STUDIE ENERGIE Sonnige Zukunft: Energieversorgung jenseits von Öl und Uran Inhalt VORWORT des Herausgebers ZUSAMMENFASSUNG Der Ausstieg ist machbar Sparen als neue Energiequelle Der Greenpeace-Standpunkt ERSTER TEIL Bilanz der Energieverschwendung Die Plünderung der Energieressourcen Temperaturanstieg ohne gleichen Grenzen der Ausbeutung: das Problem Entsorgung Klima in Gefahr Der natürliche Treibhauseffekt Der künstliche Treibhauseffekt Katastrophe als Dauerzustand? Unberechenbar: die Rückkopplungen Die globale Erwärmung: Indizien Umwelt in Gefahr Erst sterben die Wälder..., Umweltverschmutzer Auto Die tägliche Ölpest Atomenergie: geringer Nutzen, große Gefahren ZWEITER TEIL Greenpeace-Szenario Das Greenpeace-Szenario und seine Prämissen Quellen und Modelle Keine technologische Revolution auf dem Energiesektor Energiesparen als Quelle der Zukunft Erneuerbare Energien erobern den Markt Die Industrie spart Energie Wirtschaft und Bevölkerung wachsen Die Haushalte: gleicher Komfort, weniger Energie Transport und Verkehr: Vier Szenarien Dienstleistung: riesiges Sparpotential Ziele Die Ziele des alternativen Energiezenario Treibhauseffekt eindämmen Ausstieg aus fossiler Energie Globale Angleichung der Einkommen Ergebnisse Das alternative Energiesystem Geschütztes Klima Umbau des Energiesystems Maßnahmen zum Umbau des Energiesystems Preispolitik: Keine Subventionen für fossile Energie Energiemarkt: Bessere Chancen für Alternativen Forschung: Alternativen nicht zum Nulltarif Transport und Verkehr: Maßnahmenbündel Nord-Süd: Gefälle überwinden Internationale Abkommen: Wo ein Wille ist..., Internationale Energieagenturen: Neuer Wind Kosten Keine Mehrkosten für das neue Energiesystem Externe Kosten: Was kostet ein Menschenleben? DRITTER TEIL Ausblick Über das Modell hinaus Ökologische Grenzen respektieren Jahrzehnt der Entscheidung Literaturliste Die vorliegende Kurzfassung basiert auf dem Report: "Towards a fossil free energy future The Next Energy Transition" (FFES) des Boston Center des Stockholm Environment Institute (Bestelladresse: Greenpeace International, Keizersgracht 176, 1016 DW Amsterdam, Niederlande) im Auftrag von Greenpeace International, 1993 Vorwort des Herausgebers "Was die Welt uns geben kann, reicht für die Bedürfnisse, aber nicht für die Habgier aller Menschen" - Mahatma Gandhi – Kohlendioxid (CO2) ist das bedeutendste Klimagas und damit verantwortlich für mehr als die Hälfte des künstlichen Treibhauseffekts. CO2 entsteht, wenn fossile Energieträger - Kohle, Erdöl, Erdgas - verbrannt werden, also bei fast allen Tätigkeiten in der industrialisierten Welt. Jährlich beträgt der weltweite Ausstoß von CO2 22 Milliarden Tonnen, wobei die Industrienationen 75 Prozent in die Luft blasen. Forscher des Intergovernmental Panel on Climate ein Pool der weltweit angesehensten kamen in ihrem Bericht "Wissenschaftliche Einschätzung des Klimawandels" zu folgendem Schluß: Die vom Menschen verursachten Emissionen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen müssen sofort um 60 Prozent reduziert werden, falls ein Interesse besteht, die Erwärmung der Erde auf dem jetzigen Level einzufrieren. Wie die dafür nötige Wende in der Energiepolitik aussehen kann, hat Greenpeace bereits mehrfach beschrieben. Ende 1991 erschien unter dem Titel "Ein klimaverträgliches Energiekonzept für (Gesamt-) Deutschland - ohne Atomstrom" eine Studie, die eine ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Alternative zur hiesigen Energiepolitik skizziert. 1992 ging Greenpeace mit einer Studie über "Least Cost Planning" auf ein zentrales Element für den Umbau der Energiewirtschaft ein. In der hier vorliegenden Publikation wird Greenpeace den weltweiten Ausstieg aus nuklearen und fossilen Energieträgern als langfristig machbaren und erforderlichen Weg darstellen. Wie dringend radikale Eingriffe in die Energiepolitik sind, zeigen die folgenden Trends: - Die größte internationale Umweltkonferenz, die 1992 in Rio stattgefunden hat, verabschiedete lediglich eine unverbindliche Klimakonvention, die den Unterzeichnern keine Verpflichtungen zur Senkung der CO2- Emissionen auferlegte. - Die deutsche Regierung faßte 1990 den Beschluß, die CO2- Emissionen hierzulande um 25 bis 30 Prozent bis zum Jahr 2005 zu drosseln - und dabei blieb es. Bisher gibt es nicht im Ansatz Aktivitäten, um dieses Ziel in die Tat umzusetzen. - Obwohl die dramatischen Auswirkungen auf das Klima hinreichend bekannt sind, steigen die CO2-Emissionen noch. Schätzungen zufolge werden bis zum Jahr 2010 weltweit 30 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr in die Luft geschleudert Tendenz steigend. – In Schwellenländern wie China, Indien, Lateinamerika oder der GUS werden die energiepolitischen Weichen jetzt gestellt. Was dort heute etabliert wird, prägt die kommenden fünfzig Jahre. Die Industrienationen, hauptverantwortlich für die Klimaänderung, zeigen nicht die geringste Neigung, die von ihnen angestoßene Entwicklung umzukehren. Im Gegenteil: Sie "exportieren" das westliche System der Energie- und Ressourcenverschwendung in die Länder des Südens. Skrupelloses Wirtschaften aber untergräbt die Existenz des gesamten Planeten, der Umweltschutz gerät zunehmend ins Abseits. Die Wirtschaft könne weitere "Belastungen" nicht verkraften, tönt es aus den Schaltstellen von Wirtschaft und Politik im Hinblick auf die Rezession. Ob die Umwelt weitere Lasten tragen kann, wird nicht diskutiert und das, obwohl die gesamte weitere Existenz des homo sapiens auf tönernen Füßen steht. Die gegenwärtige wirtschaftliche Krise ist keine vorübergehende Rezession, sondern eine tiefgreifende Strukturkrise unseres Wirtschaftssystems. Greenpeace ist der Ansicht, daß eine ökologisch ausgerichtete Reform des Wirtschaftssystems überfällig ist. Ein Beispiel: Viele Produkte des täglichen Bedarfs - von der Waschmaschine bis zum Fotoapparat - sind selbst bei kleineren Defekten nur teuer oder gar nicht zu reparieren. Häufig ist es billiger, gleich ein neues Gerät zu kaufen, das alte landet nach kurzem Gebrauch auf dem Müll. Der Grund dafür ist, daß die Kosten für Ressourcen (Energie und Material) niedrig und die Abgaben für Arbeitskraft (Lohnsteuer) hoch sind. So gehen Verschwendung und Rationalisierung von Arbeitskräften Hand in Hand. Diese Entwicklung sollte umgekehrt werden, indem die Ressourcen teurer, die staatlichen Abgaben auf die Löhne niedriger werden - mit dem Effekt einer ökologisch verträglichen Produktion: mit weniger Materialeinsatz und mehr Arbeit. Matthias Stüwe Dezember 1993 Zusammenfassung Der Ausstieg ist machbar Die vorliegende Studie, die von unabhängigen Stellen, darunter dem bekannten "Boston Centre des Stockholm Environment Institute" für Greenpeace erarbeitet wurde, beweist: Ein schrittweiser Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis 2100 und das rasche Ende der Atomenergie bis spätestens 2010 sind technisch und wirtschaftlich machbar. An die Stelle der fossilen Brennstoffe treten allmählich effiziente Energietechniken und erneuerbare Energiequellen. Mit diesen Maßnahmen ließen sich die globalen Kohlendioxidemissionen binnen vierzig Jahren um die Hälfte und bis zum Jahr 2100 auf Null senken. Dem aber haben viele Befürworter fossiler Energieträger immer vehement widersprochen. 2 Nach Einschätzung der Wissenschaftler ist ein Umbau des Energie-Systems machbar, ohne die Wirtschaft aus den Angeln zu heben oder mit Mehrkosten zu belasten. Dazu müssen Gelder, mit dem der Staat ohnehin das Energiesystem beeinflußt, konsequent in Spartechnologien und erneuerbare Energien umgelenkt werden. Staatliche Eingriffe in das Energiesystem haben eine lange Tradition, bedenkt man die acht Milliarden Mark Subventionen für die deutsche Steinkohle oder die amerikanischen Steuervergünstigungen für die Förderung von Erdöl. Der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle wird auf der politischen Bühne entschieden. Sparen als neue Energiequelle Die Industrieländer, als maßgebliche CO2-Verursacher, nehmen bei der Reduktion eine Schlüsselrolle ein. Sie müssen nun damit beginnen, einen Prozeß umzukehren, den sie selbst verursacht haben. Der allmähliche Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geht Hand in Hand mit der Einführung effizienter Energienutzung und einer umfassenden Erschließung umweltschonender, erneuerbarer Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie, Biomasse und kleineren Wasser- und Erdwärmekraftwerken. Erneuerbare Energien, die gegenwärtig 14 Prozent der weltweiten Energieversorgung gewährleisten, würden nach diesem Szenario im Jahr 2030 mehr als 60 Prozent der benötigten Energie liefern und im Jahr 2100 den globalen Gesamtenergiebedarf decken. Atomstrom würde nur noch bis spätestens 2010 zum Einsatz kommen. Wenn dieses Szenario verwirklicht wird, ließen sich die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um die Hälfte drosseln. Dadurch verringerte sich der Temperaturanstieg von 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt binnen 30 Jahren auf 0,1 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Allerdings müßte mit dem Umbau der Energiewirtschaft sofort begonnen werden. Für jedes Jahrzehnt, das ohne einen radikalen Wandel in der Energiepolitik verstreicht, muß mit einer zusätzlichen Temperaturerhöhung um 0,4 Grad Celsius gerechnet werden. Der Greenpeace-Standpunkt Den rechnerischen Simulationen liegen Prognosen der Weltbank, des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und der Vereinten Nationen zur Wirtschaftsund Bevölkerungsentwicklung zugrunde. Deren Voraussagen beruhen auf konservativen Annahmen: daß Wirtschaft und Bevölkerung weiter wachsen, daß der auf Konsum ausgerichtete Lebensstil der Industrienationen nicht angetastet wird und neue Technologien nur begrenzt verfügbar sind. Greenpeace teilt diese wachstumsorientierten Einschätzungen nicht. Das alternative Energie-szenario "Fossil Fuel Enegy Scenario" (FFES) legt sie zugrunde, um mit anderen Szenarien, etwa des IPCC, vergleichbar zu sein. Greenpeace geht davon aus, daß sich die Industrienationen in Zukunft die Frage nach dem "Wieviel" stellen und sich am Prinzip "Genug" orientieren müssen: das heißt, ein begrenzter Konsum pro Kopf und eine Industrie, die nicht mehr auf unbegrenztes Wachstum setzt. Ein anhaltendes Wirtschaften in Richtung Grenzen verfügbarer Ressourcen brächte irgendwann ähnliche politische und militärische Konflikte um Edelmetalle, Wasser oder Holz wie sie schon heute um Öl toben. Auch die wachsende Weltbevölkerung, die das Szenario zugrundelegt, hat langfristig entscheidenden Einfluß auf den Energie- bzw. Rohstoffverbrauch insgesamt. Aber selbst auf der Basis der konservativen Annahmen des Szenarios ist an dem Ergebnis nicht zu rütteln: Die Welt kann in Zukunft ohne fossile Brennstoffe und Atomenergie auskommen. Der Einsatz fossiler Brennstoffe für weitere hundert Jahre, wie die Studie ihn vorsieht, birgt allerdings Gefahren. Eine ernsthafte Beeinträchtigung des Klimas und der Ökosysteme der Erde ist nicht mit Sicherheit auszuschließen. Mit dem vorliegenden Szenario kann lediglich die schlimmstmögliche Entwicklung verhindert werden. Die Auswirkungen eines globalen Temperaturanstiegs sind jedoch kaum kalkulierbar. Das sollte Grund genug sein, Vorsorge zu treffen und die CO2-Emissionen noch scheller als hier vorgesehen zu drosseln. Die Studie offenbart darüberhinaus, daß technikorientierte Antworten mittel- und langfristig nicht mehr greifen werden und die Diskussion um Klimaschutz, bzw. Ökologie allgemein eine neue Qualität erhalten müssen. Dazu gehören Überlegungen zur Eingrenzung des Bevölkerungswachstums, zur Gestaltung eines fairen Nord-Süd-Verhältnisses und zu einem Wandel des Lebensstils in den Industrienationen. In diesem Sinne liefert die Studie Bausteine zu einer globalen Erdschutzpolitik. Bilanz der Energieverschwendung Die Plünderung der Energieressourcen Mehr als 400 Millionen Jahre vergingen, bis durch chemische Umwandlungsprozesse und Photosynthese aus organischen "Abfällen" der Natur die fossilen Bodenschätze der Erde entstanden. Heute verbrennt die Menschheit an einem Tag mehr fossile Energie als sich in tausend Jahren Erdgeschichte gebildet haben. Seit Beginn der industriellen Revolution kletterte der Energieverbrauch stetig. Im Zeitraum von 1860 bis 1985 stieg er um das 60fache. Zwischen 1970 und 1990 wurde die unglaubliche Menge von 450 Milliarden Barrel (1 Barrel = 119,228 Liter) Erdöl, 90 Milliarden Tonnen Kohle und 31 Billionen Kubikmeter Erdgas verbrannt. Der Zugriff auf die Ressourcen ist höchst ungleich verteilt: 72 Prozent der Energie wird von den Industrienationen - das sind ein Viertel der Weltbevölkerung - beansprucht. Ein Europäer verbraucht beispielsweise durchschnittlich 10 bis 30 mal mehr kommerziell gelieferte Energie als ein Bewohner des Landes der "Dritten Welt"; die Nordamerikaner bringen es auf das 40fache. Damit emittieren die Bewohner des Nordens 80 Prozent aller Treibhausgase, die die Erde künstlich aufheizen. Temperaturanstieg ohne gleichen Im vergangenen Jahrzehnt sind zahlreiche Studien über die Zukunft von Energiewirtschaft und Klima erschienen - mit düsteren Vorhersagen: Trotz Treibhauseffekts ist in den kommenden vierzig Jahren mindestens mit einer Verdoppelung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und mit einem noch stärkeren Ausbau der Atomenergie zu rechnen – wenn die Menschen mit der Verschwendung fortfahren. Das belegen Szenarien vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) beziehungsweise von der amerikanischen Environmental Protection Agency (USEPA): Nach beiden Modellen erhöht sich der Verbrauch fossiler Brennstoffe bis zum Jahr 2030 um mehr als das Doppelte. Die Kohlendioxidemissionen würden sich bis zum Jahr 2030 weltweit verdoppeln und bis 2100 um 350 bis 450 Prozent erhöhen. Inwieweit sich als Folge hiervon der CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöht, ist von mehreren Faktoren abhängig, z.B. davon, wieviel CO2 in den Ozeanen oder der Vegetation gespeichert wird, wie schnell die Zerstörung der Regenwälder voranschreitet und welche anderen Effekte hinzukommen (s.Rückkopplungseffekte). Die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages geht davon aus, daß sich der CO2Gehalt in der Atmosphäre bei Fortführung der bisherigen Energiepolitik bis zum Jahr 2025 verdoppeln wird.4 Andere Autoren sagen eine Verdoppelung bis zum Jahr 2060 voraus.5 Dies bedeutete nach Einschätzung der Autoren des "Fossil free energy scenario" (FFES) bis zum Jahr 2100 einen in der Geschichte beispiellosen globalen Temperaturanstieg um vier Grad Celsius, evtl. sogar mehr. Die Folgen für das Klima wären fatal: Auch wenn die Prognosen im Detail variieren, teilen alle Wissenschaftler die Aussage, daß mit einem Temperaturanstieg zu rechnen ist, der höher ist als alle Temperaturschwankungen in den letzten 10.000 Jahren. Was würde ein erhöhter Verbrauch von fossilen Brennstoffen in Zukunft bedeuten? Er hätte nicht nur katastrophale Folgen für das Klima. Hinzu käme ein ungeheurer, mit der Deckung des zusätzlichen Energiebedarfs verbundener technischer und finanzieller Aufwand. Nötig wären: - Die Inbetriebnahme eines 1000-MW-Kohlekraftwerks alle zwei Tage Die Verdoppelung der Ölförderung in OPEC-Ländern Die Erschliessung neuer Ölfelder in der Größe des 672 Kilometer großen Feldes von Prudhoe Bay in Alaska alle ein bis zwei Monate Der Bau eines neuen Atomkraftwerks alle sechs bis acht Wochen Nach Schätzungen des IPCC und der USEPA6 müßten in den nächsten dreißig Jahren allein für Kraftwerke weltweit 7.785 Milliarden Dollar hingeblättert werden. Das World Energy Council (1993) beziffert den Kapitalbedarf für den weltweiten Ausbau der Energieversorgung bis 2020 auf ca. 30.000 Milliarden Dollar. Grenzen der Ausbeutung: das Problem Entsorgung Die Erde und ihre Bewohner stehen in einem Kreislauf gegenseitiger Abhängigkeit zueinander: Der Mensch entnimmt der Erde Rohstoffe und Ressourcen und "entsorgt" diese später als Wärme, Müll oder Luftschadstoffe. Die Mengen dieses Rohstoff- und Energieflusses sind begrenzt. Ein limitierender Faktor ist, daß die nutzbaren Rohstoffvorkommen irgendwann zur Neige gehen. Die eigentliche Begrenzung stellt jedoch das Problem der Entsorgung dar. Beispiel Müll: Schon heute versinken die Industrienationen im Müll und bürden anderen ändern - vorzugsweise des Südens - in Form von Müllexporten die Lasten ihres verschwenderischen Lebensstils auf. Der weltweite Atommüllberg wächst ebenfalls stetig, aber noch immer gibt es weltweit kein Endlager für die radioaktive Erblast dieser gefährlichen Technologie. Die Frage ist auch nicht, wann die fossilen Energieträger erschöpft sein werden, sondern wie lange das Ökosystem noch Kapazitäten hat, Schadstoffe zu "entsorgen". Entsprechend international anerkannter Strategien zum Schutz des Klimas dürfen bis zum Jahr 2100 weltweit nur noch ca. 300 Milliarden Tonnen Kohlenstoff freigesetzt werden, wenn der Klimakollaps verhindert werden soll. Die fossilen Brennstoffe dieses Planeten würden jedoch ausreichen, um 5000 bis 10 000 Milliarden Tonnen in die Luft zu blasen. Jede Energienutzung ist zudem an Rohstoffverbrauch gekoppelt; dabei entstehen weitere Abfallprodukte, die die Umwelt belasten. Eine intelligente Energienutzung wäre auch ein Beitrag zur Entschärfung des Müllproblems. Ein weiteres Argument gegen die sorglose Plünderung der Ressourcen ist die zunehmende Abhängigkeit vieler Länder vom teuren Import fossiler Brennstoffe, insbesondere von Erdöl. Diese Abhängigkeit führt zur Konkurrenz um knappe Energieträger und zu internationalen Spannungen. Für die Volkswirtschaften zahlreicher Länder des Südens ist die finanzielle Belastung durch horrende Energieausgaben schon heute untragbar. Klima in Gefahr Der natürliche Treibhauseffekt Seit Millionen Jahren sorgt der natürliche Treibhauseffekt für eine ausgeglichene Temperatur der Erdatmosphäre. Wie die Glasscheiben eines Treibhauses lassen die Treibhausgase (Kohlendioxid, Wasserdampf, Ozon, Lachgas und Methan) die Sonnenstrahlung passieren und halten die reflektierte Wärme in Nähe der Erdoberfläche fest. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt herrschten auf der Erde durchschnittlich minus 20 Grad Celsius, und damit wäre sie unbewohnbar. Ein in Millionen Jahren entstandenes, komplexes System ineinandergreifender biologischer und hydrologischer Regelkreise sorgt für ein stabiles Gleichgewicht der Treibhausgase. So nehmen beispielsweise Pflanzen Kohlendioxid auf und geben es bei ihrer Verwitterung wieder an die Umwelt ab. In den vergangenen 160.000 Jahren erlebte die Erde bislang zwei Perioden, in denen die mittlere, globale Temperatur um fünf Grad Celsius unter dem heutigen Mittelwert lag. In diesen Eiszeiten lag Nordeuropa unter meterdicken Schnee- und Eismassen begraben. Diese Entwicklungen vollzogen sich allerdings sehr langsam: Tausend Jahre dauerte es, bis die Erde sich nach einer Eiszeit wieder auf "normale" Temperaturen erwärmte. Der künstliche Treibhauseffekt Je mehr Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen, desto mehr Wärme wird in ihnen festgehalten. Mit einem Anteil von 50 Prozent am menschengemachten Treibhauseffekt ist Kohlendioxid (CO2) der Klimakiller Nummer eins; jährlich etwa 22 Milliarden Tonnen heizen das Klima auf. Hinzu kommen andere Treibhausgase wie FCKW (17 Prozent), Methan (13 Prozent), Ozon (7 Prozent) und Lachgas (5 Prozent). Mehr als 100.000 Jahre lang überstieg die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre nie 0,028 Prozent oder 280 ppm (parts per million = Teile je Millionen Teile Luft). In nur einem Jahrhundert dagegen, vom Beginn der industriellen Revolution bis heute, ist die Konzentration des Kohlendioxids auf 357 ppm (= Teile je Millionen Teile Luft) angestiegen. Wenn die Menschen am verschwenderischen Lebensstil festhalten, wird die CO2-Konzentration in weniger als fünfzig Jahren 600 ppm erreichen. Klimatologen sagen für diesen Fall einen so rasanten, globalen Temperaturanstieg voraus, wie ihn die Menschheit noch nicht erlebt hat. Katastrophe als Dauerzustand? Wenn die Durchschnittstemperaturen weiter so rapide ansteigen, steht dem Planeten Erde eine nicht rückgängig zu machende Klimaveränderung ins Haus. Die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für die Jahre 1990 und 1992 nennen einige der möglichen Auswirkungen einer schnellen Erwärmung der Erde: - veränderte Niederschlagsverhältnisse und Ausdehnung von Dürregebieten - Verlust riesiger Landstriche aufgrund des anschwellenden Meeresspiegels und der Ausdehnung der Meere - schwierigere oder nicht mehr gewährleistete Wasserversorgung in manchen Teilen der Welt weitgehende Beeinträchtigung der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei - ernsthafte Gesundheitsschädigung des Menschen - Aussterben zahlreicher Pflanzen- und Tierarten. Die natürlichen Ökosysteme rund um die Welt wären nicht in der Lage, sich an den raschen Temperaturanstieg anzupassen. Auf der Nordhalbkugel wäre damit beispielsweise das Absterben riesiger Wälder verbunden, da die Flora und Fauna kontinentales, kaltgemäßigtes Klima (boreal) benötigt. Hurrikans in den Tropen und Orkane in gemäßigten Klimazonen wie Europa werden sich häufen und heftiger werden, ein Phänomen, das schon heute zu beobachten ist. Millionen von Menschen müßten aufgrund des steigenden Meeresspiegels, in Folge von Überschwemmungen oder Wüstenbildung ihre Heimat verlassen und zu Umweltflüchtlingen werden. In Bangladesh würden vermutlich die ertragreichsten landwirtschaftlichen Nutzflächen überflutet, während im Mittelmeerraum mit großer Dürre und Wasserknappheit zu rechnen wäre. Unberechenbar: die Rückkopplungen Die Realität könnte diese Prognosen sogar noch übertreffen. Der IPCC hat darauf hingewiesen, daß einige Faktoren unzureichend in die Berechnungen eingeflossen sind: Beispiel Ozeane: Ein beträchtlicher Teil des CO2 aus der Luft wird von den Ozeanen aufgenommen und von ihnen gelöst (wie Kohlensäure im Mineralwasser). Der Treibhauseffekt bewirkt auch eine Erwärmung der Ozeane, so daß diese weniger CO2 aufnehmen. Dadurch gelangt mehr CO2 in die Atmosphäre, der Treibhauseffekt verstärkt sich, es wird noch wärmer. Dieses wird im Fachjargon als "positive Rückkopplung" bezeichnet; die Auswirkungen sind negativ. Beispiel Methan: Wenn sich Dauerfrostboden und Tundra durch den Treibhauseffekt erwärmen, können sie enorme Mengen an Methan freigeben. Im Vergleich zum heutigen Methangehalt in der Atmosphäre sind die noch schlummernden, natürlichen Vorkommen dieses Gases gewaltig. Das entweichende Methan würde den Treibhauseffekt verschärfen und eine weitere, verhängnisvolle positive Rückkopplung in Gang setzen. Beide Mechanismen könnten den Treibhauseffekt explosionsartig beschleunigen und intensivieren. Es gibt auch negative Rückkopplungsmechanismen, die den Treibhauseffekt abschwächen könnten. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang beispielsweise der Einfluß von Wolken, Wasserdampf oder Gletschern. Doch selbst wenn negative Rückkopplungen den Treibhauseffekt eindämmen, umkehren werden sie ihn nicht. Die globale Erwärmung: Indizien Die Enquête-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages schreibt 1992: "Beobachtungen innerhalb der letzten 30 bis 50 Jahre weisen eindeutig auf eine beginnende Umstellung des globalen Klimas hin". 7 Indizien für eine beginnende Erwärmung der Erde: - Die sieben wärmsten Jahre, die seit 1860 verzeichnet wurden, fielen ins letzte Jahrzehnt, wobei die Jahre 1990 und 1991 die höchsten Temperaturmittelwerte aufwiesen. - Die Verdunstung über den tropischen Mee-ren hat zwischen 1949 und 1989 um 16 Prozent zugenommen. - Die Oberflächentemperaturen der tropischen Ozeane sind zwischen 1949 und 1989 um 0,5 Grad gestiegen. - Das rasch fortschreitende Ausbleichen der Korallenriffe, die sehr empfindlich auf Schwankungen der Wassertemperatur reagieren, ist ein trauriges Indiz für den beginnenden Temperaturanstieg: Die Korallen stoßen in Folge der Erwärmung des Wassers ihre Symbiosepartner, die Braunalgen, ab. Die Algen bleichen aus und sterben innerhalb weniger Monate. - In den letzten 20 Jahren ist die Winddynamik um etwa 40 Prozent angestiegen. In den Tropen haben die Windgeschwindigkeiten um 20 Prozent und in den mittleren Breiten um 15 Prozent zugenommen. In wenigen Jahren (1988 bis 1992) traten gleich drei Hurrikane auf. - Die Gebirgsgletscher schmelzen ab. Seit 1950 haben die Gletscher in den Alpen etwa die Hälfe ihrer Eismassen verloren. - Der Meeresspiegel ist in den letzten hundert Jahren um 10 bis 20 Zentimeter angestiegen. Eskalierende Kosten jüngster Naturkatastrophen: OKT. 1987 NW-Europa Unbenannter Sturm $2,5 Mrd. SEPT.198 USA Hurrikan Hugo $5,8 Mrd. JAN. 1990 NW-Europa Orkan Daria $4,6 Mrd. FEB. 1990 NW-Europa Orkan Herta $1,3 Mrd. FEB. 1990 NW-Europa Orkan Vivian $3,2 Mrd. FEB. 1990 NW-Europa Orkan Wibke $1,3 Mrd. JULI 1990 USA Stürme in Colorado $1,0 Mrd. SEPT.1991 JAPAN Taifun Mireille $4,8 Mrd. AUG. 1992 US Hurrikan Andrew $20 Mrd. AUG. 1992 USA Wirbelsturm Iniki $1,4 Mrd. Die Versicherungen schlagen Alarm: Die Leistungsansprüche und Zahlungen im Zusammenhang mit extremen Wetterlagen sind innerhalb der letzten 25 Jahre weltweit steil angestiegen. Umwelt in Gefahr Erst sterben die Wälder... Der Treibhauseffekt mit drohender Klimaänderung ist nur eine einzige Folge der verfehlten Energiepolitk. Die "moderne" Art der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen verursacht aber noch andere beachtliche Schäden. Fast 170 Millionen Tonnen Schwefel und Stickoxide werden aus Kraftwerken, Autos und aus anderen Quellen jährlich in die Luft geschleudert. Die Säureablagerung und die damit verbundene Verschmutzung führen zu Waldsterben, Umkippen von Seen und zu Erkrankungen der menschlichen Atmungsorgane. Allein in Deutschland werden die Kosten des Waldsterbens auf jährlich neun Milliarden DM geschätzt. Und die Giftkonzentrationen steigen immer weiter. Bereinigt wurde alleine die Sprache: "Waldsterben" heißt heute "Waldschäden", der jährliche "Waldschadensbericht" mutierte zum "Waldzustandsbericht", als ob das Sterben der Wälder ein ganz normaler Zustand wäre. Umweltverschmutzer Auto Es gibt 680 Millionen Kraftfahrzeuge auf diesem Planeten, und jede Sekunde kommt ein weiteres hinzu. Das heißt: für zwei Neugeborene ein neues Kraftfahrzeug. Autos verschlingen mehr als die Hälfte des gesamten Erdölverbrauchs. Ein Liter Autosprit erzeugt beim Fahren 2,4 Kilogramm CO2. Die Städte ersticken in Autoabgasen, und ihre Bewohner verbringen die Zeit in Verkehrsstaus. Stickoxide aus den Abgas-"Cocktails" verwandeln sich in der Luft in "Sauren Regen", der Menschen, Wäldern und Gebäuden schadet. Aus Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen entsteht bei Sonneneinstrahlung Ozon. Dieses bodennahe Ozon (nicht zu verwechseln mit dem UV-Schutzschild der Atmosphäre) ist ein aggressives Reizgas und mitverantwortlich für Waldsterben sowie für Augen-, Rachen- und Lungenerkrankungen beim Menschen. Mexiko City überschreitet die Smoggrenzwerte der Weltgesundheitsorganisation die meiste Zeit im Jahr. Die tägliche Ölpest Zwischen 1980 und 1990 liefen in Westsibirien jährlich schätzungsweise 18 Millionen Barrel Erdöl aus und zerstörten 55.000 Quadratkilometer des empfindlichen Permafrostökosystems. 1989 strömten aus dem Tanker der Exxon Valdez vor Alaska 1,4 Millionen Barrel Öl ins Meer und verursachten ein größeres Tiersterben als jede frühere Ölpest. Vier Jahre nach dem Unfall fand man verkrüppelte Fische, hirngeschädigte Robben, unfruchtbare Vögel und tote Schwertwale. Öl ist für Flora und Fauna ein tödliches Gift; es kann sich im Fettgewebe der Tiere anlagern und chronische Schäden anrichten. Wenn es Kleinstlebewesen (Muscheln, Schnecken) zerstört, ist die gesamte marine Nahrungskette bedroht. So spektakulär die sichtbare Ölpest ist, lediglich fünf Prozent der drei bis vier Millionen Tonnen Öl, die jährlich die Ozeane vergiften, gehen auf das Konto der Havaristen. Der Hauptanteil stammt aus Schiffen, die ihre Tanks auf hoher See waschen oder aus undichten Pipelines. Atomenergie: geringer Nutzen, große Gefahren 50 Jahre hat die Industrie an der Atomenergie gebastelt und Milliarden von Dollar in diese Technologie gepumpt. Trotz allem deckt die Atomenergie nur fünf Prozent des globalen Energiebedarfs; ihre Risiken und Gefahren sind unermeßlich. Die Katastrophe von Tschernobyl verstrahlte über 100.000 Quadratkilometer Land und machte es unbewohnbar. Die Atomindustrie gibt die Anzahl der Strahlentoten allein in der Ukraine mit 6000 bis 8000 an, aber unabhängige Stellen gehen von deutlich höheren Zahlen aus. Bei den Unfallbekämpfungsmaßnahmen waren über 600.000 Katastrophenhelfer im Einsatz. Nach offiziellen Angaben kostete der Unfall die Sowjetunion von 1986 bis 1989 insgesamt 9,2 Milliarden Rubel (das sind nach alter Berechnungsgrundlage umgerechnet 200 Milliarden Mark). In der Bundesrepublik gab es im Zeitraum 1990 bis 1992 691 "meldepflichtige Ereignisse" (Behördendeutsch für "Störfälle"). Diese Zahl läßt ahnen, wieviele "Ereignisse" es weltweit gegeben haben mag. Wiederaufarbeitung und "Entsorgung" von atomarem Abfall sind gefährlich, teuer und nutzlos; die Entsorgung ist noch heute ungeklärt. Boden aus der Nähe der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Sellafield, England, ist so verstrahlt, daß er 34.000 mal soviel Plutonium enthält wie deutscher Ackerboden. In WAAs wie Sellafield oder dem französischen La Hague funktioniert die "Abfallbehandlung" nicht nach Plan. Die Anlagen werden daher zu Zwischenlagern für in- und ausländischen Atommüll. Die Entsorgung radioaktiven Mülls ist 50 Jahre nach Einführung der Atomenergie ungelöst. Das hindert die Industrie jedoch nicht daran, Jahr für Jahr weltweit 150.000 Kubikmeter kontamimierte Abfälle wie Kleidung, Werkzeuge, Flüssigkeiten etc. zu produzieren; dazu kommen noch pro Jahr 10.000 Tonnen abgebrannte Brennelemente. Bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts werden schätzungsweise 450.000 Tonnen abgebrannter Brennelemente anfallen. Bislang wurden weltweit nahezu 900 Tonnen Plutonium produziert - für eine Atomwaffe reichen sieben bis neun Kilogramm. Überhaupt ist der Gedanke einer "friedlichen" Nutzung der Atomkraft reine Fiktion: In einer 1990 erschienen Studie der amerikanischen Carnegie Friedensstiftung heißt es: Ohne die Hilfe westdeutscher Firmen "wäre Pakistan heute nicht in der Lage, Atomwaffen zu produzieren, wäre Indiens nukleares Potential weitaus kleiner und besäßen weder Argentinien noch Brasilien die Fähigkeit zur Herstellung spaltbaren Materials". Greenpeace-Szenario Das Greenpeace-Szenario und seine Prämissen Die zentrale Frage der Studie lautet: Ist ein stufenweiser, weltweiter Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und der Atomenergie in einem vorgegebenen Zeitrahmen (bis zum Jahr 2100) ökonomisch und technisch machbar? Kann auf diese Weise die Erwärmung der Erde eingedämmt werden? Die vorliegende Studie richtet sich vor allem auf Treibhausgase, die durch die Energienutzung emittiert werden, allen voran das Kohlendioxid. Die Emission anderer Treibhausgase wurde in dem FFES in Anlehnung an bestehende Beschlüsse (Montrealer Protokoll zu FCKW) oder auf der Basis von Untersuchungen zu Methan (CH4) oder Lachgas (N2O) (Studien der US Environmental Protection Agency, USEPA) berücksichtigt. Quellen und Modelle Das für Greenpeace erarbeitete alternative Energieszenario (FFES) verbindet im wesentlichen drei erprobte Computermodelle miteinander. Diese analysieren die Entwicklung des Energieverbrauchs, seine Auswirkung auf das Klima und die wirtschaftlichen Aspekte. Das "Stockholm Environment Institut" und der Berater Paul Waide prüften mehr als hundert Berichte über Energie- und Klimaszenarien aus den letzten Jahren. So konnten die neuesten Daten zu erneuerbaren Energiequellen (z.B. Biomasse), zu fossilen Brennstoffen und die renommierten Klimamodelle (IPCC 1990 und 1992) einfließen. Zudem nahmen die Verfasser eine detaillierte Analyse des Transportsektors vor. Durch Änderung der Annahmen (z.B. geringeres Wirtschaftswachstum, langsamere Bevölkerungsentwicklung) entwarfen die Autoren verschiedene Varianten des FFES. Die Welt wurde in zehn Zonen unterteilt, um die Vergleichbarkeit der Modellrechnungen mit anderen Untersuchungen zu gewährleisten. Die drei Computermodelle 1. LEAP (Longrange Energy Alternative Planning = Langfristige Alternative Energieplanung) ist ein Modell des globalen Energieendverbrauchs, das sich seit zehn Jahren bewährt hat (z.B. beim "Kenya Fuelwood Project, 1980-82"). LEAP ist mit einer internationalen Umweltdatenbank (Environmental Data Base) verbunden und wurde für die Schätzung künftiger Treibhausgasemissionen verwendet. Das Modell bewertet den regionalen und weltweiten Energieverbrauch nach Sektoren sowie Fragen zu Energieressourcen und Technologien. 2. STUGE (= Sealevel and Temperature Change Under the Greenhouse Effect) ist ein Klimamodell des Fachbereichs Klimaforschung der britischen University of East Anglia. Es befaßt sich mit Veränderungen des Meeresspiegels und des Klimas. Mit Hilfe dieses vom IPCC anerkannten Modells konnten Klimaziele entwickelt und die klimatischen Auswirkungen des FFES in seinen verschiedenen Varianten beurteilt werden. 3. ASF (= Atmospheric Stabilisation Framework) ist ein Klimamodell der US Environmental Protection Agenca (USEPA). Es setzt die Rahmenbedingungen für eine Stabilisierung des Klimas. Dieses Modell diente dazu, die Ergebnisse von STUGE zu überprüfen und Kostenfaktoren zu berechnen. Die Analysen zum Energiesektor basieren auf dem häufig verwendeten makroökonomischen Edmonds-Reilly-Modell (ER), welches Preis- und Einkommensfaktoren in stärkerem Maße als LEAP berücksichtigt. Zusammen mit den LEAP-Ergebnissen konnten so zusätzliche Kostendaten in das Projekt integriert werden. Keine technologische Revolution auf dem Energiesektor Bei der Energieeinsparung und den erneuerbaren Energien wird auf bekannte und ausgereifte Techniken zurückgegriffen. Rasante Technologiesprünge sind nicht vorgesehen. Überholte Geräte und Apparate müssen durch energiesparende Ausrüstungen ausgetauscht werden, stillgelegte Kraftwerke auf der Basis fossiler Brennstoffe werden zunehmend durch Systeme auf der Grundlage erneuerbarer Energien ersetzt. Effizienztechnologien und alternative Energiequellen werden jedoch erst dann installiert, wenn sie - verglichen mit herkömmlichen Energieträgern - rentabel sind. Energieintensive Produktionen wie z.B. Stahl oder Zement werden teilweise durch innovative Materialien (z.B. Keramik, Verbundwerkstoffe) ausgetauscht. Konkret soll dies z.B. innerhalb des neuen Forschungszentrums der Daimler Benz AG erfolgen: Ventile, Pleuel und Kolben aus Siliziumnitrid könnten das Gewicht von Motoren drastisch reduzieren. Untersucht werden sollen auch neue Materialien und Sandwichbauweisen für den Leichtbau. Die Studie klammert aus: Die Gewinnung von Energie aus Gezeitenkraftwerken, die Nutzung von Erdwärme durch die "Hot-Dry-Rock-Technik" und Müllverbrennungsanlagen. Der Ansatz ist damit konservativ, d.h. nur moderate Veränderungen des technologischen Status quo werden angepeilt. Ein technischer Durchbruch würde den Umbau des Energiesystems beschleunigen und qualitativ verbessern. So könnten beispielsweise fortschrittliche "Zwei-Photon"- Leuchtschichten und elektrodenlose Lampen den Energiebedarf für Beleuchtung noch um die Hälfte des im Szenario errechneten Wertes verringern. Energiesparen als Quelle der Zukunft Die wichtigste Energiequelle der Zukunft ist das Energiesparen, und so ist die Energieeffizienz der Schlüssel zum FFES. Effizient ist die Nutzung von Energie, wenn mit wenig Einsatz von Ressourcen ein maximaler Nutzen erzielt wird. Das ist heutzutage nicht der Fall. Die USA erhöhten in den vergangenen hundert Jahren die Nutzungseffizienz von Energie nur um ein Prozent pro Jahr. Viele andere Länder überschritten zwischen 1973 und 1986 aufgrund staatlicher Maßnahmen und steigender Energiepreise eine Jahresrate von 2,5 Prozent. Neue steuer- und ordnungspolitische Maßnahmen sind daher für die Entwicklung intelligenter Techniken zentral. Obwohl die Nutzungseffizienz in den Jahren 1973 bis 1986 vielerorts erhöht wurde (Energiesparen in Folge des Ölpreisschocks), ist das Potential der kostendämpfenden Energieeinsparung immens und bisher kaum erschlossen. Das ist sehr erstaunlich, denn es gibt bereits erprobte Technologien für Fahrzeuge, Gebäude, Apparate und Industrieverfahren, die den Energieverbrauch bei gleicher oder verbesserter Leistung um 15 bis 85 Prozent senken könnten: hochwärmegedämmte Gebäude, die fast nicht beheizt werden müssen, Autos, die viermal weniger Kraftstoff verbrauchen und Geräte mit einem Stromverbrauch, der 90 Prozent niedriger ist als heute generell üblich. Das FFES setzt auf eine rasche Verbesserung der Energieeffizienz. Die für eine wirtschaftliche Produktionseinheit benötigte Energiemenge vermindert sich in den kommenden 20 Jahren um 40 Prozent, bis 2030 um 60 und bis 2100 um 87 Prozent. Die Energieintensität sinkt aufgrund intelligenter Nutzung und struktureller Änderungen in der Wirtschaft um durchschnittlich 2,5 Prozent jährlich in den kommenden vierzig Jahren und geht danach pro Jahr um weitere 0,5 Prozent zurück. Die Studie nimmt an, daß die Energieintensität bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu verbessern ist; danach ist eine weitere, wenn auch sehr viel langsamere Energieeinsparung um 30 Prozent zu erwarten. Bis 2030 dürften 20 Prozent der Heizwärme durch Kraft-Wärme-Kopplung geliefert werden, wobei allmählich von Erdgasbetrieb auf Biogas umgestellt wird. Erneuerbare Energien erobern den Markt "Erneuerbare Energien" verwenden die natürlichen Energieströme der Erde und tasten die endlichen Energievorräte wie fossile Brennstoffe und Atomenergie nicht an. Wenn alternative Energien vernünftig eingesetzt werden, sind sie ökologisch verträglich. Heute decken diese Energieträger, vor allem Wasserkraft und Biomasse, bereits 14 Prozent des globalen Energiebedarfs. Seit einigen Jahren sinken die Kosten für erneuerbare Energien. Zwar sind diese Energiesysteme in der Finanzierung teurer, dafür ist der Betriebsaufwand niedriger als bei Systemen auf fossiler Basis. Bei niedrigerem Zinssatz (acht Prozent oder weniger) sind Technologien für Windenergie,solarthermische Energie, Biomasseverbrennung, passive Solarenergienutzung in Gebäuden (wie z.B. in Wintergärten), Wasserkraft und Erdwärme gegenüber fossiler Energieversorgung in manchen Ländern heute schon konkurrenzfähig. In der Bundesrepublik beispielsweise erzeugt ein neues Kohle-Kraftwerk Strom zu 0,13 DM und 0,16 DM pro Kilowattstunde. Eine Kilowattstunde aus einer modernen Windkraftanlage ist für 0,14 DM zu haben. In abgelegenen Gebieten ist Elektrizität aus Solarzellen schon jetzt günstiger als Dieselstrom; sie dürfte sich bis 2010/2015 als kostengünstige Alternative zu herkömmlicher Energie aus fossilen Kraftwerken erweisen. Weltweit sind die Preise für erneuerbare Energiequellen gefallen. Binnen eines Jahrzehnts ist Elektrizität aus Windenergie in den USA und Dänemark um 70 Prozent billiger geworden. Die Kosten für solarthermische Energie sind seit 1980 um 75 Prozent gesunken und werden sich bis zum Jahr 2000 um weitere 25 Prozent reduzieren. Wenn die Anlagen und technischen Geräte in Massenproduktion gefertigt würden, könnte der Preis für Strom aus Solarzellen um 75 Prozent gesenkt werden. Heute kostet eine Kilowattstunde 1,30 DM bis 3,50 DM pro Kilowattstunde, dann würde der Kunde weniger als 0,50 DM bezahlen.11 Aus Analysen verschiedener Forschungsinstitute ergibt sich, daß erneuerbare Energien in zwanzig bis dreißig Jahren mit fossilen Brennstoffen im Preis konkurrieren können. Die Studie projektiert einen anfänglich bescheidenen Beitrag der direkten Nutzung der Sonnenenergie zur Heizkraft: im Jahr 2100 maximal 20 Prozent in den sonnigsten Regionen, im Jahr 2030 schon 10 Prozent. Es wird angenommen, daß mehr Strom erzeugt wird und die Elektrizität im Jahr 2100 vor allem durch den Einsatz von Elektrowärmepumpen der wichtigste Energieträger sein wird. Eine kurzfristige Verwendung von Biomasse hängt von der schnellen Verbreitung ökologischer Landbaumethoden ab. Das bedeutet jedoch nicht, daß weiter im gegenwärtigen Umfang und Tempo Wälder abgeholzt und intensive Monokulturen betrieben werden. Biomasse und Wasserstoff decken den Großteil des restlichen Bedarfs. Die Industrie spart Energie Der Industriesektor gliedert sich in die sechs Sektoren Eisen und Stahl, Nichteisenmetalle, Nichtmetallische Minerale, Papier und Zellstoff, Chemie sowie restliche Industrie (z.B. Nahrungsmittel-, Textil-, Maschinen- und Montanindustrie). In den Industrienationen ist mit einer rückläufigen oder gleichbleibenden Grundstoffproduktion zu rechnen, während diese Industriezweige in den südlichen Erdteilen expandieren. Die Eisen- und Stahlproduktion verschlingt gegenwärtig 27 Prozent der gesamten Energie im Industriesektor. Verbesserte Verfahren wie die Umstellung von Sauerstoff-Aufblas-Konvertern auf Lichtbogenöfen würde die Effizienz auf 7,4 Gigajoule Energie pro Tonne Stahl erhöhen. Damit verdoppelt sich die Energieeffizienz in den besten Hütten; in vielen Werken in China und Indien kann sie sich sogar versiebenfachen. Die Papierherstellung verschlingt fünf Prozent des gesamten industriellen Energieverbrauchs. Verbesserungen in der allgemeinen Betriebsüberwachung, der Wärmerückgewinnung und Abfallverwendung, ein verminderter Wasserverbrauch und Techniken wie Sauerstoffbleichen können bis zum Jahr 2030 zu Effizienzgewinnen von 30 Prozent führen. Das Szenario geht davon aus, daß alle zehn Weltregionen sich im projektierten Zeitraum in den wirtschaftlichen Aktivitäten angleichen. Diese Entwicklung wird von umfangreichen Einsparungen im Energiesektor begleitet. Zum Energiesparen gehören: modernste Kraft-Wärme-Kopplung für Raumheizung und Warmwasserbereitung, neueste Metallproduktionsverfahren, mehr Recycling (vor allem von Aluminium), Elektromotoren mit regelbarer Drehzahl und effizientere Elektroöfen. Wirtschaft und Bevölkerung wachsen Im FFES werden zu Vergleichszwecken, wie auch in zahlreichen anderen Studien, konservative Annahmen getroffen. Die Prämissen basieren auf Prognosen zur Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung, wie die Weltbank und das IPCC sie vornimmt. Danach wird sich die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 auf 11,3 Milliarden Menschen verdoppeln, die Weltwirtschaftstätigkeit wird im gleichen Zeitraum um 1400 Prozent ansteigen. Die nördlichen Länder halten an ihrem konsumorientierten Produktions- und Lebensstil fest, andere Länder übernehmen das Wirtschaftssystem der Industriegesellschaften. Eine erhöhte Beanspruchung der Ressourcen und Belastung der Umwelt (Wälder, Trinkwasser, Ackerland) ginge damit einher. Die Haushalte: gleicher Komfort, weniger Energie In vielen Industrienationen können bei der Raumheizung bis zu 90 Prozent Energie eingespart werden - bei gleichem Komfort. Notwendig ist die Kombination starker Wärmedämmung, optimaler Regelung sowie effiziente Geräte und Heizungsanlagen, bzw. die Installation von Fernheizungssystemen. Bei der Warmwasserbereitung besteht ein großes Potential, Energie einzusparen und die Kohlenstoffemissionen zu drosseln, z.B. über Solarwarmwasserbereitern. Je nach Region und Technologie kann die Effizienz um 40 bis 300 Prozent erhöht werden. Die Effizienz von Gasherden wäre um 46 Prozent, die von Elektroherden um 33 Prozent zu steigern. In Kenia, Burkina Faso und Niger waren Programme für eine bessere Energienutzung beim Kochen erfolgreich. Das FFES nimmt an, daß die Anzahl der Personen pro Haushalt weltweit sinkt, damit wächst die Anzahl der Haushalte schneller als die Bevölkerung; Urbanisierung und Elektrifizierung schreiten voran. Die Haushalte erhöhen die Effizienz und stellen auf andere Energiequellen um. Die Tage energieintensiver Dienstleistungen und Geräte sind weltweit gezählt. Dieses ist ein Schlüsselfaktor der Energiebedarfsprojektionen im Haushaltsektor. Das FFES rechnet damit, daß bis zum Jahr 2100 weltweit eine Standardreihe von hochleistungsfähigen Elektrogeräten verfügbar ist. Der Energieaufwand für Heizung und Kühlung verringert sich durch verbesserte Gebäudeisolation, Wärmedämmung, passive Sonnenenergienutzung und Fernheizung in gemäßigten Klimazonen. Warmwasserbereitung mit Sonnenenergie und zunehmende Energieschöpfung aus Sonnenwärme und Biomasse folgen zu einem späteren Zeitraum. Die Sonnenenergie liefert je nach Region neun bis 36 Prozent der Energie für die Warmwasserbereitung. Das FFES nimmt an, daß in südlichen Ländern der Energieverbrauch pro Haushalt zunimmt, da die Einkommen steigen und die Nachfrage wächst. Die effizientere Energienutzung wird hier durch größere Wohnflächen und höheren Komfort ausgeglichen, so daß kaum Energie einzusparen ist. Transport und Verkehr: Vier Szenarien Die FFES-Analyse des Transportsektors konzentriert sich in erster Linie auf PKW, Lieferwagen, Motorräder und LKW. Dagegen bleiben Eisenbahn/Straßenbahn, Schiffs- und Flugverkehr ausgeklammert. Der Anteil dieser Sektoren am Gesamtenergieverbrauch im Bereich Verkehr betrug 1990 etwa 30 Prozent. Heute fahren weltweit 680 Millionen Fahrzeuge umher (430 Millionen PKW, 110 Millionen Lieferwagen, 110 Millionen Motorfahrräder und 30 Millionen Schwerlastwagen). Wenn die Verkehrsspirale sich weiter dreht, sind es im Jahr 2030 1.620 Millionen Kraftfahrzeuge; bis 2100 wächst ihre Zahl dann auf stattliche 4.930 Millionen an. Mike Walsh erarbeitete vier Szenarien: ein Modell, das den Status quo unverändert läßt, und drei Szenarien, die jeweils die Auswirkungen von verschiedenen Technologien und politischen Maßnahmen auf den Energieverbrauch im Verkehrssektor beleuchten. Zu diesen Maßnahmen zählen: - Effiziente Energienutzung (sparsamere Autos) - Verbesserte Technologien zur Emissionsreduktion - Kontrollierte Zulassung von Straßenfahrzeugen - Einführung nichtfossiler Kraftstoffe im Transportsektor Szenario 1 präsentiert die Folgen für den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen, wenn wir weitermachen wie bisher. Die zwei Übergangsszenarien beschreiben die Konsequenzen für den Fall, daß Energie besser genutzt und Emissionen reduziert werden (Szenario 2) und für den Fall, daß zusätzlich die Anzahl von Fahrzeugen beschränkt wird (Szenario 3). Szenario 4 berücksichtigt außer den Parametern 1-3 die Einführung nichtfossiler Kraftstoffe. Dieses Szenario wurde in das Hauptprogramm LEAP integriert. Der Benzinverbrauch für den weltweiten Fahrzeugpark verringert sich: von einem Verbrauch von 8,4 bis 7,3 Liter bei 100 Kilometern pro Stunde heute auf 4,2 bis 3,6 Liter bis zum Jahr 2030. (Auch diese Annahme ist moderat, denn es gibt schon jetzt Modelle, die 2,5 Liter verbrauchen). Die Gesamtanzahl der Kraftfahrzeuge steigt bis 2010 auf maximal 960 Millionen auf, 1.150 Millionen im Jahr 2030 und auf 1.600 Millionen im Jahr 2100. Alternative Kraftstoffe kommen auf den Markt, und solarelektrische und Solar-Wasserstoff-Systeme werden zwischen 2015 und 2020 konkurrenzfähig. Sie decken im Jahr 2030 etwa 30 Prozent und im Jahr 2100 schon 80 Prozent des Spritverbrauchs für Kraftfahrzeuge. Dienstleistungen: riesiges Sparpotential In Gebäuden des Dienstleistungssektors besteht ein großes Energiesparpotential, da Energie für Beleuchtung, Raumheizung und Kochen viel effizienter als bisher eingesetzt werden kann. In den USA könnte der Energieverbrauch laut Angaben des Büros für Technologieabschätzung (Congressional Office of Technology Assessment) in den nächsten 25 Jahren um die Hälfte gesenkt werden. In Thailand kann bei Beleuchtung 70 Prozent Energie, bei Klimatisierung und Ventilation 33 bis 26 Prozent eingespart werden - ohne finanzielle Nachteile. Im Dienstleistungsbereich wird eine Verbesserung der Energieeffizienz um jährlich 2,5 Prozent von 1988 bis 2010 und um 1,8 Prozent von 2010 bis 2030 angenommen. Daraus ergibt sich, alle Regionen zusammengefaßt, bis 2030 eine 60prozentige Einsparung von Energie. Ziele Die Ziele des alternativen Energieszenarios Das Szenario hatte ein zukünftiges Energiesystem zu entwerfen, das die folgenden Vorgaben erfüllt: Treibhauseffekt eindämmen Die globale Erwärmung (von der vorindustriellen Zeit bis zum Jahr 2100) muß unter zwei Grad Celsius liegen, der Temperaturanstieg je Dekade darf 0,1 Grad Celsius nicht übersteigen. Der Meeresspiegel soll sich von 1990 bis 2100 um höchstens 20 bis 50 Zentimeter erhöhen, das ist ein Anstieg um zwei bis fünf Zentimeter pro Jahrzehnt. Diese Zielvorgaben basieren auf der Studie "Targets and Indicators of Climate Change", (Report for the Advisory Group for Greenhouse Gases, AGGG; Swart, R.J., & Rijsbermann, F. R.), die 1990 im Vorfeld des IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change) erstellt wurde. Ausstieg aus fossilen Energieträgern Der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle wird stufenweise, aber konsequent vollzogen. Die Verbrennung fossiler Energieträger endet im Jahr 2100. Die Atomenergie hat keine Zukunft: Sie ist ökologisch schädlich, birgt ungeheure Sicherheitsrisiken und die Gefahr einer Proliferation von Atomwaffen. Im FFES ist der Ausstiegstermin das Jahr 2010. Erneuerbare Energien werden schrittweise eingeführt. Bestimmte Technologien wie große Wasserkraftwerke, Müllverbrennungsanlagen sowie bestimmte Aufforstungsarten kommen aus ökologischen Gründen nicht in Betracht. Globale Angleichung der Einkommen Ein Viertel der Weltbevölkerung im Norden konsumiert mehr als 70 Prozent der weltweit kommerziell bereitgestellten Energie, während dreiviertel der Weltbevölkerung (vorwiegend in "Dritte-Welt"-Ländern) mit weniger als 30 Prozent Vorlieb nehmen. Das Gefälle zwischen Arm und Reich ist ungerecht und unhaltbar. Und: Wo Armut, Hunger und Obdachlosigkeit herrschen, kann nicht ernsthaft der Schutz der Umwelt und des Klimas gefordert werden. Solange diese Ungleichheit fortgeschrieben wird, ist an eine durchgreifende Umweltpolitik nicht zu denken. Die Studie verfolgt daher das Ziel, die durchschnittliche Einkommensdifferenz zwischen den reichsten und den ärmsten Regionen der Welt von heute 14:1 auf nicht mehr als 2:1 im Jahr 2100 zu verringern. Atomausstieg jetzt Die großen Energieversorger haben die Klimagefahr entdeckt. Handeln, so verkünden sie in riesigen Anzeigen, sei das Gebot der Stunde, "damit die Erde nicht zum Treibhaus wird." Atomkraftwerke zum Schutz der Erdatmosphäre - als gebe es keine Atomkatastrophen, keine Wiederaufarbeitung, keinen ewig strahlenden Müll und keinen Plutoniumhandel. Nach 50 Jahren weltweiter Anstrengung und billionenschwerer Investitionen - allein in Deutschland waren es 12 Milliarden Mark - deckt die Atomenergie heute weniger als fünf Prozent des Primärenergiebedarfs. Atomstrom ist der teuerste und gefährlichste Weg, CO2-Emissionen zu vermeiden: Stromeinsparung, Kraft-Wärme-Kopplung und die Nutzung erneuerbarer Energien drosseln CO2, sind umweltschonend und erheblich kostengünstiger als Atomstrom. Hätten die Verantwortlichen in der deutschen Politik und Wirtschaft in den siebziger und achtziger Jahren anstatt in Atomenergie in Technologien für einen effizienten Energieeinsatz investiert, wären die CO2- Emissionen im Jahre 1987 um circa 40 Prozent niedriger gewesen. Die Atomtechnik verschlingt ungeheure Summen und blockiert alternative Entwicklungen. Der Ausstieg aus der Atomenergie würde den Weg freimachen für den Umbau des Energiesystems und zu einem wirksamen Schutz des Klimas. Ergebnisse Das alternative Energiesystem Das alternative Energieszenario zeigt, daß der gesamte Energiebedarf in Zukunft ohne fossile Brennstoffe und Atomenergie gedeckt werden kann. Dieses Resultat ist selbst mit den konservativen Annahmen, wie sie die Studie zugrundelegt, zu erzielen: daß die Wirtschaft weiter wächst, daß am Lebensstil der Industrienationen nicht gerüttelt wird und die Weltbevölkerung sich verdoppelt. Wenn die im FFES vorgeschlagenen Maßnahmen auf politischer und technischer Ebene umgesetzt werden, sind folgende Ergebnisse möglich: - Die Energieintensität13 sinkt aufgrund effizienterer Nutzung und struktureller wirtschaftlicher Änderungen um 2,5 Prozent jährlich. - Der Beitrag erneuerbarer Energien zur globalen Energieversorgung erhöht sich um 540 Prozent und deckt fast zwei Drittel des weltweiten Bedarfs bis zum Jahr 2030. - Bis zum Jahr 2005 werden die CO2-Emissionen der Industrieländer um 20 Prozent gedrosselt. Global erreicht der CO2-Ausstoß aus fossilen Brennstoffen im Jahr 2000 einen Höhepunkt und nimmt danach deutlich ab. - Bis zum Jahr 2030 sinken die CO2-Emissionen weltweit um 50 Prozent (demgegenüber steigen sie um 100 Prozent, wenn nichts unternommen wird). Ab 2100, also mit dem Ausstieg, wird kein weiteres Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen mehr emittiert. - Obwohl die CO2-Emissionen sinken, erhöht sich der Gesamtenergieverbrauch im Laufe der kommenden vierzig Jahre um 16 Prozent. - Die über den Gesamtzeitraum (1988-2100) emittierte Kohlenstoffmenge übersteigt nicht 314 Milliarden Tonnen. Effiziente Energienutzung Keine andere Option eröffnet kurz- und mittelfristig so wirksame und kostengünstige Möglichkeiten, den Treibhauseffekt zu senken wie der effiziente Einsatz von Energie. Die tatsächlich vorhandenen Einsparmöglichkeiten wurden selbst im Umfeld der Erdölkrise in den siebziger Jahren bei weitem nicht ausgeschöpft. Bei gleicher oder besserer Energiedienstleistung bestehen z.B. im Verkehrssektor, in der Industrie, in Haushalten etc. Einsparpotentiale von 15 bis 90 Prozent. Bis zum Jahr 2030 kann der durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum steigende Energiebedarf durch den Einsatz effizienter Technologien ausgeglichen werden. Eine verbesserte Energieintensität von jährlich 2,5 Prozent wird projektiert; nach 2030 sinkt diese Rate auf 0,5 Prozent. Bedingt durch anhaltendes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum steigt der Energieverbrauch nach 2030 stetig an. Bis zum Jahr 2030 wird durch den Umstieg von Kohle und Öl auf Erdgas ein wichtiger Beitrag zur Minderung der CO2- Emissionen erreicht. Dieser ist Teil einer umfassenden Strategie, die Energieeinsparungen klar den Vorrang gibt; Kohle und Öl werden nur dort durch Erdgas ersetzt, wo der Einsatz regenerativer Energien kurzfristig nicht machbar ist. Es versteht sich von selbst, daß beim Einsatz von Erdgas effizienteste Technologien (Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Brennwertkessel) verwendet werden. Da bei der Förderung und dem Transport von Erdgas Methan frei wird und die Treibhauswirksamkeit dieses Gases noch 25 mal höher ist als von CO2, ist eine effektive Minderung der Emissionen unerläßlich. Erneuerbare Energiequellen Die Weichen für den Einsatz erneuerbarer Energiequellen müssen in den nächsten Jahren gestellt werden, damit diese ab dem Jahr 2030 stärkere Verbreitung finden können. Die Erschließung der vorhandenen Energieeinsparpotentiale in den nächsten Jahrzehnten ist aus ökologischen wie ökonomischen Gründen Voraussetzung für den breiten Einsatz erneuerbarer Energien. Im Jahr 2000 decken die erneuerbaren Energiequellen etwas mehr als 20 Prozent des Gesamtenergiebedarfs, 2010 sind es bereits 26 Prozent und 2030 über 60 Prozent. Biomasse - also Holz und organische Abfälle in festem, gasförmigem oder flüssigem Zustand - und Windenergie liefern in den kommenden vierzig Jahren den größten Teil dieser Energiequellen. Bei der Biomassegewinnung werden CO2- neutrale Anbaumethoden zugrundegelegt. Nach dem Jahr 2030 nimmt der Beitrag der solarphotovoltaischen, solarthermischen Technologien und anderer Sonnenenergiesysteme, die mit Wasserstoff als Speicher- und Transportmedium arbeiten, ständig zu; der Anteil deckt im Jahre 2100 annähernd 80 Prozent des Weltenergiebedarfs. Haushalt Trotz eines weltweiten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Zahl von Haushalten und eines insgesamt höheren Elektrifizierungsgrades sinkt der Energieverbrauch der Haushalte bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts auf etwa 47 EJ (Exa Joule) und steigt bis zum Jahr 2100 auf 54 EJ, was dem Niveau von 1988 entspricht. Im Süden verdoppelt sich der Engergieverbrauch, im Norden geht er um circa 67 Prozent zurück. Transport und Verkehr: Vergleich zweier Szenarien Die CO2-Emissionen aus fossilen Kraftstoffen sinken bis 2030 um mehr als 40 Prozent und bis 2100 um 100 Prozent. Szenario 1: Alles wie gehabt Dieses Szenario geht davon aus, daß im gesamten Zeitraum keine wesentlichen politischen Maßnahmen oder technologischen Veränderungen initiiert werden. Die in einigen Regionen bereits eingeführten Maßnahmen im Verkehrssektor fließen jedoch mit ein. Darüber hinaus wurden zwei weitere Annahmen zugrunde gelegt: - Die Kraftstoffeffizienz bei PKW und Lieferwagen erhöht sich um bescheidene zwei Prozent jährlich von 1993 bis 2030. Danach bleibt der Status quo erhalten. Motorräder, Schwerlastwagen und Autobusse verbrauchen genau so viel Sprit wie heute. - Die Zahl der Kraftfahrzeuge (heute 680 Millionen) wird nicht eingeschränkt und ein weiteres Wachstum dieser Branche einkalkuliert: Im Jahr 2030 gibt es danach auf der Welt 1.620 Millionen Kraftfahrzeuge, bis 2100 wächst ihre Zahl auf 4.930 Millionen. Wenn dieses Szenario Wirklichkeit wird, steigen die CO2- Emissionen des Transportsektors bis zum Jahr 2030 um 68 Prozent, im Jahr 2100 liegen sie um 490 Prozent höher als heute. Szenario 2: Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen Die Fahrzeuge verbrauchen weniger Kraftstoff, ihre Anzahl wird beschränkt, und allmählich kommen Vehikel auf den Markt, die nicht mit fossilem Kraftstoff betrieben werden. Folgende Annahmen wurden zugrunde gelegt: - Während die Fahrzeuge heute durchschnittlich 8,4 bis 7,3 Liter auf 100 Stundenkilometer verbrauchen, sinkt der Treibstoffverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 4,2 bis 3,6 Liter. - Die Gesamtanzahl der Fahrzeuge wird auf 960 Millionen im Jahr 2010, 1.150 Millionen im Jahr 2030 und 1.600 Millionen im Jahr 2100 eingeschränkt. - Alternative Kraftstoffe kommen auf den Markt, solarelektrische und Sonnenenergie- Wasserstoff - Systeme werden zwischen 2015 und 2020 konkurrenzfähig werden. Sie decken 2030 ca.30 Prozent und 2100 ca.80 Prozent des Energieverbrauchs für Kraftfahrzeuge. Unter diesen Bedingungen sinken die CO2-Emissionen aus fossilen Kraftstoffen bis 2030 um mehr als 40 Prozent und bis 2100 um 100 Prozent. Industrie Zwei Hauptentwicklungen bestimmen den Energieverbrauch und die CO2- Emissionen: zum einen das Wachstum, der Strukturwandel im Industriebereich und innerhalb der einzelnen Sektoren, zum anderen die Frage, welche Technologien und welche Energieträger zum Einsatz kommen. Das FFES geht davon aus, daß der industrielle Energieverbrauch von 90 EJ (1988) auf 196 EJ (2.100) ansteigt - und zwar überwiegend nach 2030. Bis etwa 2030 greifen effizienzverbessernde Maßnahmen und können das globale Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum sogar überkompensieren. Der Süden wird einen ähnlichen Strukturwandel wie der Norden durchmachen: von energieintensiven Industrien hin zu energiesparsameren Dienstleistungen. Dienstleistungen In keinem anderen Bereich steigt der Sekundärenergieverbrauch so massiv an wie in diesem, wo Handel, Gesundheit, Bildung, Kommunikation und vieles mehr zusammengefaßt sind. Der Verbrauch verdreifachte sich zwischen 1988 und 2100, wobei der Strukturwandel von Schwer- und Grundstoffindustrie hin zu Dienstleistungen im Norden bereits im Gang ist. Wie in den Haushalten eröffnen sich auch im Dienstleistungsbereich immense Einsparmöglichkeiten (besonders beim Heizen, Kühlen und Beleuchten). Bei der Verwendung elektrischer Geräte (Computer, Kopierer etc) kann ebenfalls reichlich Strom eingespart werden. Untersuchungen über die USA, Thailand und die OECD-Länder weisen auf Effizienzpotentiale von 40 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2030 hin, was einer jährlichen Rate von 2,5 bis 5 Prozent entspricht. Geschütztes Klima Wenn die Maßnahmen des alternativen Energieszenarios in die Tat umgesetzt werden, verringert sich die Gefahr einer akuten Klimaveränderung wesentlich. Die Mittel sind jedoch zu schwach, um eine Klimakatastrophe ganz auszuschließen. Die nächsten 40 Jahre werden für die Zukunft des Klimas und damit für die Erde entscheidend sein. Wenn weiter sorglos CO2 in die Atmosphäre geblasen wird, wird die Erwärmung voranschreiten. Jedes Jahrzehnt des Zögerns bedeutet für unseren Planeten einen Temperaturanstieg von 0,4 Grad Celsius. Das FFES will den globalen CO2-Ausstoß binnen eines Jahrzehnts einfrieren und die Emissionen der Industrienationen bis 2005 um 20 Prozent vermindern. Wenn global die CO2- Emissionen bis zum Jahr 2030 halbiert werden und der gesamte Kohlenstoffausstoß aus fossilen Brennstoffen sich bis zum Jahr 2100 auf 314 Milliarden Tonnen einpendelt, wird sich der globale Temperaturmittelwert gegenüber der vorindustriellen Zeit noch immer um 1,5 Grad Celsius erhöhen. Allerdings verringert sich der Temperaturanstieg von heute 0,2 bis 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt auf weniger als 0,1 Grad Celsius im Jahr 2030. Erst ab 2070 beginnt die Durchschnittstemperatur zu fallen. Der Anstieg des Meeresspiegels übersteigt 22 Zentimeter nicht.Im FFES werden also die Zielvorgaben der Studie zum Schutz des Klimas erfüllt. Veränderungen für einen wirksamen Schutz des Klimas stellen sich langsam ein. Die bis heute angestoßene Temperaturerhöhung ist nicht rückgängig zu machen, riesige Schadstofffrachten sind bereits in die Atmosphäre entwichen. Mit den Maßnahmen des FFES kann der dramatische Trend jedoch aufgehalten werden. Ohne die Verwirklichung des Szenarios wird die Temperatur global um vier Prozent, der Meeresspiegel um 66 Zentimeter ansteigen - Tendenz weiter steigend. Aber auch wenn die Ratschläge des FFES befolgt werden, besteht keine Gewähr, daß Klima und Umwelt wirksamen Schutz erfahren. Dieses könnte erst durch eine noch schnellere Drosselung der CO2- Emissionen bewirkt werden als hier vorgeschlagen. Umbau des Energiesystems Maßnahmen zum Umbau des Energiesystems Die Frage, ob in Zukunft ein umweltschonendes Energiesystem eine Chance hat und ein dramatischer Klimawandel abgewendet wird, entscheidet sich auf der politischen Bühne. Die technischen Mittel für den Umbau des Energiesystems sind im wesentlichen vorhanden. Bisher brauchten neue Energieträger etwa fünfzig Jahre, bis sie zehn Prozent des Weltenergiebedarfs decken konnten. Mit den Maßnahmen des FFES können erneuerbare Energiequellen ihren Anteil an der Gesamtenergieversorgung innerhalb der nächsten vierzig Jahre von 14 Prozent auf über 60 Prozent steigern. Im gleichen Zeitraum erhöht sich die Energieeffizienz jährlich um mehr als 2,5 Prozent. Das ist keine Utopie. Bereits zwischen 1973 und 1986 wurde, ausgelöst durch die Ölkrise, in vielen Ländern Energie in gleichem Umfang und mehr eingespart; politische Maßnahmen waren Motor dieser Entwicklung. Folgende Maßnahmen führen laut FFES zum stufenweisen Umbau des Energiesystems mit der für den Schutz der Klimas erforderlichen Reduktion des CO2-Ausstoßes: - Ausstieg aus der Atomkraft - intelligente, d.h. effiziente Energienutzung - rasche Einführung ausgewählter Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen - Umstellung auf fossile Brennstoffe mit geringerem Kohlenstoffgehalt - Stopp der Abholzung und ökologisch tragbare Aufforstungsmaßnahmen (zur Aufnahme von überschüssigem Kohlenstoff) Zur Umsetzung solcher Schritte sind weitreichende politische Maßnahmen erforderlich. Die Politik muß sich in den kommenden Jahrzehnten in all jenen Bereichen umorientieren, in denen das neue Energiesystem gefördert und die Tradition der Verschwendung beendet werden kann. Dazu gehören: - Preispolitik - Energiemarkt - Forschung und Entwicklung - Transport und Verkehr - Das Nord-Süd-Gefälle - Internationale Abkommen - Internationale Energieagenturen Die Entwicklung dieser neuen Politik würde durch verbindliche internationale Abkommen über den Schutz des Klimas initiiert. Preispolitik: Keine Subventionen für fossile Energie In den vergangenen fünfzig Jahren förderte die Politik fossile Energieträger und Atomenergie z.B. durch Gesetzgebung und Subventionen. Damit greift die Politik massiv in den Markt ein und behindert die Verbreitung kostengünstiger, effizienter Technologien im Bereich erneuerbarer Energien. Eine korrigierte Energiepreispolitik allein wird die globale Erwärmung nicht verhindern. Als Teil einer umfassenderen Strategie jedoch ist sie unerläßlich, da sie Investitionsentscheidungen beeinflußt. Folgende Maßnahmen führen im FFES zur Umgestaltung des Energiesystems: - Einführung einer Energiesteuer, die zunehmend die tatsächlichen Kosten der durch fossile Brennstoffe und Atomenergie verursachten Schäden berücksichtigt. Bisher werden diese Kosten (z.B.Gesundheitsschäden, Waldsterben, Luftverschmutzung) der Allgemeinheit aufgebürdet. - Eine schrittweise Erhöhung des Energiepreises auf ein Niveau, das mindestens zweimal über dem heutigen Erdölpreis liegt. - Förderprogramme für die Entwicklung erneuerbarer Energien, wie sie in Deutschland, Großbritannien, Italien, Holland, Dänemark und verschiedenen amerikanischen Bundesstaaten bereits gewährt werden. - Verpflichtung der Energieversorger, umweltschonende, erneuerbarer Energien zu angemessenen Preisen zu verkaufen. Einige Unternehmen in den USA ( z.B. Bonneville Power, Sacramento Municipal Utility und Pacific Gas und Electric (PG&E)) gehen mit gutem Beispiel voran. - Änderung der Verordnungen, innerhalb derer die meisten Gas- und Elektrizitätsgesellschaften agieren. Finanzielle Anreize für den Verkauf von mehr Gas oder Elektrizität darf es nicht mehr geben. - Streichung der Subventionen für die Fossilbrennstoffe und Atomindustrien, die sich allein in den USA jährlich auf 44 Milliarden Dollar belaufen (Preise 1984). Auch die Steuerfreibeträge für Erdöl- und Erdgasexplorationen sowie eine Reihe anderer Zuschüsse, z. B. Steuererleichterungen für Firmenautos, sind aufzuheben. - Keinerlei staatliche Finanzierung mehr für Forschung und Entwicklung im Bereich fossile Brennstoffe und Atomenergie, ausgenommen Mittel für Sicherheits- oder Stillegungsmaßnahmen. Energiemarkt: Bessere Chancen für Alternativen Neben einer neuen Energiepreispolitik ist eine Marktregulierung nötig, damit die Monopolstellung der Energiekonzerne aufgebrochen wird. In den USA, Japan und den meisten westeuropäischen Ländern funktioniert die Kontrolle bei Baunormen, Geräteleistung und Sicherheit. Genauso wesentlich ist sie zur Förderung einer größeren Energieeffizienz. Die politischen Maßnahmen dazu lauten: - Neue, an Effizienz orientierte, bindende Energiestandards für Geräte, Kraftfahrzeuge, Gebäude, Industriemotoren und Technologien. Staatlich festgesetzte Standards sind in Ländern wie Deutschland, Japan und USA bereits wirksam. - Integrierte Ressourcenplanung (IRP): Die Gas- und Elektrizitätswirtschaft müssen verpflichtet werden, vor dem Bau neuer Kraftwerke den finanziellen Aufwand zu projektieren (einschließlich Umweltkosten), mit den Kosten für Maßnahmen zur Effizienzverbesserung und/oder zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu vergleichen und der kostengünstigeren Variante den Vorzug zu geben. - Finanzierungsprogramme für DSM (Demand Side Management), das sich stärker an Dienstleistungen für den Kunden orientiert. Bisher machten die Energieversorgungsunternehmen (EVU) dann Gewinne, wenn viel Energie verkauft wurde. Ein ständig steigender Energieverbrauch erschien wünschenswert, Energiesparen hingegen "schadete" den EVU. Mit der neuen Managementmethode von DSM bieten die EVU ein Service-Paket an, das dem Kunden hilft, den Energieverbrauch einzuschränken. Für diese Beratung kommt der Kunde auf, der zum Ausgleich weniger Geld für Energie aufwenden muß. So bringt Energiesparen beiden Seiten, Anbietern und Kunden, Nutzen und trägt gleichzeitig zur CO2-Reduktion bei. DSM-Ausgaben verdoppeln sich in den USA von 3,1 Milliarden Dollar jährlich auf etwa 7 Milliarden bis zum Jahr 1995. Ausgaben zwischen 10 bis 20 Milliarden Dollar jährlich wären wirtschaftlich und würden das Klima schützen. Integrierte Ressourcenplanung und DSM sind heute in den USA an der Tagesordnung, werden in Europa in Ländern wie Holland, Dänemark und Norwegen zunehmend eingeführt und in Polen sowie der Tschechischen Republik aktiv gefördert. - Kaufprogramme nationaler und lokaler Behörden, d.h. Starthilfe für Effizienztechnologien und Solaranlagen, damit diese sich auf dem Markt behaupten können. - Gründung von Zentren für Effizienztechnologien und erneuerbare Energien im früheren COMECON (ehemaliger Wirtschaftsverbund in Osteuropa) und in vielen südlichen Ländern, in denen fast keine Daten über Energieverbrauch, Energiepreise und Geräte bzw. Anlagen verfügbar sind. Forschung: Alternativen nicht zum Nulltarif Für den schrittweisen Ausstieg aus dem herkömmlichen Energiesystem ist auch ein Umdenken in der Energieforschung und -entwicklung notwendig. Das zeigt schon ein Blick auf die Etats der Mitgliedsstaaten der Internationalen Energieagentur: Nur 12,5 Prozent ihres Jahresbudgets 1990 in Höhe von 7,675 Millionen Dollar waren für erneuerbare Energien und Energieeinsparung bestimmt. Mehr als 70 Prozent indessen verschlangen Förderprogramme für fossile Brennstoffe und Atomenergie. Alle Fördergelder für die Forschung und Entwicklung im Bereich fossiler Brennstoffe und Atomenergie müssen umgelenkt werden in erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Transport und Verkehr: Maßnahmenbündel Eine Umstrukturierung des Energiesektors kann vor dem Transportsystem nicht haltmachen. 19 Prozent der CO2-Emissionen stammen direkt aus den Auspuffrohren der Fahrzeuge. Im Verkehrsbereich steigen die CO2-Emissionen schneller als in allen anderen Bereichen. Zu den erforderlichen Maßnahmen gehören eine integrierte Transportplanung, autofreie Innenstädte, verbindliche Standards für den maximalen Benzinverbrauch, die Förderung alternativer Kraftstoffe und der weitere Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Der Spritverbrauch ist drastisch zu senken und die Fahrzeuganzahl zu beschränken. Allmählich werden Fahrzeuge eingeführt werden, die keine fossilen Kraftstoffe benötigen. Nord-Süd: Gefälle überwinden Obwohl die Kohlenstoffemissionen im Süden rasch zunehmen, bleibt der Norden Vorreiter: Die wenigen Industrienationen verursachen mehr als die Hälfte des gesamten Kohlenstoffausstoßes; in den kommenden vierzig Jahren wird diese Menge noch erhöhen. Eine Milliarde Menschen, hauptsächlich auf der Südhalbkugel, verfügt nur begrenzt über Energie zum Kochen, Heizen, Beleuchten und Transportieren. Gerade diesen Menschen bürdet der Norden die Hauptlast seiner unheilvollen Klimaaktivitäten auf. Beispielsweise würden sich die Wüsten im nördlichen Afrika, in Arabien und Zentralasien um hunderte Kilometer ausdehnen. Der Teufelskreis beginnt sich zu drehen, wenn die Armut, so schlimm sie schon für die Leidenden ist, noch das Umwelt-Desaster verschärft. An eine durchgreifende Umweltpolitik ist nicht zu denken, solange die Mehrzahl der Regierungen um das Überleben ihrer Bewohner kämpfen muß. Die Industrieländer des Nordens haben für eine Korrektur der weltweit ungleichen Verteilung der Ressourcen zu sorgen. Außerdem ist es notwendig, daß sie zu einer globalen, umweltverträglichen Entwicklungspolitik beitragen, die die Fehler der Industrieländer nicht wiederholt. Die Enquête-Kommission zum Schutz der Erdatmosphäre empfiehlt deshalb: "Die absehbaren Klimaänderungen werden bisher weit überwiegend von den Industrieländern verursacht. Mit Blick auf die Folgen für das Klima ist die bisherige Wirtschaftsweise nicht verallgemeinerungsfähig; ihre Nachahmung durch die Entwicklungsländer würde die Risiken ökologischer Katastrophen erhöhen. Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, klimavertägliche Wirtschaftsformen zu finden und zu verwirklichen, in denen kein Land mehr zu Lasten anderer Länder, zu Lasten der Nachwelt und zu Lasten der natürlichen Mitwelt wirtschaftet. Folgende Maßnahmen sind in der Nord-Süd-Politik erforderlich: Schuldenerlaß für den Süden Eine entscheidende Maßnahme wäre die Erleichterung der Schuldenlast. Die Verschuldung des Südens beläuft sich derzeit auf 1,4 Billionen Dollar. Die dem Süden abverlangten Tilgungs- und Zinszahlungen ziehen ein Nettokapital von jährlich etwa 50 Milliarden Dollar vom Süden in den Norden ab. Diese enorme Schuldenlast macht vielen Ländern schon die Ernährung ihrer Bürger unmöglich. Sie können sich auf keinen Fall Investitionen in Effizienztechnologien und erneuerbare Energien leisten, selbst wenn dadurch langfristig Einsparungen erzielt würden. Weltbank muß umdenken Die Weltbank gibt jährlich direkt drei bis vier Milliarden Dollar für Energieprojekte aus und finanziert Kredite in Höhe von 20 Milliarden Dollar. Diese Kredite werden hauptsächlich für riesige Staudämme, Kohlekraftwerke und Straßen verwendet, also für umweltschädigende "Mammutprojekte" ineffizienter Energienutzung. Weniger als ein Prozent der Gelder sind für Effizienztechnologien und kleine Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie bestimmt. Die Förderung dieser beiden Energiequellen sollte aber zu einem wesentlichen Kriterium der Geldvergabe werden. Darüber hinaus müssen die großen multilateralen Entwicklungsbanken ihre Politik endlich an Umwelt-und Klimabelangen orientieren. Kein Export von Technologiemüll Der Norden verkauft seine ausrangierten, umweltzerstörenden Technologien gern (und billig) in den Süden. Diese Exporte von Technologiemüll müssen unbedingt verhindert werden - mit finanzieller Unterstützung für die Zielländer und mit Gesetzen. Den Entwicklungsländern ist der Zugang zu neuen, umweltschonenden Technologien zu erleichtern. Damit würden sich die Möglichkeiten jener Länder verbessern, eigene, angepaßte Technologien zu entwickeln. Internationale Abkommen: Wo ein Wille ist... Auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Juni 1992 einigten sich 150 Staaten per Unterzeichnung einer "Klimakonvention" darauf, "die Treibhausgas Konzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, auf dem ein gefährlicher, vom Menschen verursachter Wandel des globalen Klimas noch verhindert werden kann." Leider ist dieses nicht mehr als eine Willensbekundung. Das Vertragswerk verlangt von den Unterzeichnern lediglich, die Emissionen auf den Stand von 1990 einzufrieren - ohne zeitliche Vorgaben. So ist die Konvention nur als erster Schritt zu betrachten und dringend durch eine Verpflichtung der Unterzeichner zur CO2-Reduktion zu ergänzen. Wenn eine neue Energiepolitik tatsächlich vorangetrieben werden soll, müssen strenge Protokolle über Energieeffizienz und erneuerbare Energie ausgehandelt werden. Diese würden den Unterzeichnerstaaten massive Auflagen machen und sie zu einer Umsetzung der Maßnahmen in einem festgelgten Zeitraum verpflichten. Eine Beteiligung der Schwellen- und Entwicklungsländer ist unerläßlich. Internationale Energieagenturen: Neuer Wind Keine der etablierten internationalen Energieagenturen läßt sich von Umweltbelangen leiten. Internationale Organisationen fördern Erdöl (OPEC), Kohle (Internationale Energieagentur) und Atomkraft (Internationale AtomenergieOrganisation). Transnationale Gesellschaften machen sich für Öl, Kohle, Gas und Atomenergie stark. Es besteht keine entsprechende internationale Organisation für Effizienztechnologien und erneuerbare Energien. In den letzten zehn Jahren beliefen sich die Energiekredite multilateraler Entwicklungsbanken wie der Weltbank auf insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar. Weniger als ein Prozent der Weltbank-Darlehen für Energie entfiel auf die Förderung eines effizienteren Energieverbrauchs und dies, obwohl solche Investitionen rentabler sind als Aufwendungen für neue Energieangebote. Greenpeace befürwortet die Gründung einer neuen internationalen Agentur für die Entwicklung und Förderung von erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien: TREEs (Technologies for Renewables and EnergyEfficiency). Die Agentur TREEs könnte als Zentralstelle für Energiekredite, Forschung und Entwicklung, Technologieaustausch, Ausbildung und Information dienen. Sie würde auch gewährleisten, daß die Vereinten Nationen, Entwicklungsbanken und andere Organisationen Maßnahmen ergreifen, um die CO2 Emissionen drastisch zu senken. Eine in Industrieländern erhobene Abgabe von einem Dollar auf jede Energieeinheit (entspricht einem Barrel) nicht erneuerbarer Energie würde Jahreseinnahmen von mehr als 50 Milliarden Dollar für die Finanzierung einer solchen Agentur einbringen. Kosten Keine Mehrkosten für das neue Energiesystem Natürlich sind ökonomische Analysen über einen Zeitraum von hundert oder mehr Jahren mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Dennoch läßt sich zeigen, daß die Kosten des fossilfreien Energieszenarios niedriger, eventuell gleich hoch sind wie die Ausgaben für eine Fortsetzung der gegenwärtigen, weltweiten Energiepolitik. Die Verbraucher bezahlen möglicherweise mehr für eine Energieeinheit, benötigen aber weniger Energie für die gleiche Beleuchtung, Heizkraft und Mobilität. Das FFES ist bei der Einführung neuer Technologien in den nächsten zwanzig oder dreißig Jahren zurückhaltend, um den finanziellen Rahmen in Grenzen zu halten. Es berücksichtigt nur Technologien, die wirtschaftlich gewinnbringend oder zumindest nicht mit erheblichen Mehrkosten verbunden sind. Der Schwerpunkt liegt auf erprobten, marktnahen Technologien. Windenergie beispielsweise ist heute in günstigen geographischen Lagen bereits wirtschaftlich, die Nutzung von Sonnenenergie hingegen rentiert sich nach diesem Modell erst zwischen den Jahren 2010 bis 2015. Das Boston Centre des Stockholm Environment Institute bewertete über 100 Studien über die potentielle Senkung des Energiebedarfs und der Kohlendioxidemissionen. Dazu gehörten die amerikanischen Studien "America's Energy Choices" und "Energy, Efficiency, Developing Nations and Eastern Europe" sowie die europäische Studie "Energy and Climate Change". "America's Energy Choices" zeigt, daß die CO2 Emissionen bis 2030 um 70 Prozent herabgesetzt und dadurch 2,3 Milliarden Dollar eingespart werden können. "Energy Efficiency, Developing Nations and Eastern Europe", eine amerikanische Studie, kommt zu dem Schluß, daß eine effiziente Energienutzung bis zum Jahr 2025 den kumulativen Kapitalbedarf in Osteuropa und im Süden von 4.657 Milliarden auf 2.320 Milliarden Dollar weltweit und von 7.785 Milliarden auf 4.111 Milliarden Dollar vermindern würde. "Energy and Climate Change" befaßt sich mit den fünf größten westeuropäischen Ländern und projektiert für das Jahr 2020 CO2-Reduktionen bis zu 58 Prozent. Daraus ergeben sich für den Verbraucher Einsparungen zwischen zwei und 27 Prozent gegenüber heute. Greenpeace-Berater Paul Waide gab die Daten in ein makroökonomisches Modell ein, das Brennstoffpreise, Einkommen und den damit verbundenen Energiebedarf errechnet. Das Modell sieht vor, daß alle Mittel aus staatlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungsprojekten für Atomenergie und fossile Brennstoffe abgezogen und auf erneuerbare Energien und Effizienztechnologien verlagert werden. Weiter werden strenge Vorgaben für eine CO2-Reduktion, Standards für Energieeffizienz und eine Kohlenstoffsteuer vorgeschlagen, die innerhalb von 65 Jahren von 17,20 auf 150 Dollar pro Tonne ansteigt. Eine Besteuerung der Atomenergie ist nicht mehr nötig, da diese ab 2010 ausläuft. Die gesamten Energiekosten sind im FFES niedriger als in herkömmlichen Energieszenarien. Außerdem fallen im FFES die hohen Kosten der durch fossile Brennstoffe verursachten Umweltschäden weg. Damit werden umfangreiche Mittel für Investitionen in Effizienztechnologien frei. Der Einsatz regenerativer Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz ist nicht mit Mehrkosten verbunden, wie die Studien zeigen. Externe Kosten: Was kostet ein Menschenleben? Externe Kosten sind monetarisierbare (in Geld bewertbare), negative Effekte, die nicht in die wirtschaftlichen Kalkulationen der Energieproduzenten und -verbraucher eingehen und insbesondere nicht in der Preisbildung enthalten sind.16 Was wir heute für Energie (Sprit-, Heiz-öl-, Stromrechnungen) bezahlen, spiegelt nicht annähernd die tatsächlichen Kosten wider, die mit dieser Energienutzung verbunden sind. Für die Ausgaben, die durch Waldsterben, Gebäudeschäden, Luftverschmutzung und Klimaveränderung entstehen, zahlen nichtdiejenigen, die diese Schäden verursachen. Beispiel Treibhauseffekt: Bis zum Jahr 2030 wird der Treibhauseffekt die Menschheit 907 Billionen Dollar kosten, so das 1992 veröffentlichte Ergebnis der Studie "The Costs of Climate Changes", die von der Brüsseler EGKommission beim Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Auftrag gegeben wurde. Schäden an bebauten und unbebauten Ländereien durch den ansteigenden Meeresspiegel bezifferten die Forscher mit 2,9 Billionen Dollar, Sturmschäden mit 200 Milliarden Dollar und das Sinken der Agrarproduktion mit 550 Milliarden Dollar. Wenn man die Kosten für die in den nächsten Jahrzehnten auftretenden Schäden heute auf die Verursacher umlegen wollte, dann müßten diese je Tonne ausgestoßenes CO2 485 Dollar mehr bezahlen. Dadurch würde sich der Strompreis verachtfachen und der Benzinpreis verdoppeln. Allein die Deutschen müßten für die Klimafolgen jährlich 520 Milliarden Mark aufbringen. Die Berechnung und Bewertung von externen Kosten im Detail ist schwierig. Wieviel ist der Erholungswert des Waldes wert? Welchen Preis hat eine aussterbende Tierart? Wieviel kostet ein Menschenleben? Daß die "Internalisierung dieser externen Kosten" aber eine Vervielfachung der bisherigen Energiepreise bedeuten würde, ist unumstritten. Ausblick Über das Modell hinaus Greenpeace bat das "Stockholm Environment Institute" und andere Berater, verschiedene Varianten des FFES zu erarbeiten. Diese Varianten ergeben sich aus unterschiedlichen Annahmen: geringeres Wirtschaftswachstum, langsamere Bevölkerungsentwicklung, veränderter Lebensstil weg von Quantität und hin zu Qualität, verschiedene Kosten für Energieträger und unterschiedlich schnelle Einführung von Effizienztechnologien. Folgende Annahmen wurden in acht Varianten des FFES verändert: - ein um 20 bzw. 35 Prozent vermindertes Wirtschaftwachstum - ein wirtschaftlicher Strukturwandel (weniger Schwerindustrie, mehr Dienstleistungen) - niedrigere Weltbevölkerung (6,4 bzw. 8 Milliarden Menschen, statt 11 Milliarden) - die langsamere Einführung von Effizienztechnologien - ein niedrigerer Energieverbrauch pro Kopf. Auf der Basis dieser Annahmen wird global wesentlich weniger Energie verbraucht - mit bedeutsamen Effekten: Die Bodenfläche, die bis zum Jahr 2100 für die Erschließung erneuerbarer Energie bereitgestellt werden muß, sinkt von den veranschlagten neun Prozent der Wälder, Wiesen und des Kulturlandes auf weniger als drei Prozent. Die Kohlenstoffemissionen können schneller reduziert werden - und zwar um annähernd 60 Prozent bis zum Jahr 2030. Der kumulierte Kohlenstoffausstoß der Jahre 1988 bis 2100 sinkt auf 284 Milliarden Tonnen. Allein diese Angaben legen dar, wie grundlegend ein schnelles Handeln ist. Wird dagegen die Geschwindigkeit der Einführung von Effizienztechnologien um ein Drittel herabgesetzt, erhöht sich der Kohlenstoffausstoß um 27 Prozent auf fast 400 Milliarden Tonnen bis zum Jahr 2100. Ökologische Grenzen respektieren Energie ist die Grundlage des Lebens. Ohne die Sonnenwärme wäre der Planet Erde kalt und unbelebt. In den vergangenen 200 Jahren koppelten sich die Menschen zunehmend von den natürlichen Sonnenenergieströmen ab, um auf immer größere Mengen endlicher Ressourcen wie fossile Brennstoffe und Uran zu bauen. Diese jedoch belasten die Erde und ihre Bewohner in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Der Raubbau an den Ressourcen zerstört die Ökosysteme und bedroht die Lebensgrundlage aller Lebewesen. Die Erde gibt, was die Lebewesen brauchen, in Hülle und Fülle, aber nur, wenn die ökologischen Grenzen respektiert werden. Das Überschreiten dieser Grenzen, also die leichtsinnige Verschwendung von Energie, stellt das Überleben zukünftiger Generationen in Frage. Der Energiehandel ist ein Milliardengeschäft, an dem einige der weltweit größten und mächtigsten internationalen Gesellschaften beteiligt sind. Die Auswirkungen dieses Geschäfts auf die Umwelt werden von den Gesellschaften, die sie verkaufen, und von den Staaten, die wirtschaftlich davon abhängen, nicht oder kaum beachtet. Das muß sich ändern, sonst wird die Zukunft in noch stärkerem Maße als heute von chaotischen Klimaänderungen, Atomunfällen, Waldund Artensterben und der Bedrohung unserer Gesundheit geprägt sein. Das heutige Energiesystem ist unzeitgemäß, es basiert auf einer extremen Ungleichheit. Ein Viertel der Weltbevölkerung im Norden verschleudert knapp zwei Drittel der weltweit kommerziell produzierten Energie. Der Norden muß seinen Lebensstil ändern und der Energieverschwendung Einhalt gebieten. Die Energie in Industrie, Büros, Haushalten und Transportsystemen kann problemlos auch intelligent eingesetzt werden. Wahrer Fortschritt beginnt, wo mit einem Minimum an Energie ein Maximum an Nutzen gewonnen wird. Der Ausstieg aus Atomenergie und fossilen Brennstoffen ist an der Zeit. An die Stelle dieser umweltzerstörenden Energiegewinnung können sofort erneuerbarer Energiequellen treten. Eine effizientere Energienutzung verlangt neue Technologien, neue Industrieinfrastrukturen und neue soziale Systeme. Mit angemessener Unterstützung seitens der Politik können diese unerschöpflichen Energiequellen in Zukunft den weltweiten Energiebedarf zu vernünftigen Preisen decken. Wird die Wahl der erneuerbaren Energien mit Bedacht getroffen, ist mit nur geringen Schäden für die Umwelt zu rechnen. Gigantische Staudämme oder Monokulturaufforstungen, wie sie die Politiker favorisieren, sind nicht tragbar. Die Zerstörung des globalen Ökosystems, z.B. durch weitere Abholzung, darf sich nicht fortsetzen. Alternativen in Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Industrie müssen auf vernünftigen Grundsätzen beruhen und die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigen. Jahrzehnt der Entscheidung Ziel der Entwicklung ist die weltweite Angleichung der Lebensqualität und eine Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Dadurch würde ein geringeres Wachstum der Weltbevölkerung erzielt und der Energiebedarf sich verringern. Die Menschheit hat im Verlauf ihrer Geschichte wiederholt und mit enormen Konsequenzen für Umwelt und Lebewesen von einer schädlichen Energiequelle zur nächsten gewechselt: vom Holz zur Kohle, von der Kohle zum Erdöl. Obwohl die tatsächlichen Umwälzungen in der Energieversorgung Jahre in Anspruch nehmen, fällt die Entscheidung zur Umstellung meist innerhalb relativ kurzer Zeit. Wir brauchen ein "Jahrzehnt der Entscheidung". Die Welt steht am Scheideweg. Die rapide Zerstörung von Ökosystemen, schwindende Rohstoffvorräte und eine Belastung der Atmosphäre, der die Menschheit zum Opfer fallen könnte, prägen den Alltag. Selbst wenn man die (ganz realen) Möglichkeiten einer Klimaveränderung ausklammert, bestehen zwingende Gründe für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und Atomenergie: schwindende Ressourcen, Luftverschmutzung, Gewässerverunreinigung, radioaktive Verseuchung, Verbreitung von Atomwaffen, wachsende Atommüllberge sind die zu lösenden Probleme. Greenpeace ist überzeugt, daß bei der Planung der Energieversorgung die ganz reelle Gefahr einer Klimaveränderung berücksichtigt werden muß. Umweltschonende Energie ist für den Schutz der Erde und ihrer Bewohner unerläßlich. Die Risiken, mit Energie weiter zu prassen wie bisher, sind viel zu groß. Ein Leben ohne fossile Brennstoffe und ohne Atomenergie ist möglich. Und wenn die Bewohner der Erde die Atmosphäre und damit ihre eigene Zukunft schützen wollen, dann gibt es keine andere Wahl. Literaturliste Sean McCutcheon: Flüsse unter Strom - Megawattdrama James Bay/Kanada, Raben Verlag München, 1992 Al Gore: Wege zum Gleichgewicht der Erde, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M., 1992 Ein klimaverträgliches Energiekonzept für Gesamtdeutschland - ohne Atomstrom, Greenpeace Studie, 1991 Enquête Kommission: "Schutz der Erdatmosphäre" des 12. Deutschen Bundestages, 1. Bericht, Economica Verlag, Bonn, 1992 Heinfried Wolff, Klaus Masuhr, Jan Keppler: Die externen Kosten der Energieversorgung, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, 1992 Reiner Klingholz, Hartmut Graßl: Wir Klimamacher S. Fischer Verlag, Frankfurt/M., 1990 Least-Cost Planning - Der Weg zum Umbau unseres Energieversorgungssystems, Greenpeace Studie, 1992 Meadows, Donella und Dennis: Die neuen Grenzen des Wachstums, Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart, 1992 Eva Müller: Das Ende der Ölzeit - Strategie für eine saubere Wirtschaft in Deutschland, Fischer Taschenbuch Verlag, 1993 Rosenkranz/Meichsner/Kriener: Die neue Offensive der Atomwirtschaft, C. H. Beck Verlag München, 1992 Dieter Seifried: Gute Argumente: Energie C.H. Beck Verlag München, 1991 Solar Energy Research Institute et al: The Potential for Renewable Energy An Interlaboratory White Paper Golden Co. March, 1990 Stockholm Environment Institute-Boston Center: Towards A Fossil Free Energy Future - The Next Energy Transition, A Technical Analysis for Greenpeace International, 1993 Gerd Rainer Wagner: Unternehmung und ökologische Umwelt, Verlag Franz Vahlen München, 1990 Ernst U. von Weizsäcker: Erdpolitik - Ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1990 Öko - Institut Freiburg/Br.: Energiereport Europa S. Fischer Verlag, Frankfurt/M., 1991 Mc Gowan 1989, T.: "Energy Efficient Lighting", Electricity: Efficient End-Use and new Generation Technologies and their Planning Implications. Lund University Press, Lund, Sweden, 1989