ILLUSTRATION WA-DESIGN SEXUALITÄT Geschlechtskrankheiten: Sich selbst und andere schützen! Immer mehr Menschen erkranken in der Schweiz an W Geschlechtskrankheiten wie lautete die Hauptbotschaft der Love- «Die Betroffenen sollen sofort zum Arzt Life-Kampagne vom Bundesamt für Ge- gehen.» Denn das Heimtückische an vie- sundheit im vergangenen Jahr. Tatsäch- len Geschlechtskrankheiten ist, dass lich steigt die Zahl der meldepflichtigen diese störenden Symptome oftmals in- Geschlechtskrankheiten in der Schweiz nert kurzer Zeit verschwinden, die Infek- wichtig, aber geben keinen an. tion sich jedoch im Körper ausbreiten vollständigen Schutz. Die wohl bekannteste sexuell übertrag- kann. Wer also mit den Erstsymptomen bare Geschlechtskrankheit ist AIDS, ver- nicht den Arzt aufsucht, riskiert, dass die ursacht durch HIV (Humanes Immun- Infektion Spätfolgen hinterlässt. defizienzvirus). Das bedeutet übersetzt: Denn Geschlechtskrankheiten sind wie menschliches Immunschwächevirus. ein Chamäleon: «Bei der Syphilis beste- Viel häufiger aber sind andere, bakte- hen im ersten und zweiten Stadium Ver- rielle Geschlechtskrankheiten, wie bei- änderungen spielsweise Mundbereich oder an der Haut, die nicht Syphilis oder Gonokokken. Präservative sind sinnvoll und von Annegret Czernotta enn’s juckt oder brennt, Cozzio, Leitender Arzt Poliklinik Derma- dann bitte zum Arzt.» So tologie am Universitätsspital Zürich. die Chlamydieninfektion (2006: 4996 Fälle, 2010: 6575 Fälle). im Genitalbereich, im schmerzhaft sind, abheilen und in anderer Form wiederkehren», erklärt Cozzio 15 SPRECHSTUNDE 4/12 Jucken oder Ausfluss den Grund. Unbehandelt kann sich die sind ein Notfall Syphilis dann im Körper über die Jahre Geschlechtskrankheiten können zu Un- weiter ausbreiten und im dritten und fruchtbarkeit und Organschäden führen vierten Stadium die inneren Organe und und sind deshalb ernst zu nehmende auch das zentrale Nervensystem befal- Infektionen. «Wenn es im Genitalbe- len. Glücklicherweise sind fortgeschrit- reich juckt oder ein Ausfluss besteht, ist tene Stadien von Syphilis selten, aber die das für uns ein Notfall», sagt Dr. Antonio Zunahme der Erstinfektionen mit Syphi- Häufige bakterielle Geschlechtskrankheiten im Überblick Geschlechtskrankheit Gonorrhö oder Tripper Übertragung Symptome Folgen Behandlung Durch sexuelle Kontakte und während der Geburt von der Mutter auf das Kind Beschwerden und Brennen beim Wasserlassen, eitriger Ausfluss, Fieber, Schüttelfrost, Punktblutungen an Fingern und Zehen Frauen: Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut, Eileiter Männer: Infektion von Nebenhoden und Prostata Unfruchtbarkeit bei beiden möglich Antibiotika, evtl. Behandlung beider Sexualpartner nötig Syphilis (Lues) Durch sexuelle Kontakte und während der Geburt von der Mutter auf das Kind 1. Stadium: schmerzloses, hartes Im späteren Stadium kann Geschwür, meist an den Schamdie Behandlung die Kranklippen oder am Penis heit nur noch stoppen. Das 2. Stadium kann bis 5 Jahre andauern. Alle Symptome können innerhalb von 2 Jahren ohne Behandlung verschwinden. Bei zirka 30% der Infizierten kommt es aber zum 3. Stadium mit Veränderungen an den Nerven, am Herz und an den Knochen. 4. Stadium: Befall der inneren Organe, auch Gehirn Chlamydien Über Geschlechtsverkehr und während der Geburt von der Mutter auf das Kind Frauen: manchmal Beschwerden beim Wasserlassen. Männer: Harnröhrenentzündung, wässriger oder eitriger Ausfluss Antibiotika Frauen: Entzündung der Antibiotika, Eileiter und Eierstöcke, evtl. Behandlung beider Fieber, Unterbauchschmerzen. Sexualpartner nötig Männer: Entzündung der Vorsteherdrüse und der Nebenhoden, Fieber, Schüttelfrost. Unfruchtbarkeit bei beiden möglich. lis in der Schweiz ist alarmierend (2006: oder schlucken – hilft sehr effizient ge- und Verantwortung gegenüber dem 657 Fälle, 2010: 975 Fälle). gen die HIV-Infektion. Leider können je- Sexualpartner und sich selber sollte das doch andere Geschlechtskrankheiten, Infektionsrisiko minimiert werden. Da- Infektion trotz beispielsweise Herpesinfekte, der Tripper bei helfen die Safer-Sex-Regeln.» Kondom möglich oder die Syphilis, trotz Kondomge- Doch wie kommt es zu dieser Zunahme brauch übertragen werden.» Deshalb an Geschlechtskrankheiten? «Konkret lautet die neue, dritte Safer-Sex-Regel: wissen wir es nicht, aber wir vermuten, Wenn’s juckt oder brennt, dann bitte dass die Angst vor Aids/HIV geringer ist zum Arzt gehen! Präventiv hält es der Dermatologe zu- und viele Leute häufiger ungeschützten Ein 100-prozentiger Schutz ist also nicht sätzlich für sinnvoll, Jugendliche bereits Sex praktizieren», sagt Dr. Antonio Coz- möglich. Dr. Cozzio rät deshalb zu mehr früh über Geschlechtskrankheiten auf- zio. «Das Befolgen der ersten beiden Verantwortung gegenüber sich selber zuklären. «Gonokokken- (Tripper) und Safer-Sex-Regeln – beim Eindringen im- oder dem Sexualpartner. «Wer möchte Chlamydieninfekte haben ihren Häufig- mer Präservativ, und kein Sperma/Men- schon Sex verbieten, um einen maxima- keitsgipfel bei den 15- bis 25-Jährigen», struationsblut in den Mund nehmen len Schutz zu erhalten? Aber aus Respekt so Antonio Cozzio. Neben den Aufklä- Früh aufklären und vorbeugen SPRECHSTUNDE 4/12 16 SEXUALITÄT Die Safer-Sex-Regeln rungsgesprächen durch Eltern und Leh- Impfung für die sexuell aktive Bevölke- rer haben seiner Meinung nach gerade rung zu empfehlen. die Fachärzte für Kinder- und Jugend- • Bei eindringendem Verkehr: Immer ein Präservativ oder Femidom verwenden. • Bei Oralverkehr: kein Sperma in den Mund, kein Sperma schlucken / kein Menstruationsblut in den Mund, kein Menstruationsblut schlucken. • Bei Juckreiz, Brennen oder Ausfluss zum Arzt gehen. medizin einen grossen Stellenwert, da «Alterskrankheit» Gespräche zur Sexualität mit Kinderärz- Syphilis ten von den Jugendlichen oft besser Auch die Syphilis (Lues) nimmt zu. akzeptiert werden als mit den anderen Allerdings sind hier häufiger ältere Pa- Bezugspersonen. tienten betroffen, die zwischen 40 und Neben den Empfehlungen zum Safer Sex 50 Jahre alt sind. Der Grund ist wie- sind heute auch Impfungen möglich, derum nicht bekannt. welche vor Papillomavireninfektionen Geschlechtskrankheiten können also je- Wer sich vor sexuell übertragbaren Infektionen schützen will, muss ausserhalb einer infektionsfreien Partnerschaft mit klaren Regeln betreffend Aussenbeziehungen konsequent die Safer-Sex-Regeln anwenden. (Erreger der Genitalwarzen) schützen den Menschen, in jedem Lebensalter Quelle: Aids-Hilfe Schweiz können. Diese Impfungen – vor dem und unabhängig von der sexuellen Aus- ersten Geschlechtsverkehr verabreicht – richtung treffen, solange diese sexuell auch das Kondom keinen absoluten schützen die Jugendlichen effizient vor aktiv sind. Und weil bakterielle Ge- Schutz vor Infektion. Genitalwarzeninfektionen mit Viren, schlechtskrankheiten wie die Syphilis Safer Sex und «drüber reden» sind des- die später Gebärmutterhalskrebs ver- nicht über die Samenflüssigkeit übertra- halb immer noch die sinnvollsten Re- ursachen könnten. Diese Impfung hält gen werden, sondern durch Kontakt von geln, um Geschlechtskrankheiten zu Dr. Cozzio für Mädchen und Knaben unbedeckter Haut mit einem Syphilis- verhindern. sinnvoll. Ebenfalls ist die Hepatitis-B- herd an der Haut des Partners, bietet 17 SPRECHSTUNDE 4/12