BÜCHER PSYCHISCHE ERKRANKUNG UND SUCHT Ein fokussierter und vertiefter Einblick Komorbiditäten, insbesondere wenn eine psychische Erkrankung wie Depression oder eine Angsterkrankung gemeinsam mit einem Suchtmittelabusus oder gar einer -abhängigkeit auftritt, erfordern eine spezielle – meist komplexe und integrative – Psychotherapie. Walter und Gouzoulis-Mayfrank betonen in ihrem Buch die Unterschiedlichkeit heutiger, beide Aspekte umfassenden Interventionen im Gegensatz zur früheren sequenziellen Therapie. Hierfür zeigen sie im ersten Teil des Buches drei wichtige Kausalbeziehungen zwischen psychischen Störungen innerhalb einer Komorbidität auf. Diese verhalten sich also, wie früher angenommen, unidirektional oder nach der aktuelleren Auffassung bidirektional oder auf gemeinsamen Faktoren basierend. Hieran schließen sich vorerst allgemeinere, wenn doch auf spezielle Störungen (wie Schizophrenie, Angststörungen oder affektive Störungen) und Sucht bezogene orientierende Einordnungen an. Die zusätzlichen Kapitel „Psychodynamische Aspekte der Komorbidität“, „Neuropsychiatrische Grundlagen“, „Therapeutische Grundprinzipien“ und „Medikamentöse Rückfallprophylaxe“ ergeben schließlich zusammen den Grundstock zum allgemeinen Verständnis in der Diagnostik und allgemeinen Behandlung von Menschen mit Doppeldiagnose. Die folgenden Abschnitte, die Teile „B“ und „C“, bilden die Besonderheit des Buches. Denn diese Erkenntnisse um die interaktionellen Wechselbeziehungen und gegenseitig bedingten Entwicklungen bis hin zur Behandlungsindikation psychischen Leids und Suchtmittelkonsum machen es für den Behandelnden notwendig, einerseits die Perspektive aus Sicht der psychischen Störung auf die Sucht und andererseits aus der Sicht der Abhängigkeitserkrankung auf die einzelnen Auffälligkeiten, wie affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, ADHS oder PTBS, einzunehmen. Die entsprechenden Kapitel Marc Walter, Euphrokommen dabei kurz und knapp mit syne Gouzoulis-Mayden wichtigsten Aspekten bezügfrank (Hrsg.): Psylich Epidemiologie, Ätiologie, klichische Störungen nische Charakteristika und Theraund Suchterkrankungen. Kohlhammer, Stutt- pie aus. Gerade daher erscheint es gart 2014, 228 Seiten, auch empfehlenswert, dieses Buch kartoniert, 39,90 Euro griffbereit in Klinik oder Praxis zu haben, da es kurzerhand einen fokussierten und vertieften Einblick schafft, ohne Wichtiges auszuStefan Behrens sparen. MARILYN MONROE Psychoanalytisch ausgeweidet Der schönste und lesbarste Aufsatz stammt von der Herausgeberin des Bandes, der Wiener freudianischen Analytikerin Irene Bogyi. Sie nennt Marilyn Monroe kamerasüchtig und verliebt ins „Posieren“. Sie findet spät und zerrissen zur Psychoanalyse. Der wichtigste und letzte ist der Prominentenanalytiker Ralf Greenson, der hemmungslos einer Rettungsfantasie verfällt, sie bei sich aufnimmt, täglich Analyse mit ihr macht. Kleinlaut gibt er am Schluss seine Gegenübertragungskatastrophe zu. Die Analytikerin Beate Hofstadtler betont ihre Verletzbarkeit und begründet sie mit einer Biografie aus „Tiefschlägen, Kämpfen mit den Studios, . . . libidinösen Irrwegen, gescheiterten Lieben, Depressionen, . . . Tablettenund Alkoholkonsum, Operationen“, aber alles immer wieder überspielt von hektischer, 330 Irene Bogyi (Hrsg.): Marilyn Monroe – Wer? Psychoanalytische und kunstwissenschaftliche Annäherungen an den Mythos. Psychosozial-Verlag, Gießen 2014, 236 Seiten, kartoniert, 24,90 Euro aber höchst unzuverlässiger Arbeit vor der Kamera. Die drei männlichen Analytiker vergewaltigen den Massenliebling ungeniert mit ihrem Lacan- und Derridavokabular, missbrauchen die früh Missbrauchte mit ihrer Begriffspotenz: August Ruhs findet „imaginäre Identitätsbildungen“ und „Urerfahrungen einer existenziellen Affirmation“ samt einem „sublimen gegenseitigen Einverleibungsvorgang“ in Monroes Umgang mit dem verzauberten Publikum. Sebastian Leikert walzt Lacans „Spiegelstadium“ dialektisch aus und entdeckt die Sprache als Zerstörerin der Sinnlichkeit, die endlich dem weiblichen Kontinent zugerechnet werden soll, dessen „Erlebnisräume nur zu oft unter dem phallischen Ansturm begraben“ werden wie Marilyn in seinem Text auch. In seiner Begriffsakrobatik entdeckt er „Rhythmi- sierung und Seduktion“ und „Mechanismen des Ästhetischen“ im „Kreisprozess zwischen Perzeption und Apperzeption“. Das arme Subjekt des Stars ist inzwischen im Objekt der Theorie verschwunden. Andreas Jacke enttarnt in ihr „das Substitut eines doppelten Fetisches“ und findet: „Die Frau wird aufgrund ihrer puppenhaften Maskerade, ihrer Verkörperung des Phallus degradiert zur Simulation. Also im platonischen Sinne ist die Frau, insofern sie den Phallus hat, eine reine Täuschung“ [. . .] „Das Phantasma des Phallus enthält immer auch die vollzogene Kastration.“ Alles klar? Allerdings würdigt er auch Monroes politisches Engagement und schildert die gesellschaftliche Szene, in der sie agiert, einschließlich ihrer Affären mit den Kennedy-Brüdern. Der Pharmakologe Rainer Schmidt gibt Einblick in den ungeheuren und oft wahllosen Medikamentenverbrauch. Tilmann Moser Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 7 | Juli 2014