Ideale Operationsverstärker

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1
Ideale Operationsverstärker
1.1
Eigenschaften
Unter einem idealen Operationsverstärker wollen wir ein Bauelement verstehen,
das durch das folgende Symbol1 (Abbildung 1.1) dargestellt wird:
iP
ud
uP
ia
iN
uN
ua = A·(uP - uN)
= A·ud
Abb. 1.1: Symbol und Bezugsrichtungen
1. Das hier verwendete Symbol entspricht nicht den IEC-Normen, ist aber leichter zu lesen
und wird deshalb mit einem nur mässig schlechten Gewissen verwendet (obwohl der Autor
lange Jahre im TC-3 mitgearbeitet hat, das sich mit grafischen Symbolen befasst).
2
Ideale Operationsverstärker
Die Eigenschaften dieses idealen Operationsverstärkers können wie folgt zusammengefasst werden:
u a = A ˜ uP – uN = A ˜ u d
A o f
iP = iN = 0
ua z f i a In Worten formuliert heisst das, dass die Ausgangsspannung des
Operationsverstärkers nur von der Differenzeingangsspannung ud abhängig ist
(vollkommene Gleichtaktunterdrückung), unabhängig vom Ausgangsstrom ia ist
(der Ausgangswiderstand ist Null) und dass die Eingangsströme gleich Null sind
(unendlich grosse Eingangswiderstände). In der Praxis zeigt sich, dass das
Verhalten von realen Operationsverstärkern gar nicht so stark von dem des idealen
Vorbildes abweicht. Es muss einzig noch berücksichtigt werden, dass die
Ausgangsspannung innerhalb des Betriebsspannungsbereichs liegen muss. Unter
der Voraussetzung einer endlichen Differenzverstärkung A können wir das
Verhalten eines idealen Operationsverstärkers durch die folgende Kennlinie (Abbildung 1.2) beschreiben:
ua
+UCC
ud
-UCC
Abb. 1.2: Kennlinie eines Operationsverstärkers
Die Betriebsspannungsanschlüsse werden üblicherweise in Schemas nicht gezeichnet, da man sie als selbstverständlich voraussetzt und sie die Zeichnung nur unnötig
überladen würden. Wir wollen hier vereinbaren, dass die Betriebsspannungsanschlüsse nur dann gezeichnet werden, wenn die Betriebsspannungen unsymmetrisch sind (z.B. +30 V und 0 V); im Falle von symmetrischen Betriebsspannungen
(meistens ± 15 V) lassen wir die Anschlüsse weg.
1.2 Der Operationsverstärker in Gegenkopplung
1.2
3
Der Operationsverstärker in Gegenkopplung
Wenn man einen Teil des Ausgangssignals an den Eingang eines Systems zurückführt, so bezeichnet man das allgemein als Rückkopplung. Ist die Rückkopplung so
beschaffen, dass das rückgeführte Signal einer Änderung des Ausgangssignals
entgegenwirkt, so nennt man das auch Gegenkopplung. Wir wollen dieses Prinzip
am Beispiel eines nichtinvertierenden Verstärkers (Abbildung 1.3) untersuchen.
ud
R1
u1
u2
uN
R2
Abb. 1.3: Nichtinvertierender Verstärker
Diese Schaltung kann unter den bekannten Voraussetzungen (idealer Operationsverstärker) durch folgende Gleichungen beschrieben werden:
u2 = A ˜ ud
R2
u d = u 1 – u N = u 1 – u 2 ˜ ------------------- = u 1 – B ˜ u 2
R1 + R 2
Diese Gleichungen können in einem Blockschaltbild grafisch dargestellt werden:
A
u1
+
ud
u2
–
B·u2
B
Abb. 1.4: Blockschaltbild des nichtinvertierenden Verstärkers
4
Ideale Operationsverstärker
Regelungstechniker erkennen sofort, dass es sich bei einem gegengekoppelten Verstärker eigentlich um einen Regelkreis handelt, bei dem ein Teil des Ausgangssignals gegenphasig an den Eingang zurückgeführt wird. Für die gesamte Verstärkung
erhalten wir aus den vorher formulierten Gleichungen:
u2
A˜B
1
A
----- = --------------------- = --- ˜ --------------------B 1+A˜B
1+A˜B
u1
Für A  , also für einen wirklich idealen Operationsverstärker, vereinfacht sich
der Ausdruck noch weiter:
u2
R1
1
----- = --- = 1 + -----B
R2
u1
Die resultierende Verstärkung ist also nur noch durch das Verhältnis zweier Widerstände bestimmt; sie ist positiv, was bedeutet, dass Ein- und Ausgangssignal in
Phase sind. Man spricht deshalb bei dieser Schaltung von einem nichtinvertierenden Verstärker. Da beim Operationsverstärker keine Eingangsströme fliessen, ist
der Eingangswiderstand der Verstärkerschaltung sehr hoch; deshalb findet man in
der Literatur auch etwa die Bezeichnung "Elektrometerverstärker" für diese Schaltung.
Aus den Gleichungen kann man entnehmen, dass die Differenzeingangsspannung
gleich Null sein muss (das Produkt Aud kann mit A   nur für ud = 0 einen endlichen Wert ergeben). Man kann daraus allgemein für das Verhalten von Verstärkern
mit Gegenkopplung folgern:
Falls eine Signalverbindung zwischen dem Ausgang eines Operationsverstärkers und nur seinem invertierenden Eingang (also mit der mit dem Minuszeichen bezeichneten Klemme) besteht, stellt sich die Ausgangsspannung so
ein, dass die Differenzeingangsspannung ud gleich Null wird.
Dieser Satz ermöglicht es uns, die meisten Schaltungen mit Operationsverstärkern
auf sehr einfache Art und Weise zu analysieren.
1.3 Grundschaltungen
1.3
Grundschaltungen
1.3.1
Der nichtinvertierende Verstärker
5
Betrachten wir nochmals die im letzten Abschnitt besprochene Schaltung:
R1
u1
u2
R2
Abb. 1.5: Der nichtinvertierende Verstärker (Elektrometer-Verstärker)
Die wesentlichen Eigenschaften des nichtinvertierenden Verstärkers sind in der folgenden Darstellung zusammengefasst:
u2
R1
v u = ----- = 1 + -----u1
R2
r ein o f
r aus = 0
Die Spannungsverstärkung vu ist 1; der Spezialfall vu =1 wird in der Technik relativ häufig benötigt. Man kann dazu den Widerstand R1=0 wählen (also kurzschliessen) oder den Widerstand R2  machen (also entfernen) oder zur Sicherheit beide
Massnahmen gleichzeitig ergreifen und so eine Schaltung realisieren, deren Spannungsverstärkung exakt gleich Eins ist. Man nennt diese Schaltung auch Spannungsfolger (engl. voltage follower).
u1
u2
Abb. 1.6: Spannungsfolger
Der Spannungsfolger ist ein Impedanzwandler (extrem hohe Eingangsimpedanz,
verschwindend kleine Ausgangsimpedanz, Spannungsverstärkung gleich Eins).
6
Ideale Operationsverstärker
1.3.2
Der invertierende Verstärker
u1
R1
R2
u2
Abb. 1.7: Invertierender Verstärker (Umkehr-Verstärker)
Beim invertierenden Verstärker liegt der nichtinvertierende Eingang des Operationsverstärkers an Masse. Da offensichtlich eine Rückführung vom Ausgang zum
invertierenden Eingang vorhanden ist, kann man davon ausgehen, dass die Differenzeingangsspannung verschwindet, was hier bedeutet, dass auch der invertierende
Eingang an Massepotential liegt. Man spricht dann auch von virtueller Masse.
Damit fliesst durch R1 ein Strom der Grösse u1/R1; da beim Operationsverstärker
keine Eingangsströme fliessen, fliesst dieser Strom auch durch R2 und verursacht
dort einen entsprechenden Spannungsabfall. Bei korrekter Anwendung des
Maschensatzes erhalten wir damit für die wichtigsten Eigenschaften des invertierenden Verstärkers:
u2
R2
v u = ----- = – -----u1
R1
1.3.3
r ein = R 1
r aus = 0
Addierer
u1
u2
R1
R2
R0
Abb. 1.8: Addierer
u0
1.3 Grundschaltungen
7
Da auch hier wieder eine Signalverbindung zwischen Ausgang und invertierendem
Eingang besteht, die Differenzeingangsspannung also gleich Null ist, liegt der
invertierende Eingang an virtueller Masse. Die Ströme durch die Widerstände R1
und R2 sind demnach proportional zu den entsprechenden Eingangsspannungen u1
bzw. u2. Die Summe dieser Ströme fliesst durch R0, da beim Operationsverstärker
keine Eingangsströme fliessen. Wir erhalten demnach für die Ausgangsspannung
u0:
R 0·
R0
§
u 0 = – ¨ u 1 ˜ ------ + u 2 ˜ ------¸
R 2¹
R1
©
Die Ausgangsspannung ist also die gewichtete Summe der Eingangsspannungen.
Es ist leicht einzusehen, dass diese Schaltung auf eine beliebige Zahl von
Eingängen erweitert werden kann.
1.3.4
Subtrahierschaltungen
Betrachten wir die folgende Schaltung (Abbildung 1.9):
u2
R
aR
u1
R
aR
u0
Abb. 1.9: Subtrahierschaltung
Auch bei dieser Schaltung ist die Verbindung zwischen Ausgang und invertierendem Eingang vorhanden, die Differenzeingangsspannung wird also auch hier verschwinden. Anderseits liegt hier keine virtuelle Masse vor; zur Schaltungsanalyse
müssen wir davon ausgehen, dass die Potentiale der beiden Eingänge des Operationsverstärkers gleich sind, dass also gilt uP = uN. Für das Potential des nichtinvertierenden Einganges erhalten wir sofort:
a
a˜R
u P = u 1 ˜ --------------------- = u 1 ˜ -----------1+a
R+a˜R
8
Ideale Operationsverstärker
Zur Berechnung des Potentials des invertierenden Eingangs wenden wir den
Überlagerungssatz an:
1
a
u N = u 2 ˜ ------------ + u 0 ˜ -----------1+a
1+a
Durch Gleichsetzen der beiden Potentiale und Auflösen nach u0 erhalten wir für die
Ausgangsspannung:
u0 = a ˜ u1 – u 2 Die Ausgangsspannung ist also proportional zur Differenz der beiden
Eingangsspannungen. Betrachten wir nun noch die Eingangswiderstände dieser
Subtrahierschaltung. Für den Eingang u1 haben wir einfach die Serieschaltung von
R mit aR; es gilt also:
r ein1 = R ˜ 1 + a Etwas komplizierter liegen die Dinge beim Eingang u2. Wegen der Gleichheit der
Potentiale uP und uN ist uN von der Eingangsspannung u1 abhängig:
a
u N = u 1 ˜ -----------1+a
Für den Eingangsstrom i2 erhalten wir demnach:
u2 – uN
a ˜ u1
1
i 2 = ------------------ = --- ˜ § u 2 – -------------·
R ©
R
1 + a¹
Für den gesuchten Eingangswiderstand erhalten wir nun:
u2 ˜ R
u2
R
r ein2 = ----- = ------------------------- = -------------------------------a ˜ u1
i2
u1
a
u 2 – ------------1 – ----- ˜ -----------u2 1 + a
1+a
1.3 Grundschaltungen
9
Der Eingangswiderstand rein2 ist nicht konstant, sondern hängt von den beiden
Eingangsspannungen ab; nicht einmal das Vorzeichen steht mit Sicherheit fest. Falls
die Eingangssignale von realen Quellen (mit nicht vernachlässigbarem
Innenwiderstand) stammen, wird die Ausgangsspannung mit einem Fehler behaftet
sein, der nicht einfach korrigierbar ist. Die Schaltung ist in der Praxis nur
brauchbar, wenn dafür gesorgt wird (z.B. durch Vorschalten von
Spannungsfolgern), dass der Innenwiderstand der Signalquellen verschwindend
klein ist.
Die Subtraktion kann mathematisch auch auf einen Vorzeichenwechsel und
anschliessende Addition zurückgeführt werden; eine entsprechende Schaltung wird
in Abbildung 1.10 gezeigt.
u2
u1
R
R
R
R
aR
u0
Abb. 1.10: Alternative Subtrahierschaltung
In dieser Schaltung sind beide Eingangswiderstände eindeutig definiert und gleich
R; die Ausgangsspannung ist genau wie in der vorhergehenden Schaltung
u0 = a(u1 - u2).
1.3.5
Integrierschaltung
u1
R
C
u2
Abb. 1.11: Integrierschaltung
Auch hier finden wir eine Signalverbindung zwischen Ausgang und invertierendem
Eingang; somit ist der invertierende Eingang wieder an virtueller Masse. Wie beim
invertierenden Verstärker beträgt der Eingangsstrom i = u1/R.
10
Ideale Operationsverstärker
Für die Ausgangsspannung erhalten wir unter Berücksichtigung der Eigenschaften
von Kondensatoren:
³
t
1
u 2 t = – -------- ˜ u 1 W dW + u 2 0 RC
0
Durch Anwendung der komplexen Wechselstromrechnung können wir in Analogie
zum invertierenden Verstärker sofort schreiben:
U2
ZC
1
1
------- = – ------- = – -------------- = – ---------sRC
jZRC
U1
ZR
Beim praktischen Einsatz einer solchen Integrierschaltung zeigt sich rasch ein
Problem: Es gibt praktisch keine Signale ohne Gleichspannungsanteil. Eine auch
noch so kleine Gleichspannung am Eingang eines Integrators führt aber dazu, dass
nach einiger Zeit der Ausgang der Schaltung einfach durch die Betriebsspannung
begrenzt wird, sich also nicht mehr weiter ändert; der Integrator ist dann sozusagen
gesättigt ("Steter Tropfen füllt den Kessel"). Durch Parallelschalten eines
Widerstandes zum Kondensator kann der Integrator so modifiziert werden, dass
Gleichspannungen nicht mehr integriert, sondern nur noch verstärkt werden
(Abbildung 1.12):
RC
u1
R
C
u2
Abb. 1.12: Modifizierte Integrierschaltung
Die Wirkungsweise des Widerstandes kann am einfachsten durch Betrachtungen im
Frequenzbereich verstanden werden. Dazu berechnen wir die Übertragungsfunktion
(also die Verstärkung) der modifizierten Schaltung:
1.3 Grundschaltungen
11
U2
RC
RC
------- = – ---------------------------------------- = – -----------------------------------R ˜ 1 + jZR C C R ˜ 1 + sR C C U1
Wenn wir die Amplitudengänge des idealen und des modifizierten Integrators
aufzeichnen, so erhalten wir das folgende Bild (Abbildung 1.13):
ideale Integrierschaltung
modifizierte Integrierschaltung
1000
|U2/U1|
100
10
1
0.1
0.001
0.01
0.1
1
10
ωRC
Abb. 1.13: Amplitudengänge Rc = 100R
Man erkennt, dass für höhere Frequenzen die Frequenzgänge des idealen und des
modifizierten Integrators übereinstimmen. In diesem Frequenzbereich ( > 10/
RCC, also ab etwa der zehnfachen, besser noch ab der hundertfachen Eckfrequenz)
arbeitet der modifizierte Integrator normal; bei tieferen Frequenzen geht sein Verhalten immer mehr zu dem eines gewöhnlichen Verstärkers über.
1.3.6
Zur Geschichte der Operationsverstärker
Nachdem wir einige Grundschaltungen kennen gelernt haben, ist es an der Zeit, sich
ein paar Gedanken dazu zu machen, wie die Operationsverstärker zu ihrem Namen
gekommen sind. In der grauen Vorzeit der Technik, also vor der Einführung des PC,
hatte man auch schon das Bedürfnis, Differentialgleichungen zu lösen, bzw. das
Verhalten dynamischer Systeme zu simulieren. Betrachten wir einmal eine lineare
Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten:
12
Ideale Operationsverstärker
··
·
y+a˜y+b˜y = c˜x
o
··
·
y = c˜x–a˜y–b˜y
Diese Differentialgleichung können wir samt den Anfangsbedingungen durch ein in
der Regelungstechnik gebräuchliches Blockschaltbild darstellen (Abbildung 1.14):
a
y(0)
˙
y(0)
c
x
+
–
ÿ
ẏ
+
+
–
+
+
y
b
Abb. 1.14: Blockschaltbild der Differentialgleichung
Wir sehen, dass alle auftretenden Blöcke durch einfache elektronische Schaltungen
realisiert werden können. Die Integratoren haben wir eben besprochen, die Proportionalglieder können entweder durch Verstärker oder durch Spannungsteiler realisiert werden und die Summationsstellen sind nichts anderes als Addier- bzw.
Subtrahierschaltungen. Man hat früher Operationsverstärker praktisch nur in dieser
Anwendung gebraucht, in so genannten Analog-Computern. Daher stammt der
Name "operational amplifier" bzw. Operations- oder Rechenverstärker wie die
Dinger auf deutsch genannt werden.
Die ersten Operationsverstärker waren noch mit Röhren aufgebaut, später kamen
dann mit Transistoren realisierte Verstärker dazu. Diese waren in kleine Gehäuse
von der Grösse einer Streichholzschachtel verpackt und kosteten beinahe ein
Monatsgehalt eines Ingenieurs (pro Stück). Verständlicherweise wurden sie,
abgesehen von den erwähnten Analog-Computern, deshalb nur in sehr wenigen
Schaltungen eingesetzt. Etwa um 1970 kamen integrierte Operationsverstärker mit
guten Leistungen und vernünftigen Preisen auf den Markt. Damit begann der Siegeszug der Operationsverstärker, der die analoge Schaltungstechnik in ungeahnter
Weise beeinflusste. Heute liegen Operationsverstärker preislich in der gleichen
Grössenordnung wie diskrete Einzeltransistoren und haben diese als StandardBauelement praktisch verdrängt. Die technologische Entwicklung geht auch hier
schnell weiter; immer schneller und kleiner bei gleichzeitig sinkenden Versorgungsspannungen und Preisen.
1.4 Mitgekoppelte Operationsverstärker
1.4
13
Mitgekoppelte Operationsverstärker
Von einem mitgekoppelten Verstärker spricht man dann, wenn eine Verbindung
vom Ausgang nur zum nichtinvertierenden Eingang des Verstärkers besteht, wenn
also das Ausgangssignal gleichphasig an den Eingang zurückgeführt wird. In
diesem Fall können wir nicht mehr davon ausgehen, dass die Differenzeingangsspannung verschwindet, sondern müssen für die Schaltungsanalyse annehmen, dass
die Ausgangsspannung an einem Anschlag ist, also entweder bei der positiven oder
bei der negativen Betriebsspannung. Dieses Verfahren wollen wir jetzt auch wieder
an einigen konkreten Beispielen erläutern.
1.4.1 Der invertierende Schmitt-Trigger
Die folgende Schaltung (Abbildung 1.15) erinnert stark an einen nichtinvertierenden Verstärker, man beachte aber die gegenüber jener Schaltung vertauschten
Eingänge des Operationsverstärkers.
ud
R1
u1
u2
uN
R2
Abb. 1.15: Schaltung des invertierenden Schmitt-Triggers
Für eine erste Analyse gehen wir so vor, dass wir für die beiden Widerstände
R1 = R2 = R setzen und annehmen, dass bei einer Eingangsspannung von u1 = +10V
die Ausgangsspannung u2 = +15V beträgt. Für die Spannung uN erhalten wir also
7.5V, damit wird die Differenzeingangsspannung ud = 2.5V. Die Ausgangsspannung müsste also negativ sein, also 15V betragen. Unter dieser Annahme wird
uN = 7.5V und ud = 17.5V. Nun sind die Annahmen in sich widerspruchsfrei,
können also mit den gegebenen Werten als richtig betrachtet werden.
Nun kann man sich überlegen, was geschieht, wenn die Eingangsspannung geändert
wird. Eine Vergrösserung der Eingangsspannung (u1 > +10V) ändert nichts an der
Ausgangsspannung. Machen wir die Eingangspannung negativ, z.B. -7V, so ist
ud = 0.5V und damit bleibt u2 auf 15V. Sobald aber die Eingangsspannung
7.5V erreicht, wird zunächst ud = 0, damit geht die Ausgangsspannung gegen 0,
14
Ideale Operationsverstärker
folglich steigt auch uN an, dadurch ändert ud sein Vorzeichen, was wiederum ein
Kippen des Ausgangs von 15V auf +15V zur Folge hat. Dieser Prozess läuft sehr
schnell ab und ist nicht mehr aufzuhalten, wenn er einmal begonnen hat. Damit die
Ausgangsspannung wieder ihr Vorzeichen ändern kann, muss natürlich auch die
Differenzeingangsspannung ihr Vorzeichen ändern; dies ist der Fall, wenn
u1 = +7.5V ist. Das gesamte Verhalten der Schaltung lässt sich durch eine Kennlinie
(Abbildung 1.16) beschreiben. Die Eingangsspannungen, bei denen die Ausgangsspannung kippt, werden auch Schwellspannungen oder Schaltschwellen (threshold voltage) genannt. Die Eingangsspannung, die zur steigenden Flanke der
Ausgangsspannung gehört, wird mit US+ bezeichnet, die andere entsprechend mit
US.
u2
+UCC
UH
US+
US-
u1
-UCC
Abb. 1.16: Schaltung des invertierenden Schmitt-Triggers
Die Kennlinie erinnert an die Hysterese-Kurve, die das Verhalten ferromagnetischer
Stoffe beschreibt. Deshalb wird auch die Differenz der beiden Schwellspannungen
als Hysterese UH bezeichnet. Die beiden Schwellspannungen erhalten wir allgemein durch Ermitteln der Eingangsspannung, bei der die Differenzeingangsspannung gleich Null wird. In unserem Beispiel sind es, wenn wir die Voraussetzung
R1 = R2 wieder fallen lassen:
– Ucc ˜ R 2
U S+ = -----------------------R1 + R2
+Ucc ˜ R 2
U S- = ------------------------R1 + R2
Diese als Schmitt-Trigger bekannte Schaltung wird oft als "elektronische Entscheidungshilfe" verwendet, dann nämlich, wenn eine Entscheidung nicht wegen
kleinsten Änderungen der Voraussetzungen wieder umgestossen werden sollen. Ein
Dämmerungsschalter, der bei Dunkelheit ein Licht einschalten soll, darf jetzt nicht
die Lampe wieder löschen, weil sie zu einer grösseren Helligkeit geführt hat.
1.4 Mitgekoppelte Operationsverstärker
15
Zur Illustration sei noch die Reaktion unseres Schmitt-Triggers auf ein harmonisches Eingangssignal gezeigt (Abbildung 1.17):
u(t)
+UCC
u1
u2
USt
US+
-UCC
Abb. 1.17: Schmitt-Trigger mit harmonischem Eingangssignal
1.4.2
Der nichtinvertierende Schmitt-Trigger
Durch Vertauschen der Operationsverstärker-Eingänge bei einem invertierenden
Verstärker erhalten wir einen nichtinvertierenden Schmitt-Trigger (Abbildung
1.18):
u1
R1
R2
u2
Abb. 1.18: Schaltung des nichtinvertierenden Schmitt-Triggers
Zur Bestimmung der Schaltschwellen suchen wir wieder diejenige Eingangsspannung, für die die Differenzeingangsspannung ud gerade gleich Null wird. Wir
erhalten auf diese Weise:
§ R 1·
U S+ = – Ucc ˜ ¨ – ------¸
© R 2¹
§ R 1·
U S- = +Ucc ˜ ¨ – ------¸
© R 2¹
16
Ideale Operationsverstärker
Der Vollständigkeit halber soll auch für diesen Schmitt-Trigger noch die Kennlinie
gezeigt werden:
u2
+UCC
UH
US-
u1
US+
-UCC
Abb. 1.19: Kennlinie des nichtinvertierenden Schmitt-Triggers
Beide gezeigten Schmitt-Trigger-Schaltungen haben symmetrische Schaltschwellen; dass das nicht zwingend ist, belegen die weiteren Beispiele bei den Übungsaufgaben.
1.4.3
Dreieck-Rechteck-Generator
In der folgenden Schaltung (Abbildung 1.20) sind ein nichtinvertierender SchmittTrigger und ein Integrator zu einer Schleife verknüpft.
R1
R2
R
A1
C
A2
UR
UD
Abb. 1.20: Dreieck-Rechteck-Generator
Zur Analyse der Schaltung gehen wir z.B. davon aus, dass der Ausgang des
Schmitt-Triggers A1 auf der positiven Betriebsspannung liegt. Diese Spannung ist
gleichzeitig die Eingangsspannung des Integrators A2. Da der Integrator noch
invertiert, wird seine Ausgangsspannung linear abnehmen und immer negativere
Werte annehmen, bis die Schaltschwelle US- des Schmitt-Triggers erreicht wird. In
17
diesem Moment wird die Ausgangsspannung des Schmitt-Triggers auf die negative
Betriebsspannung springen; damit wird die Ausgangsspannung des Integrators
linear ansteigen, bis wieder die andere Schaltschwelle US+ erreicht wird und das
ganze Spiel von neuem beginnt. Das führt auf die in Abbildung 1.21 gezeigten
Spannungsverläufe.
u(t)
+UCC
UR
US+
UD
t
US-UCC
Abb. 1.21: Spannungen beim Dreieck-Rechteck-Generator
Für die Schaltschwellen des Schmitt-Triggers und damit für die Amplitude der
Dreieckspannung erhalten wir:
R1
U S = r Ucc ˜ -----R2
Zur Berechnung der Frequenz der Schwingung können wir uns überlegen, dass der
Kondensator C um die Spannung 2US umgeladen wird. Die dazu benötigte
Ladungsverschiebung Q wird während der halben Periodendauer durch den konstanten Strom UCC/R bewerkstelligt. Wir können also die folgende Gleichung für
die Ladung aufstellen:
R1
T
Ucc ˜ T
'Q = C ˜ 'U = I ˜ --- = C ˜ 2 ˜ Ucc ˜ ------ = -----------------2
2˜R
R2
Aufgelöst nach der Frequenz f = 1/T erhalten wir:
R2
f = -----------------------------4 ˜ R ˜ C ˜ R1
18
Ideale Operationsverstärker
1.5
Übungsaufgaben und Kontrollfragen
1.5.1
Übungsaufgaben
1.
Berechne die Spannungsverstärkung der folgenden Schaltung (man setze
dabei j = s) und zeichne den Amplitudengang für R1 = R2 = R3 = 15 k
und C1 = C2 = 47 nF:
R3
U1
C1 R1
R2
C2
U2
Abb. 1.22: Schaltung zu Aufgabe 1
2.
Berechne die Ausgangsspannung der Schaltung von Abbildung 1.23:
U1
R
R
R1
R2
U0
R1
R
R
U2
Abb. 1.23: Schaltung zu Aufgabe 2
3.
Berechne in der folgenden Schaltung (Abbildung 1.24) das Verhältnis von
Ausgangsspannung U2 zu Eingangsspannung U1 in Abhängigkeit der
Schleiferstellung  des Potentiometers Rv. Dabei bedeutet  = 0, dass der
Schleifer ganz am unteren Ende des Potentiometers liegt; entsprechend
bedeutet  = 1, dass der Schleifer ganz am oberen Ende liegt.
1.5 Übungsaufgaben und Kontrollfragen
R
U1
R
19
U2
Rv
α
Abb. 1.24: Schaltung zu Aufgabe 3
4.
In der folgenden Schaltung (Abbildung 1.25) liegt sowohl eine Gegenkopplung als auch eine Mitkopplung vor. Zur Entscheidung der Frage, welche
Rückkopplungsart dominiert, kann man sich überlegen, welche Rückkopplung bei schnellen Änderungen am Ausgang das grössere Eingangssignal
bewirkt. In unserer Schaltung ist es die Mitkopplung, also arbeitet die
Schaltung primär als Schmitt-Trigger.
U0
18 kΩ
33 nF
10 kΩ
12 kΩ
Abb. 1.25: Astabiler Multivibrator (Aufgabe 4)
Zeichne massstäblich den Verlauf der Ausgangsspannung sowie den Verlauf der Spannung am invertierenden Eingang und berechne die Frequenz
der entstehenden Schwingung.
5.
Auch in der folgenden Schaltung (Abbildung 1.26), die einen etwas
modifizierten Dreieck-Rechteck-Generator darstellt, ist eine massstäbliche
Skizze der Spannungen UR und UD verlangt, sowie ein algebraischer
Ausdruck für die exakte Frequenz der entstehenden Schwingung.
20
Ideale Operationsverstärker
5 kΩ
10 kΩ
10 kΩ
A1
2V
22 nF
A2
UR
5V
UD
Abb. 1.26: Dreieck-Rechteck-Generator von Aufgabe 5
1.5.2
Fragen zur Lernkontrolle
Es wird erwartet, dass die folgenden Fragen ohne im Buch nachzuschlagen beantwortet werden können.
1.
Nenne die drei wichtigsten Eigenschaften eines idealen Operationsverstärkers!
2.
Was versteht man unter dem Begriff "Gegenkopplung"?
3.
Was kann man bei der Analyse von Operationsverstärkerschaltungen mit
Gegenkopplung annehmen?
4.
Was versteht man unter "virtueller Masse"?
5.
Wie bestimmt man die Schaltschwellen (Schwellspannungen) eines
Schmitt-Triggers?
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