid als Lösung des Problems in Betracht gezogen wird. Dann folgt die
Phase der Ambivalenz, welche durch Unschlüssigkeit und wechselnde Distanzierungsfähigkeit im Hinblick auf Suizidalität gekennzeichnet ist. In diesem Stadium sucht die betroffene Person vermehrt den Kontakt zu Mitmenschen und macht direkte Suizidankündigungen. In der Phase des Entschlusses gibt es indirekte Suizidankündigungen, die Person
wirkt abgeklärt und ziemlich ausgeglichen. Die Verzweiflung und Unruhe sind weg. Das
hat damit zu tun, dass die betroffene Person die Ambivalenz überwunden hat und den
Entschluss der suizidalen Handlung gefällt hat. Vom Umfeld wird diese Phase oft als positive Verhaltensänderung wahrgenommen. Diese Verhaltensänderung ist jedoch ein
Alarmsignal im Hinblick auf ein mögliches suizidales Verhalten (Walter Pöldinger, 1968;
zit. in Eink & Haltenhof, 2006, S.55).
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Abbildung 5: Phasen der Suizidalität
(Quelle: Eink & Haltenhof, 2006, S.56)
Suizidalität und Gefährdungsgrad einer Person können nie mit absoluter Sicherheit eingeschätzt werden. Die Suizidalität kann am besten durch ein Gespräch mit der betroffenen
Person beurteilt werden. Es ist wichtig, dass die Beziehung vorurteilsfrei und verständnisvoll zwischen den Gesprächsteilnehmenden ist. Die Vermutung einer suizidalen Krise soll
direkt und konkret angesprochen werden. Wenn eine Person in einer suizidalen Krise
entspannt und ruhig scheint und keine Lebensmüdigkeit mehr zeigt, muss darauf besonders geachtet werden. Es ist möglich, dass dies das Abklingen der Suizidalität anzeigt,
aber auch dass der Entschluss zur Ausführung der Selbsttötung gefasst ist (Eink & Haltenhof, 2006, S.57-67).
2.3 Behandlung von Depression
Die Behandlung von Depression soll nach dem Schweregrad und den situativen und persönlichkeitsabhängigen Bedürfnissen der Betroffenen festgelegt werden. Eine stationäre
Behandlung ist nur in Fällen mit drohender Suizidalität, Überlastung der Angehörigen oder
belastender Isolation notwendig. Die meisten Therapien können ambulant oder teilstationär durchgeführt werden. Es gibt biologische (antidepressiv wirksame Medikamente,
Lichttherapie, Schlafentzug etc.) und psychotherapeutische Hilfestellungen. Bei leichten
bis mittelschweren Depressionen können Psychotherapien reichen. Besonders empfehlenswert sind die kognitive Verhaltenstherapie (Beeinflussung des Denkmusters einer
depressiven Person), interpersonelle Psychotherapie (Veränderung der zwischenmenschlichen Einstellung) wie auch die psychoanalytisch orientierte Psychotherapie (Auseinandersetzung mit lebensgeschichtlich entwickelten Haltungen) (Daniel Hell, 2008, S.244246).
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Zu Antidepressiva gehören eine Gruppe von Medikamenten, welche helfen, Stimmungstiefs und Antriebslosigkeit zu überwinden. Die Wirkung der Medikamente tritt nicht unmittelbar ein. Es kann Tage bis Wochen dauern, bis sich die Stimmung ins Positive verändert. Zudem muss das richtige Präparat meistens durch Ausprobieren gefunden werden,
da nicht jede Person gleich auf die Einnahme von Antidepressiva reagiert (Martin Hautzinger, 2006, S.39-40).
2.4 Auswirkungen von Depression
Depression ist ein individuelles wie auch zwischenmenschliches Geschehen (Hell, 2008,
S.100). In diesem Kapitel werden Auswirkungen von Depression bei Betroffenen, bei Angehörigen wie auch im Beratungskontext der Sozialen Arbeit beschrieben.
Bei Betroffenen
Wissen Sie, was das Schlimmste ist? Wenn draussen die Sonne scheint. Das halte
ich fast nicht aus. Draussen ist die Sonne, alle sind fröhlich – und mir geht es
schlecht. Ich fühle mich so leer, bin so im Nebel. Mich tröstet es jeweils fast ein bisschen, wenn es draussen auch neblig und grau ist. Dann geht es mir eine Spur besser
(...). (Unbekannt, ohne Datum; zit. in Ihde-Scholl, 2013, S.98)
Eine depressive Person kann ihr Leiden oft kaum fassen und erklären. Das Gefühl entsteht, der Depression ausgeliefert zu sein. Die Person fühlt sich unfähig und minderwertig.
Häufig wird dieses fehlende Selbstvertrauen mit zwanghaftem Handeln und starker Kontrolle kompensiert, welches Sicherheit gibt und hilft, die Ängste zu bewältigen. Eine depressive Person hat eine hohe Sensibilität, Empfindlichkeit und ein hohes Durchhaltevermögen. Sie ist gewohnt zu leiden, sich nichts anmerken zu lassen und weiterhin zu funktionieren. Sie braucht viel Kraft für ihr Leben und scheint oft interesselos zu sein, da die
Kraft dafür nicht mehr ausreicht. Das Gefühl von Leere und Sich-nicht-spüren kann zu
Einsamkeit führen (Josef Giger-Bütler, 2014, S.46-58).
Bei Angehörigen
Ich versuche, etwas von meiner Lebensenergie und Freude auf ihn überschwappen
zu lassen. Man muss doch positiv sein! Funktionieren tut dies aber nicht. Es saugt
nur noch Energie aus mir heraus. Aber tun muss ich es, was würde sonst mit ihm
passieren? Es macht mich so traurig – und auch wütend. Ich verstehe das einfach
nicht. Wie man so sein kann (...). (Unbekannt, ohne Datum; zit. in Ihde-Scholl, 2013,
S.99)
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Gemäss Wolfersdorf (2011) gibt es Partner/innen, welche Kenntnis über die Krankheit
haben und im Gegenzug auch nichts ahnende Partner/innen. Letztere werden oft durch
eine akute suizidale Reaktion überrascht und sind verzweifelt. Oftmals werden Kinder
nicht über die Krankheit informiert. Die Gründe können sein, dass Eltern ihre Kinder nicht
belasten wollen oder weil sie sich schämen, dass sie den elterlichen Verpflichtungen nicht
nachkommen können. Die Kinder sollen jedoch so früh wie möglich über die Krankheit
informiert werden. Dabei ist wichtig, dass die Kinder Depression als eine Krankheit verstehen (S.10-11).
Die Angehörigen empfinden gemäss Hell (2008) im Kontakt mit der depressiven Person
oftmals eine grosse Verunsicherung. Die/der Angehörige fühlt sich hilflos und bedrückt.
Die Versuche, die depressive Person aufzuheitern schlagen meistens fehl. Aufgrund der
Verbundenheit zur depressiven Person entsteht ein Dilemma von Vermeidung und Annäherung der betroffenen Person. Zudem haben die Angehörigen oftmals soziale Verpflichtungen wie Kindererziehung, Haushalt, Beruf, welche sie von der depressiven Person
übernehmen. Die Übernahme dieser Pflichten kann zum Verlust alter Rollen bei der depressiven Person führen (S.65-78).
2.5 Zusammenfassung
Depression ist eine Krankheit, welche je nach Verlauf und Schweregrad verschiedene
Symptome haben kann. Zudem ist das Erleben dieser Krankheit sehr individuell. Es gibt
Symptome (siehe Kapitel 2.2.3), welche typisch für eine Depression sind. Die Person leidet an einer gedrückten Stimmung und hat eine verminderte Aktivität und Antrieb. Das
Interesse, die Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit, sich zu freuen, sind beeinträchtigt. Der Appetit ist meist vermindert und der Schlaf ist oft gestört. Zudem sind Selbstvertrauen und –wertgefühl häufig gering.
Medizinisch kann Depression anhand von Symptomen diagnostiziert werden. Die WHO
hat in der ICD-10-GM die Depression den affektiven Störungen zugeordnet. Sie teilt die
Krankheit gemäss Anzahl Symptome in die Schweregrade leicht, mittelgradig und schwer
ein. Zudem gibt es einmalige, wiederkehrende oder auch chronische Verläufe einer Depression. Die Behandlung einer Depression wird nach dem Schweregrad und den situativen und persönlichkeitsabhängigen Bedürfnissen der betroffenen Person festgelegt. Bei
einer Behandlung soll das Umfeld der betroffenen Person miteinbezogen werden, denn
eine Depression betrifft nicht nur die Person selbst, sondern auch ihr Umfeld.
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2.6 Ausblick
Die beschriebenen Symptome einer Depression erschweren den betroffenen Personen je
nach Schweregrad einer Arbeit nachzugehen oder eine Arbeitstätigkeit aufrecht zu erhalten. Das kann dazu führen, dass für die Deckung der Existenz nicht genug Einkommen
vorhanden ist. Dritte oder Sozialversicherungen können (IV, Arbeitslosenversicherung,
Krankentaggeldversicherung) diese Deckung der Existenz übernehmen. Wenn diese
Ressourcen nicht (rechtzeitig) in Anspruch genommen werden können, bietet die Sozialhilfe Unterstützung.
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3 Sozialhilfe in der Schweiz
Im Folgenden beschreiben die Autorinnen die Sozialhilfe in der Schweiz. Zuerst wird die
Definition der Sozialhilfe erläutert und anschliessend wird auf die SKOS eingegangen.
Nachfolgend werden die Voraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe, die Pflichten, die
Integrationsmassnahmen und das Anreizsystem dargelegt.
3.1 Definition
In der Schweiz gibt es keine einheitliche Definition der Sozialhilfe, da kein nationales Gesetz zur Regelung der wirtschaftlichen Sozialhilfe existiert (Claudia Schuwey & Carlo
Knöpfel, 2014, S.179). In den kantonalen Gesetzgebungen werden lediglich deren Aufgaben umschrieben (Felix Wolffers1, 1999, S.25). Aus den Zweckartikeln der Sozialhilfegesetze ergibt sich für Wolffers (1999) folgende Definition:
Sozialhilfe bezweckt die Sicherung der Existenz sowie die Förderung der wirtschaftlichen und persönlichen Selbstständigkeit bedürftiger Personen. Die Sozialhilfe wird
von der öffentlichen Hand ausgerichtet und ist subsidiär zu anderen privaten oder öffentlichen Hilfen und bemisst sich nach den Verhältnissen im Einzelfall. (S.25)
3.1.1
Subsidiarität
Wie Wolffers (1999) in seiner Definition beschreibt, ist die Sozialhilfe subsidiär zu privaten
und öffentlichen Hilfen. Die Grundlage dafür gibt Art. 5a der Bundesverfassung (BV), indem bei Erfüllung und Zuweisung von staatlichen Aufgaben der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten ist. Die SKOS (2005) besagt in ihren Richtlinien, dass die Sozialhilfe zu
folgenden Punkten subsidiär ist:
•
Möglichkeit der Selbsthilfe: Die Person ist verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um die Notlage selbst abzuwenden oder zu beheben. Insbesondere mit der
Verwendung von vorhandenem Einkommen oder Vermögen sowie durch Arbeit.
•
Leistungsverpflichtungen Dritter: Alle privat- und öffentlich-rechtliche Ansprüche gehen der Sozialhilfe vor. Insbesondere sind dies Leistungen der Sozialversicherungen,
Ansprüche aus Verträgen, familienrechtliche Unterhaltsbeiträge, Schadenersatz und
Stipendien.
•
Freiwillige Leistungen Dritter: Dies betreffen Leistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (A.4-2).
1
Das Buch von Felix Wolffers Grundriss des Sozialhilferechts – Eine Einführung in die Fürsorgegesetzgebung von Bund und Kantonen (2. Aufl. 1999) wird im Sammelwerk Das Schweizerische
Sozialhilferecht (2008) und im Buch Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe
(2011) als Grundlageliteratur verwendet.
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Die Sozialhilfe ist somit das Netz unter den Netzen (siehe Abbildung 6). Sie wird erst dann
relevant, wenn andere Hilfsquellen nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden können oder nicht vorhanden sind. Darunter werden beispielsweise Lohn aus der Erwerbstätigkeit, Zuwendung von Dritten und Sozialversicherungsleistungen verstanden (Peter
Mösch Payot, Johannes Schleicher & Marianne Schwander, 2013, S.254). Im Unterschied
zu den Sozialversicherungen ist die Sozialhilfe nicht ursachenorientiert. Sie richtet sich
nach dem Final- und Bedarfsdeckungsprinzip (Schuwey & Knöpfel, 2014, S.179). Das
bedeutet, dass die Sozialhilfe einer Notlage abhelfen soll, die konkret, individuell und aktuell ist. Die Hilfe darf jedoch nicht von den Ursachen der Notlage abhängig gemacht werden (SKOS, 2005, A4-2).
Abbildung 6: Modell des Systems der Sozialen Sicherheit
(Quelle: Bundesamt für Statistik, 2014b, S.6)
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3.1.2
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Rechtliche Grundlage
Gemäss Art. 12 BV besteht ein Recht auf Hilfe in Notlagen: „Wer in Not gerät und nicht in
der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel,
die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind“. Diese Gewährleistung bildet die
Grundlage der Sozialhilfe (SKOS, 2005, A.l-l).
Wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt, gibt es in der Schweiz kein nationales Gesetz für die
Sozialhilfe. Art. 115 BV besagt, dass die Bedürftigen in ihrem Wohnkanton unterstützt
werden. Somit liegt die Kompetenz der Sozialhilfe bei den Kantonen. Weiter wird in Art.
115 BV beschrieben, dass der Bund die Ausnahmen und die Zuständigkeiten regelt. Dies
hat der Bund mit dem Bundesgesetz über die Zuständigkeiten für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG) getan. Die Sozialhilfe (Christoph Rüegg, 2008) hat daher einen ausgeprägt föderalistischen Aufbau (S.328). Die Mehrheit der Kantone delegiert den Vollzug der
Sozialhilfe an die Gemeinden. Sie erhalten dadurch bei der Ausgestaltung der kantonalen
Gesetzgebung eine erhebliche Autonomie. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die
Ausgestaltung der Sozialhilfe in städtischen und ländlichen Gebieten angepasst wird
(Wolffers, 1999, S.59).
3.1.3
Ziele
Hänzi (2011) beschreibt, dass die Zielsetzung von Wolffers (1999, S.25) mit der Sicherung der Existenz und der Förderung der wirtschaftlichen und persönlichen Selbstständigkeit in den Sozialhilfegesetzgebungen weiterhin besteht, aber nicht ganz vollständig ist.
Die kantonalen Sozialhilfegesetzgebungen umfassen in den Zweckartikeln weitere Zielsetzungen. Die Mehrheit der deutschsprachigen Sozialhilfegesetze setzen sich die Verhinderung bzw. Vorbeugung von sozialen Notlagen zum Ziel. Des Weiteren lässt sich die
Integration in beruflicher und sozialer Hinsicht als zusätzliche Zielsetzung ausmachen
(S.112). Hänzi (2011) nennt aufgrund dessen folgende Zielsetzungen:
•
Existenzsicherung
•
Förderung der wirtschaftlichen und persönlichen Selbstständigkeit
•
Berufliche und soziale Integration
•
Vorbeugung und Verhinderung sozialer Notlagen (S.113)
Die SKOS-Richtlinien (2005) beschreiben die Zielsetzung der Sozialhilfe ähnlich. Für sie
ist das Ziel der Sozialhilfe die Sicherung der Existenz. Zudem fördert die Sozialhilfe die
persönliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit und gewährleistet die berufliche und
soziale Integration (A.l-l).
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3.1.4
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Grundprinzipien
Prinzipien sind allgemeine Orientierungshilfen und Handlungsleitlinien für die Praxis. Sie
sind keine zwingenden Normen und die Anwendung erfolgt daher nicht im Ja-oder-NeinSchema. Es ist eine systematische Güterabwägung im Einzelfall und gibt Raum und Argumentationsspielraum für fachlich ausgewogene und sinnvolle Entscheide. In der Praxis
stehen die relevanten Grundprinzipien im Einzelfall oft gegensätzlich zueinander. Dies soll
nicht entmutigend sein, sondern eröffnet vielmehr Handlungsspielräume (Mösch Payot et
al., 2013, S.253).
Die SKOS (2005) definiert die Grundprinzipien der Sozialhilfe in ihren Richtlinien wie folgt:
• Wahrung der Menschenwürde
• Subsidiaritätsprinzip
• Individualisierung
• Bedarfsdeckung
• Angemessenheit der Hilfe
• Professionalität
• Wirtschaftlichkeit
• Leistung und Gegenleistung (A.4-l)
Die Autorinnen gehen nachfolgend auf ausgewählte Prinzipien näher ein. Dabei wird auf
das Subsidiaritätsprinzip nicht eingegangen, da es bereits im Kapitel 3.1.1 beschrieben
wird. Die Vertiefung dieser Prinzipien wurde aufgrund des Bachelorthemas ausgewählt.
Wahrung der Menschenwürde
Art. 7 BV besagt: „Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.“
Nach Wolffers (1999) hat die Sozialhilfe immer dann zu handeln, wenn ohne die behördliche Intervention die Menschenwürde der hilfesuchenden Person Schaden nimmt. In erster Linie verlangt die Wahrung der Menschenwürde einen Ausgleich des finanziellen Unvermögens der Person. Zusätzlich ist die Unterstützung bei der Bewältigung von immateriellen Problemen zu erwägen, damit die Entfaltung der Persönlichkeit nicht behindert wird
(S.70). In den SKOS-Richtlinien (2005) wird die Wahrung der Menschenwürde als Grundsatz beschrieben, in der jede Person die Sicherung der Existenz fordern darf. Dabei setzt
dieser Grundsatz ein Mitspracherecht der unterstützten Person voraus, damit die Person
nicht zum Objekt staatlichen Handelns herabgesetzt wird (A.4-l).
Der Grundsatz der Menschenwürde begründet im Einzelfall staatliche Hilfe und begrenzt
diese Hilfe, indem die Hilfeempfängerin/der Hilfeempfänger vor zu grosser Beschränkung
seiner Persönlichkeitsrechte geschützt wird (Wolffers, 1999, S.70).
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Individualisierung
Die Ermittlung des Bedarfs an immaterieller und materieller Hilfe ist Massarbeit. Die Bemühung nach Gleichbehandlung kommt in der Sozialhilfepraxis schnell an die Grenzen
des bundesgerichtlichen Gebots „nur Gleiches dürfe gleich, Ungleiches hingegen müsse
ungleich behandelt werden“ (Mösch Payot et al., 2013, S.256). Was für eine Person verhältnismässig und zumutbar erscheint, muss für eine andere Person wegen ihren persönlichen Umständen nicht identisch sein (ebd.). Nach den SKOS-Richtlinien (2005) verlangt
das Individualisierungsprinzip, dass die Hilfeleistungen in jedem Fall einzeln anzupassen
sind. Dabei soll dies den Bedürfnissen der betroffenen Personen und den Zielen der Sozialhilfe im Allgemeinen entsprechen. Dafür wird eine systemische Abklärung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Situation der hilfesuchenden Person benötigt (A.4-2).
Professionalität
Nach den SKOS-Richtlinien (2005) bildet eine umfassende Abklärung der sozialen und
persönlichen Situation einer Person die Grundlage der professionellen Sozialhilfe. Eine
fundierte Analyse und persönliche Fachberatungen sind besonders wichtig bei Personen,
die das erste Mal in Kontakt mit der Sozialhilfe kommen. Dabei ist das oberste Ziel die
Sicherung der Autonomie der Klientel bei bestmöglicher Integration ins soziale und berufliche Umfeld.
Spezialisierte Dienste oder persönliche Fachberatung durch die Sozialhilfestelle sollten
den Betroffenen als Ergänzung zur materiellen Hilfe während des Hilfeprozesses als verbindlich oder freiwillig vereinbartes Angebot zur Verfügung stehen (A.4-3).
Leistung und Gegenleistung
Die kantonalen Sozialhilfegesetze binden die Gewährung des sozialen Existenzminimums
(siehe Abbildung 7) an die Mitwirkung der Hilfesuchenden. Das Prinzip von Leistung und
Gegenleistung ist die Grundlage bei den Programmen oder Massnahmen der Sozialhilfe
zur beruflichen und/oder sozialen Integration. Die Leistung der unterstützten Personen in
Form von Erwerbsarbeit, gemeinnütziger Tätigkeit, Nachbarschaftshilfe, Betreuung oder
persönlicher bzw. beruflicher Qualifizierung usw. wird von der Sozialhilfe mit einer Gegenleistung in der Ausgestaltung einer Zulage bei der Berechnung der Sozialhilfeleistung
oder eines Freibetrages bei den Lohnabrechnungen honoriert (siehe Kapitel 3.6). Die materiellen Anreize sollen zur Eigenständigkeit motivieren (SKOS, 2005, A.4-3/A.4-4).
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3.2 SKOS
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ist ein Fachverband, welcher sich
auf die Erfahrung und die Mitarbeit seiner Mitglieder stützt. Die SKOS verfügt insgesamt
über rund 1000 Mitglieder. Diese setzen sich aus Kantonen, Gemeinden, Städten, Organisationen der privaten Sozialhilfe und Bundesämtern zusammen (SKOS, ohne Datum).
Die SKOS erarbeitete die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe
vor rund 50 Jahren. Ihre wichtigsten Ziele sind die Förderung der Rechtsgleichheit und –
sicherheit sowie die Angleichung der 26 kantonalen Sozialhilfegesetzgebungen. Die
SKOS-Richtlinien haben sich inzwischen als zentrale Referenzgrösse bei der Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe durchgesetzt und haben sich bei Beurteilung von
Streitfällen im Sozialhilferecht bewährt (Schuwey & Knöpfel, 2014, S.180).
Die meisten Kantone orientieren sich bei ihrer Gesetzgebung an den SKOS-Richtlinien.
Sie erklären sie für verbindlich oder verweisen in den Sozialhilfegesetzgebungen oder –
verordnungen ausdrücklich darauf (Beat Baumann, Jürgen Stremlow, Rahel Strohmeier &
Annegret Bieri, 2010, S.61). Es gibt Kantone, die eigene Richtlinien haben. Diese orientieren sich ebenso an den SKOS-Richtlinien (Schuwey & Knöpfel, 2014, S.180).
3.3 Voraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe
In allen Kantonen sind die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfe
grundsätzlich gleich. Die Formulierungen in den Sozialhilfegesetzen sind oft ähnlich oder
deckungsgleich und lehnen sich an Art. 2 ZUG an (Hänzi, 2011, S.162).
Art. 2 Abs. 1 ZUG besagt: „Bedürftig ist, wer für seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend
oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann.“
In den Sozialhilfegesetzen gilt grundsätzlich die finale Betrachtungsweise. Eine weitere
Anspruchsvoraussetzung zum Bezug von Sozialhilfe ist neben der Bedürftigkeit die Subsidiarität (siehe Kapitel 3.1.1) (Hänzi, 2011, S.162).
3.3.1
Eintrittsschwelle
In den SKOS-Richtlinien (2005) steht als Grundregel, dass Haushalte dann unterstützungsbedürftig sind, wenn ihr monatliches Nettoeinkommen nicht ausreicht, um die Kosten für ihre Grundsicherung zu decken (A.6).
Die SKOS (2005) definiert die materielle Grundsicherung und somit die Eintrittsschwelle
folgendermassen:
• Wohnkosten (samt üblichen Nebenauslagen)
• Medizinische Grundversorgung (samt Selbstbehalte und Kosten notwendiger
Zahnbehandlungen)
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
• Grundbedarf für den Lebensunterhalt (A.6-l).
Zusätzlich zur materiellen Grundsicherung können bei der Eintrittschwelle auch situationsbedingte Leistungen (siehe Abbildung 7) berücksichtigt werden, wenn sie zwingend
notwendige, ausgewiesene, bezifferbare und wiederkehrende Auslagen (z.B. Kindertagesstätte) sind (SKOS, 2005, A.6-2). Die Handhabung mit dem Anreizsystem (siehe Kapitel 3.6) bei der Eintrittsschwelle wird in den SKOS-Richtlinien nicht definiert. Es gibt keine
eindeutigen Aussagen, ob Leistungen im Rahmen des Anreizsystems wie Einkommensfreibeträge oder Integrationszulagen bei der Festlegung der Eintrittsschwelle hinzugezogen werden sollen. In der Schweiz gibt es vier verschiedene Modelle zur Handhabung der
Eintrittsschwelle (Caroline Knupfer, Natalie Pfister & Oliver Bieri, 2007, S.69).
Die nachfolgende Tabelle 1 veranschaulicht die Handhabung der Eintritts- und Austrittsschwelle in den verschiedenen Kantonshauptstädten. Sie zeigt auf, wie unterschiedlich
die Berechnung der Eintrittsschwelle in den Kantonen vollzogen wird.
Modell I
Modell 2
Modell 3
Modell 4
Keine Berücksichti-
Berücksichtigung
Berücksichtigung
Sozialhilfesystem
gung der Anreiz-
der Anreizelemente
der Anreizelemente
ohne Anreizelemen-
elemente im Eintritt
nur im Austritt
im Eintritt und Aus-
te
und Austritt
tritt
Altdorf, Basel, Genf,
Chur, Glarus, Frau-
Aarau, Appenzell,
Herisau, Liestal,
enfeld, Luzern, Sar-
Bern, Delsberg,
St.Gallen, Zürich
nen, Schaffhausen,
Freiburg, Lausanne,
Schwyz, Solothurn,
Neuenburg, Sitten
Bellinzona
Stans, Zug
Tabelle 1: Modelle der Handhabung der Ein- und Ausgrenzung
(Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Knupfer et al., 2007, S.69)
3.3.2
Berechnung der Sozialhilfeleistungen
Trotz unterschiedlicher Handhabungen in den Kantonen haben sich einzelne Bemessungsgrundsätze im Verlaufe der Zeit herausgebildet. Diese haben einen allgemein gültigen Charakter. Dazu gehört der Grundsatz, dass die Hilfe bedarfsorientiert auszurichten
ist. Die Messgrösse dafür bildet das soziale Existenzminimum (siehe Abbildung 7) (Hänzi,
2011, S.168-169).
Die folgende Abbildung 7 enthält alle möglichen Rubriken im Unterstützungsbudget und
stellt diese in Zusammenhang mit den verschiedenen Existenzminima (SKOS, 2005, A.6-
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2). Sie zeigt zudem auf, welche Leistungen bedarfsbezogen und welche leistungsbezogen
sind.
Abbildung 7: Existenzminima mit bedarfs- und leistungsbezogener Unterstützung
(Quelle: SKOS Richtlinien, 2005, A.6-3)
Um die Höhe der Unterstützung zu berechnen, wird jeweils ein Budget erstellt. Die nachfolgende Abbildung 8 zeigt die Berechnung der Sozialhilfeleistung auf, welche auf dem
Budgetmodell der SKOS-Richtlinien basiert. Kommunale Bestimmungen und verschiedene kantonale Sozialhilfegesetze weichen in bestimmten Punkten vom idealtypischen Budgetmodell ab, indem sie Zulagen bzw. Aufwandposten nicht berücksichtigen (Knupfer et
al., 2007, S.20).
Aufwand
Materielle Grundsicherung:
+ Grundbedarf für den Lebensunterhalt
+ Miete
+ Prämie obligatorische Krankenversicherung
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Situationsbedingte Leistungen:
+ Mehrkosten auswärtiger Verpflegung
+ Fremdbetreuung Kinder
+ Weitere situationsbedingte Leistungen wie Versicherungsprämien (z.B. Haftpflicht und
Hausrat)
Integrationszulagen:
+ Integrationszulage (IZU) oder Minimale Integrationszulage (MIZ)
+ Alleinerziehendenzulage
Einnahmen
+ Erwerbseinkommen netto
- Einkommensfreibetrag (EFB)
+ Kinderzulagen
+ Sozialtransfers (Alimentenbevorschussung, Individuelle Prämienverbilligung, weitere)
Fehlbetrag (Aufwand – Einnahmen) = Sozialhilfeleistung
Abbildung 8: Berechnung der Sozialhilfeleistung basierend auf den SKOS-Richtlinien
(Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Knupfer et al., 2007, S.21)
3.4 Pflichten
Die sozialhilfebeziehenden Personen haben Pflichten, die aus den Zielsetzungen der Sozialhilfe entstehen und in den kantonalen Gesetzgebungen festgehalten werden. Sie beruhen vor allem auf den Prinzipien der Subsidiarität und der Leistung und Gegenleistung
(SKOS, 2005, A.5-3).
Der Bezug von Sozialhilfe ist an die Mitwirkung der Klientel gebunden (SKOS, 2005, A.8l). Diese Mitwirkung entsteht bereits bei der Einreichung des Sozialhilfegesuchs. Die
Klientel wird verpflichtet, im Rahmen der Zumutbarkeit bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (z.B. Beschaffung der nötigen Unterlagen oder in diese Einblick zu gewähren) (Mösch Payot et al., 2013, S.269). Nach den SKOS-Richtlinien (2005) ergeben
sich die einzelnen Pflichten der unterstützten Person aus der Gesetzgebung, oder sie
müssen im Einzelfall konkretisiert werden. Die Art der Gegenleistung soll sich an den persönlichen Verhältnissen und den individuellen Ressourcen der unterstützten Person orientieren. Nach Möglichkeit werden diese gemeinsam ausgehandelt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass nicht alle Sozialhilfebeziehenden in der Lage sind, zur Minderung ihrer
Bedürftigkeit einen aktiven Beitrag in Form einer Gegenleistung zu erbringen (A.8-l). Unter
der Minderung der Bedürftigkeit verstehen die SKOS-Richtlinien (2005):
• Suche und Aufnahme einer zumutbaren Erwerbsarbeit
• Beitrag zur beruflichen und sozialen Integration
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• Geltendmachung von Drittansprüchen (A.5-3/A.5-4).
Aufgrund der Pflicht, einen Beitrag zur beruflichen und sozialen Integration zu leisten,
kann die unterstützte Person zu einer Teilnahme an zumutbaren und zweckmässigen
Massnahmen verpflichtet werden (SKOS, 2005, A.5-4). Die Zumutbarkeit und die Verhältnismässigkeit sind dabei zu beachten. Bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Pflichten und
Auflagen kann eine Leistungskürzung die Folge sein (SKOS, 2005, A.8-l).
Auflagen und Weisungen
Die Pflichten der Sozialhilfe werden in Auflagen und Weisungen aufgelistet. Diese Auflagen und Weisungen streben eine konkrete Verhaltensänderung der Person an. Je nach
Situation greifen sie unterschiedlich stark in die Grundrechte der unterstützten Personen
ein. Die Tauglichkeit von Auflagen oder Weisungen ist im Einzelfall zu prüfen. Wichtig ist,
dass sie in einem engen Zusammenhang zur Ursache oder deren Hilfsbedürftigkeit stehen und geeignet sind, eine Ablösung von der Sozialhilfe zu bewirken (Urs Vogel, 2008,
S.183-184). Solche Weisungen können unter anderem nach Vogel (2008) beinhalten,
dass sich eine Person bei der IV abklären lässt oder regelmässige Arbeitsbemühungen
nachweisen muss (S.183).
Die SKOS beschreibt in ihren Richtlinien (2005) ausschliesslich die Auflagen. Sie erwähnen, dass es wichtig ist, die Auflagen klar zu kommunizieren, damit die betroffene Person
die Konsequenzen bei Nichterfüllung der Auflage kennt. Die unterstützte Person muss
Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt zu äussern (A.8-2).
Folgen der Pflichtverletzungen
Wenn eine unterstützte Person die Sozialhilfe missbraucht oder ihre Pflicht verletzt, kann
sie gemäss den SKOS-Richtlinien (2005) in Form von Leistungskürzungen sanktioniert
werden. Die Sozialhilfebehörde muss in diesem Fall die formellen Verfahren nach den
kantonalen Gesetzgebungen befolgen und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen. Wenn es zu Kürzungen von Sozialhilfeleistungen kommt, ist zu prüfen, ob relevante Gründe für das Fehlverhalten vorhanden sind, oder ob die betroffene Person selbst
den Anlass für die Kürzung beheben kann (A.8-l/A.8-3). Es können Leistungen mit Anreizcharakter (EFB, IZU, MIZ) gestrichen bzw. gekürzt werden oder der Grundbedarf für
maximal 12 Monate um höchstens 15 Prozent gekürzt werden (SKOS, 2005, A.8-5).
Die teilweise oder volle Einstellung von Sozialhilfeleistungen ist eine einschneidende
Massnahme. Zulässig ist sie ausschliesslich bei einer Verletzung der Subsidiarität. Beispielsweise bei der Weigerung eine zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit anzunehmen, oder wenn sich die Person weigert, einen ihr zustehenden Rechtsanspruch auf Ersatzeinkommen geltend zu machen (SKOS, 2005, A.8-6).
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3.5 Integrationsmassnahmen
Wie im Kapitel 3.4 erwähnt, kann eine Person zu einem Beitrag der beruflichen oder sozialen Integration verpflichtet werden.
Integrationsmassnahmen sind jede Art von Massnahmen, welche auf irgendeine Weise
die Förderung der beruflichen und/oder sozialen Integration zum Ziel haben. Es kann zwischen individuellen und kollektiven Massnahmen, zwischen Massnahmen, welche einen
Abklärungs- und Coachingcharakter haben und Massnahmen, die eine Tagestruktur bieten, unterschieden werden. Weiter gibt es einen entscheidenden Unterschied im Umfang
der Begleitung und Betreuung der Sozialhilfebeziehenden durch die Personen, welche die
Massnahmen durchführen (SKOS, 2009, S.3-4).
In den SKOS-Richtlinien (2005) werden die Massnahmen zur beruflichen und sozialen
Integration wie folgt beschrieben:
• Berufliche Orientierungsmassnahmen
• Integrationshilfen in den ersten Arbeitsmarkt
• Einsatz- oder Beschäftigungsprogramme
• Angebot im zweiten Arbeitsmarkt
• Sozialpädagogische und sozialtherapeutische Angebote (D.3-l)
Diese Massnahmen tragen sowohl zur beruflichen als auch zur sozialen Integration bei.
Sie können auch in Kombination eingesetzt werden. Die persönliche Situation der Betroffenen ist entscheidend, welche Massnahmen im Einzelfall angebracht sind. Die Zielsetzungen werden mit den Betroffenen zusammen festgelegt, die persönlichen Ressourcen
wie auch das Umfeld sollen realistisch berücksichtigt werden. Aus diesem Grund ist eine
professionelle Abklärung, Begleitung und Evaluation der Integrationsmassnahmen unumgänglich (SKOS, 2005, D.3-1).
3.6 Anreizsystem
Das Anreizsystem, welches aus Integrationszulagen und Einkommensfreibeträgen besteht wird an Personen über 16 Jahren ausgerichtet (SKOS, 2005, C.2-l/C.3-l/E.l-2). Es
honoriert die beruflichen und sozialen Integrationsbestrebungen der Klientel, welche an
entsprechende Leistungen und Anstrengungen geknüpft sind (SKOS, 2005, A.3-l/A.3-2).
Die Leistungen sind personenbezogen. Das bedeutet, dass mehrere Personen im Haushalt eine Integrationsleistung (IZU), eine minimale Integrationszulage (MIZ) oder einen
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Einkommensfreibetrag (EFB) erhalten können. Die Obergrenze pro Haushalt pro Monat
beträgt 850.00 Schweizer Franken (SKOS, 2005, C.2-l/C.2-2).
Wie die Abbildung 9 zeigt, unterscheiden sich die finanziellen Anreize dadurch, ob eine
Erwerbstätigkeit ausgeführt wird oder nicht. Nachfolgend wird auf die einzelnen Anreizsysteme eingegangen.
Abbildung 9: Leistungsbezogene Unterstützung
(Quelle: Walter Schmid, 2014)
Minimale Integrationszulage (MIZ)
Die MIZ wird Personen ausbezahlt, welche sich um die Verbesserung ihrer Situation bemühen, aber aus gesundheitlichen Gründen oder mangelnder Angebote nicht in der Lage
sind, eine besondere Integrationsleistung zu erzielen. Ihnen steht eine MIZ von 100.00
Schweizer Franken pro Monat zu. Damit werden sie besser gestellt zu Personen, welche
sich nicht um die Verbesserung ihrer Lage bemühen (SKOS, 2005, C.3-l).
Integrationszulage (IZU)
Eine Person soll nach Bedeutung und Aufwand der erbrachten Integrationsleistung zwischen 100.00 und 300.00 Schweizer Franken pro Monat entlohnt werden. Durch die IZU
sollen berufliche Qualifizierungen, Ausbildung und Schulung, nachbarschaftliche oder
gemeinnützige Tätigkeiten und die Pflege von Angehörigen finanziell gefördert und honoriert werden (SKOS, 2005, C.2-l)
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IZU für Alleinerziehende
Alleinerziehende Personen, welche durch ihre Betreuungsaufgabe weder eine Erwerbstätigkeit noch eine ausserfamiliäre Integrationsaktivität ausüben können, steht eine IZU von
200.00 Schweizer Franken pro Monat zu. Das bedeutet, dass von ihnen keine Integrationsleistung erwartet werden darf (SKOS, 2005, C.2-2).
Einkommensfreibeträge (EFB)
Für Erwerbseinkommen, welches auf dem ersten Arbeitsmarkt erzielt wird, wird ein Freibetrag von 400.00 bis 700.00 Schweizer Franken pro Monat gewährt. Die Kantone oder
Gemeinden legen dabei den EFB in Abhängigkeit der Lohnhöhe und/oder vom Beschäftigungsumfang fest. Das Ziel ist, die Erhöhung des Arbeitspensums oder die Erwerbsaufnahme zu erleichtern und dadurch die Integrationschancen zu verbessern (SKOS, 2005,
E.I-2).
3.7 Zusammenfassung
Die Sozialhilfe ist das Netz unter den Netzen. Sie wird dann relevant, wenn andere Hilfsquellen nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden können oder nicht vorhanden
sind. Es gibt kein nationales Gesetz für die Sozialhilfe. Daher ist die Ausrichtung der Sozialhilfe kantonal unterschiedlich. Die SKOS erarbeitete Richtlinien zur Ausgestaltung der
Sozialhilfe, um die Rechtsgleichheit und die Angleichung der kantonalen Gesetzgebungen
zu fördern. Die Richtlinien haben sich inzwischen als zentrale Referenzgrösse bei der
Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe durchgesetzt. Das Ziel der Sozialhilfe ist
Existenzsicherung, die Förderung der persönlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit,
die berufliche und soziale Integration. Die wichtigsten Prinzipien sind das Subsidiaritätsprinzip, die Wahrung der Menschenwürde und der Individualisierungsgrundsatz. In der
Sozialhilfe zählt zudem das Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Dabei binden die
kantonalen Gesetzgebungen die Gewährung des sozialen Existenzminimums an die Mitwirkung der Hilfesuchenden. Die Mitwirkung wird mit einem Anreizsystem belohnt, welches aus dem EFB, der IZU und der MIZ besteht. Falls es zu Pflichtverletzungen oder zu
Missbrauch kommt, kann die Sozialhilfebehörde die betroffene Person in Form von Leistungskürzungen oder bei bestimmten Vergehen mit einer teilweisen oder vollen Einstellung der Sozialhilfe sanktionieren.
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3.8 Ausblick
Die Klientel muss in der Sozialhilfe Pflichten erfüllen, damit sie finanzielle Unterstützung
erhält (Leistung und Gegenleistung). Die Symptome der Depression behindern die depressive Klientel je nach Schweregrad und Phase der Depression in der Erfüllung dieser
Pflichten. Andererseits ist das Subsidiaritätsprinzip, die Wahrung der Menschenwürde und
der Individualisierungsgrundsatz zu beachten. Das gilt auch für depressive Klientel und
muss bei der (wegen der Depression schwierigeren) Erfüllung dieser Pflichten beachtet
werden. Im nächsten Kapitel werden Erklärungsansätze erläutert, inwiefern und wo
schwierige Voraussetzungen für depressive Klientel bestehen.
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4 Schwierige Voraussetzungen in der Sozialhilfe
Im Kapitel 4 legen die Autorinnen anhand der Bedürfnistheorie nach Obrecht und dem
Begriff „Soziale Probleme“ nach Staub-Bernasconi dar, welche Voraussetzungen depressive Klientel mitbringen und wie sie dadurch schwierige Voraussetzungen in der Sozialhilfe hat. Anschliessend verbinden die Autorinnen mögliche Bedürfnisspannungen und soziale Probleme depressiver Personen mit den Rahmenbedingungen (Beratungssetting,
Pflichten, Integrationsmassnahmen und Anreizsystem) der Sozialhilfe und zeigen die
Auswirkungen dieser Rahmenbedingungen auf die depressive Klientel.
4.1 Bedürfnistheorie nach Obrecht
Die Autorinnen nehmen in den Unterkapiteln 4.1.1 und 4.1.2 Bezug auf die Bedürfnistheorie nach Werner Obrecht. Im Kapitel 4.1.1 wird die Theorie in ihren Grundzügen beschrieben. Im anschliessenden Kapitel 4.1.2 erläutern die Autorinnen die Bedürfnistheorie im
Hinblick auf die Depression.
4.1.1
Beschreibung der Bedürfnistheorie
Bedürfnisse sind von Natur aus gegeben und werden nach Obrecht als organismische
(Soll-)Werte bezeichnet. Menschen haben Bedürfnisse, weil sie in einem befriedigenden
Zustand sein wollen. Eine Abweichung vom organismischen (Soll-)Wert definiert Obrecht
als Bedürfnisspannung. Sind die Bedürfnisspannungen ausgeglichen, wird dieser Zustand
als Wohlbefinden definiert und ermöglicht dem Menschen Existenz (Beat Schmocker,
2015b, S.1).
„Menschliches Wohlbefinden entsteht dann, wenn die meisten Bedürfnisse (nicht die
grenzenlosen Wünsche) befriedigt sind oder für nicht befriedigte andere kompensatorisch
befriedigt werden können“ (Werner Obrecht, 2005; zit. in Silvia Staub-Bernasconi, 2007,
S.173).
Menschen sind materielle (biopsychische) Systeme (Organismen). Sie sind bestimmten
Gesetzmässigkeiten unterworfen. Täglich versuchen sie die Bewältigung von Bedürfnisstörungen (Bedürfnisspannungen) zu regulieren. Dies geschieht meistens durch Routine.
Falls diese Regulierung versagt und die Handlungssituationen bewusst als problematisch
registriert werden, wird für die Regulierung dieser Bedürfnisspannung absichtsvolle Handlung eingesetzt. Diese Handlungen stützen sich auf die Realisierung von Bedarfen, welche der Erreichung von Wohlbefinden dienen (Schmocker, 2015b, S.1). Gelingt es nicht,
diese Bedürfnisspannungen innert dienlicher Frist abzubauen und das Wohlbefinden dadurch wieder herzustellen, führt dies nach einiger Zeit zum Zusammenbruch des Organismus und schliesslich zum Tod (Schmocker, 2015a, S.7).
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Werner Obrecht hat für die verschiedenen Bedürfnisse drei übergeordnete Ebenen definiert. Diese sind in Bezug auf den Erhalt der internen Struktur des menschlichen Organismus und des Wohlbefindens eingeteilt. Er definiert die Ebenen folgendermassen: biologische Bedürfnisse, psychische Bedürfnisse und soziale Bedürfnisse (Obrecht, 2005;
zit. in Staub-Bernasconi, 2007, S.171).
Obrecht (ohne Datum; zit. in Schmocker 2015a) definiert die Bedürfnisebenen folgendermassen:
Biologische Bedürfnisse nach:
1.
physischer Integrität
2.
für die Autopoiesis erforderliche Austauschstoffe
3.
Regenerierung
4.
sexueller Aktivität und Fortpflanzung
(Bio-)Psychische Bedürfnisse nach:
5.
wahrnehmungsgerechter sensorischer Stimulation
6.
erlebensgerechter ästhetische Stimulation
7.
für Stimulation erforderlicher Abwechslung
8.
assimilierbarer, subjektiv Sicherheit stiftende orientierungs- und
handlungsrelevanter, angemessen codierter Information
9.
subjektiv sinnstiftenden relevanten Zielen und der Hoffnung auf deren
Erreichung
10.
praktischen Kompetenzen (effektiven Fertigkeiten, Regeln, Normen) zur
Bewältigung von (wiederkehrenden) Situationen
(Biopsycho-)Soziale Bedürfnisse nach:
11.
emotionaler Zuwendung (Erkennung, Freundschaft, Liebe)
12.
spontanem Helfen (können)
13.
sozialer (inkl. kultureller) Zugehörigkeit durch Teilnahme (Mitgliedschaft),
d.h. Rechte haben, nicht nur, weil man Pflichten erfüllt
14.
Unverwechselbarkeit und biopsychosozialer Identität
15.
relativer Autonomie
16.
sozialer Anerkennung und Status
17.
Kooperation
18.
Fairness (Verfahrensgerechtigkeit)
19.
(Austausch-)Gerechtigkeit (S.8).
Bei der Befriedigung der Bedürfnisse gibt es diejenigen, welche keinen oder nur wenig
Aufschub dulden, damit der Organismus nicht kollabiert, beispielsweise der Ausfall von
Sauerstoff und Nahrung. Sie werden als unelastische Bedürfnisse bezeichnet. Es gibt
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aber auch elastische Bedürfnisse, wie beispielsweise Anerkennung und Gerechtigkeit,
welche ein ganzes Leben unerfüllt bleiben können. Unbefriedigte Bedürfnisse haben jedoch immer negative Folgen für das Wohlbefinden und häufig auch für das sozialkulturelle
Umfeld des Individuums (Staub-Bernasconi, 2007, S.171).
Die Soziale Arbeit wird vor allem dann tätig, wenn Probleme bei der Befriedigung der sozialen Bedürfnisse auftreten. Um die Bedürfnisspannung auszugleichen, braucht das Individuum (neue) Handlungsfähigkeiten. Wenn diese nicht funktionieren oder nicht vorhanden sind, sei es aus Kompetenzgründen beim Individuum, aus behindernden Gründen in
der sozialen Umgebung oder ist das Ziel der Sozialen Arbeit, diese Handlungsfähigkeiten
vor allem durch Ermächtigung (wieder) herzustellen (Schmocker, 2015b, S.1).
Zusammenfassung
Das Ziel des Menschen ist ein Zustand von Wohlbefinden und somit die Bedürfnisbefriedigung auf der biologischen, psychischen und sozialen Ebene. Wenn die Bedürfnisse
nicht befriedigt werden, entstehen Bedürfnisspannungen. Diese Bedürfnisspannungen
wirken sich negativ auf das Wohlbefinden des Individuums aus. Wenn ein Individuum seine sozialen Bedürfnisse nicht selbst befriedigen kann, dann kann die Soziale Arbeit Unterstützung bieten.
4.1.2
Bezug auf Depression
In diesem Kapitel zeigen die Autorinnen den Zusammenhang zwischen der Bedürfnistheorie und der Depression auf.
Zu beachten bei der Verbindung der Bedürfnistheorie und der Depression ist, dass das
Erleben einer Depression nach Payk (2010) sehr individuell ist (S.27). Daraus folgt für
depressive Personen, dass sie je nach Stärke der Depression mehr oder weniger grosse
Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisspannungen zu regulieren. Ebenso zu beachten bei
der Regulierung der Bedürfnisspannung ist der Verlauf der Depression (Phasen) und eine
mögliche Suizidalität.
Nach Payk (2010) ist die Depression ein schwer beschreibbarer, quälender Verlust an
Lebensfreude, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden (S.9). Bei depressiven Personen ist
das Gefühlsleben am meisten betroffen (Kessler & Hell, 2011, S.75). Die Symptome einer
Depression, welche im Kapitel 2.2.3 beschrieben werden, lassen sich den psychischen
Bedürfnissen zuordnen. Aufgrund der genannten Symptome sind die psychischen Bedürfnisse bei einer Depression am meisten beeinträchtigt. Diese Bedürfnisspannungen
haben je nach Schweregrad und Phase der Depression unterschiedlich starke negative
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Auswirkungen auf die biologische und soziale Bedürfnisbefriedigung der depressiven Person.
Eine leichte Depression ist von Aussen oft schwer zu erkennen. Die Depression zeigt
sich vor allem, wenn die Person allein ist. Sie zieht sich zurück und fühlt sich unter anderem erschöpft (Ihde-Scholl, 2013, S.101). Die depressive Person hat daher leichte Bedürfnisspannungen auf der psychischen Ebene wie auch auf der biologischen Ebene.
Diese Bedürfnisspannungen auf der psychischen und auf der biologischen Ebene haben
Auswirkungen auf die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse. Mit dem Rückzug der depressiven Person kann sie beispielsweise die sozialen Bedürfnisse nach sozialer Zugehörigkeit und emotionaler Zuwendung nicht ausreichend befriedigen, was zu sozialen Bedürfnisspannungen führt.
Bei einer diagnostizierten mittleren Depression kommt es zu vermehrten und stärkeren
Bedürfnisspannungen auf allen Ebenen, welche sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Die depressive Person hat nach Dilling und Freyberger (2014) beispielsweise
grosse Schwierigkeiten, die alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen (S.136). Weiter kann sie
die Erwartungen des Umfeldes oftmals nicht mehr erfüllen. Dabei kann es beispielsweise
zu krankheitsbedingten Abwesenheiten kommen (Ihde-Scholl, 2013, S.101). Diese hindern die depressive Person daran, ihre sozialen Bedürfnisse zu befriedigen.
Da die psychischen Bedürfnisse am stärksten beeinträchtigt sind, ist es wichtig, diese
Bedürfnisse professionell abklären und behandeln zu lassen. Gemäss Payk (2010) soll
jede depressive Störung psychiatrisch bzw. psychologisch abgeklärt werden (S.38). Die
Behandlung soll nach dem Schweregrad und den situativen und persönlichkeitsabhängigen Bedürfnissen der Betroffenen festgelegt werden. Sie erfolgt durch biologische (beispielsweise Medikamente) und psychotherapeutische Hilfestellungen (Hell, 2008, S.244245).
Fazit
Die Auswirkungen einer Depression auf die biopsychosozialen Ebenen des Individuums
zeigen auf, dass es wichtig ist, die einzelnen Bedürfnisse individuell zu erfassen und professionell abklären zu lassen. Durch eine Zusammenarbeit zwischen Professionellen der
Psychiatrie/Psychologie und der Sozialen Arbeit können die Bedürfnisse adäquat erfasst
und darauf eingegangen werden. Wenn die Bedürfnisspannungen von den Professionellen nicht wahrgenommen werden, ist das Wohlbefinden der depressiven Person gefährdet. Dies könnte die depressiven Symptome verstärken.
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4.2 Soziale Probleme
Im Kapitel 4.2.1 erläutern die Autorinnen den Begriff „Soziale Probleme“ nach StaubBernasconi und im Kapitel 4.2.2 erklären sie damit, welche sozialen Probleme bei einer
depressiven Person auftreten können.
4.2.1
Beschreibung der sozialen Probleme
Soziale Probleme sind praktische Probleme sozialer Art. Das bedeutet, dass es um die
Einbindung von Gruppen und Individuen in soziale Gebilde geht. Soziale Probleme sind
praktische und kognitive Aufgaben eines Menschen, welche dieser im Verlauf des Lebens
bewältigen muss (Obrecht, 2006; zit. in Schmocker, 2014a, S.7). Soziale Probleme, mit
denen sich die Soziale Arbeit beschäftigt, sind diejenigen praktischen Probleme, welche
sich für Individuen als (zu) schwierige Formen der Einbindung (Integration) in soziale Gebilde erweisen. Entweder fehlen ihnen dazu die Handlungsroutine, die notwendigen Kompetenzen und Möglichkeiten, oder sie werden durch ungünstige sozialstrukturelle Gegebenheiten daran gehindert. Soziale Probleme, welche die Menschen nicht aus eigener
Kraft bewältigen können, sind prekär, weil nur gelöste soziale Probleme eine genügende
Befriedigung ihrer biopsychosozialen Bedürfnisse ermöglichen (Schmocker, 2014a, S.7).
Schmocker (2014b) erstellte in Anlehnung an Staub-Bernasconi (1998) die Tabelle Beschreibung sozialer Probleme: Folgen nicht befriedigter Bedürfnisse, welche die systemtheoretische Dimension und die bedürfnistheoretischen Aspekte der sozialen Probleme
miteinander verbindet. Diese Tabelle ermöglicht nach Staub-Bernasconi (2007) die Identifizierung der sozialen Probleme unabhängig davon, ob sie gesellschaftlich oder individuell
sind. Demnach sind soziale Probleme sowohl Probleme einer Sozialstruktur und Kultur als
auch Probleme von Individuen in ihrer Beziehung zueinander (S.182).
Individuen bewerten gemäss Staub-Bernasconi (2007) Kultur und Sozialstruktur von sozialen Systemen, in denen sie Mitglied sind, im Hinblick auf die Chancen, ihre Wünsche
und Bedürfnisse zu befriedigen und damit ihre Ziele (Wohlbefinden) zu erreichen. Sie
können sie unter anderem bewerten, indem sie das Verhältnis zwischen Rechten (Belohnung) und Pflichten (Lasten) einschätzen. Aus diesem Grund interpretieren sie gewisse
gesellschaftliche Positionen oder Positionen in Organisationen als illegitime Benachteiligung und Diskriminierung bzw. als illegitime Privilegierung. Wenn die Bewertung negativ
ausfällt und keine Möglichkeiten gesehen wird, die als ungerecht oder bedürfnisfeindlich
beurteilte Kultur und Struktur zu verändern, entstehen psychische Spannungen (S.173).
Die Bewältigung dieser Spannungen kann gemäss Staub-Bernasconi (2007) je nach
struktureller und kultureller Sozialisation auf unterschiedliche Weise erfolgen:
•
Innerpsychische Verarbeitung der Spannung: Das Festhalten an unrealistischen Lebenszielen, bewusste Reduktion von Ansprüchen, Rückzug und Apathie
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•
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Nach aussen gerichtete Verarbeitung der Spannung: Soziale Abweichungen wie beispielsweise Kriminalität oder sozialer Protest (S.173-174).
Schmocker (2014a) beschreibt diese Problematik so, dass das Individuum vorübergehend
oder dauernd unfähig ist (verfügt nicht oder mangelhaft über geeignete Handlungskompetenzen), seine (legitimen) Wünsche und Bedürfnisse aufgrund seiner unbefriedigten Einbindung in die sozialen Systeme seiner Umwelt zu befriedigen (S.8).
Nachfolgend ist die Tabelle 2 Beschreibung sozialer Probleme: Folgen nicht befriedigter
Bedürfnisse aufgeführt. Die Tabelle ist nicht vollständig (siehe vollständige Tabelle im
Anhang), da die Autorinnen im Verlauf der Arbeit ausschliesslich auf relevante Aspekte in
Bezug auf die Depression eingehen.
Systemtheoretische
Dimensionen
„Ausstattung“
Bedürfnis-
„Austausch“
„Macht“
(Interaktionsstruktur)
(Positionsstruktur)
theoretische Aspekte
Sozioökonomische und
sozio-ökologische Bedürfnisse
zu
geringe/fehlende
Res-
sourcen, welche nur über
Teilhabe möglich sind (Bildung, Arbeit, Einkommen)
be-
Bedürfnisse nach Erkennt-
Erkenntnis-/
niskompetenz
Bedürfnisse nach Symbolen,
Modellen und Bedeutung
oder
verhinderte
Empathie-/
Reflexionsprozesse
problematische
Selbst-,
Fremd- und Gesellschaftsbilder
kulturelle
gegenseitige
rung und Stigmatisierung
Handlungskompetenzen
be-
lungskompetenzen
von Handlungskompetenzen;
Kooperationsprozesse
oder
verhinderte
abweichendes Verhalten
schaften
macht
Etikettie-
oder verhinderte Entwicklung
Beziehungen und Mitglied-
Quelle für Artikulations-
Verständi-
Bedürfnisse nach Hand-
Bedürfnisse nach sozialen
inkl. Sprache werden zur
gungsbarrieren, ein- oder
fehlende, gesellschaftlich be-
fehlende,
Erkenntniskompetenzen
werden zur Quelle für
Autorität und Positionsmacht
gesellschaftliche
Mangel an Freundschaf-
be- oder verhinderte soziale
ten und allgemein unter-
Mitgliedschaften;
soziale
stützenden Beziehungen;
Isolation, erzwungener Aus-
Mangel an Interaktionen,
schluss aus sozialen Syste-
regulierenden
men; tiefer Status
Diskriminierung
Normen,
Tabelle 2: Beschreibung sozialer Probleme: Folgen nicht befriedigter Bedürfnisse
(Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Schmocker, 2014b; zit. in Staub-Bernasconi 1998)
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Im Folgenden werden soziale Probleme der drei systemtheoretischen Dimensionen Ausstattung, Austausch und Macht erläutert.
Individuelle Ausstattungsprobleme
Es können individuelle Ausstattungsprobleme auftreten. Diese beziehen sich im Falle von
Individuen auf Leiden und Nöte. Damit sind soziale, psychische und kulturelle Barrieren
gemeint, welche in Abhängigkeit zu ihren Ressourcen und ihren gesellschaftlichen Positionen stehen. Diese Barrieren verunmöglichen oder erschweren ihnen, aus eigener Anstrengung ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihr Lernvermögen zu entfalten. Dadurch
erreichen sie kein individuelles Wohlbefinden (Staub-Bernasconi, 2007, S.183).
Problematische Austauschbeziehungen
Im Hinblick auf soziale Interaktionsfelder sind es Probleme der nicht vorhandenen Reziprozität (Gegenseitigkeit im sozialen Austausch) von Austauschbeziehungen zwischen
gleichwertigen Interaktionspartnern. Die Ungleichheit in den Austauschbeziehungen und
das vorübergehende asymmetrische Geben und Nehmen werden nicht mehr ausgeglichen. Die Probleme des Austauschs können sich auf körperliche, ressourcenbezogene,
kulturelle, erkenntnis- und handlungsbezogene Ausstattungsdimensionen der Interaktionspartner/innen beziehen (Staub-Bernasconi, 2007, S.184).
Soziale Machtproblematiken – Behinderungsmacht
Im Zusammenhang mit der Kultur und Struktur sozialer Systeme, in welchen die Individuen Mitglieder sind, sind es multiple oder partielle, kumulative Unrechtserfahrungen, welche sich auf die von Akteuren kollektiv oder individuell durchgesetzten sozialen Regeln
ihrer kulturellen Muster und/oder sozialer Systeme zurückführen lassen. Die Problematik
auf der individuellen Ebene ist die Machtlosigkeit (Hilflosigkeit und Ohnmacht in Abhängigkeitsbeziehungen). Das bedeutet, dass mangelnde Ausstattung bzw. fehlende Machtquellen der Individuen hier zur Quelle der Ohnmacht wird. Bei der Ebene der sozialen
Systeme sind es Problematiken deren Machtstruktur und vor allem- kultur bzw. Sozialstruktur (Staub-Bernasconi, 2007, S.184-185).
Zusammenfassung
Die Einbindung von Individuen und Gruppen in soziale Gebilde stellt ein soziales Problem
dar, wenn diese Einbindung nicht gelingt. Die Ursachen dafür können neben der Ausstattung des Individuums ebenso die Interaktionsstruktur (Austausch) und die Positionsstruktur (Macht) sein. Wenn die sozialen Probleme nicht gelöst werden können, ist dies für das
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Individuum prekär. Denn nur gelöste soziale Probleme erzeugen eine Befriedigung der
biopsychosozialen Bedürfnisse.
4.2.2
Bezug auf Depression
In diesem Kapitel erklären die Autorinnen den Zusammenhang der Depression mit den
sozialen Problemen nach Staub-Bernasconi. Sie beziehen sich dabei auf ausgewählte
Aspekte der sozialen Probleme, welche die Tabelle 2 Beschreibung sozialer Probleme:
Folgen nicht befriedigter Bedürfnisse im Kapitel 4.2.1 aufzeigt. Die vollständige Tabelle
befindet sich im Anhang.
Ausstattung
Im Folgenden nehmen die Autorinnen Bezug auf ausgewählte bedürfnistheoretische
Aspekte der Ausstattung eines Individuums.
Ausstattung in Bezug auf…
… sozioökonomische und sozio-ökologische Bedürfnisse
Zu geringe oder fehlende Ressourcen, welche über die Teilhabe an Bildung oder Erwerbsarbeit erlangt werden, führen zur Verletzung des Bedürfnisses nach existenzsichernden Gütern (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Die Krankheit Depression (Ausstattung) erschwert Personen aus eigener Anstrengung
ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Durch die Krankheit (Ihde-Scholl, 2013) zieht sich die
depressive Person zurück (S.101). Dieser Rückzug hat je nach Schweregrad der Depression unter anderem Auswirkungen auf die Teilhabe an der Erwerbsarbeit. Dadurch, dass
die Teilhabe nur bedingt oder nicht mehr stattfindet, fehlen ihr die Ressourcen (hier Finanzen), welche über die Teilhabe an der Erwerbsarbeit erlangt werden können. Um das
Bedürfnis nach existenzsichernden Gütern zu befriedigen, ist die depressive Person auf
finanzielle Unterstützung angewiesen. Die Bedürfnisbefriedigung kann durch Unterstützung vom Familiensystem erfolgen, es wird externe Hilfe wie die Sozialversicherungen
(Krankentaggeld, IV-Rente) oder die Sozialhilfe beigezogen. Die nachfolgende Abbildung
10 verdeutlicht, wie wichtig die Teilhabe am Erwerbsleben für depressive Personen ist.
Depressive Personen, welche (teil)erwerbstätig sind, genesen schneller als solche, welche nicht im Arbeitsmarkt tätig sind.
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Abbildung 10: Erwerbstätige genesen besser, unabhängig von ihrem Schweregrad
(Quelle: Obsan, 2013b, S.91)
… Bedürfnisse nach Symbolen, Modellen und Bedeutungen
Problematische Selbst-, Fremd- und Gesellschaftsbilder können die Bedürfnisse nach
Sinn, subjektiv relevanten Zielen, sozialer Anerkennung oder nach Gewissheit verletzen
(Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Bei depressiven Personen ist das Selbstwertgefühl und –vertrauen oftmals beeinträchtigt
(Dilling & Freyberger, 2014, S.132). Kessler und Hell (2011) erläutern, dass das Selbstbild
bei einer Depression negativ geprägt ist. Negative Gedanken wie beispielsweise nichts zu
können, eine Last für andere zu sein und nicht wertvoll zu sein gehören zum Krankheitsbild der Depression. Depressive Menschen sind oftmals ihres Lebens überdrüssig. Sie
kritisieren sich zudem ständig selbst und haben Angst vor Versagen oder Scheitern
(S.77). Aufgrund dieses negativ geprägten Selbstbildes sehen depressive Personen je
nach Schweregrad und Phase kaum einen Sinn in ihrem Dasein. Diese Ausstattung erschwert depressiven Personen gemäss der Tabelle 2 die Befriedigung der Bedürfnisse
nach Symbolen, Modellen und Bedeutungen.
… Bedürfnisse nach Handlungskompetenzen
Durch eine fehlende Entwicklung von Handlungskompetenzen, welche durch die Gesellschaft be- oder verhindert wird, wird das Bedürfnis nach Fertigkeiten zur Bewältigung von
Situationen verletzt (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Menschen mit einer Depression ziehen sich oftmals zurück anstatt einen Arzt aufzusuchen. Durch den Rückzug werden die depressiven Symptome immer stärker bis sie vor
der Umwelt nicht mehr verborgen bleiben. Das führt dazu, dass die depressive Person
ihren Berufsalltag und das private Leben nicht mehr bewältigen kann und womöglich ein
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Suizidversuch unternommen wird. Antriebslosigkeit und Gefühle von Wertlosigkeit, Scham
und Schuld können Gründe sein, dass die Person nicht rechtzeitig Hilfe holen kann (Kessler & Hell, 2011, S.130-131). Eine Depression schränkt die Person je nach Schweregrad
in ihrer Handlungskompetenz ein. Dies kann eine psychische Bedürfnisspannung auslösen, welche die depressive Person aufgrund ihrer Ausstattung nicht alleine bewältigen
kann. Das soziale Problem zeigt sich hier, dass depressive Personen aus den genannten
Gründen je nach Schweregrad nicht in der Lage sind, Situationen selbst zu bewältigen.
… Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen und Mitgliedschaften
Fehlende gesellschaftliche sowie be- oder verhinderte soziale Mitgliedschaften können
das Bedürfnis nach sozialkultureller Zugehörigkeit verletzen (Staub-Bernasconi, 1998; zit.
in Schmocker, 2014b).
Stimmungen und Gefühle beeinflussen die alltägliche Leistungs-, Erlebens- und Beziehungsfähigkeit. Depressive Personen empfinden je nach Schweregrad kaum mehr Gefühle. Dadurch können sie gefühlskalt, nicht beziehungsfähig oder distanziert erscheinen
(Wolfersdorf, 2008, S.20-21). Symptome der Depression wie Stimmungsverschlechterung, Unfähigkeit sich zu freuen oder Gefühle der Mitmenschen wahrzunehmen und teilen
zu können, werden oftmals vor der Umgebung verborgen. Dadurch können Tendenzen
zum Rückzug bis zu Suizidgedanken auftreten (Herwig Scholz & Hans Georg Zapotoczky,
2009, S.35). Das soziale Problem zeigt sich darin, dass die depressive Person durch ihre
Ausstattung (Depression) sich vor sozialen Mitgliedschaften zurückzieht. Dies verletzt das
Bedürfnis nach sozialkultureller Zugehörigkeit, was eine Bedürfnisspannung auf der sozialen Ebene (siehe Kapitel 4.1.1) auslösen kann.
Austausch
Im Folgenden zeigen die Autorinnen den Austausch im Zusammenhang mit ausgewählten
bedürfnistheoretischen Aspekten (siehe Tabelle 2) auf.
Austausch in Bezug auf…
… Bedürfnisse nach Erkenntniskompetenz
Be- oder verhindernde gemeinsame Erkenntnis-, Empathie- und Reflexionsprozesse können zu einer Verletzung des Bedürfnisses nach kognitiver und emotionaler Zuwendung,
Freundschaft, Liebe und Sinngebung führen (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker,
2014b).
Depression ist begleitet von Antriebsstörungen. Darunter werden Lust- und Interesselosigkeit verstanden. Die Person ist unfähig, auf andere Menschen zuzugehen, etwas zu
unternehmen und sich für die eigene Person wie auch für das Umfeld zu interessieren
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
(Wolfersdorf, 2008, S.71). Weil die depressive Person nicht auf Zuwendung reagieren und
keine Freude empfinden kann, ist es möglich, dass sich das soziale Umfeld von der Person zurückzieht (Wolfersdorf, 2011, S.123). Dies löst in Bezug auf das Bedürfnis nach
Erkenntniskompetenz eine Bedürfnisspannung aus. Aufgrund des Rückzugs des sozialen
Umfeldes kann die depressive Person diese Bedürfnisspannung nicht ausgleichen.
… Bedürfnisse nach Symbolen, Modellen und Bedeutungen
Kulturelle Verständigungsbarrieren, einseitige oder gegenseitige Etikettierungen und
Stigmatisierungen zeichnen dieses soziale Problem aus. Dadurch können die Bedürfnisse
nach
Respekt,
Unverwechselbarkeit
und
Anerkennung
verletzt
werden
(Staub-
Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Depressive Menschen sind gemäss Wolfersdorf (2008) je nach Schweregrad wenig bis
überhaupt nicht in der Lage, ihrem Gegenüber die wahre Befindlichkeit zu erzählen. Dies
auch aus Angst vom sozialen Umfeld nicht verstanden oder ernst genommen zu werden.
Wenn die Depression vom sozialen Umfeld nicht erkannt wird, können leicht Missverständnisse entstehen. Die depressive Person zieht sich zurück, weil sie sich nicht akzeptiert, angenommen und verstanden fühlt. Sie vereinsamt und es kommt zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Krankheit (S.66-67).
Durch das Nichterkennen der Depression und aufgrund von Missverständnissen im Austausch können die Bedürfnisse nach Respekt, Unverwechselbarkeit und Anerkennung bei
der depressiven Person verletzt werden.
… Bedürfnisse nach Handlungskompetenzen
Das soziale Problem zeigt sich hier in be- oder verhinderten Kooperationsprozessen. Das
Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung kann dadurch nicht befriedigt werden (StaubBernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Durch die Ausstattung (Depression) sind depressive Personen in ihrer Handlungskompetenz eingeschränkt (Kessler & Hell, 2011, S.130-131), und infolgedessen können ihre
Kooperationsprozesse eingeschränkt sein. Für Kooperationsprozesse im Austausch ist es
notwendig, dass die Personen miteinander agieren. Da bei depressiven Personen aufgrund des Rückzugs keine oder wenige Kooperationsprozesse stattfinden, kann das Bedürfnis nach Anerkennung von Leistung nicht (ausreichend) befriedigt werden.
… Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen und Mitgliedschaften
Dieses soziale Problem kann unter anderem durch einen Mangel an Freundschaften und
allgemein unterstützenden Beziehungen entstehen (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in
Schmocker, 2014b).
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Die Ausstattung (Depression) hat Auswirkungen auf die Austauschbeziehungen in sozialen Beziehungen und Mitgliedschaften. Durch den (mehr oder weniger starken) Rückzug
(Ihde-Scholl, 2013) vermindern sich Freundschaften sowie unterstützende Beziehungen
(S.101). Das führt zu reduzierten Interaktionen zwischen depressiven Personen und anderen Personen. Es kann bis zur Einstellung solcher Interaktionen führen.
Macht
Im Folgenden zeigen die Autorinnen die Bedeutung von Macht im Zusammenhang mit
ausgewählten bedürfnistheoretischen Aspekten auf.
Macht in Bezug auf…
… Bedürfnisse nach Erkenntniskompetenz
Erkenntniskompetenzen werden in diesem sozialen Problem zur Quelle für Artikulationsmacht (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b).
Psychische Komponenten wie die Konzentrationsfähigkeit oder das Denken können gemäss Kessler und Hell (2011) bei einer depressiven Person eingeschränkt sein (S.78).
Aufgrund des sozialen Rückzugs kann sich der Austausch mit dem Gegenüber vermindern. Das hat zur Folge, dass aussenstehende Personen eine Macht über die depressive
Person erhalten. Sie können beispielsweise depressive Personen von eigenen Interessen
überzeugen (Psychosoziale Gesundheit, ohne Datum). Diese Macht wird Artikulationsmacht genannt. Wenn sie missbräuchlich angewendet wird, kann sie andere Menschen
manipulieren (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b). Diese Manipulation
kann die depressive Person in ihrer Bedürfnisbefriedigung einschränken.
… Bedürfnisse nach Handlungskompetenzen
Die Handlungskompetenzen werden bei diesem sozialen Problem zur Quelle für Autorität
und Positionsmacht (Staub-Bernasconi, 1998; zit. in Schmocker, 2014b). Bei psychisch
kranken Personen ist die Energie an den innerpsychischen Bereich gebunden und steht
somit nicht zur Alltagsbewältigung zur Verfügung (Dr. med. Herbert Heise, 2011). Das
kann dazu führen, dass andere Personen Entscheidungen treffen, ohne die depressive
Person mit einzubeziehen (Psychosoziale Gesundheit, ohne Datum).
Bei missbräuchlicher Anwendung dieser Positionsmacht werden depressive Personen in
ihrer verfügbaren Handlungskompetenz eingeschränkt und es kommt zu Bedürfnisspannungen.
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Fazit
Bei depressiven Personen können wegen den Symptomen der Erkrankung verschiedene
soziale Probleme auftreten. Aufgrund ihrer Krankheit sind sie nicht in der Lage, ihre sozialen Probleme selbst zu lösen. Das kann dazu führen, dass sich die depressiven Symptome verstärken. Das Erkennen und das Lösen der sozialen Probleme sind entscheidend
für das Wohlbefinden der depressiven Person.
4.3 Rahmenbedingungen in der Sozialhilfe
In diesem Kapitel betrachten die Autorinnen Rahmenbedingungen der Sozialhilfe in Bezug auf depressive Klientel genauer. Dabei beziehen sie sich auf die Bedürfnistheorie
(siehe Kapitel 4.1) und die sozialen Probleme (siehe Kapitel 4.2). Sie zeigen auf, inwiefern
es für depressive Klientel schwierig ist, mit diesen Rahmenbedingungen (Beratungssetting, Pflichten in der Sozialhilfe, Integrationsmassnahmen, Anreizsystem) umzugehen.
4.3.1
Beratungssetting
Da die Klientel aufgrund einer Zwangslage wie drohende Wohnungslosigkeit oder Existenzsicherung in Kontakt mit der Sozialhilfe treten muss, kann die Sozialhilfe als
Zwangskontext bezeichnet werden. Ebenso ergibt sich der Zwang aus dem Sozialhilfegesetz selbst. Eine mangelnde Mitwirkung kann finanzielle Folgen in einer Kürzung oder
Streichung der Sozialhilfe haben (siehe Kapitel 3.4) (Wolfgang Klug & Patrick Zobrist,
2013, S.16).
Im Folgenden wird spezifisch auf den Machtaspekt in der Sozialhilfe sowie auf Zeitressourcen der Sozialarbeitenden eingegangen.
In der Sozialhilfe ist der Begriff Macht bzw. Ohnmacht ein zentrales Thema. Die Klientel
gilt in der Gesellschaft in der Regel als die Hilfloseren und Schwächeren, da sie wegen
persönlicher (Bildung, Gesundheit, Sozialisation) oder gesellschaftlicher Bedingungen
(Wohnen, Arbeit, Geld) Hilfe benötigen (Johannes Herwig-Lempp, 2009, S.34-35).
Wegen des Zwangskontextes und der Abhängigkeit von der Sozialhilfe bzw. den Sozialarbeitenden kann sich die Klientel in ihrem Bedürfnis nach Autonomie eingeschränkt fühlen (Matthias Laub, 2008, S.5-6). Gemäss Schmocker (2015b) kommt es bei unbefriedigten Bedürfnissen zu Bedürfnisspannungen. Diese werden durch eine Handlung zu regulieren versucht, damit Wohlbefinden erreicht wird (S.1). Eine mögliche Handlung bei fehlender Bedürfnisbefriedigung nach Autonomie ist die sogenannte Reaktanz. Unter Reaktanz werden Verhaltensweisen verstanden, welche vom Gegenüber als Widerstand angesehen werden. Beispielsweise kann es bei drohenden Sanktionen und/oder bei der Nichterfüllung von Auflagen und Weisungen zu Vermeidungs- und Täuschungsstrategien der
Klientel kommen. Sie fühlen sich ohnmächtig und unerwünschtes Verhalten wird verstärkt
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
(Laub, 2008, S.5-6). Gemäss Harro Dietrich Kähler und Patrick Zobrist (2013) können das
unter anderem folgende unerwünschte Verhaltensweisen sein: getroffene Vereinbarungen
missverstehen oder nicht einhalten, Termine oder Telefone ignorieren, resignieren,
schmeicheln, von sich ablenken (S.52).
Sozialarbeitende im Feld der gesetzlichen Sozialen Arbeit verfügen gemäss Daniel Rosch
(2012) über eine grosse Positionsmacht und über Machtquellen aufgrund von Gesetzen,
professionellem Selbstverständnis und Berufsethik. Das Handeln von Sozialarbeitenden
gegen den Willen der Klientel ist nur legitim, wenn es der Berufsethik und dem Berufsverständnis standhält (S.33-35). Aufgrund von Kompetenzen und Leistungen hat gemäss
Staub-Bernasconi (2007) eine Person eine entsprechende Position. Sozialarbeitende haben eine Machtposition gegenüber der Klientel und können bei Bedarf Kontrollinstrumente
aktivieren (S.397). Sozialarbeitende haben Machtquellen bei Kontroll- und Sanktionsmitteln und Überlegenheit in professionellem Können und Wissen (Staub-Bernasconi, 2007,
S.406-407).
Grundsätzlich wirkt sich Macht einschränkend oder erweiternd auf die Lebenschancen
von Individuen aus. Es gibt einerseits die Begrenzungsmacht und andererseits die Behinderungsmacht.
Die Behinderungsmacht ist die negativ bewertete Form von Macht. Mit ihr wird Vermehrung oder Verknappung von Gütern bewirkt oder der Handlungsspielraum von Menschen
beschränkt, so dass diese in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse und der sozialen Integration behindert werden. Das geschieht ohne von aussen nachvollziehbare Kriterien oder
Normen und/oder zum eigenen Vorteil dessen, der diese Macht ausübt.
Die Begrenzungsmacht hingegen ist das Entgegentreten und Grenzen setzen bezüglich
nicht legitimen, unmenschlichen und ausbeutenden gesellschaftlichen Kräften und Strukturen (Staub-Bernasconi, 2007; zit. in Kaspar Geiser, 2013, S.222-223). Sozialarbeitende
müssen ihre Machtquellen dahingehend prüfen, ob sie diese behindernd oder begrenzend
einsetzen (Staub-Bernasconi, 2007, S.397-398).
Gemäss Staub-Bernasconi (2007) stellt eine behindernde Machtposition der Sozialarbeitenden ein soziales Problem für die Klientel dar. Die Abhängigkeit der depressiven Klientel von den Sozialarbeitenden führt zu Hilflosigkeit und Ohnmacht. Aufgrund der missbräuchlichen angewendeten Positionsmacht wird die Teilnahme und Partizipation der
Klientel ver- oder behindert (S.184-185).
Aus diesen Gründen müssen das Befinden wie auch die Bedürfnisse der Klientel durch
die Sozialarbeitenden erfasst werden. Dadurch können die Sozialarbeitenden eine umfassende Situationsanalyse der Klientel machen und die Machtquellen, wenn notwendig,
adäquat und legitim anwenden.
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Gemäss Georges Köpfli (2012) reagieren psychisch beeinträchtigte Menschen auf Druck
oft mit Verunsicherung und Rückzug. Das kann vom Gegenüber als mangelndes Kooperieren interpretiert werden. Um die finanzielle wie auch persönliche Situation der Klientel
zu erfassen und einzuschätzen, benötigen die Sozialarbeitenden innere Ruhe und Zeit
wie auch methodisches Wissen. Aufgrund der hohen Fallbelastung kann es für Sozialarbeitende schwierig sein, auf das Individuum ausreichend einzugehen. Die persönliche
Situation droht innerhalb der Regeln und Normen des Sozialdienstes unterzugehen
(S.25). Ebenso verdeutlichen Branka Goldstein und Frances Bucher (2012) die Wichtigkeit einer hohen Professionalität der Sozialarbeitenden, einer Verminderung der Fallzahlen und einer kontinuierlichen Weiterbildung für Fachpersonen. Die Bedürfnisse psychisch
beeinträchtigter Menschen können gerecht erfasst werden, wenn genügend Zeit seitens
der Fachperson in diese Erfassung investiert wird (S.16-17). Dies verdeutlicht, dass genügend Zeit, Professionalität und Wissen wichtige Komponenten insbesondere in der Zusammenarbeit mit psychisch beeinträchtigten Personen sind.
Die Praxis einer Sozialarbeiterin (Expertengespräch vom 25. Juni 2015) zeigt die Wichtigkeit, sich allgemein in der Beratung mit depressiver Klientel genügend Zeit zu nehmen.
Dadurch fühlt sich die Klientel ernst genommen und es wirkt sich positiv auf die Beratung
aus. Es ist optimal, wenn depressive Klientel zweimal pro Monat zu einem Gespräch
kommt. Aufgrund der hohen Fallbelastung ist dies jedoch zumeist nicht möglich.
Die fehlenden Zeitressourcen seitens der Sozialarbeitenden können dazu beitragen, dass
vorhandene Bedürfnisspannungen nicht wahrgenommen und dadurch auch nicht befriedigt werden.
Fazit
Sozialarbeitende haben aufgrund des Zwangskontextes eine Machtposition gegenüber
der Klientel. Damit diese Machtposition die Klientel nicht behindert, müssen deren Bedürfnisse genau erfasst werden. Denn damit die Macht gemäss Staub-Bernasconi (2007)
positiv (Begrenzungsmacht) ist, müssen die Sozialarbeitenden bedürfnisnah und
menschengerecht handeln (S.384). Wenn die Macht für die Klientel behindernd ist, kann
die Folge Reaktanz sein. Diese ist ein mögliches Zeichen, dass die Bedürfnisse der Klientel nicht ausreichend erfasst wurden.
4.3.2
Pflichten in der Sozialhilfe
Die SKOS-Richtlinien (2005) legen dar:
Nicht alle Sozialhilfebeziehenden sind in der Lage, mit Gegenleistungen einen aktiven
Beitrag zur Minderung der Unterstützungsbedürftigkeit beizutragen. Gründe dafür
sind vielfach psychische oder körperliche Beeinträchtigungen. Das Ziel der ExistenzAugust 2015
45
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
weise Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle und Absichten einer Person. Bei den aktuellen
Prozessen wird einerseits eine Situation aufgenommen und verarbeitet (Wahrnehmung,
Denken und Emotion) und andererseits auf die Situation eingewirkt und diese verändert
(Motivation, Denken, äusseres Verhalten) (Nolting & Paulus, 2009, S.37-38).
Die verschiedenen inneren Prozesse von Nolting und Paulus werden im Folgenden genauer erläutert.
Die Wahrnehmung ist die Aufnahme von Reizen über die Sinnesorgane und das Erkennen von beispielsweise Personen, Gegenständen und mündlicher Sprache. Die Wahrnehmung einer Person ist nicht identisch mit der einer anderen Person. Sie ist subjektiv
und wird durch die Selektion der Wahrnehmung bedingt. Die Selektion geschieht unter
anderem aufgrund von Interessen, Kenntnissen und Einstellungen einer Person (Nolting &
Paulus, 2009, S.46-49).
Beim Denken werden Wahrnehmungen unter anderem durch Interpretieren, Klassifizieren
und Verstehen weiterverarbeitet. Zudem geht es beim Denken auch um Planen, Probleme
lösen und Entscheiden. Es handelt sich somit um das Aufnehmen von Situationen und um
Einwirken auf Situationen (Nolting & Paulus, 2009, S.49-54).
Emotionen sind Gefühle, welche als Zustände oder Prozesse vorkommen. Gefühle werden psychisch wie auch körperlich wahrgenommen. Sie werden normalerweise durch eine
vorangehende Situation aktiviert ausser bei krankheitsbedingten emotionalen Zuständen
(Nolting & Paulus, 2009, S.54-57).
Motivation ist Beweggrund für ein Verhalten. Die Motivation wird durch die Disposition
eines Menschen (Interessen, Leistungsmotiv) beeinflusst wie auch durch situative Bedingungen (Themen, Notlage, schwierige Aufgabe). Es gibt die intrinsische Motivation, bei
welcher der Mensch direkt eine Befriedigung aus seiner Tätigkeit erfährt und die extrinsische Motivation, aus welcher er erst später einen Nutzen generiert (Nolting & Paulus,
2009, S.57-63).
Neben den aktuellen Prozessen wirken gemäss Nolting und Paulus (2009) auch Personfaktoren (Dispositionen) in das Verhalten einer Person ein. Personmerkmale sind Merkmale, die charakteristisch für eine Person sind. Diese Merkmale können je nach Situation
unterschiedlich ausfallen. Es gibt die sogenannten Big Five, welche die umfassenden
Dispositionen darstellen (siehe Tabelle 3) (S.65-71). Die Personfaktoren lassen sich aus
den Entwicklungsbedingungen eines Menschen erklären. Es sind Merkmale, welche sich
im Verlauf des Lebens entwickelt haben (Nolting & Paulus, 2009, S.39).
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Faktor
Adjektive
Extraversion
gesprächig, bestimmt, aktiv, abenteuerlustig
Emotionale Labilität
gespannt, ängstlich, nervös, unsicher
Offenheit für Erfahrung
neugierig, fantasievoll, intellektuell, künstlerisch
Verträglichkeit
liebenswürdig, mitfühlend, herzlich, kooperativ
Gewissenhaftigkeit
sorgfältig, organisiert, zuverlässig, überlegt
Tabelle 3: Umfassende Dispositionen: Die Big Five
(Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von L. Laux und K. H. Renner, 2005; zit. in Nolting &
Paulus, 2009, S.70)
Als weiterer Faktor hat der Kontext (Situationsfaktoren und teilweise auch interpersonale
Faktoren) Einfluss auf das Verhalten einer Person (Nolting & Paulus, 2009, S.35-36). Die
Situation ist das aktuelle Umfeld im Moment des Verhaltens einer Person. Objektiv situative Faktoren wirken sich unterschiedlich auf das Verhalten von Menschen aus. Solche
Faktoren sind beispielsweise räumliche Bedingungen wie die Zimmergrösse oder materielle Gegenstände (Nolting & Paulus, 2009, S.94-97). Zu den Situationsfaktoren gehören
auch interpersonale Faktoren. Es geht dabei um die wechselseitige Beeinflussung und
Bezogenheit von Personen und um das Zusammenspiel der Akteure (Nolting & Paulus,
2009, S.102).
Das Verhalten einer Person ergibt sich demnach aus dem Zusammenspiel von diversen
Faktoren. Es sind einerseits individuelle (Personfaktoren), aber auch institutionelle Faktoren (Kontextfaktoren). Die Prozesse bei einem Verhalten müssen nicht gemäss der Abbildung 11 ablaufen. Es gibt keine geordnete Abfolge der Abläufe. Bei einem reflexartigen
Verhalten wird beispielsweise von der Wahrnehmung sofort zum Verhalten gewechselt
und Prozesse dazwischen ausgelassen (Nolting & Paulus, 2009, S.44).
Mit dem Modell von Nolting und Paulus wird ersichtlich, welche Prozesse am Verhalten
einer Person beteiligt sind. Wenn gewisse Prozesse aufgrund einer Depression (je nach
Schweregrad und Phase) vermindert sind, hat das Auswirkungen auf das Verhalten depressiver Klientel.
Nach Kessler und Hell (2011) sind depressive Personen energie- und freudlos, sie verlieren an Emotionen, an Entscheidungsfähigkeit und ziehen sich oft zurück. Die Gefühl- und
Freudlosigkeit kann dazu führen, dass das Leben nicht mehr wahrgenommen wird. Das
Denken ist negativ, verlangsamt, Konzentration und Aufmerksamkeit lassen nach. Für
eine depressive Person ist es schwierig, Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der Antriebslosigkeit sind alle Handlungen anstrengend (S.75-78).
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
In der Sozialhilfe gibt es Pflichten, welche die Klientel erfüllen muss. Damit eine Person
die Pflichten der Sozialhilfe erfüllt, muss sie die Auflagen und Weisungen der Sozialarbeitenden kognitiv aufnehmen und ihr Verhalten danach richten können. Das Verhalten einer
Person wird wie bereits beschrieben durch innere Prozesse, Personfaktoren, Entwicklungsbedingungen und Situationsfaktoren beeinflusst. Inwiefern eine depressive Person in
der Lage ist, Pflichten der Sozialhilfe zu erfüllen, kann durch die Depression in ihrem psychischen System (Verhalten) beeinflusst sein.
Die Sozialhilfe ist gemäss SKOS (2005) an die Mitwirkung der Hilfesuchenden gebunden
(A.8-I). Die Klientel wird verpflichtet, im Rahmen der Zumutbarkeit bei der Ermittlung des
Sachverhalts mitzuwirken beispielsweise durch Beschaffung der notwendigen Unterlagen
oder Gewähren von Einblick (Mösch Payot et al., 2013, S.269). In der Sozialhilfe gilt das
Prinzip Leistung/Gegenleistung. Die Art der Gegenleistung soll sich an den persönlichen
Verhältnissen und den individuellen Ressourcen der unterstützten Person orientieren
(SKOS, 2005, A.8-I). Es kann dabei um die Suche und Aufnahme einer zumutbaren Erwerbsarbeit, einen Beitrag zur beruflichen und sozialen Integration und um Geltendmachung von Drittansprüchen gehen (SKOS, 2005, A.5-3/A.5-4).
Im Folgenden wird Bezug genommen auf die Bedürfnistheorie (siehe Kapitel 4.1.1) und
die sozialen Probleme (siehe Kapitel 4.2.1). Wie in Kapitel 4.1.2 ersichtlich, haben depressive Personen diverse Bedürfnisspannungen. Die depressive Person ist je nach
Schweregrad und individueller Situation in der Lage (oder eben nicht) diese zu lösen. Wie
bereits im Kapitel 3.1.4 erwähnt, gibt es in der Sozialhilfe das Prinzip Leistung/Gegenleistung. Die Art der Gegenleistung ist nach den Ressourcen und Verhältnissen und nicht nach den Bedürfnissen der Klientel gerichtet. Aufgrund diverser Bedürfnisspannungen ist die Klientel oft nicht in der Lage, die Pflichten ausreichend zu erfüllen.
Bedürfnisspannungen der Klientel müssen von den Sozialarbeitenden erfasst werden,
damit die Situation der Klientel adäquat eingeschätzt wird. Vor allem bei einer leichten
Depression (Ihde-Scholl, 2013) sind die Symptome von aussen oft schwer zu erkennen
(S.101). Wenn die Sozialarbeitenden die depressiven Symptome nicht erkennen, dann
können sie das Verhalten als Reaktanz interpretieren und aufgrund dessen mit Sanktionen drohen. Martina Koch und Alan Canonica (2012) weisen bei psychisch beeinträchtigten Personen darauf hin, dass grundsätzlich beim Nichtbefolgen von Auflagen und Weisungen eingeschätzt werden muss, ob eine Person nicht kann oder nicht will. Wenn für
die Sozialarbeitenden der Grund unklar ist, wird das Verhalten meistens als unkooperativ
angesehen und eine Sanktion ist die Folge. Die Pflichten, welche einer psychisch beeinträchtigten Person in der Sozialhilfe auferlegt werden, können zusätzlichen Druck ausüben, und dies kann sich kontraproduktiv auf den Krankheitsverlauf auswirken (S.26-27).
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Fazit
Die adäquate Erfassung der Bedürfnisse und Bedürfnisspannungen depressiver Klientel
ist notwendig, um Auflagen und Weisungen den persönlichen Verhältnissen und den individuellen Ressourcen anzupassen. Wenn diese Erfassung nicht (ausreichend) erfolgt,
haben depressive Klientel erhebliche Schwierigkeiten, ihre Pflichten in der Sozialhilfe zu
erfüllen. Aufgrund nicht bedürfnisgerechter Auflagen und Weisungen kann die Klientel ihre
Bedürfnisspannungen nicht lösen, so dass das eigene Wohlbefinden nicht erreicht werden
kann.
4.3.3
Integrationsmassnahmen
Ein Ziel der Sozialhilfe ist, dass die Klientel in ihrer beruflichen und sozialen Integration
gefördert wird (SKOS, 2005, A.l-2). Im folgenden Abschnitt erklären die Autorinnen, aus
welchen Gründen depressive Klientel schwierige Voraussetzungen im Bereich der Integrationsmassnahmen hat.
Die SKOS (2009) hat eine Studie über den Integrationsauftrag der Sozialhilfe in der Praxis
veröffentlicht. Sie zeigt auf, dass die teilnehmende Klientel bei einer Integrationsmassnahme Selbstvertrauen entwickelt und dass sich die persönlichen Kompetenzen wesentlich verbessern. Zudem wird die Förderung der Integration und der sozialen Kontakte erwähnt. Die Studie bestätigt, dass diese Faktoren eine positive Wirkung auf das persönliche Wohlbefinden haben (S.5). Bezogen auf die Bedürfnistheorie kann es dadurch zur
Befriedigung der sozialen Bedürfnisse kommen. Jedoch nicht alle Faktoren von Integrationsmassnahmen haben positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Klientel. Ein
Ziel der Sozialhilfe ist die möglichst schnelle Ablösung der Klientel von der Sozialhilfe.
Diese kurzfristige Perspektive verunmöglicht es der Sozialhilfe, in eine langfristige und
somit eine nachhaltige Integrationsplanung zu investieren. Dieses Vorgehen erweist sich
spätestens dann als negativ, wenn nach dem Abschluss der Massnahme keine Anschlusslösung in Sicht ist (SKOS, 2009, S.6). So zeigt die SKOS-Studie (2009) auf, dass
die entwickelten positiven Gefühle nicht lange anhalten, wenn nach dem Abschluss der
Massnahme keine Anschlusslösung gefunden wird. Das kann zu grossen Frustrationsgefühlen führen (S.5). Die Frustration bedeutet eine Bedürfnisspannung auf der psychischen
Ebene (Obrecht, 1999; zit. in Staub-Bernasconi, 2007, S.172). Diese Bedürfnisspannung
kann für depressive Klientel negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben. Das
kann zum sozialen Problem werden, weil eine weitere Teilhabe am Arbeitsprozess fehlt
und ebenso keine zusätzliche finanzielle Honorierung (Anreizsystem) von der Sozialhilfe
ausbezahlt wird. Ebenso scheidet die Klientel aus dem sozialen System des Integrationsprogramms aus. Dadurch wird das Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung verletzt.
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Aufgrund der Erfahrung des Frustrationsgefühls und der fehlenden Bedürfnisbefriedigung
können Integrationsmassnahmen von der depressiven Person negativ bewertet werden.
Diese Bewertung kann sich negativ auf die Motivation der Klientel für eine spätere Integrationsmassnahme auswirken. Die SKOS (2009) erläutert, dass die fehlende Motivation
der Teilnehmenden auch auf die teilweise unattraktiven Angebote zurückzuführen ist. Vor
allem in ländlichen Gebieten ist das Angebot oft klein und daher kaum auf die Bedürfnisse
der Klientel ausgerichtet (S.5). Peter Schallberger und Bettina Wyer (2010) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei kleineren Programmanbietenden die Chance
auf die Passung geringer ist als bei grösseren Programmanbietenden. Bei kleineren besteht die Gefahr, dass die Klientel an einem für sie ungeeigneten Programm teilnimmt und
aufgrund dessen keine auf ihre Ressourcen- und Beeinträchtigungsprofil abgestimmte
Förderung erhält (S.175). Daher kann depressive Klientel einen Nachteil haben, wenn sie
in ländlichen Gebieten lebt, bei denen es nur kleine Programmanbietende gibt. Aufgrund
der Grösse kann auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden und auch auf die Passung des
Programms weniger Rücksicht genommen werden.
Die SKOS (2009) kritisiert in ihrem Bericht, dass es nur wenige Angebote ausschliesslich
für die soziale Integration gibt. Wenn Programme für die soziale Integration vorhanden
sind, sind diese meistens zeitlich befristet. Das ist strukturell bedingt. Die finanziellen Mittel werden von der politischen Seite nicht bewilligt bzw. reichen nicht aus (S.6). In den
SKOS-Richtlinien (2005) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für einen Teil der
Hilfesuchenden die rein berufliche Integrationsmassnahme unter anderem aus gesundheitlichen Gründen nicht angezeigt oder möglich ist. Weiter führen sie aus, dass für diese
Personen soziale Integrationsmassnahmen bereitgestellt werden sollen, welche das
Selbstbewusstsein stärken und eine Alltagsstruktur vermitteln (D.2-l/D.2-2). Solche Integrationsmassnahmen sind vor allem auch für depressive Klientel wichtig, welche aufgrund
ihrer Krankheit nicht mehr arbeitsfähig ist oder eine geringe Chance hat, auf den ersten
Arbeitsmarkt zurückzukehren. Nach Hautzinger (2006) sind zur Überwindung wie auch
Verhinderung einer Depression soziale Kontakte wichtig (S.52). Eine soziale Integrationsmassnahme fördert die Bildung von sozialen Kontakten, was eine Bedürfnisbefriedigung auf der sozialen Ebene zur Folge haben kann. Dadurch kann möglichen sozialen
Problemen entgegengewirkt werden. Wie in diesem Kapitel bereits beschrieben, werden
soziale Integrationsmassnahmen regional unterschiedlich angeboten. Wenn in ihrer Region keine passenden sozialen Integrationsmassnahmen angeboten werden, kann depressive Klientel benachteiligt sein. Das kann sich auf die psychische Bedürfnisbefriedigung
der Klientel auswirken, weil sie bei der entsprechenden Massnahme kein sinnhaftes Ziel
erkennen kann.
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Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Fazit
Integrationsmassnahmen können positive wie auch negative Auswirkungen für die Bedürfnisbefriedigung der Klientel haben. Sie können für die Klientel einen Nachteil darstellen, wenn diese in ländlichen Gebieten wohnt. Einerseits ist das Angebot an Integrationsmassnahmen dort nicht gleich umfassend wie in städtischen Gebieten. Dadurch kann es
Schwierigkeiten bei der Passung von Programmen an die Bedürfnisse der Klientel geben.
Andererseits sind die sozialen Integrationsmassnahmen dort kaum vorhanden. Dies ist
ein Nachteil, weil bei depressiver Klientel je nach Schweregrad und Phase eine berufliche
Integrationsmassnahme nicht angezeigt ist.
4.3.4
Anreizsystem
Das Anreizsystem besteht aus Integrationszulagen und Einkommensfreibeträgen, die an
Personen über 16 Jahre ausgerichtet werden (SKOS, 2005, C.2-l/C.3-l/E.l-2). Sie honorieren die beruflichen und sozialen Integrationsbestrebungen der Klientel, welche an entsprechende Leistungen und Anstrengungen geknüpft sind (SKOS, 2005, A.3-l/A.3-2).
Im folgenden Abschnitt beschränken sich die Autorinnen auf die Integrationszulage, welche im Kapitel 3.6 beschrieben ist. Nach der SKOS (2005) ist eine Integrationszulage zwischen 100.00 und 300.00 Schweizer Franken zu gewähren, wenn die Person sich besonders um ihre berufliche und/oder soziale Integration bemüht und um die soziale Integration bei Personen in ihrer Umgebung (C.2-l). Nach Christoph Lüthy (2012) ist eine Integrationszulage für psychisch belastete Menschen schwer zu erhalten (S.28-29).
Die SKOS (2009) legt dar, dass das Anreizsystem in der Praxis grosse Akzeptanz erfährt
und das Prinzip Leistung und Gegenleistung als gerecht empfunden wird. Weiter ist ersichtlich, dass es bei der Ausrichtung der Integrationszulage grosse kantonale und regionale Unterschiede gibt. Kritisch erläutert die SKOS, dass der Spielraum des Anreizsystems zu neuen Ungleichbehandlungen von Klientel in der gleichen Lage führt. Die Integrationszulage wird je nach kantonalen Vorschriften und fallführender Person unterschiedlich honoriert. Die Unterschiede der Ausrichtung der Integrationszulage hängt oft mit der
Haltung der fallführenden Person bzw. Behörde zusammen (S.8).
In der Gesamtbilanz wird das Anreizsystem eher restriktiv umgesetzt (ebd.). Die restriktive
Umsetzung kann sich vor allem für depressive Klientel negativ auswirken. Durch ihre
verminderte Leistungsfähigkeit und ihr vermindertes Wohlbefinden hat depressive Klientel
je nach Schweregrad und Phase schwierige Voraussetzungen für die Teilnahme an einem
Integrationsprogramm. Dadurch kann sie es bei einer restriktiven Umsetzung des Zulagensystems schwierig haben, eine Integrationszulage zu erhalten.
Die Integrationszulage will nach SKOS (2009) die Klientel zu Integrationsleistungen motivieren. Je nach Beratungsmethodik der Sozialarbeitenden kann die Klientel eher zu einer
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Integrationsleistung motiviert werden. Daher sollen die Sozialarbeitenden mit der Klientel
auch Möglichkeiten einer individuellen Integrationsleistung thematisieren und die Integrationszulage zudem abseits der Teilnahme an Integrationsmassnahmen gewähren (S.8-9).
Depressive Klientel zieht sich oft zurück (Ihde-Scholl, 2013, S.101). Aus diesem Grund
kann sich eine Integrationsleistung positiv auf die soziale Bedürfnisbefriedigung auswirken. Wie im Kapitel 4.3.3 beschrieben, kann eine Integrationsleistung unter anderem soziale Anerkennung sowie soziale Zugehörigkeit ermöglichen. Auch die psychischen Bedürfnisse können durch eine Integrationsleistung befriedigt werden. Beispielsweise können durch eine Integrationsleistung die Bedürfnisse nach erforderlicher Abwechslung oder
sinnstiftenden Zielen befriedigt werden.
Nach SKOS (2005) erhalten Personen, welche aus gesundheitlichen Gründen oder mangelnden Angeboten nicht in der Lage sind, eine besondere Integrationsleistung zu erzielen, eine minimale Integrationszulage in der Höhe von 100.00 Schweizer Franken (C.3-l).
Lüthy (2012) kritisiert, dass die minimale Integrationszulage eine Ungleichbehandlung von
gesunden und kranken Menschen ist. Es verletze das Rechtsgleichheitsgebot und das
Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung (S.29). Bezogen auf die Bedürfnistheorie
hat depressive Klientel mit einer Integrationszulage von 300.00 Schweizer Franken beispielsweise mehr Möglichkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Soziale Kontakte fördern
die Teilhabe am sozialen Leben, was eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden von
depressiver Klientel hat. Aus diesem Grund hat es für depressive Klientel eine positive
Wirkung, wenn sie nicht eine minimale, sondern eine höhere Integrationszulage erhält.
Fazit
Depressive Klientel erfährt im Zusammenhang mit Integrationszulagen einen Nachteil,
indem sie durch ihre Krankheit teilweise nicht in der Lage ist, an einem Integrationsprogramm teilzunehmen. Es ist daher die Aufgabe der Sozialarbeitenden, mit depressiver
Klientel anderweitige Integrationsbemühungen wie beispielsweise Teilnahme an einer
Selbsthilfegruppe oder Mitarbeit in einem Verein zu erarbeiten, damit sie eine Integrationszulage erhält.
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4.4 Fazit
Die individuell stark ausgeprägten Bedürfnisspannungen und sozialen Probleme von depressiver Klientel haben negative Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden. Die Sozialarbeitenden in der Sozialhilfe können aufgrund der Rahmenbedingungen auf die Bedürfnisspannungen und die damit verbundenen sozialen Probleme kaum eingehen. Das kann
dazu führen, dass die depressiven Symptome verstärkt werden, die Klientel eine reaktante Verhaltensweise zeigt und deshalb von den Sozialarbeitenden sanktioniert werden.
4.5 Ausblick
Im Kapitel 4 wurde dargelegt, dass depressive Klientel in der Sozialhilfe schwierige Voraussetzungen hat. Im nächsten Kapitel geht es darum, den Umgang für eine förderliche
Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeitenden und depressiver Klientel in diesem Spannungsfeld aufzuzeigen.
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5 Methoden in der Sozialhilfe bei depressiver Klientel
Gemäss AvenirSocial (2010) ist die Profession der Sozialen Arbeit drei Mandaten verpflichtet. Das erste Mandat ist der Auftrag seitens der Gesellschaft und der Anstellungsträger im Hinblick auf Hilfe und Kontrolle durch die Soziale Arbeit. Das zweite Mandat
beinhaltet das implizite oder auch offen ausgesprochene Begehren der Klientel. Zum dritten Mandat gehören das Professionswissen, die Berufsethik wie auch die Prinzipien der
Menschenrechte und der sozialer Gerechtigkeit (S.7).
Im folgenden Kapitel zeigen die Autorinnen Methoden auf, wie Sozialarbeitende trotz des
Spannungsfeldes der gesetzlichen Vorgaben, der Praxis und dem Tripelmandat auf depressive Klientel eingehen und dabei deren Bedürfnisse erfassen können. Dadurch können die Sozialarbeitenden die schwierigen Voraussetzungen der depressiven Klientel in
der Sozialhilfe auffangen. Die Autorinnen erläutern zuerst den personenzentrierten Ansatz
nach Carl R. Rogers, da dieser eine Grundhaltung der Sozialarbeitenden für eine förderliche Beratung darstellt. Diese Grundhaltung ist übergreifend für die weiteren Methoden in
diesem Kapitel anwendbar. Den Schwerpunkt in diesem Kapitel legen die Autorinnen auf
die biopsychosoziale Diagnostik. Mit der Diagnostik ist die Bedürfniserfassung der Klientel
wie auch die Erfassung der Gesamtsituation mit ihrem sozialen Umfeld möglich. Dadurch
wird aufgezeigt, in welchen Lebensbereichen zu wenig Ressourcen vorhanden sind und
die Klientel Unterstützung benötigt. Als nächste Methode folgt die Zielerarbeitung mit der
Klientel im Hinblick auf erfolgreiche Interventionen. Abschliessend wird die motivorientierte Beziehungsgestaltung erläutert. Das Ziel dieser Methode ist, die Motive hinter einem
(Problem-)Verhalten zu erkennen und Lösungen für diese zu finden.
5.1 Personenzentrierter Ansatz
Carl R. Rogers (2012) hat den personenzentrierten Ansatz ausgearbeitet. Bei diesem
Ansatz ist die Grundhaltung, dass jedes Individuum über Möglichkeiten verfügt, seine
Selbstkonzepte, seine Grundeinstellungen und sein Verhalten zu verändern und sich
selbst zu verstehen (S.66).
Veränderungen vom Verhalten oder der Einstellung der Klientel sind gemäss Rogers
(2012) möglich, wenn zwischen der Fachperson und der Klientel ein wachstumsförderndes Klima besteht. Für dieses Klima bzw. diese Beziehung müssen drei notwendige Bedingungen erfüllt sein. Als erste Bedingung gilt Echtheit, Unverfälschtheit oder Kongruenz. Die Fachperson soll sich transparent gegenüber der Klientel verhalten, indem sie
offen ihre Einstellungen und Gefühle (verbal und nonverbal) kommuniziert. Dadurch entsteht eine Übereinstimmung bzw. Kongruenz zwischen den körperlichen Empfindungen
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und den verbalen Äusserungen gegenüber der Klientel (S.67). Kongruent sein ermöglicht,
dass die Klientel Vertrauen fasst und über sich, die Erlebnisse und Probleme spricht (Rogers, 1997; zit. in. Sabine Weinberger, 2013, S.66-67). Dies kann bei depressiver Klientel
bewirken, dass sie ihre Probleme und Bedürfnisse den Sozialarbeitenden mitteilen.
Akzeptanz, Anteilnahme oder Wertschätzung ist die zweite Bedingung für Veränderungen der Klientel. Die Fachperson soll eine akzeptierende, positive Einstellung gegenüber der momentanen Situation der Klientel haben (Rogers, 2012, S.67). Die unbedingte
Wertschätzung (auch Akzeptanz) bedeutet das uneingeschränkte Annehmen der Klientel
unabhängig von Äusserungen, Verhalten oder Gefühlen. Jeder Mensch hat das Grundbedürfnis nach Akzeptanz und Anerkennung (soziale Bedürfnisse). Die Wertschätzung seitens der Sozialarbeitenden ermöglicht depressiver Klientel, sich angenommen zu fühlen
und grössere Selbstachtung zu haben (Weinberger, 2013, S.59-61).
Als dritte Bedingung gilt einfühlsames Verstehen. Die Fachperson soll merken, was die
Klientel momentan erlebt und dies rückmelden. Es geht dabei um ein aktives und sensibles Zuhören (Rogers, 2012, S.68). Durch das aufmerksame Zuhören entsteht bei der
Klientel ein Gefühl von Verstandensein. Die Klientel nimmt die Aussagen des Gegenübers
wahr und kann damit ihre Einstellungen und Werthaltungen in Frage stellen. Die Empathie
ermöglicht der Klientel, angstfrei über Gefühle und Konflikte zu sprechen (Weinberger,
2013, S.41). In der Beratung mit depressiver Klientel kann das aufmerksame Zuhören der
Erfassung der jeweiligen Bedürfnisse dienen. Es wird ersichtlich, wie das Befinden ist und
wo Bedürfnisspannungen vorhanden sind. Es kann eine Beziehung zwischen Fachperson
und Klientel entstehen, welche sich positiv auf den Veränderungsprozess auswirkt.
Mithilfe dieser drei Bedingungen nach Rogers (2012) können Veränderung des Selbstkonzeptes, der Grundeinstellungen und des Verhaltens des Individuums entstehen (S.68).
Elsy B. Moser und Christoph Lüthy (2011) wünschen sich von den Fachpersonen in der
Sozialhilfe, dass diese kundenorientiert und personenbezogen beraten. Die Sozialarbeitenden sollen nicht auf ihren Forderungen beharren, sondern die psychisch kranken Menschen dort abholen, wo sie stehen. Wenn das möglich ist, sind psychisch kranke Menschen bereit, das Bestmögliche zu erreichen.
Um diese drei Bedingungen nach Rogers herzustellen, gibt es gemäss Uri Ziegele (2013)
drei zentrale Techniken. Es sind das aktive Zuhören, das Paraphrasieren und das Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte. Beim aktiven Zuhören geht es darum, das Gegenüber mit allen Sinnen aufmerksam und einfühlsam als ganze Person wahrzunehmen.
Gleichzeitig wird wahrgenommen und erlebt, was das Gegenüber bei sich selbst auslöst.
Beim Paraphrasieren werden die Aussagen der Klientel mit eigenen Worten wiederholt
oder umschrieben. Dadurch erhält die Klientel eine Klarheit über ihr Fühlen und Denken
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und wird angeregt, in eine Auseinandersetzung mit sich selbst zu treten. Beim Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte werden Gefühle der Klientel wahrgenommen (S.13-21).
Fazit
Der personenzentrierte Ansatz mit den drei Bedingungen Kongruenz, Aktzeptanz und
Empathe ist als Basis für die Beratung depressiver Klientel besonders wichtig. Durch den
personenzentrierten Ansatz nehmen die Sozialarbeitenden die depressive Klientel umfassender wahr und diese kann Vertrauen zu den Sozialarbeitenden aufbauen. Dadurch
können sie die Bedürfnisse der Klientel schneller wahrnehmen und adäquat und bedürfnisgerecht darauf reagieren.
5.2 Biopsychosoziale Diagnostik
In diesem Kapitel stellen die Autorinnen die biopsychosoziale Diagnostik in der Sozialen
Arbeit vor. Es wird auf ausgearbeitete Themen des Kapitels 4 Bezug genommen und aufgezeigt, inwiefern für den Umgang mit depressiver Klientel in der Sozialhilfe die biopsychosozialen Diagnostik förderlich ist.
Es gibt in der Fachliteratur verschiedene Begriffe zur Diagnostik. Es sind die biopsychosoziale, die psychosoziale und die soziale Diagnostik (Elke Brusa, E-Mail vom 10. Juli
2015). Die Autorinnen entschieden sich in dieser Bachelorarbeit, ausschliesslich die Bezeichnung biopsychosoziale Diagnostik zu verwenden. Diese Bezeichnung verdeutlicht,
welche Ebenen bei der Diagnostik zu beachten sind.
Bei der biopsychosozialen Diagnostik geht es um die Erfassung von individuellen, ökonomischen und sozialen Strukturen sowie um die Benennung von Ressourcen und vorhandenen Einschränkungen bzw. Belastungen der Klientel. Die Diagnostik erfasst die
Gleichzeitigkeit von individuellen, psychischen, sozialen, medizinischen, ökonomischen
und politischen Aspekten und Prozessen sowie die gegenseitige Wechselwirkungen dieser Aspekte und Prozesse (Silke Brigitta Gahleitner, Gernot Hahn & Rolf Glemser, 2013,
S.9). Weiter entspricht die biopsychosoziale Diagnostik dem Ansatz Person-in-ihrerUmgebung (person-in-environment). Das bedeutet, dass Veränderungen von Menschen
immer in Verbindung mit der sozialen Umgebung stehen. Dieser Ansatz kann mittels Beachten von Personvariablen, Situationsvariablen und deren Interaktion geschehen (Helmut Pauls, 2013, S.64-65).
Zum Ablauf der biopsychosozialen Diagnostik: Zuerst wird die aktuelle Situation und ihre
Vorgeschichte beschrieben (Anamnese), danach wird erklärt, welche Ursachen es dafür
gibt
(Diagnose)
und
schliesslich,
welche
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Handlungsmöglichkeiten
(Behand57
Bachelorarbeit
Stefanie Hodel & Theresa Thullen
lung/Intervention) für die Lösung der Problemsituation eingesetzt werden (Britta Haye &
Heiko Kleve, 2005, S.77).
Bei der Anamnese geht es um eine erste Orientierung, um Risikokonstellationen zu erfassen und erste Vorschläge der Zuweisung zu formulieren. Dazu wird die klassifikatorische
Diagnostik verwendet. Das bekannteste Klassifikationssystem im Zusammenhang mit
psychischen Krankheiten ist die ICD-10-GM (siehe Kapitel 2.1.1). Bei Bedarf können weitere psychiatrische und medizinische Abklärungen vorgenommen und in die Diagnostik
miteinbezogen werden. Aus dieser Anamnese kann sich ergeben, dass eine Zuweisung
zu einer bestimmten Hilfeform notwendig ist (Gahleitner & Pauls, 2013, S.66-67). Die
Klientel kann bereits mit einer Diagnose in die Beratung kommen oder im Prozess wird
ersichtlich, dass eine entsprechende Abklärung notwendig ist. Deshalb ist es unabdingbar, dass die Fachperson das Klassifikationssystem inhaltlich kennt (Gahleitner, 2008,
S.17). Für die Sozialarbeitenden kann dies hilfreich sein, um abzuschätzen, ob ein Risiko
besteht wie beispielsweise das eines Suizids. Dadurch können die Sozialarbeitenden bei
Bedarf die Klientel an entsprechende Fachstellen weiterleiten.
Im Folgenden erläutern die Autorinnen ausgewählte diagnostische Verfahren, welche bei
der Beratung in der Sozialhilfe und speziell mit depressiver Klientel unterstützend sein
können. Es sind dies die Gestaltungsdiagnostik, Sichtdiagnose, Kurzdiagnose, Notationssysteme, Netzwerkdiagnostik, biografische Diagnostik und Lebenslagendiagnostik.
Die Gestaltungsdiagnostik umfasst die klassifikatorische, Biografie- und LebensweltDiagnostik (Maja Heiner, 2010; zit. in Gahleitner & Pauls, 2013, S.67). Aus dem Zusammenschluss der drei Diagnostiken ergibt das ein diagnostisches Verstehen gemäss den
biopsychosozialen Koordinaten.
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Abbildung 12: Biopsychosoziale Diagnostik. Ein Rahmen-Modell
(Quelle: Silke Brigitta Gahleitner, Gerhard Hintenberger, Barbara Kreiner & Angelika Jobst, 2014,
S.139)
Aus der Gestaltungsdiagnostik lässt sich eine Vier-Felder-Matrix Koordination psychosozialer Diagnostik und Intervention ableiten. Gemäss Pauls (2013) können mittels dieser
Vier-Felder-Matrix Zusammenhänge und Auswirkungen der verschiedenen Faktoren aufgezeigt werden (S.209).
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Abbildung 13: Koordinaten psycho-sozialer Diagnostik und Intervention
(Quelle: Pauls, 2013, S.209)
Zu den individuell-personalen Faktoren gehören Belastungen, Defizite, Vulnerabilitäten,
körperliche, psychische oder geistige Behinderungen, psychische Ressourcen und soziale
Kompetenzen einer Person. Zu den Umgebungsfaktoren gehören äussere Stressoren,
interpersonale Beziehungen, soziale Unterstützung und förderliche Umweltbedingungen
einer Person (Pauls, 2013, S.209).
Diese Vier-Felder-Matrix ermöglicht die gewonnenen Informationen zu sammeln und zu
analysieren. Anschliessend lassen sich aus den einzelnen Punkten des Koordinatensystems Ziele erarbeiten, welche die Ressourcen stärken und Defizite abbauen (Gahleitner
et al., 2014, S.143-145). Um diese Vier-Felder-Matrix genau auszufüllen, braucht es Zeit,
Ruhe und das gemeinsame Gespräch. Durch das Ausfüllen dieser Vier-Felder-Matrix
werden Bedürfnisspannungen der depressiven Klientel ersichtlich und die Sozialarbeitenden haben die Möglichkeit adäquat darauf zu reagieren.
Weitere Möglichkeiten in der Sozialen Arbeit, eine biopsychosoziale Diagnostik durchzuführen, wird von Peter Pantucek (2012) beschrieben. Nach ihm gibt es unterschiedliche
diagnostische Dimensionen (siehe Abbildung 14) in der Sozialen Arbeit, welche für die
Falleinschätzung und die daraus folgenden Entscheidungen für Interventionen relevant
sind. Diese Dimensionen können sich überschneiden und gegenseitig beeinflussen. Für
eine Interventionsplanung ist die Betrachtung aller Dimensionen notwendig. Der entscheidende Schritt ist nicht das Ausfüllen des Rasters, sondern die Interpretation des gewonnenen Fallbildes (S.126-129).
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Abbildung 14: Diagnostische Dimensionen
(Quelle: Pantucek, 2012, S.126)
Verschiedene diagnostische Verfahren können zur Erfassung dieser Dimensionen angewendet werden (Pantucek, 2012, S.127). Einige davon werden nachfolgend beschrieben.
Die Sichtdiagnose ist gemäss Pantucek (2012) die visuelle Einschätzung einer Person.
Sie wird eingeteilt in Informationen über die Person (beispielsweise Geschlecht, Hautfarbe, ungefähres Alter, körperliche Verfassung, Mimik, Stimmung) und über deren soziale
Wirkung (Welchen Eindruck kann eine Person mit diesem Aussehen in sozialen Settings
wecken?). Eine weitere Möglichkeit der Sichtdiagnose ist der Hausbesuch. Für diesen gibt
es einen Beobachtungsleitfaden, welcher dazu dient, relevante Informationen festzuhalten. Die gewonnen Informationen müssen anschliessend in Bezug auf die aktuell zu bearbeitenden Probleme der Klientel (S.129-138) gewichtet und interpretiert werden. Bei depressiver Klientel ist zu beachten, dass nicht bei jeder Person die Depression durch die
visuelle Wahrnehmung ersichtlich ist.
Die Kurzdiagnose dient gemäss Pantucek (2012) zur Klärung der Ausgangssituation. Die
Diagnose kann auf der Basis vorhandener Daten mittels Akten, Aufzeichnungen von Vorgesprächen und Vorinformationen von überweisenden Institutionen erstellt werden. Die
Sozialarbeitenden sollen dabei zwischen harten (gut belegten, sicher geltenden) und weiAugust 2015
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Bachelorarbeit
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chen (noch zu überprüfenden, von Kolleginnen/Kollegen übernommenen) Daten unterscheiden. Zu den Grunddaten (harte Daten) gehören der Name, das Geburtsdatum, die
Adresse, das Einkommen und weitere relevante Informationen wie beispielsweise frühere
Problem- und Fallbeschreibungen und Einschätzungen. Die Vorinformationen der Sozialarbeitenden sollen in der ersten Beratung der Klientel offen gelegt werden, damit sie Stellung beziehen kann (S.145-147). Als weitere Möglichkeit einer Kurzdiagnose dient die
Presented-Problem-Analyse. Sie ein diagnostisches Verfahren in Kooperation mit der
Klientel. Um mit der Klientel am Problem zu arbeiten, muss dieses zuerst geeignet formuliert werden. Das formulierte Problem dient den Sozialarbeitenden, ihre Beratung und Interventionsplanung danach zu richten. Durch diesen Prozess wird eine gemeinsame Wissensbasis bezüglich des Problems hergestellt (Pantucek, 2012, S.149-155). Der Zwangskontext in der Sozialhilfe kann bei depressiver Klientel zu einer Verletzung des Autonomiebedürfnisses führen (Laub, 2008, S.5-6). Durch eine kooperative Vorgehensweise und
eine gemeinsame Wissensbasis kann der Verletzung des Autonomiebedürfnisses entgegen gewirkt werden und dadurch Bedürfnisspannungen bei der Klientel gelöst werden.
Zudem kann eine behindernde Positionsmacht der Sozialarbeitenden verhindert werden,
indem die bereits vorhandenen Informationen über die Klientel offen gelegt werden und
gemeinsam an der Problemformulierung gearbeitet wird.
Die folgenden diagnostischen Verfahren werden nach Pantucek (2012) Notationssysteme genannt. Sie dienen dem Sammeln bestimmter Daten und somit dem Fokussieren der
Aufmerksamkeit auf einzelne Fakten im Zusammenhang mit der Klientel. Das erste Verfahren ist die Personalliste, bei der alle fallbeteiligten Personen aufgelistet werden. Es
handelt sich dabei um Personen, welche vom Problem und dessen Bearbeitung betroffen
sind und/oder dessen Lösung beeinflussen können. Die Gesamtsituation wird gemäss
dem sozialarbeiterischen Ansatz „Person in der Situation“ betrachtet. Die Personalliste
dient dazu, eine Übersicht über alle relevanten Personen zu haben. Diese Übersicht ist
eine Voraussetzung für eine diagnostische Einschätzung und Interventionsplanung
(S.156-162). Ein weiteres Verfahren ist das Crossings (siehe Abbildung 15), welches hilft,
die familiäre Beziehung und Abstammung von zwei Generationen darzustellen. Dabei
werden die Beziehungsgeschichte und Verwandtschaftsverhältnisse einer Familie erfasst.
Es wird aufgezeigt, inwiefern die Elterngeneration an der Gestaltung des eigenen Lebens
Anteil nimmt (Pantucek, 2012, S.165-168).
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Abbildung 15: Crossings Familie B. - "offizielle" Variante
(Quelle: Pantucek, 2012, S.165)
Mittels dieser Verfahren kann unter anderem aufgezeigt werden, ob bei depressiver Klientel soziale Kontakte bestehen oder ob ein soziales Problem bezüglich Mangel an Freundschaften und allgemein unterstützenden Beziehungen besteht.
Ein weiteres diagnostisches Verfahren von Pantucek (2012) ist die Netzwerkdiagnostik
(siehe Abbildung 16). Sie ermittelt, wie die Einbindung einer Person in die sozialen Netze
ist. Dabei werden die Beziehungen zu anderen Menschen erfasst, welche auf sozialem
Austausch beruhen. Diese werden von verschiedenen Rollenerwartungen bedingt (S.184185). Für die Netzwerkdiagnostik kann eine Netzwerkkarte erstellt werden. Diese zeigt die
soziale Einbindung der Klientel und ihre Unterstützungsnetzwerke.
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Abbildung 16: Muster Netzwerkkarte
(Quelle: Pantucek, 2007)
Die Klientel ist gemäss Pantucek (2012) im Zentrum des Netzwerks (=Ankerperson). Es
werden
vier
Sektoren
erfasst:
Familie,
Freundinnen/Freunde/Bekannte,
Kollegin-
nen/Kollegen und professionelle Helfer/innen. Mittels Befragen werden mit der Klientel die
relevanten Personen in die Netzwerkkarte eingetragen. Beziehungen zwischen den Personen werden mit einer roten Linie gekennzeichnet. Die Klientel entscheidet, wohin (wie
nah/fern zum Zentrum und zu anderen Personen) sie die Personen setzen will (S.190195/S.219).
Das Ecomap ist eine weitere Möglichkeit der Netzwerkkarte. Mögliche soziale Kontakte
sind auf einem Formular bereits verzeichnet und die Klientel erstellt das Ecomap selbst
mittels der folgenden Anweisungen:
1. Zuerst wird alles eingekreist, was Teil des momentanen Umfelds ist.
2. Anschliessend wird eine Linie von sich (im Zentrum) zu allen Kreisen gezogen, welche
eine positive und starke Beziehung darstellen.
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3. Dann wird eine gestrichelte Linie von sich (im Zentrum) zu allen Kreisen gezogen, welche belastende und negative Situationen darstellen.
4. Eine Wellenlinie wird zu allem gezogen, was momentan gebraucht wird, aber nicht zur
Verfügung steht.
5. Danach wird die Zeichnung betrachtet, zusammenfassend beschrieben und es werden
Schlüsse daraus gezogen.
Anschliessend wird in der Beratung mit der Klientel über die sozialen Beziehungen diskutiert (Pantucek, 2012, S.220).
Abbildung 17: Ausfüllbeispiel Leopold S.
(Quelle: Pantucek, 2012, S.222)
Die Netzwerkdiagnostik kann bei depressiver Klientel die sozialen Kontakte aufzeigen und
dient dazu, positive und negative Beziehungen zu verdeutlichen. Zudem werden alle professionellen Helfer/innen ersichtlich, was für eine mögliche Zusammenarbeit hilfreich ist.
Die biografische Diagnostik wird nach Pantucek (2012) eingesetzt, um eine Person in
ihren Grundzügen zu verstehen und um ihr Selbstverständnis sowie ihre Erfahrungen zu
erfassen. Mittels Beratungstechniken, welche die Klientel zu Narrationen über ihre Biografie ermutigt, kann ein Zugang zu den biografischen Informationen hergestellt werden
(S.226). Zur Erfassung von biografischen Informationen gibt es mehrere Verfahren. Gemäss Pantucek (2012) eignet sich für die Soziale Arbeit der biografische Zeitbalken besonders. Dieser fasst die Biografie als mehrdimensionales Geschehen auf, erschliesst
biografische Fakten und Daten, welche der Klientel möglicherweise nicht präsent sind
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(Anamnese und Narrationen der Klientel werden verbunden). Durch den Zeitbalken werden neue Blickwinkel auf die Biografie ermöglicht. Der biografische Zeitbalken wird in Kooperation mit der Klientel erstellt. Entweder beginnen sie mit einem leeren Blatt oder die
Sozialarbeitenden erstellen mit Hilfe der Akten einen Zeitbalken und thematisieren diesen
mit der Klientel (S.226-228).
Abbildung 18: Biografischer Zeitbalken
(Quelle: Pantucek, 2007)
Die biografische Diagnostik kann in der Beratung mit depressiver Klientel nützlich sein,
wenn Informationen über frühere Lebenserfahrungen benötigt werden. Dadurch kann ersichtlich werden, ob die depressiven Symptome bereits länger bestehen oder zum ersten
Mal auftreten.
Die Lebenslagendiagnostik bietet nach Pantucek (2012) einen Überblick über die verschiedenen Lebenslagen. Dadurch werden alle Informationen, Aktivitäten und bereits vorhandene Interventionen aufgezeigt, welche das Problem indirekt beeinflussen können.
Das Inklusions-Chart ist eine Möglichkeit, eine solche Lebenslagendiagnostik durchzuführen. Es geht darum, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und den Austausch aufzuzeigen. Die Klientel wird bezüglich der Einbindung in die wichtigsten Funktionssysteme,
der Funktionsfähigkeit und des Grades der Existenzsicherung eingeschätzt. Durch das
Inklusions-Chart kann ein Überblick von objektiven Bedingungen der Lebensführung sowie Risiken und Chancen aufgezeigt werden. Durch diesen Überblick können sich abzeichnende positive Entwicklungen gezielt unterstützt werden. Das Ziel des InklusionsChart ist die Teilhabe der Klientel zu verbessern (S.238-239/S.273).
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Abbildung 19: Inklusions-Chart
(Quelle: Pantucek, ohne Datum)
Mit dem Inklusions-Chart werden zahlreiche Informationen über die depressive Klientel
ersichtlich. Es zeigt mögliche soziale Probleme in Hinblick auf zu geringe Ressourcen
aufgrund fehlender Teilhabe an Einkommen, Bildung und Arbeit. Ebenso zeigt es, ob ein
Austausch fehlt oder vermindert ist und damit das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen
und Mitgliedschaften verletzt ist. Inklusions-Charts ermöglichen eine adäquate Beratung
depressiver Klientel, um die Inklusion zu verbessern und Bedürfnisspannungen abzubauen.
In der Sozialen Arbeit gibt es einige Verfahren, welche als biopsychosoziale Diagnostik
angewendet werden. Je nach Situation und Klientel kann zwischen den Verfahren ausgewählt werden.
Fazit
Die biopsychosoziale Diagnostik hat das Ziel, Lebenslagen, -krisen und -weisen der Klientel zu erfassen und deren jeweilige Veränderungen unter den Kontextbedingungen zu
analysieren, die Zusammenhänge zu verstehen und Interventionen fachlich zu begründen
(Pauls, 2013, S.198). Es gibt zahlreiche Verfahren einer biopsychosozialen Diagnostik.
Die Erfassung selbst benötigt je nach Verfahren mehr oder weniger Zeitressourcen. Die
gewonnenen Informationen durch die entsprechende Diagnostik zeigen unter anderem
hilfreiche oder notwendige interprofessionelle Zusammenarbeit auf. Bei depressiver Klientel zeigt die Diagnostik zudem die jeweiligen Bedürfnisspannungen und/oder sozialen
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Probleme auf. Diese Informationen unterstützen die Sozialarbeitenden bei der entsprechenden Planung einer Intervention.
5.3 Zielformulierung
In diesem Kapitel legen die Autorinnen den Schwerpunkt auf das Erarbeiten von Zielen in
der direkten Beratungsarbeit. Nach Esther Weber und Daniel Kunz (2012) ist die gemeinsame Zielformulierung von Sozialarbeitenden und der Klientel ein wichtiger Teilschritt im
Problemlösungsprozess. Die Zielformulierung bietet eine Grundlage für die Motivation und
Kooperation der Klientel und Sozialarbeitenden (S.60).
Ein Ziel zeigt einen wünschenswerten Endzustand auf, welcher bereits gedanklich formuliert sowie vorweggenommen wird. Dieser gewünschte Endzustand kann sich auf das
Wohnen, die Arbeitssituation, die finanzielle Situation oder auch auf Beziehungen und
Kompetenzen beziehen. Die Klientel, welche sich bei der Sozialhilfe anmeldet, steht meistens unter einem grossen Leidensdruck und weiss vor allem das, was sie nicht mehr will.
Dies kann dazu führen, dass die Sozialarbeitenden für die Klientel Ziele formulieren. Die
Praxis zeigt jedoch, dass es nicht förderlich ist, wenn die Sozialarbeitenden der Klientel
die Ziele vorgeben (Weber & Kunz, 2012, S.61). Diese Aussage unterstützen auch Silvia
Domeniconi Pfister und Patrick Zobrist (2015). Sie erläutern, dass einseitige Zielsetzungen durch die Professionellen unwirksam sind (S.31).
Bei der Erarbeitung von Zielen können Zielkonflikte auftreten. Nach Weber und Kunz
(2012) verfolgt jede Person ein Ziel. Es ist möglich, das Ziel zu haben, eine Situation so
zu belassen wie sie ist. Ein Zielkonflikt kann entstehen, wenn verschiedene Beteiligte,
beispielsweise Betroffene, Sozialarbeitende, Behördenmitglieder oder Familienangehörige
unterschiedliche Ziele anstreben. In dieser Situation ist der erste Arbeitsschritt die Zielkonfliktklärung und die Aushandlung einer gemeinsamen Definition von Lösungsschritten.
Die Klientel muss informiert werden, was verhandelbar ist und was nicht. Zudem soll ihr
aufgezeigt werden, welche Konsequenzen die Erreichung eines Ziels hat (beispielsweise
finanzielle Konsequenzen) (S.62).
Wenn ein nachhaltiger Erfolg sowie die aktive Beteiligung der Klientel angestrebt werden,
müssen die Ziele kompatibel werden/sein mit den Möglichkeiten und den Werten der
Klientel (Weber & Kunz, 2012, S.63). Peter de Jong und Insoo Kim Berg (2002) legen
Wert darauf, dass die Ziele wohlformuliert sind, damit die Ziele und die damit verbunden
Interventionen erfolgreich sind (S.114). Im Folgenden erläutern die Autorinnen die Kriterien für wohlformulierte Ziele.
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Stefanie Hodel & Theresa Thullen
Ziele sind wichtig für die Klientel
Die Ziele müssen zuerst wichtig für die Klientel sein. Die Sozialarbeitenden sollen verstehen, wie sich die Klientel eine Verbesserung ihrer zukünftigen Situation vorstellt (de Jong
& Berg, 2002, S.114-115). Das bedeutet, die Sozialarbeitenden müssen die Vorstellung
der Klientel anhören, erfragen und bestärken. Dazu sind offene Fragen hilfreich, wodurch
die Sozialarbeitenden oft weiterführende und unerwartete Informationen erhalten (Weber
& Kunz, 2012, S.63). Die Klientel fühlt sich dabei respektiert und ihre Motivation, etwas zu
verändern wächst (D. Saleebey, 1992; zit. in de Jong & Berg, 2002, S.115).
Ziele sind im Kontext formuliert
Bei der Zielformulierung bezieht sich die Klientel oft auf Menschen, welche ihr wichtig
sind. Aus diesem Grund ist es hilfreich, nach den Beziehungen zu fragen (de Jong &
Berg, 2002, S.115). Weber und Kunz (2012) erläutern in diesem Zusammenhang folgendes Beispielsfrage:
„Was würde ihr Sohn tun, wenn Sie sich von Ihrem Mann trennen würden?“ (S.64).
Ziele berücksichtigen die momentane Situation
Die Klientel beschreibt die Probleme oft, als ob sie überall anwesend sind. Daher sollen
die Sozialarbeitenden ihnen helfen, das Problem auf eine bestimmte Situation einzuengen
(de Jong & Berg, 2002, S.117). Folgende Frage könnte dabei hilfreich sein:
„Was müsste anders sein, was möchten und können Sie ändern, jetzt genau in diesem
Zeitpunkt Ihres Lebens?“ (Weber & Kunz, 2012, S.64).
Diese Frage bezieht sich auf die Gegenwart und zeigt die Prioritäten der Klientel auf (Weber & Kunz, 2012, S.64).
Ziele sind realistisch formuliert
Die Ziele müssen die zurzeit verfügbaren Fähigkeiten der Klientel berücksichtigen, die
Möglichkeit einer Veränderung sowie den Kontext (de Jong & Berg, 2002, S.122). Folgende Fragen sind dabei hilfreich:
„Denken Sie, dass das für Sie machbar ist, oder wie genau wollen Sie das tun? Wer könnte Sie dabei unterstützen?“ (Weber & Kunz, 2012, S.65).
Ziele können aus eigener Kraft verwirklicht werden
Um die Klientel zu befähigen, ihr angestrebtes Ziel oder Verhalten aus eigener Kraft zu
erreichen und aufrecht zu erhalten, kann die unterstützende Beratung hilfreich sein (Weber & Kunz, 2012, S.65). Denn solange die Klientel davon überzeugt ist, dass andere
durch ihr Verhalten das Problem erzeugen oder aufrechterhalten, sieht sie keine PerspekAugust 2015
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tive (de Jong & Berg, 2002, S.121). Durch die unterstützende Beratung respektieren die
Sozialarbeitenden die momentane Sichtweise und versuchen durch kreatives und sorgfältiges Fragen den eigenen Anteil und dadurch die Einflussmöglichkeiten aufzuzeigen (Weber & Kunz, 2012, S.65).
Ziele formulieren erwünschten Zustand
Die Klientel weiss meistens selbst, dass sie ein unerwünschtes Verhalten, wie die Kinder
schlagen, verändern muss (de Jong & Berg, 2002, S.118). Wie das Verhalten verändert
werden kann, ist jedoch eine schwierige Frage und benötigt Zeit zum Nachdenken. Die
Antwort erfasst eine neue Situation. Es werden neue Perspektiven eingenommen oder
der Bezugsrahmen wird geändert (beispielsweise von Montag bis Mittwoch Apfelsaft zu
trinken, anstatt Alkohol, oder die Kinder nicht anzuschreien bevor man auf zehn gezählt
hat) (Weber & Kunz, 2012, S.66).
Ziele formulieren erste Schritte und sind überprüfbar
Weil ein (Teil-)Ziel einen ersten Schritt auf einem langen Weg ist, muss das Ziel erfolgreich erreicht werden, damit es die Klientel ermutigt, weitere Schritte zu machen. Daher
soll das (Teil-)Ziel klein, konkret sowie auf der Verhaltensebene messbar sein (Weber &
Kunz, 2012, S.66).
Die wohlformulierten Ziele zeichnen sich dadurch aus, dass die Anwesenheit von etwas
Positivem beschrieben wird und nicht die Abwesenheit vom Problem fokussiert wird (de
Jong & Berg, 2002, S.118).
Fazit
Die gemeinsame Zielerarbeitung ist wichtig, damit das Ziel erfolgreich erreicht wird. Um
das Ziel kompatibel mit den Möglichkeiten und den Werten der Klientel zu gestalten, ist
das Konzept der wohlformulierten Ziele hilfreich. In der Beratung benötigt die gemeinsame Zielerarbeitung und das Eingehen auf die Situation der Klientel Zeit.
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5.4 Motivorientierte Beziehungsgestaltung
Die motivorientierte (komplementäre) Beziehungsgestaltung ist eine spezifische Technik,
die für psychotherapeutische Arbeitsfelder erfolgreich evaluiert wurde. Sie wird ebenso
zunehmend in Zwangskontexten der Sozialen Arbeit angewendet (Klaus Mayer, 2009; zit.
in Kähler & Zobrist, 2013, S.113).
Der motivorientierte Ansatz geht davon aus, dass Personen im Rahmen ihrer biographischen Entwicklungs- und Lernprozesse spezifische, zum Teil automatisierte, Handlungsund Denkmuster gefestigt haben, um in vermeidender oder annähernder Weise ihre psychischen Grundbedürfnisse zu befriedigen (ebd.).
Im Kapitel 4.1.1 haben die Autorinnen die Bedürfnisse nach Obrecht erläutert. Diese Bedürfnistheorie ist eine Theorie der Sozialen Arbeit und deshalb zentral für die vorliegende
Bachelorarbeit. Da sich aus dieser Bedürfnistheorie keine direkte Handlungsmethode ableiten lässt, nehmen die Autorinnen in diesem Kapitel Bezug auf die psychischen Bedürfnisse nach Klaus Grawe. Diese Theorie stammt von der Psychotherapie.
Klaus Grawe (2004) geht von vier psychischen Grundbedürfnissen aus, welche alle Menschen gemeinsam haben:
• Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
• Bedürfnis nach Lustgewinn/Unlustvermeidung
• Bindungsbedürfnis
• Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung/-schutz (S.189)
Deren Verletzung oder dauerhafte Nichtbefriedigung führt zu einer Schädigung der psychischen Gesundheit und somit des Wohlbefindens des Menschen (Grawe, 2004, S.185).
Der menschliche Organismus unternimmt alles, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Die
Mittel, welche das Individuum zur Befriedigung der Bedürfnisse entwickelt hat, nennt
Grawe die motivationalen Schemata (siehe Abbildung 20). Diese bestehen jeweils aus
einem Verhaltensrepertoire der Person und deren Erwartung zur Realisierung der Ziele.
Wenn durch das Verhalten die Bedürfnisse befriedigt wurden, ist das eine positive Erfahrung und wird als Annäherungsschema bezeichnet. Dieses Verhalten wird vermutlich in
einer ähnlichen Situation erneut verwendet. Wenn das Verhalten keine erfolgreiche Bedürfnisbefriedigung beinhaltet, kann das Verhalten als Vermeidungsschema (Erfahrung
der Verletzung) gespeichert werden. Dieses Verhalten wird eher nicht mehr angewendet.
(Klug & Zobrist, 2013, S.29).
Grawe (2004) entwickelte das konsistenztheoretische Modell, welches die Prozesse des
psychischen Geschehens aufzeigt (S.189). Das Modell, welches die Autorinnen in dieser
Arbeit aufzeigen, ist eine vereinfachte Darstellung des Originals. Sie haben sich für diese
Abbildung
entschieden,
weil
die
Aspekte
Konsistenzstreben
sowie
Kongru-
enz/Inkongruenz besser aufgezeigt werden.
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Abbildung 20: Theoretischer Hintergrund: Bedürfnis-/Konsistenztheorie
(Quelle: Grawe, 2004; zit. in Patrick Zobrist, 2014, S.2)
Grawe operiert mit zwei weiteren Bedürfnissen, nämlich mit dem Kongruenz- und Konsistenzbedürfnis. Sie stellen nach Klug und Zobrist (2013) das Metabedürfnis dar. Durch die
Interaktion mit anderen Menschen kann eine Person ihre motivationalen Ziele erreichen
und das Kongruenzbedürfnis wird befriedigt. Werden die motivationalen Ziele verfehlt,
registriert die Person Inkongruenzsignale (S.29). Bei Kongruenz entstehen positive Emotionen und bei Inkongruenz entstehen negative Emotionen (Grawe, 2004, S.189).
Nach Grawe (2004) ist die Konsistenz die Vereinbarkeit bzw. Übereinstimmung der
gleichzeitig ablaufenden psychischen/neuronalen Prozesse. Daher bezeichnet er die
Konsistenz als Grundprinzip für das psychische Funktionieren einer Person (S.186). Inkonsistenz ergibt sich nach Klug und Zobrist (2013) durch die Gleichzeitigkeit von unvereinbaren psychischen Prozessen, beispielsweise von den motivationalen Schemata
(S.29). Folgendes Beispiel von Klug und Zobrist (2013) soll dies verdeutlichen:
Wenn ein Schüler vor den Hausaufgaben sitzt, weil er weiss, dass seine Mutter ihn
demnächst danach fragen wird, gleichzeitig aber draussen die Freunde mit dem
Fussball auf ihn warten, sind mehrere Bedürfnisebenen berührt: Das Bindungsbedürfnis, die Mutter nicht zu enttäuschen, kämpft mit dem Lustbedürfnis zu spielen und
dem Unlustvermeidungsbedürfnis, die Hausaufgaben möglichst schnell loszuwerden.
(S.29)
Das Streben nach Kongruenz und Konsistenz (äussere und innere Übereinstimmung von
Bedürfnissen und deren Befriedigung) dient als Motivation. Das bedeutet „(…) sie treiben
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den Menschen an, sich in Richtung seiner Bedürfnisse zu verändern“ (Klug & Zobrist,
2013, S.30). Das Streben nach Konsistenz und Kongruenz bzw. der Vermeidung von Inkonsistenz und Inkongruenz bringen den Menschen stets in eine aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und sich selbst (ebd.).
Aus dem konsistenztheoretischen Modell ergibt sich nach Klug und Zobrist (2013) die
motivorientierte Beziehungsgestaltung. Dieses Modell entspricht den Anforderungen einer
Beziehungsgestaltung im Zwangskontext (S.61). Weil das Modell aus der Psychotherapie
stammt, wird in der Literatur von Therapeut/in sowie von Patient/in geschrieben. Um den
Inhalt der Quellen nicht zu verändern, erwähnen die Autorinnen im Folgenden die Begriffe
Sozialarbeitende und Klientel nur, wenn sie auch in der Literatur verwendet werden.
Wie in diesem Kapitel bereits erwähnt, ist der theoretische Hintergrund der motivorientierten Beziehungsgestaltung nach Klug und Zobrist (2013), dass Menschen grundlegende
psychische Grundbedürfnisse haben, welche sie durch ihr Verhalten zu befriedigen versuchen. Dabei ist zu beachten, dass diese Bedürfnisse bei Personen unterschiedlich ausgeprägt sind. Dadurch benötigen die Klientel verschiedene Beziehungsangebote (S.62).
Im Zwangskontext kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klientel den Sozialarbeitenden entgegenkommt. Daher ist es an der Fachperson, die Interaktionsmuster und
die individuellen Bedürfnisse der Klientel zu erkennen und ihr ein passendes Angebot zu
unterbreiten (Sachse, 2010; zit. in Klug & Zobrist, 2013, S.62). Anders gesagt ist es die
Aufgabe der Sozialarbeitenden, das Beziehungsangebot auszuwählen, welches den psychischen Grundbedürfnissen der Klientel am besten entspricht (Klug & Zobrist, 2013,
S.62-63).
Die zentrale Botschaft der motivorientierten Beziehungsgestaltung ist, dass die Erschliessung von motivationalen Zielen massgeblich für eine positive Gestaltung der Beziehung
ist (ebd.). Deshalb kann nach Franz Caspar (2008) bei Beziehungsabbrüchen seitens der
Klientel vermutet werden, dass das Beziehungsangebot der Sozialarbeitenden nicht der
Bedürfnisstruktur des Klientel entsprochen hat (S.536).
Nach Franz Caspar und Martina Belz (2012) zeigt die motivorientierte Beziehungsgestaltung Möglichkeiten auf, wenn eine Patientin/ein Patient ein Vermeidungsverhalten beziehungsweise Problemverhalten in der Therapiesitzung aufzeigt. Sie erläutern dazu zwei
Prinzipien, auf die im Folgenden eingegangen wird (S.65).
Das erste Prinzip verdeutlicht, dass hinter dem Problemverhalten der Patientin/des Patienten Motive stecken, welche zu erfassen sind. Wichtig ist, dass sich die Therapierenden
zu diesem Problemverhalten nicht komplementär verhalten. Sonst besteht die Gefahr,
dass die Klientel das Problemverhalten verstärkt. Aus diesem Grund müssen sich die
Therapierenden von der Verhaltensebene der Patientin/des Patienten lösen und die darü-
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berstehenden Motive eruieren, welche das Problemverhalten hinreichend erklären können
(Caspar & Belz, 2012, S.65).
Das zweite Prinzip legt dar, dass wenn das Motiv hinter dem Problemverhalten von der
Patientin/dem Patienten von den Therapierenden erkannt und befriedigt wird, das Problemverhalten nicht mehr auftritt. Dadurch kann auf problematische Mittel (beispielsweise
Sanktionen in der Sozialhilfe) seitens der Therapierenden verzichtet werden (ebd.).
Caspar und Belz (2012) nennen wichtige Punkte zur Entwicklung von motivorientierter
Beziehungsgestaltung:
•
Die Therapierenden sollten, wenn sie die Motive hinter dem Problemverhalten erkannt haben, proaktiv sein, damit sie das Problemverhalten der Patientin/des Patient
nicht unabsichtlich verstärken. Wenn es den Therapierenden gelingt, die Patientin/den Patienten auf der Motivebene anzusprechen und nicht zeitgleich auf der Verhaltensebene, wird sie/er das Problemverhalten nicht verstärken.
•
Die Therapierenden sollten der Patientin/dem Patienten zeigen, dass sie ihre/seine
Motive verstanden haben, diese unterstützenswert finden, sowie dass sie alles in ihrer Macht stehende tun werden, um ihr/ihm entgegenzukommen. Sie müssen dies
der Patientin/dem Patient glaubhaft vermitteln.
•
Die motivorientierte Beziehungsgestaltung bedeutet nicht, Interventionen oder Äusserungen zu machen, welche nur der Beziehungspflege dienen. Sondern es bedeutet,
dass bei jeder Intervention und jeder Äusserung die jeweiligen Pläne für motivorientiertes Verhalten mit zu berücksichtigen sind (S.65-66).
Positiv an der motivorientierten Beziehungsgestaltung ist, dass die Therapierenden besser verstehen, wie die Patientin/der Patient funktioniert. Es ist ein nützliches Konzept für
die Psychotherapie und die Beratung, aber auch für andere professionelle Bereiche, bei
denen die Beziehungsgestaltung wichtig ist (ebd.).
Fazit
Für eine positive Beziehungsgestaltung ist es wichtig die Motive, welche hinter dem Verhalten einer Person stehen, zu erkennen und Lösung dafür zu finden. Dadurch wird
gleichzeitig das Problemverhalten der Person vermindert. Depressive Klientel kann bei
Bedürfnisspannungen Problemverhalten aufzeigen wie beispielsweise Nichterscheinen zu
Terminen. Ein Problemverhalten kann von den Sozialarbeitenden sanktioniert werden. Es
ist daher wichtig, dass die Sozialarbeitenden bei Problemverhalten von depressiver Klientel ihre Motive für das Verhalten erkennen und versuchen darauf adäquat zu reagieren.
Dadurch können Sanktionen verhindert werden, was sich wiederum positiv auf die Beziehungsgestaltung auswirkt.
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5.5 Fazit
Die aufgeführten Methoden sind förderlich für die Zusammenarbeit der Sozialarbeitenden
mit depressiver Klientel im Spannungsfeld der Sozialen Arbeit. Mit dem personenzentrierten Ansatz wird ein vertrauensvolles Beratungssetting ermöglicht, welches die Basis für
eine förderliche Zusammenarbeit ist. Die weiteren Methoden ermöglichen die Bedürfniserfassung der Klientel. Mittels dieser Methoden können die Sozialarbeitenden bedürfnisgerechte Interventionen mit der Klientel zusammen erarbeiten. Die Anwendung dieser Methoden benötigt Zeit, welche je nach Fallbelastung der Sozialarbeitenden zu wenig vorhanden ist. Es ist die Aufgabe der Institution, die Fallbelastung zu reduzieren. Dadurch
können Sozialarbeitende mehr Zeit in die Beratung der Klientel investieren und idealerweise eine bedürfnisgerechte Intervention mit der Klientel zusammen planen.
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6 Schlusswort
In diesem Kapitel werden die Fragestellungen zusammenfassend beantwortet und
Schlussfolgerungen für die Praxis gezogen. Die Bachelorarbeit endet mit einem Ausblick.
6.1 Beantwortung der Fragestellungen
Die Autorinnen beantworten nachfolgend die einzelnen Fragestellungen, welche leitend
für diese Bachelorarbeit sind.
Was ist eine Depression?
Depression ist eine Krankheit, welche gemäss der ICD-10-GM den affektiven Störungen
zugeordnet wird. Das bedeutet, dass vor allem die Gefühle einer Person betroffen sind.
Die typischen Symptome einer Depression sind gedrückte Stimmung, verminderte Aktivität und Antrieb, geringes Selbstwertgefühl und Freudlosigkeit. Es gibt zahlreiche weitere
Symptome, welche bei einer Depression vorkommen können. Diese Symptome sind nicht
bei allen Betroffenen identisch. Die Anzahl und Dauer der Symptome ermöglichen den
Fachpersonen eine Einteilung in Schweregrade und Formen. Diese Einteilung dient einer
adäquaten Einschätzung und Behandlung der Depression. Die Auswirkungen der Depression sind bei Betroffenen individuell und daher ist die Behandlung ebenfalls individuell
zu gestalten. Depression ist somit eine diagnostizierbare Krankheit, welche Auswirkungen
auf die betroffene Person wie auch auf ihr Umfeld hat.
Wie wird die Sozialhilfe in der Schweiz definiert?
Nach Art.12 BV hat jeder Mensch Anspruch auf Hilfe in Notlagen. Die Sozialhilfe leitet
sich aus diesem Artikel ab. Wenn keine anderen Hilfsquellen (Sozialversicherungen, Familie) rechtzeitig in Anspruch genommen werden können, unterstützt die Sozialhilfe die
hilfesuchende Person. Die Sozialhilfe wird daher auch als „Netz unter den Netzen“ bezeichnet. Es gibt kein nationales Gesetz für die Sozialhilfe. Aus diesem Grund ist die Ausrichtung kantonal verschieden. Um die Angleichung der Ausgestaltung in den Kantonen
zu fördern, erarbeitete die SKOS Richtlinien. Diese Richtlinien erfahren eine grosse Akzeptanz in den Kantonen und Gemeinden.
Die Ziele der Sozialhilfe sind die Existenzsicherung, die wirtschaftliche und persönliche
Selbstständigkeit sowie die berufliche und soziale Integration. Dabei sind die wichtigsten
Prinzipien die Wahrung der Menschenwürde, die Subsidiarität und die Individualisierung.
Das soziale Existenzminimum ist an die Mitwirkungspflicht der Sozialhilfebeziehenden
gebunden, welche mit dem Anreizsystem (EFB, IZU, MIZ) honoriert werden. Bei Pflicht-
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verletzungen können die Sozialarbeitenden Sanktionen in Form von Leistungskürzungen
aussprechen.
Inwiefern hat depressive Klientel in der Sozialhilfe schwierige Voraussetzungen?
Nach der Bedürfnistheorie von Obrecht und dem Begriff „Soziale Probleme“ nach StaubBernasconi hat depressive Klientel aufgrund ihrer Krankheit unterschiedlich stark ausgeprägte Bedürfnisspannungen und soziale Probleme. Wegen der Depression verfügt sie
über verminderte Ressourcen, um diese Bedürfnisspannungen zu befriedigen und dadurch das soziale Problem zu lösen. Gewisse Prozesse des Verhaltens einer depressiven
Person sind aufgrund der Symptome je nach Schweregrad und Phase vermindert. Das
hat negative Auswirkungen auf das Verhalten dieser Personen.
Bei ausgewählten Rahmenbedingungen (Beratungssetting, Pflichten in der Sozialhilfe,
Integrationsmassnahmen und Anreizsystem) lassen sich die schwierigen Voraussetzungen für depressive Klientel aufzeigen.
Die Sozialhilfe stellt einen Zwangskontext dar. Aus diesem Grund haben die Sozialarbeitenden im Beratungssetting eine Machtposition gegenüber der Klientel. Aufgrund von Bedürfnisspannungen können depressive Klientel reaktante Verhaltensweisen zeigen, um
dadurch ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn die Sozialarbeitenden die Bedürfnisspannungen nicht erkennen und aufgrund dessen Sanktionen aussprechen, stellt dies eine
behindernde Machtposition dar. Das wirkt sich negativ auf depressive Klientel aus.
Bei den Pflichten in der Sozialhilfe hat depressive Klientel schwierige Voraussetzungen,
wenn die Sozialarbeitenden Auflagen und Weisungen machen und diese nicht auf die
Möglichkeiten und Bedürfnisse der depressiven Klientel abgestimmt sind. Die Auflagen
und Weisungen sind demzufolge nicht den persönlichen Verhältnissen und den individuellen Ressourcen der depressiven Klientel angepasst. Dadurch hat sie schwierige Voraussetzungen die Auflagen und Weisungen (Pflichten) zu erfüllen.
Depressive Klientel hat schwierige Voraussetzungen bei Integrationsmassnahmen, wenn
die berufliche Integration aufgrund der Krankheit nicht möglich ist. Aus diesem Grund sind
soziale Integrationsmassnahmen angezeigt, welche in der Sozialhilfe nur beschränkt angeboten werden. Zudem hat die Klientel schwierige Voraussetzungen, wenn sie in ländlichen Gebieten wohnt, weil dort die Auswahl an Angeboten kleiner ist. Dadurch ist es
schwierig, ein bedürfnisgerechtes Programm zu finden.
Für depressive Klientel ist es schwierig eine Integrationszulage (Anreizsystem) zu erhalten, wenn kein passendes (soziales-) Integrationsprogramm vorhanden ist. Dann ist es
die Aufgabe der Sozialarbeitenden, mit der Klientel eine andere Integrationsleistung zu
erarbeiten. Falls diese Erarbeitung nicht stattfindet, hat depressive Klientel schwierige
Voraussetzungen um eine Integrationszulage zu erhalten.
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Welche Methoden sind für die Sozialhilfe in Bezug auf den Umgang mit depressiver
Klientel einzusetzen?
Die Autorinnen entschieden sich für den personenzentrierten Ansatz, die biopsychosoziale Diagnostik, die Zielformulierung und die motivorientierte Beziehungsgestaltung als Methoden für den Umgang mit depressiver Klientel in der Sozialhilfe. Der personenzentrierte
Ansatz ist eine Grundhaltung der Sozialarbeitenden. Mit dieser Grundhaltung kann Vertrauen aufgebaut werden und die Klientel ist eher bereit ihre Situation realistisch darzulegen. Dadurch können die Sozialarbeitenden die Situation der Klientel besser erfassen. In
der biopsychosozialen Diagnostik wird die Situation der Klientel erfasst, in dem Lebenslagen/-krisen und –weisen dargestellt werden. Es gibt zahlreiche Verfahren, welche einzeln
oder kombiniert angewendet werden können. Mit der biopsychosozialen Diagnostik erhalten die Sozialarbeitenden Informationen über mögliche Bedürfnisspannungen oder soziale
Probleme der depressiven Klientel. Die Sozialarbeitenden müssen sich dafür Zeit nehmen, um die Situation zu erfassen. Nach der biopsychosozialen Diagnostik folgt die Zielformulierung. Eine gemeinsame Zielformulierung ist wichtig für eine erfolgreiche Zielerreichung bzw. Intervention. Die motivorientierte Beziehungsgestaltung hat das Ziel, die Motive hinter dem Verhalten einer Person zu erkennen. In der Sozialhilfe ist die Erkennung
der Motive hinter einem problematischen Verhalten wichtig, um Sanktionen zu verhindern.
Diese Auswahl an Methoden ist nicht abschliessend. Es können weitere Methoden für den
Umgang mit depressiver Klientel in der Sozialhilfe angewendet werden.
6.2 Praxisbezug
„Die Profession Soziale Arbeit fördert den sozialen Wandel, Problemlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von Menschen
mit dem Ziel, das Wohlbefinden der einzelnen Menschen anzuheben (…)“ (AvenirSocial,
2010, S.8).
Diese Bachelorarbeit zeigt auf, dass depressive Symptome der Klientel von den Sozialarbeitenden erkannt und richtig eingeordnet (ICD-10-GM) werden müssen, damit die Sozialarbeitenden darauf adäquat reagieren können. Das bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit der Klientel und ihren Bedürfnissen. Mit Hilfe der erwähnten Methoden im
Kapitel 5 können die Sozialarbeitenden Bedürfnisspannungen eruieren. Damit die Bedürfnisse der Klientel befriedigt werden, müssen die Sozialarbeitenden Hilfestellungen bieten
wie beispielsweise angemessene Auflagen und Weisungen, passende Integrationsmassnahmen oder Triage an psychologische Fachpersonen. Das Ziel ist, dass die Klientel
durch die Hilfestellungen befähigt wird, ihre Bedürfnisspannungen selbständig zu lösen.
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Dies setzt voraus, dass Sozialarbeitende in der Sozialhilfe über Depression als Krankheit
Kenntnisse haben und sich genügend Zeit für die Anamnese nehmen. Die Autorinnen
fordern deshalb mehr Sensibilisierung der Sozialarbeitenden und mögliche Weiterbildungen in diesem Bereich.
6.3 Ausblick
Bei der Bearbeitung dieser Bachelorarbeit konnten nachfolgende Aspekte von den Autorinnen aufgrund der Vorgaben zum Umfang der Bachelorarbeit nicht berücksichtigt werden.
•
Personen beziehen Sozialhilfe, weil sie aus eigenen Ressourcen ihr Leben nicht
mehr bestreiten können. Das bedeutet, diese Personen leben in Armut. Es kann somit die Frage gestellt werden, welchen Einfluss/welche Folgen die Armut auf die Depression hat. Oder anders formuliert: Welchen Einfluss hat die Abhängigkeit von der
Sozialhilfe auf den Krankheitsverlauf der Depression? Das könnte ein Thema für eine
Forschungsarbeit sein.
•
Die Autorinnen haben in dieser Bachelorarbeit ausschliesslich die Krankheit Depression thematisiert. Die Krankheit kann auch in Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen auftreten (Komorbidität). Die Auswirkung dieser Komorbidität
auf die Depression und die Sozialhilfe ist ein spannender Aspekt, welcher in dieser
Bachelorarbeit nicht erläutert wurde und deshalb weiter verfolgt werden könnte.
•
Die Krankheit Depression ist in der Schweiz ein aktuelles Thema. Aufgrund dessen
ist es auffällig, dass es keine Fachliteratur zum Thema Depression in der Sozialhilfe
gibt. Die Literatur, welche es zu psychisch Beeinträchtigten in der Sozialhilfe gibt, ist
sehr allgemein auf verschiedene psychische Krankheiten anwendbar. Aus diesem
Grund sehen die Autorinnen hier einen Handlungsbedarf für die Erarbeitung von
Fachliteratur über depressive Klientel in der Sozialhilfe.
•
Die Autorinnen zeigten die schwierigen Voraussetzungen von depressiver Klientel in
der Sozialhilfe anhand der Bedürfnistheorie von Obrecht und dem Begriff „Soziale
Probleme“ nach Staub-Bernasconi auf. Es gibt noch andere Theorien (beispielsweise
die Identitätstheorie von Petzold oder die Theorie der Resilienz) mit denen die
schwierigen Voraussetzungen aufgezeigt und angegangen werden können.
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