Politikverdrossenheit 1. Definition Sammelbegriff für die Haltung der Bürger in Bezug auf politische Aktivitäten und Strukturen, Institutionen oder Politikern, in dem Vorbehalte, Misstrauen und Ablehnung zum Ausdruck kommen, u.U. resultierend in Desinteresse und Ablehnung von Politik und politischem Handeln. 2. Ursachen 2.1. Politiker - Faktoren, die den Bürger abschrecken • • • • • • • Fehlende Identifikation der Jugendlichen mit Politikern, aufgrund deren hohen Alter Unehrlichkeit der Politiker gegenüber den Bürgern Ausweichantworten Dreckige Geschäfte - Skandale Art des Redens Mangelnde Bürgernähe Eigeninteresse der Politiker 2.2. Parteien • • • nur Parteien besitzen auf Landes- und Bundesebene das Recht Kandidaten nach dem Verhältniswahlrecht aufzustellen →nur Parteien bestimmen Durchschnittsalter der Parteien zu hoch →junge Menschen fühlen sich von älteren nicht gut repräsen0ert nicht Einhalten von Wahlversprechen (Bsp. Schröder 1998: „Arbeitslosigkeit unter 3,5 Mio.“) 2.3. Regierungssystem die Ursachen sind einerseits in der Arbeit des Bundestages zu sehen und andererseits in der Arbeit von Regierung und Verwaltung: • • • • • • Viele Vorgänge und Prozesse in der Politik sind für den Normalbürger zu kompliziert (fehlender Durchblick z.B. bei Einwanderungsrecht/Steuerrecht, nur Spezialisten oder wer sich intensiv damit beschäftigt, erfasst komplizierte Zusammenhänge - teilweise hervorgerufen durch die verkomplizierte Ausdrucksweise der Politiker und der meisten Gesetzestexte) „Reformstau“ - Politik reagiert zu langsam auf aktuelle Anforderungen Eigeninteressen der Politiker, d.h. dass sie sich beeinflussen lassen und somit anders entscheiden, Wählerinteressen treten in den Hintergrund (z.B. durch Lobbyisten im Bundestag (RauchverbotSteuerausfälle. schadstoffarme Fahrzeuge – Umwelt, Autoindustrie, Tourismus - Fliegen), Unternehmen – Wirtschaft, Gewerkschaften…) Fehlentscheidungen (Probleme wie Arbeitslosigkeit hat die Politik trotz langjährigen Versuchen kein wirksames Mittel vorzuweisen) fehlende Bürgernähe, um auf entsprechende Wünsche oder Bedürfnisse eingehen zu können, - Bürger können auf Bundesebene keinen direkten Einfluss auf Politik nehmen – Plebiszit, direkte Bundespräsidenten Wahl wurde immer wieder auf Bundesebene gefordert aber wegen den schlechten Erfahrungen in der Weimarer Republik abgelehnt Bürger fühlen sich ohnmächtig und entmündigt, gewählte Abgeordnet könnten bestimmte Vorgänge und daraus resultierende Zwänge erläutern und Entscheidungen rechtfertigen, Abgeordnete sind mit zu vielen Nebensächlichkeiten beschäftigt, sitzen in irgendwelchen Vorständen, Aufsichtsräten usw., fehlen bei Sitzungen des Bundestages zu häufig, nehmen den Wählerauftrag nicht ernst genug 2.4. Medien • • besitzen vermittelnde, verbindende Stellung zwischen Politik, Parteien auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite und damit eine große Mitverantwortung (Macht) Objektivität, Fingerspitzengefühl und Art und Weise der Veröffentlichung entscheiden in großem Umfang die Wirkung der Berichterstattung und somit sie öffentliche Meinungsbildung Merkmale: • • • Tendenz zu überwiegend negativen Berichterstattung z.B. Politiker werden schlecht gemacht Skandale werden groß hervorgehoben und stark auseinandergepflückt - führt zu Vertrauensverlust in die Politik (Schwarzgeldaffären - Konten/Kohl) teilweise oberflächliche Berichte z.B. zum Privatleben von Politikern - Vorbildfunktion von Politikern wird zerstört Medien „machen“ Politik zur Unterhaltung 3. Lösungsansätze • • • • • • • • • • • • gerechte Behandlung der Menschen Korruption (Finanzskandale, Korruptionsaffären) in Politik und Wirtschaft muss abgeschafft werden mehr Verantwortungsbewusstsein der Politiker in ihren Ämtern Jugend mehr in Politik einbeziehen (z.B. „Wählen mit 16“; „Plauener Jugendparlament“) ehrliche Politik (einhalten von Wahlversprechen) Abbau von zu viel Bürokratie beschleunigen des Gesetzgebungsprozesses Schaffung von Arbeitsplätzen und Lehrstellen politischen Bildungsstand erhöhen verantwortungsbewusstere Berichterstattung der Medien (größte Informationsquelle) Einführen von Volksentscheiden auf Bundesebene „Verjüngung“ der Politik (junge Menschen fühlen sich durch ältere nicht repräsentiert) mehr Engagement der Bevölkerung (Bürgerinitiativen, Jugendparlament) mehr Transparenz, bessere Möglichkeit zur Identifizierung mit den Zielen von Parteien/Abgeordneten 4. Zusammenfassung – Fazit Politikverdrossenheit gibt es nicht: – es ist ein Sammelbegriff für – Politikerverdrossenheit Parteiverdrossenheit Demokratieverdrossenheit Politikerverdrossenheit: beschreibt eine Stimmung in der Bevölkerung, die durch Gleichgültigkeit und Ablehnung in Bezug auf politische Probleme und Programme gekennzeichnet ist Parteiverdrossenheit: dazu kommt es, wenn die Parteien Bürgererwartungen ungenügend erfüllen und z.B. dauerhaft ihre Wahlversprechen brechen Demokratieverdrossenheit: entsteht, wenn die Demokratie Bürgererwartungen ungenügend erfüllt, wenn es beispielsweise an Mitwirkungsmöglichkeiten fehlt und wenn unangenehme, scheinbar undemokratische Entscheidungen getroffen werden - und nicht den Erwartungen der Mehrheit entsprechen Denn 1. sollten wir uns nicht verdrießen lassen, was uns gehören (Politik u. Demokratie) sollte. Denn 2. ist NIE der Staat schuld, sondern diejenigen, die ihn machen (lassen). Denn 3. ändert sich durch Gejammer nichts, sondern immer nur durch Aktivität. Politikverdrossenheit ist also nur ein Schlagwort (aus der öffentlichen Diskussion) – Gefahr für die Demokratie bieten nur die 3 obigen Begriffe (z.B. durch Aufschwung extremer Parteien)