Sollte man die Front National verbieten? Faut-il interdire le front national? Wie verfährt man in Frankreich mit den Rechten, in diesem Fall mit der Front national, die immer mehr an Stimmen gewinnt? Es muss also Probleme geben, die in Frankreich nicht gelöst erscheinen und dieser Partei den Zulauf sichern. Der Artikel ist von Isabelle Hartmann verfasst und in écoute, Mai 2011 veröffentlicht. Weil mir dieses Thema wichtig erscheint, habe ich den französischen Text übersetzt. Eine extremistische Partei zu verbieten ist eine Option, die in Deutschland mehr Zustimmung findet als in Frankreich., wo diese Frage zu keinem Zeitpunkt die öffentliche Debatte wirklich dominierte, bis jetzt. Das soll natürlich nicht heißen, dass niemand so denkt. Bei jeder großen Wahl seit 1995 fragen sich Politiker und Journalisten tatsächlich, ob man die Front National nicht auflösen sollte. Aber ist es so einfach, ein Verbot einer Partei in Frankreich durchzusetzen, mais...? Die Antwort könnte sehr einfach sein. In dem Artikel 11 ist die Erklärung der Menschenrechte von 1789 in Frankreich tatsächlich eindeutig formuliert: „Der freie Austausch von Gedanken und Meinungen ist das kostbarste Recht des Menschen; jeder Bürger darf deshalb reden, schreiben, frei drucken, außer er missbraucht diese Freiheit, in dem Fall bestimmt durch das Gesetz“ („La libre communication des pensées et de opinions et un des droits les plus précisieux de l’homme; tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à repondre de cette liberté dans le cas déterminés par la loi“). Das ist die Grundlage der Meinungsfreiheit und der Ansichten (philosophisch, religiös, politisch). Geht man gegen die Grundsätze der Verfassung vor, stellt man die Fundamente der fanzösischen Demokratie in Frage. Aber Artikel 11 präzisiert auch, dass diese Freiheit zu missbrauchen nicht ohne Konsequenzen bleibt. Auf der Grundlage eines Gesetzes von 1936 darf der Präsident der Republik die Organisationen auflösen, „die provozieren oder zur Kriminalisierung, zum Hass oder zur Gewalt gegen eine Person, eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Abstammung oder ihrer Zugehörigkeit oder ihrer Nichtzugehörigkeit zu einer Ethnie, einer Nation, einer Rasse oder einer bestimmten Religion ermutigen würden“ („qui provoqueraient ou encourageraient la discrimination, la haine ou la violence envers une person, un group de personnes en raison de leur origine ou de leur appartenance ou de leur non- appartenance à une ethnie, une nation , une race ou une religion déterminée“) .Das Verbot einer politischen Partei ist deshalb theoretisch möglich. Aber kann man die Front National tatsächlich auflösen, wenn die von der Vorsitzenden Marine Le Pen verteidigten Ideen 23% der Franzosen ansprechen? Würde das der französischen Demokratie dienen? Das Verschwinden der Partei würde nicht zu einem Verschwinden der Sympathisanten führen. Die Mehrzahl der Beobachter der Szene schätzen, dass es wert sein würde, diese davon zu überzeugen, dass die von der Partei vorgeschlagenen Lösungen nicht die besten sind. Bis jetzt ist alles unternommen worden, um die Partei zu isolieren, indem man z.B. aus dem Mehrheitswahlrecht ein Verhältniswahlrecht macht, um dadurch zu verhindern, dass die Front National in die Nationalversammlung gelangt. Hinweis zum Wahlrecht in Frankreich findet man auf S. 42 im Aprilheft von écoute. Das Wahlrecht in Frankreich ist ein anderes als in Deutschland. Deshalb habe ich den Artikel zum besseren Verständnis des Wahlrechts in Frankreich übersetzt mit der Überschrift: Das Verhältniswahlrecht... und die anderen Wahlformen in Frankreich (le scrutin proportionel ...et les autres modes de scrutin en France) In Frankreich gibt es ein allgemeines Mehrheitswahlrecht. Um die Wahl zu gewinnen, muss man 50% der Stimmen erhalten (absolute Mehrheit). Das wird fast niemals erreicht. Dann wird ein 2. Wahlgang notwendig.. Um zu gewinnen, muss man dann einfach mehr Stimmen erhalten als der Konkurrent (relative Mehrheit). Das beeinflusst aber kaum die Verteilung der Stimmen, wenn es nur eines Sitzes zur Macht bedarf z.B. dem des Präsidenten oder eines Angeordneten. Es gibt aber auch eine Wahl durch Listen: Jede Partei präsentiert eine Liste mit wenigstens so vielen Kandidaten wie Sitze zur Macht. Das Mehrheitswahlrecht hat dann den Vorteil für die Partei, die gewonnen hat: Sie erhält tatsächlich automatisch 25 % (bei den regionalen Wahlen), sogar 50% bei den munzipalen Wahlen von allen Sitzen in den Städten mit mehr als 3 500 Einwohnern, und die „kleinen“ Parteien haben überhaupt keine Chance mehr, einen Sitz zu erringen... Das deutsche Wahlsystem scheint mir demokratischer zu sein! Und wie ist Ihre Meinung? Dr. Else Ackermann Neuenhagen, den 7.5.2011