Psychotherapie narzisstischer Patienten Claas-Hinrich Lammers Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll Sylt St. Georg (Hamburg) Falkenstein Ini Hannover Bad Griesbach Narzissmus Persönlichkeitsvariable Persönlichkeitsstörung In milder Ausprägung und bei günstigen Umweltbedingungen sind narzisstische Persönlichkeitszüge funktional Narzisstische Persönlichkeitszügen verursachen bei deutlicher Ausprägung Leiden Dimensionales Modell Subtypen der NPS: Grandios versus Vulnerabel Grandios (offen und unbeirrt) Vulnerabel (verdeckt und hypervigilant) • Grandiose Selbstdarstellung • Minderwertigkeitsgefühle, Selbstzweifel • Sucht Bewunderung von anderen • Hypervigil und -sensitiv gegenüber Kritik • Arrogant, selbstsicher, aggressiv auf- und Zurückweisung tretend • Eher schüchtern und bescheiden auftretend • Ausgeprägter Empathiemangel • Vermeidet im Zentrum der Aufmerksamkeit • Will im Zentrum der Aufmerksam keit stehen • Verführerisch, in Beziehungen ausbeutend zu stehen • chronischer Neid, oberflächliche Empathie • fühlt sich leicht gekränkt, beschämt • Abhängigkeit wird nicht ertragen und Partner werden narzisstisch benützt Lerntheorie der Narzisstischen PS Model 1. Inkonsistente Erziehung Erfahrung in der Lerngeschichte: - Vernachlässigung oder inkonsistente Verstärkung ohne sichere Bindung - Narzisstischer bzw. emotionaler Missbrauch durch die Eltern: bedingte statt unbedingte Wertschätzung - Positive Verstärker überwiegend für besondere Eigenschaften oder Leistungen; Keine Verstärker für individuelle Interessen und Neigungen - Negative Verstärkung für Vermeidung von Schwächen, Probleme, Normalität Lerntheorie der Narzisstischen PS Model 2. (Prinz/Prinzessin) Erfahrung in der Lerngeschichte: - Nicht responsive, unkonditionale Belohnung bzw. positive Beachtung - Niedrige Frustrationstoleranz, da der Umgang mit Misserfolgen nie gelernt wurde und keine Grenzen gesetzt wurden - Häufig Probleme bei der zunehmenden Konfrontation mit einer außerhäusigen Realität Drei Formen des pathologischen Narzissmus • Narzissmus auf neurotischem Niveau • Narzissmus auf Borderline-Niveau • Maligner Narzissmus bzw. Psychopathie (Kernberg, 2006) 22. Januar 2016 6 Credo Moderne Therapiekonzepte können nicht mehr einzelnen Schulen zugeordnet werden Die Prinzipien einer allgemeinen Psychotherapie können und sollten theoretische Grundlage moderner Therapiekonzepte sein 22. Januar 2016 7 Wirkfaktoren der Psychotherapie • Problemaktualisierung (prozessuale Aktivierung) • Klärung (Intentionsveränderung) • Problembewältigung (Intentionsrealisierung) • Ressourcenaktivierung (Klaus Grawe, 1996) Therapieziele • Die Stabilisierung und positive Gestaltung von Beziehungen • Angemessene Balance zwischen Anspruch und Leistung • Verfolgung persönlicher Interessen i.S. von Hobbies bzw. lustvollen und selbstberuhigenden Tätigkeiten und freundschaftliche Beziehungen 22. Januar 2016 9 Beispiel für Problem- und Zielanalyse Problemanalyse •innere Leere •Gefühle von Minderwertigkeit und Angst, insbesondere bei Kritik •Größenideen (in der Realität und Fantasie ) •Kontrolle und Macht ausüben •Perfektionismus •Opposition •Gefühl verkannt zu sein •hohe Kränkbarkeit Zielanalyse •mehr sinnvolle Aktivitäten= weniger Gefühle von innerer Leere •Fähigkeit Beziehungen zu gestalten •soziale Kompetenz / Selbstvertrauen •realistisches Selbstbild Strategien der Therapie Grundpfeiler der Therapie • Therapeutische Beziehung • Klärung und Bearbeitung der doppelten Selbstwertregulation • Analyse und Umsetzung adaptiver Bedürfnisse • Emotionsregulation von Scham, Einsamkeit, Ärger bzw. Wut • Interaktionsanalysen insb. mit Perspektivwechsel • Soziales Kompetenztraining inkl. prosozialer Aktivitäten Therapiephasen • Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, Problem- und Zielanalyse • Klärung und Bearbeitung der doppelten Selbstwertregulation; und vermiedener adaptiven Bedürfnissen • Veränderungsorientierte Arbeit an dysfunktionalen Kognitionen und Verhaltensweisen 22. Januar 2016 12 Mögliche positive Ereignisse (in der Therapie) •Korrektive Leistungen bzw. Erfolge •Korrektive Desillusionierungen •Korrektive Beziehungen (Ronningstam et al., 1995) 22. Januar 2016 13 Die häufigsten Fehler in der Psychotherapie narzisstischer Patienten • Direkte Konfrontation oder Kritik der grandiosen Seite • Fokussierung auf die grandiose Seite unter Vernachlässigung der vulnerablen Seite und der Ressourcen • Eine kompetitive und kontrollierende Haltung des Therapeuten • Ein passiver Therapieansatz, welcher von der Fähigkeit der Patienten ausgeht, eigenständig Lösungen zu entwickeln 22. Januar 2016 14 Die therapeutische Beziehung • Konzeption als Arbeitsbeziehung (insb. zur Aufrechterhaltung bzw. Schaffung von Motivation) • Konzeption als Problemaktualisierung in der therapeutischen Beziehung (Übertragung) • Konzeption als Modell für den Patienten 22. Januar 2016 15 Die Passung In der Psychotherapieforschung gibt es den Begriff der Passung (Orlinsky et al. 1994). Passen müssen: •Behandlungsmodell und Störungsmodell •Patient und Therapeut •Patient und Behandlungsmodell •Störung und Therapeut 22. Januar 2016 16 Therapeutische Arbeitsbeziehung Diese Arbeitsbeziehung kann man unter Berücksichtigung von drei Ebenen konzeptualisieren: •Übereinstimmung in Zielen (Arbeitsbündnis) •Übereinstimmung in Aufgaben (Arbeitsbündnis) •Affektive Beziehung (Bindung) (Bordin, 1975) 22. Januar 2016 17 Therapeutische Beziehung • Empathisch und validierend • Engagiert, flexibel, offen • Problemaktualisierung in der therapeutischen Beziehung (Übertragung) • Therapeutische Selbstenthüllung • Ressourcenaktivierung • Komplementäre Beziehungsgestaltung • Empathische Konfrontation 22. Januar 2016 18 Beziehungsgestaltung und Wirkfaktoren der Psychotherapie • Problemaktualisierung (prozessuale Aktivierung) • Klärung (Intentionsveränderung) • Problembewältigung (Intentionsrealisierung) • Ressourcenaktivierung (Klaus Grawe, 1996) Arbeit mit und an der therapeutischen Beziehung (Übertragung) Problemaktualisierung In der therapeutischen Beziehung werden die Probleme des Patienten aktualisiert (z.B. Scham und Wut bei Patienten mit NPS). Klärung In der therapeutischen Beziehung werden die interaktionellen Probleme analysiert Problembewältigung Der Patient lernt neue Verhaltensweisen in seiner Beziehung zum Therapeuten. Der Patient lernt das Ertragen von Nähe. Ressourcenaktivierung Durch die therapeutische Beziehung werden Ressourcen aktiviert. Arbeit mit und an der therapeutischen Beziehung (Übertragung) • Metakommunikation • Klärungsprozess (insb. biographische Arbeit) • Kontingente persönliche Rückmeldung • Verhaltensänderung 22. Januar 2016 21 Doppelte Selbstwertregulation Grandioses Selbst (kompensatorisches Schema) überheblicher Stolz, Selbstidealisierung, Distanzierung Anspruchshaltung, Perfektionismus, Ärger/Wut Vulnerables Selbst (maladaptives Schema) Scham, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Innere Leere (Kohut, 1976; Kernberg, 1978; Sachse et al., 2011; Young et al., 2008 u.v.m.) Arbeit an der doppelten Selbstwertregulation Negative Konsequenzen Beziehungsschwierigkeiten, Einsamkeit, berufliche Misserfolge, hohes Stressniveau, Burn-Out, Krisen mit Suizidalität u.v.m. Bewältigungsstrategien (grandioses Selbst) Selbstidealisierung, Anspruchshaltung, Kontrollverhalten, Distanzierung, Perfektionismus, Abwertung, Ärger, Aggression, Empathiemangel u.v.m. Maladaptives emotional-kognitives Schema (vulnerables Selbst) Grundannahmen („Ich bin schlecht und nicht liebenswert“, „Ich bin einsam und alleine“, „Ich bin ein Nichts“ /maladaptive Emotionen (Scham, Einsamkeit, Innere Leere) Verborgene adaptive Bedürfnisse • Zugehörigkeit, Geborgenheit, Kontakt • Kreative Selbstentfaltung, Ruhe, Entspannung 22. Januar 2016 23 Die doppelte Selbstwertregulation 22. Januar 2016 24 Die doppelte Selbstwertregulation 22. Januar 2016 25 Die doppelte Selbstwertregulation 22. Januar 2016 26 Die doppelte Selbstwertregulation 22. Januar 2016 27 Arbeit an der doppelten Selbstwertregulation • Schemaklärung • Bedürfnisanalyse • Schemabearbeitung 22. Januar 2016 28 Adaptive Bedürfnisse • Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Gemochtwerden, Geborgenheit • Bedürfnis nach kreativer Selbstausdruck, Entspannung, Spiel 22. Januar 2016 29 Arbeit an Scham • Therapeutische Beziehung • Klärung und Psychoedukation • Identifikation selbstabwertender Kognitionen • Arbeit mit Teilen (insb. 2-Stuhltechnik) • Emotionsregulatorische Techniken • Verhaltensänderung 22. Januar 2016 30 Ärger, Wut, (Selbst)Hass • Problematisierung des Verhaltens; Funktionalität für implizites negatives Selbstbild (Bekämpfungsfunktion) • Reduktion von Stress und Anspannung Stressreduktionstraining (z.B. Achtsamkeit, Yoga, PMR) • Akutstrategien bei Ärger und Wut - Time-out-Strategie - positive Selbstverbalisierung - Entspannungstechniken Ärger, Wut, (Selbst)Hass • Ärgerimpfungstraining • Korrektur dysfunktionaler Grundannahmen und entsprechender kognitiver Prozesse • Soziales Kompetenztraining für entsprechende Situationen • Analyse von primären Emotionen und Emotionsregulation problematischer primärer Emotionen Veränderungsorientierte Arbeit • Adaptive Bedürfnisse und Ziele • Soziale Interaktionsanalysen (insb. Perspektivwechsel) • Individuelles soziales Kompetenztraining • Training prosoziale Aktivitäten 22. Januar 2016 33 Soziales Kompetenztraining für Narzissten Interaktionsanalyse Soziales Kompetenztraining für Narzissten • Perspektivwechsel/Empathietraining • Verhaltensmodifikation (z.B. zuhören, andere loben, Interesse äußern, von eigenen Problemen berichten) Selbstwertgefühl Erfolg Selbstwert = Anspruch Selbstwertgefühl Erfolg Selbstwert = Anspruch Innere Leere, Langeweile, Sinnlosigkeit • Intrinsische Motivation - Anreiz aus Tätigkeitsvollzug, nicht aus Zielen - selbstbestimmt aufgrund Interesses - Lernen, um Kompetenzen zu erwerben • Extrinsische Motivation - Anreiz durch Erfolgserlebnisse - von außen bestimmtes Interesse - Lernen, um Erfolg zu haben 22. Januar 2016 38 Innere Leere, Langeweile, Sinnlosigkeit Was ist «Sinn» ? 22. Januar 2016 39 Innere Leere, Langeweile, Sinnlosigkeit - Durch überwiegend extrinsische Motivation Vernachlässigung von Bedürfnissen nach - kreativer Selbstverwirklichung, Ruhe und Entspannung - Freundschaften, sozialer Einbindung 22. Januar 2016 40 Erfolglose bzw. gescheiterte narzisstische Patienten Häufigste Fehldiagnose: Chronische Depression Erfolg Selbstwert = Anspruch Schlechte Prognose für die Psychotherapie! (Sachse et al., 2011) Indikatoren einer schlechten Prognose • Junges Alter • Dissoziale und paranoide Züge • Im Vordergrund stehende Arroganz und deutliche Schwierigkeiten, mit dem Therapeuten eine Beziehung einzugehen • Berufliches Versagen • Aggressivität und (Selbst)Destruktivität • Substanzabhängigkeit • Sekundärer Krankheitsgewinn (Kernberg, 2006) Literatur Rainer Sachse „Klärungsorientierte Psychotherapie der narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ Claas-Hinrich Lammers „Psychotherapie narzisstischer Patienten “ 22. Januar 2016 43 Psychotherapie narzisstischer Patienten Claas-Hinrich Lammers Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll Sylt St. Georg (Hamburg) Falkenstein Ini Hannover Bad Griesbach